Pirna, sächsisches Tor zur Nationalen Schweiz?

Die Stadt zeigt sich nicht nur im Vorfeld einer Demonstration gegen Rechtsextremismus in der Region überfordert

Pirna, das vielbeschriebene Tor zur Sächsischen Schweiz, ist eine altehrwürdige Stadt mit verwinkelten Gässchen und einigen historischen Sehenswürdigkeiten. In der jüngeren Geschichte machte die Region um das malerische Städtchen allerdings mehr durch braune Farbkleckse in der politischen Landschaft auf sich aufmerksam.

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Im Wahlkreis Sächsische Schweiz 1 erzielte die NPD bei der Wahl zum Sächsischen Landtag 11,8 Prozent und im Wahlkreis Sächsische Schweiz 2 noch höhere 15,1 Prozent der Zweitstimmen (Rechter Aufbau Ost – NPD im Sächsischen Landtag). Die NPD-Direktkandidaten konnten in beiden Wahlkreisen mit 11,8 Prozent (Uwe Leichsenring) und 16,2 Prozent (Johannes Müller) jeweils das drittbeste Stimmresultat nach den CDU- und PDS-Direktbewerbern auf sich vereinen. Leichsenring (“Natürlich sind wir verfassungsfeindlich. Wir wollen eine andere Gesellschaftsordnung.“) ist Beisitzer im NPD-Bundesvorstand, Geschäftsführer des NPD-Kreisverbandes Sächsische Schweiz, Mitglied im Kreistag und Abgeordneter des Sächsischen Landtages. Müller, 1992 aus der CDU aus- und 1998 in die NPD eingetreten, ist ebenfalls Kreistagsmitglied, Sebnitzer Stadtrat, Mitglied im sächsischen NPD-Landesvorstand und nunmehr auch Abgeordneter des Sächsischen Landtags.

In Pirna gibt es zudem den seit geraumer Zeit für Nazi-Vertriebsstrukturen bekannten Laden “Eagle“, der die Szene unter anderem mit Rudolf-Hess-Shirts sowie RAZIST-Markung versorgt und die mittlerweile verbotenen Thor-Steinar-Kleidungsstücke im Angebot hatte. Gegen Geschäfte wie “Eagle“ und deren Verbindungen zu regionalen Nazi-Strukturen richtet sich seit einiger Zeit die Initiative Schöner leben ohne Naziläden. Deren Demonstrationsauftakt fand am 25. September 2004 in Chemnitz statt und wurde dort von gut 200 Rechtsextremisten gewalttätig bedrängt.

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Am 27. November nun sollte in Pirna eine Fortsetzung der Kampagne gegen regionale Nazi-Strukturen folgen. Aber in Pirna ist durchaus einiges anders als anderswo. Im Vorfeld der Demonstration warnte Pirnas Oberbürgermeister Markus Ulbig (CDU) vor Steine- und Flaschenwerfenden sowie brandschatzenden Vermummten in den engen Straßen der Stadt. Geschäftsinhaber wurden durch das Ordnungsamt aufgefordert, eventuelle Auslagen, Blumenkübel und Präsentationsstände von den Gehwegen zu entfernen und Ladenfenster sowie -türen zu sichern. Durch die Stadtverwaltung wurden anliegende Autobesitzer gebeten, ihre Fahrzeuge wegzufahren, “um eventuellen Schäden an ihnen vorzubeugen“. Nicht zuletzt meldeten Rechtsextremisten für den Tag eine eigene Gegendemonstration an.

“Wir können von Glück reden, wenn dabei nur ein paar Scheiben zu Bruch gehen“, orakelte Bernd Merbitz, ehemaliger Soko-Rex-Chef Sachsens und jetziger Leiter der Polizeidirektion Grimma. Das politische Anliegen der Antifa-Demonstration geriet so nie in den Vordergrund der Diskussion, obwohl von der Mitorganisatorin Kerstin Köditz, PDS-Landtagsabgeordnete, stets die Gewaltlosigkeit des Anliegens betont wurde.

Im Vorfeld des 27. November rief eine sich militant gebärdende Gruppe “White Wenndy“ zu einer “Intifada gegen antideutsche Dummheit“ auf. “Bei Antifa-Terror auch mal zuhauen“, lautete eine anderweitige Parole von Rechtsextremisten für den Tag. Leichsenring, obwohl entsprechende Kontakte stets verneinend, betonte im Kreistag, die rechtsextreme Demonstration könne durch ihn binnen einer Stunde abgesagt werden, wenn “Schöner leben ohne Naziläden“ nicht stattfinde. Für sein Engagement erhielt er Beifall quer durch alle Fraktionen.

“Es macht uns wütend und zugleich traurig, dass im Protest gegen ’Naziläden’ von den Initiatoren und Verantwortlichen dieser Demonstration offensichtlich von vornherein Gewalt in Kauf genommen wird“, so der Vorsitzende des CDU-Stadtverbandes, Konrad Schleicher. Der Kreisverband von Bündnis 90/Die Grünen lehnt die Demonstration gegen Rechtsextremismus in der Region ebenso ab. Der Pirnaer Oberbürgermeister betonte, das Problem lasse sich “nicht wegdemonstrieren“. Acht der 13 PDS-Ratsmitglieder drohten gar mit Parteiaustritt und verlautbarten, sich “für die PDS-Landtagsabgeordneten, die den Protest beantragten“, zu schämen. Kurz vor dem Demonstrationstermin wurde publik, dass seitens der Rechtsextremisten auch Angriffe mit Buttersäure in Erwägung gezogen wurden.

Der Sprecher der bundesweiten Kampagne, Peter Sonthofen, erklärte angesichts der Bedrohungen: “Wir sind über die aktuellen Gewalt- und Hasstiraden der Neonazis in der Sächsischen Schweiz nicht verwundert. … Die Neonazis … zeichnen sich durch eine besonders aggressive Brutalität und ideologische Gefasstheit aus.“ Man sei allerdings trotz alledem gewillt, “offensiv und entschlossen gegen den neonazistischen Alltag in Pirna“ zu demonstrieren.

Obwohl sich die sächsische Kleinstadt mit ihrem gerade eröffneten Weihnachtmarkt und einem zeitgleich stattfindenden Weihnachtsmanntreffen quasi im Ausnahmezustand befand, verlief der Tag bezüglich der prognostizierten Ausschreitungen eher unspektakulär, abgesehen von kurzzeitigen Rangeleien unter polizeilichem Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray. Die rund 700 Demonstranten – Polizeiangaben sprechen von 600 und die Organisatoren von 1.500 Teilnehmern – verweigerten die von Köditz als “schikanös“ bezeichneten Kontrollen, zudem unter anderem das Tragen von Sonnenbrillen als Bestandteil von Vermummung eingestuft wurde.

So durfte der Demonstrationszug schließlich nur eine kleine Runde in der unmittelbaren Bahnhofsgegend drehen. Allerdings auch erst, nachdem mitgeführte PDS-Wahlplakate mit einrasierten Runenzeichen (“Nazis raus aus den Köpfen“) von den Einsatzkräften auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft worden waren. Rund 200 Rechtsextremisten patrouillierten derweil in Gruppen durch die Straßen der Stadt. Fast schon wieder Alltag? Und Oberbürgermeister Ulbig erklärte nachträglich, dass er mit den Zielen der Demonstration gegen Rechtsextremismus “hundertprozentig“ einverstanden sei. Der Alltag hat Pirna wieder.

[Dieser Artikel wurde am 28. November 2004 bei Telepolis veröffentlicht.]

Niemand will es gewesen sein

Bei der Wahl zum Amt des sächsischen Ministerpräsidenten erhält der NPD-Kandidat mehr Stimmen, als die Fraktion Abgeordnete hat

Als im September bei der Wahl in Sachsen die NPD mit einem fast zweistelligen Ergebnis den Einzug in den Landtag erreichte (Rechter Aufbau Ost – NPD im Sächsischen Landtag), waren Politiker sowie Politikwissenschaftler sehr schnell mit der für sie beruhigenden Erklärung zur Stelle, das ’Problem’ NPD werde sich schon bald durch niveaulose Beschäftigung der Abgeordneten mit sich selbst von allein erledigen. Allein schon vor dem Wahlabend sollte diesen vorgeblich aufmerksamen Beobachtern der sächsischen NPD – und deren rechtsextremistischen Umfeldes aus beispielsweise so genannten Freien Kameradschaften – klar gewesen sein, dass ihr bürgerlich-konservativer Beruhigungsansatz bestenfalls wahrgenommen werden kann, aber mitnichten den wahren Gegebenheiten der sächsischen Politiklandschaft entspricht. Denn in Sachsen haben rechtsextremistische Losungen schon seit geraumer Zeit ihre durchaus willigen Ohren in der Mitte der Gesellschaft gefunden (Die Mitte der Gesellschaft?).

Gut zwei Monate nach der Wahl zum Sächsischen Landtag hat sich offenbart, wie hehre politische Absichtserklärungen zum Umgang mit der NPD im Hohen Haus aussehen können – bei der Wahl zum sächsischen Ministerpräsidenten. Dabei stand vorab außer Frage, dass der amtierende Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) das Amt auch weiterhin ausüben würde. Die letztendliche Wahl Milbradts – auch wenn er dafür zwei Wahlgänge benötigte, weil ein Teil der CDU-Fraktion ihm die Stimme verweigerte – trat dann allerdings eher in den Hintergrund.

Mit Uwe Leichsenring (“Natürlich sind wir verfassungsfeindlich“) hatte die NPD einen eigenen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten aufgestellt. Ein Gerichtsverfahren gegen den Beisitzer im NPD-Bundesvorstand und Geschäftsführer des Kreisverbandes Sächsische Schweiz wegen Unterstützung der mittlerweile verbotenen Skinheads Sächsische Schweiz (SSS) wurde vor einiger Zeit gegen Zahlung einer Geldstrafe eingestellt.

In einer so titulierten Grundsatzerklärung kündigte Leichsenring als “Ministerpräsidentenkandidat“ an: “Meine Regierung wird nicht bereit sein, sich darüber zu unterhalten, auf welche Art und Weise, wie viele Milliarden in ein künftig in weiten Teilen entvölkertes Sachsen investiert werden!“ Zudem forderte Leichsenring: “… nehmen Sie Vernunft an! Stoppen Sie den geistigen Bürgerkrieg gegen die nationale Opposition …“ Unter dem Anspruch “Wir sind das Volk! Wir sind ein Volk! Die Freiheitsimpulse der Wendezeit wiederbeleben!“ fabulierte Leichsenring letztlich seine Sicht der politischen Dinge: “Wer die innere Einheit nach der Vereinigung der BRD mit der zusammengebrochenen DDR wirklich vollenden will, muss zu allererst die nationale Identität der Deutschen wiederherstellen, die im bundesdeutschen Gesinnungsdschungel als Indiz für rechtsextremistisches oder gar neonazistisches Denken herabgewürdigt ist.“

Die Regierungskoalition im Sächsischen Landtag verfügt über 68 Sitze; davon besetzt die CDU 55 und die SPD 13. Die Oppositionsparteien sind bei Bündnis 90/Die Grünen mit 6, bei der F.D.P. mit 7 und bei der PDS mit 31 Abgeordneten vertreten. Die NPD nennt 12 Landtagssitze ihr eigen. Im Vorfeld der Wahl des Ministerpräsidenten war übrigens die PDS mit ihrem Ansinnen an CDU und SPD gescheitert, neben Stimmenthaltungen auch Nein-Stimmen auf den Wahlscheinen zu ermöglichen. In beiden notwendig gewordenen geheimen Wahlgängen erhielt der NPD-“Ministerpräsidentenkandidat“ am 10. November in Dresden jeweils 14 Stimmen.

Brauner Schatten auf dem Parlament

Nahezu mit Stimmauszählung erklärten BündnisGrüne, F.D.P., PDS und SPD ihre politische Unschuld hinsichtlich der zwei Mehr-Stimmen für den NPD-Kandidaten. Antje Hermenau (Bündnis 90/Die Grünen): “Alle Anstrengungen, die NPD politisch zu isolieren, werden damit konterkariert.“ Als “schlichtweg peinlich“ bezeichnete Holger Zastrow (F.D.P.) die 14 Stimmen für Leichsenring. Peter Porsch (PDS) sah einen “Schatten, der auf das gesamte Parlament geworfen wird“, und für den SPD-Abgeordneten Johannes Gerlach war “die Ministerpräsidentenwahl schlimmer als das Landtagswahlergebnis“.

Bliebe die CDU-Fraktion als Verdächtige für diesen NPD hofierenden Wahlausgang. Könnten Unzufriedenheit mit Wahlkampf und dessen Ausgang, könnten zudem Nichtbeachtung bei der Postenvergabe und letztendlich seit der Landtagswahl mehrfach beschriebene Zerwürfnisse zwischen Fraktion und Milbradt der Grund sein? Der Grund dafür, einen NPD-Ministerpräsidenten zu wollen – oder nur mal eben so ein wenig mit der Demokratie zu spielen?

“Dann muss man sich aber einmal die Verantwortung als Mandatsträger überlegen, und dann sind einige Abgeordnete ihrer Aufgabe nicht gewachsen“, resümierte die SPD-Landtagsabgeordnete Margit Weihnert. Die Sächsische Zeitung kolportierte in diesem Zusammenhang die Anregung des ehemaligen sächsischen Innenministers Heinz Eggert (MdL, CDU) für eine TV-Show vor dem Landtag namens “Ich bin doof. Lasst mich hier rein!“ Laut Eggert sei die Doofen-Quote allerdings längst erfüllt. Der Fraktionsvorsitzende der CDU, Fritz Hähle, konnte im Nachhinein des Wahl-Eklats keinen Anlass für eine “Gewissensforschung“ in den eigenen Reihen ausmachen. Zwischenzeitlich schloss Ministerpräsident Milbradt NPD-Wahl-Leihstimmen der CDU definitiv aus. Aber warum sollten gerade einige Abgeordnete des Landtages unbedingt außerhalb der mittlerweile viel zitierten rechtsextremen Mitte der Gesellschaft in Sachsen stehen?

Die NPD reagierte nahezu euphorisch auf den Wahlverlauf und bot umgehend “politisch heimatlos gewordenen Abgeordneten“ ihre parlamentarische Zusammenarbeit an. Im so genannten “Nationalen Forum“ jubelt die rechtsextreme Online-Gemeinde über “kostenlose PR“ und eine möglichen “Initialzündung“, die “auch andere dazu bewegen kann, sich der NPD – wenngleich auch erst mal vorsichtig – zu nähern“. Zumindest die Rechtsextremisten wissen – so darf durchaus unterstellt werden – um die Identität ihrer beiden Zusatzstimmen.

Die taz ist allerdings der Meinung, man müsse “nicht wissen, welche Abgeordneten so gehandelt haben, um ihre Vorbildwirkung zu fürchten“, und kommentiert dahingehend nicht zu Unrecht: “Wer achtlos NPD wählt, handelt nicht besser, als wer es absichtsvoll tut.“ Milbradt formulierte während seiner Vereidigung abschließend: “Ich bitte das Hohe Haus darum, mit der neuen Regierung kollegial zusammenzuarbeiten.“ Immerhin wurde der neue Ministerpräsident in Sachsen nicht mit den Stimmen der NPD gewählt.

[Dieser Artikel wurde am 13. November 2004 bei Telepolis veröffentlicht.]

Die unendliche Geschichte Half-Life 2

Mit gut einem Jahr Verspätung erscheint der von vielen lang ersehnte 3D-Ego-Shooter

Auf einschlägigen Websites wird schon seit langem auf den Tag X rückwärts gezählt und die Vorab-Test-Wertungen überschlagen sich regelrecht vor Euphorie. Wohl kaum hat es bisher ein Computerspiel geschafft, bereits weit vor seinem eigentlichen Erscheinen einen derartigen Hype zu fabrizieren. Am 16. November tritt – in Fortsetzung seines über acht Millionen Mal verkauften Vorgängers – Half-Life 2 weltweit in die Games-Arenen der Computerwelt. Falls nicht noch in quasi letzter Sekunde etwas Unvorhergesehenes dazwischen kommt. Denn bis zum sich jetzt abzeichnenden Happy End hat Half-Life 2 für mehr Furore gesorgt, als vielen lieb gewesen ist.

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Das groß angekündigte Go!-Half-Life 2 für den 30. September 2003 konnte durch Valve Software nach einem ominösen Source-Code-Diebstahl vom Server des Entwicklers nicht mehr realisiert werden. Valve und der Publisher Vivendi Universal Games machten in der Folge den Code-Diebstahl sowie anschließende FBI-Ermittlungen für die Verzögerungen bei der Veröffentlichung von Half-Life 2 verantwortlich. In einem aktuellen Interview antwortete Valve-Chef Gabe Newell auf die Frage: “Was lief während der Entwicklung schief?“ allerdings lediglich mit: “Die größte Katastrophe ist unsere anhaltende Unfähigkeit, Zeitpläne einzuhalten, wenn wir Termine bekannt gegeben haben … Das ist wohl das größte Problem, das wir haben.“

Der Datenraub mit Folgen von Mitte September 2003 zog damals nicht nur in der Gamer-Szene mehr oder weniger sachhaltige Verschwörungstheorien nach sich. Im Juli 2004 nahm das FBI dann mehrere Personen im Zusammenhang mit dem Online-Einbruch fest, dabei angeblich auch den Entwickler des Viren-Wurms Phatbot. Im Internet kursierte eine spielbare Alpha-Version von Half-Life 2 und ein erneut angekündigter Veröffentlichungstermin verstrich. Die Entwicklung des mehr als überfälligen Spiels ging weiter. Dann – mit Start des Preload von Half-Life 2 über die Valve eigene Online-Distributionsplattform Steampowered im August 2004 – kam auch noch ein schon seit gut zwei Jahren zwischen Vivendi und Valve schwelender Urheberrechtsstreit zum Ausbruch. Darin ging es um die Internetvertriebsrechte für den 3D-Ego-Shooter, in denen Vivendi das Vertreiben von Half-Life 2 durch Valve über Steam letztendlich verhindern wollte.

Aber nichts mehr soll Half-Life 2 aufhalten. Die bisherigen Entwicklungskosten wurden von Gabe Newell mit rund 40 Millionen Dollar beziffert – und Vivendi gab endlich auch offiziell den Release-Termin 16. November bekannt. Die nach wie vor erwartungsvoll ausharrende Gamer-Community lechzte mittlerweile schon regelrecht nach den ersten offiziellen Testergebnissen. Valve entschied sich pro Land für ein großes Spiele-Magazin, welches die spielfertige Endversion von Half-Life 2 vor anderen testen konnte. Wie der deutsche Ersttester PC Games betonte, geschah das ohne Einschränkungen, ohne Aufsicht und mit möglichen eigenen Screenshots. Angemerkt sei an dieser Stelle, dass es 1998 als kleine Revolution in der Spielbewertung gesehen wurde, als die Zeitschrift N Zone dem Konsolenspiel “Zelda – Ocarina of Time“ die bis dato höchste Wertung von 97 Prozent erteilte.

Jetzt bilanziert PC Games emphatisch: “Dieses Spiel braucht keine Wertung, sondern ein Denkmal!“ Bisher unerreicht in der Geschichte dieser Zeitschrift erhielt ein Spiel 96 Prozentpunkte. Auch PC Zone (UK) hatte vor Half-Life 2 noch nie 97 Prozent in einer Spielbewertung vergeben. Weitere Testresultate für Half-Life 2 gruppieren sich auf ähnlichem Wertungsniveau, teilweise jenseits davon, was für andere Spiele derzeit erreichbar scheint: PC Gameplay (NL) 90 Prozent, PC Gamer (UK) 96 Prozent, PC Format (UK) 96 Prozent, PC Zone (US) 97 Prozent sowie PC Gamer (US) mit 98 Prozent.

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Wenn man sich vor Augen hält, dass beispielsweise die PC Games-Testrechner mit 3,2 GHz, 2 GByte RAM und Radeon X800 XT konfiguriert waren, deutet sich nicht nur für Spielehändler ein wohl durchaus erträgliches Weihnachtsgeschäft an. Valve selbst stellt in PC Games Hardware die minimalen technischen Voraussetzungen für Half-Life 2 mit 1,2 GHZ, 256 MByte RAM und DirectX-7-Grafik dar. Um die bei Half-Life 2 verwendete Source-Engine letztendlich optimal mit allen Details spielen zu können, werden von PC Games mindestens 2,7 GHz, 1.024 MByte RAM und Radeon 9800 Pro empfohlen.

Während Half-Life 2 von der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) für die Bundesrepublik keine Freigabe nach dem Jugendschutzgesetz erhalten hat, könnte das Spiel in Australien gar mit einem Verkaufsverbot belegt werden. Wenn es nämlich durch die zuständigen Behörden als jugendgefährdend eingestuft wird, so wie es vor nicht all zu langer Zeit “Leisure Suit Larry: Magna Cum Laude“ ergangen ist. Für Verstimmung und ärgerliche Kommentare sorgte zwischenzeitlich die Ankündigung von Valve, dass bei der Installation von Half-Life 2 eine Online-Registrierung über Steam zwingend erforderlich sei. Auch eine eventuelle Verfilmung von Half-Life 2 ist im Gespräch.

Kurz vor dem Release-Termin – scheint sich Geschichte doch zu wiederholen? – kursierte das Gerücht, nach dem Half-Life 2 bereits im Internet aufgetaucht sei. Allerdings konnte für dieses Gerücht bisher noch keine Bestätigung ausfindig gemacht werden. Wie war doch gleich in einem der vielen Foren zu Half Life 2 zu lesen? “Also ich glaub’s dann aber doch erst, wenn ich’s in den Händen halte.“ Erst dann werden sich alle Interessierten auch selbst ein Urteil bilden und feststellen können: Welcome back Gordon Freeman. Marc Laidlaw, Autor und Spieldesigner bei Valve, orakelt derweil schon jetzt: “Es gibt im Vergleich zur Ausgangslage am Ende des ersten Spiels viel mehr Stoff für Half-Life 3.“

[Dieser Artikel wurde am 10. November 2004 bei Telepolis veröffentlicht.]