SSS-Anführer vor erneuter Anklage

Dresden. Wegen Rädelsführerschaft und Fortführung einer verbotenen Gruppierung hat die Staatsanwaltschaft Dresden erneut Anklage gegen einen der vormaligen Anführer der rechtsextremistischen Skinheads Sächsische Schweiz (SSS) erhoben.

Wie die Behörde bereits am 7. Dezember verlautbarte, wurde die Anklage gegen den 28-jährigen am 30. November anhängig. Der junge Mann war schon im ersten Prozess gegen die SSS zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Nunmehr droht dem rechtsextremistischen mutmaßlichen Wiederholungstäter der Widerruf seiner Bewährungsstrafe auf Grund der Mitgliedschaft in dieser kriminellen Gruppierung mit dem Vorwurf der Weiterführung der SSS.

Die seit Mitte der 1990er Jahre auch öffentlich äußerst aktiven Skinheads Sächsische Schweiz waren vom damaligen sächsischen Innenminister im Sommer 2001 verboten worden. Während der Prozesse gegen Mitglieder der SSS wurde dieser rechtsextremistische Personenzusammenschluss zudem als kriminelle Vereinigung eingestuft.

Erst im August 2006 war ein weiterer SSS-Rädelsführer wegen Mitwirken am Fortbestand der SSS zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt worden. Nachträglich wurden mittlerweile nach Angaben des leitenden Oberstaatsanwaltes Schär sechs Anklagen – unter anderem wegen des Vorwurfes des Vergehens gegen das Vereinsgesetz – erhoben. Bereits 2004 berichtete das Online-Magazin Telepolis wiederholt von nach wie vor fortwährenden Aktivitäten der Skinheads Sächsische Schweiz.

[Dieser Artikel wurde am 11. Dezember 2006 bei redok veröffentlicht.]

Günther Deckert ohne Reisepass

Karlsruhe. Bis zum 12. Dezember muss der vormalige NPD-Bundesvorsitzende Deckert seinen Reisepass hinterlegen. Wie dpa berichtet, will die Stadt Weinheim mit dieser Maßnahme “verhindern, dass der 66-Jährige zu der umstrittenen Holocaust-Konferenz Anfang kommender Woche in den Iran reist“. Die taz berichtete in diesem Zusammenhang, bezüglich der am 11. und 12. Dezember in Teheran stattfindenden Veranstaltung habe das Auswärtige Amt am 8. Dezember einen Vertreter der iranischen Botschaft in Berlin einbestellt.

Gegen die verfügte Pass-Hinterlegung hatte Deckert einen Eilantrag gestellt. Damit scheiterte er allerdings vor dem Verwaltungsgericht in Karlsruhe. Derzeit ist offen, ob Günther Deckert gegen die gefällte Entscheidung beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschwerde einlegen wird.

[Dieser Artikel wurde am 9. Dezember 2006 bei redok veröffentlicht.]

Razzia gegen “Sturm Oranienburg“

Potsdam/Oberhavel. Am 6. Dezember hat die Polizei bei Wohnungsdurchsuchungen in Oranienburg, Velten und Kremmen umfangreiches Beweismaterial gegen Mitglieder der rechtsextremistischen Kameradschaftsszene sichergestellt. So seien in den sieben diesbezüglich behelligten Wohnungen im Landkreis Oberhavel beispielsweise “Teleskopschlagstöcke, Baseballschläger, Wurfmesser, eine Armbrust sowie Fahnen“ beschlagnahmt worden. Die zuständige Staatsanwaltschaft Neuruppin ermittelt in dieser Hinsicht gegen sieben 18- und 19-jährige Jugendliche.

Veranlasst worden waren die Durchsuchungen vom Amtsgericht Oranienburg wegen eines möglichen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz, insbesondere das Uniformverbot. Berichten zufolge waren und sind die Beschuldigten im so genannten “Sturm Oranienburg“ involviert.

sturm_oranienburg
(Beredter Web-Auftritt der “Interessengemeinschaft Sturm Oranienburg §§“)

Öffentlich tritt diese rechtsextremistische Kameradschaft mit entsprechenden – einheitlich in altdeutsch gehaltenen – Schriftzügen und einem abgebildeten Adler auf Bekleidungsteilen und Basecaps in Erscheinung. “Dies lässt einen eindeutigen Rückschluss auf eine rechtsextremistische Gesinnung zu“, so verlautbarte es aus dem Schutzbereich Oberhavel der Brandenburger Polizei. Teilweise seien zudem Mitglieder dieser so genannten Freien Kameradschaft unter anderem wegen Staatsschutzdelikten und Gewalttaten bereits einschlägig polizeilich bekannt.

Wie eine “Antifaschistische Gruppe Oranienburg“ am Nachmittag des 8. Dezember auf indymedia mitteilte, habe der “führende Kopf“ des “Sturm Oranienburg“, Johann Meyer, “noch am Tag der Durchsuchungen … die Auflösung des Sturm Oranienburg“ verkündet.

(Letzte Aktualisierung: 08.12.2006)

[Dieser Artikel wurde ursprünglich am 7. Dezember 2006 bei redok veröffentlicht.]

Parteitag in Sachsen-Anhalt: NPD will Spitzeln ans Vermögen

Weddersleben. Ihren Landesparteitag hat die NPD Sachsen-Anhalt am 2. Dezember in Weddersleben (Landkreis Quedlinburg) abgehalten. Als Landesvorsitzender wurde Andreas Karl bestätigt. Laut Beschluss des Parteitags will die NPD solchen Vorstandsmitgliedern ans Privatvermögen, die für den Verfassungsschutz arbeiten.

Noch vor der Vorstandswahl beschlossen die Rechtsextremen, dass alle künftigen Vorstandsmitglieder eine schriftliche “Ehrenerklärung“ abgeben müssen, wonach sie nicht für den Verfassungsschutz oder einen “anderen Geheimdienst der BRD oder der Besatzer“ arbeiten. Über eine solche Erklärung hinaus müssen sich jedoch nach dem Willen des Parteitags alle gewählten Vorstandsmitglieder bei einem Notar verpflichten, “beim Bruch der Ehrenerklärung mit ihrem Privatvermögen bürgen zu müssen“.

Als Landesvorsitzender wurde Andreas Karl wiedergewählt, der sich gegen die Gegenkandidatin Carola Holz (Wolfen, Landkreis Bitterfeld) durchsetzte. Sie wurde anschließend zur stellvertretenden Landesvorsitzenden gewählt, als weitere Stellvertreter amtieren Andreas Kittner (Magdeburg) und Volkmar Neugebauer (Merseburg). Als Beisitzer im Landesvorstand fungieren Jens Bauer (Magdeburg), Matthias Heyder (Wernigerode), Henry Kurt Lippold (Hettstedt), Peter Machleid (Halle) sowie Judith Rothe (Sotterhausen). Dort ebenfalls stimmberechtigt ist Philipp Valenta in seiner Funktion des Landesvorsitzenden der Jungen Nationaldemokraten (JN).

Valenta, ehemaliger JN-Landesvorsitzender und stellvertretender NPD-Landesvorsitzender in Rheinland-Pfalz, wurde im April 2002 in Trier zu einem Arbeitseinsatz in einem Tierheim verurteilt, weil er in einem Kino eine Waffe getragen hatte. Im September 2002 verurteilte ihn das Amtsgericht Trier wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen; der damals 20-jährige Schüler Valenta hatte bei einer NPD-Party einen betrunkenen Gesinnungsgenossen geschlagen und getreten. Valenta wurde im November 2005 zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden der JN gewählt.

Mit dem Parteitag hat die NPD Sachsen-Anhalt die enge Zusammenarbeit mit Neonazi-Gruppen der so genannten “Freien Kräfte“ weiter vertieft. Laut Parteitagsbeschluss steht ab sofort im “öffentlichen Teil“ der NPD-Landesvorstandssitzungen “immer“ einem Vertreter der “Freien Kräfte“ Rederecht zu. Des weiteren wurde der jetzige Landesvorstand vom Parteitag aufgefordert, “die Volksfront mit den freien Kräften unbedingt zu stärken“.

Per Mehrheitsbeschluss gaben die Delegierten dem als “NPD-Mitglied“ bezeichneten Andreas Biere (Magdeburg) Rederecht auf dem Parteitag. Der als Kader der “Kameradschaft Festungsstadt Magdeburg“ bekannte Biere ließ sich laut Bericht auf der NPD-Webseite über die “Wichtigkeit des Volksfrontgedankens“ aus und gab seine Meinung zur vergangenen Arbeit des Landesvorstandes und “einiger seiner Mitglieder“ kund.

[Dieser Artikel (Olaf Meyer/Albrecht Kolthoff) wurde am 5. Dezember 2006 bei redok veröffentlicht.]

Eine letzte Verwarnung à la CDU

“Multi-Kulti-Schwuchteln“ als Unwort des Jahres? Beteiligt sich auch die CDU an der Abstimmung – oder nur noch dumpf-nationale Patrioten?

Als der Bundestagsabgeordnete Henry Nitzsche Ende des Jahres 2003 mit rassistischen Äußerungen gegenüber Muslimen erstmals auf sich aufmerksam machte, war er – trotz Bundestagsmandat – überregional ein noch nahezu politisch Unbekannter. Für seine dazumal “möglicherweise missverständliche ’Wortwahl’“ entschuldigte er sich sogar nachträglich. Nichts desto trotz wurde Nitzsche von der damaligen CDU-Vorsitzenden Angela Merkel sogar kritisiert. Aber auch seine schon vordem der sehr rechtskonservativen Zeitschrift Junge Freiheit gewährten politischen Einsichten hatten ihn nicht unbedingt aus seinem Hinterbänkler-Dasein heraustreten lassen.

In die relativ kurzfristig anberaumte Bundestagswahl im Herbst 2005 zog dann Henry Nitzsche bereits in einen CDU-Provinz-Wahlkampf von Rechtsaußen unter der bei weitem nicht nur von ihm allein bevorzugten politischen Kampf-Parole “Arbeit, Familie, Vaterland“. Offiziell wies Nitzsche zu jener Zeit allerdings erneut “jeden Bezug zu rechtsextremem Gedankengut“ von sich. Holger Apfel, jetziger Fraktionsvorsitzender der NPD im Sächsischen Landtag, zeigte sich im damaligen Wahlkampf bezüglich des Nitzsche-Mottos “erfreut … dass nun sogar unser Parteitagsmotto übernommen“ wurde.

Aktuell verkürzt der gern von seiner ganz eigenen Art des Patriotismus fabulierende Nitzsche – nach seinem erneuten Einzug in den Deutschen Bundestag – die Zeitspanne für keineswegs nur demokratisch-provokative Äußerungen mittlerweile reinweg um die Hälfte. Wie erst jetzt – durch den darauf bezogenen Rücktritt des CDU-Stadtvorsitzenden im sächsischen Wittichenau am 27. November – bekannt wurde, hat Nitzsche bereits im Juni des Jahres auf einer Diskussionsveranstaltung im ostsächsischen Lieske erneut tiefbraunes Wasser zu Brunnen getragen. Nitzsche habe auf dieser Veranstaltung ausgeführt, man brauche den Patriotismus, “um endlich vom Schuldkult runterzukommen“ und damit zu erreichen, dass “Deutschland nie wieder von Multi-Kulti-Schwuchteln in Berlin regiert“ werde. Der besagte zurückgetretene CDU-Stadtvorsitzende von Wittichenau, Staatsanwalt Ludwig Altenkamp, bezeichnete diese Äußerungen von Henry Nitzsche als “rechtsextrem“.

Durchaus politisch pikant ist zudem die Tatsache, dass bei dieser Veranstaltung auch der ehemalige sächsische Kultusminister Matthias Rößler (CDU) zugegen war. Rößler agiert seit 2004 als so betitelter Patriotismusbeauftragter der sächsischen Christlich Demokratischen Union, um “als Antwort auf den Einzug der NPD [in den Landtag von Dresden] das Thema Patriotismus in der sächsischen Union wieder stärker zur Geltung kommen zu lassen“.

Der CDU-Landesvorsitzende Georg Milbradt, in Personalunion auch Ministerpräsident, verwarnte Nitzsche inzwischen ob dessen Äußerungen. Für einen noch weiteren Wiederholungsfall sei Henry Nitzsche der Ausschluss aus der Partei angedroht worden. Berichten zufolge sollen Milbradt und auch Sachsens CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer vom Auftritt Nitzsches in Lieske bereits seit Juni informiert gewesen sein. Der Vorsitzende der sächsischen CDU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag Michael Luther erklärte derweil, er halte Nitzsche “nicht für einen Rechtsradikalen“. Zudem habe der ja unterdessen “seine Äußerungen im Vorstand der Landesgruppe und auch öffentlich bedauert“. Ihm sei darüber hinaus angeraten worden, “sich das künftig besser zu überlegen“ – wie auch immer dies gemeint sein mag. Damit sei, so Luther weiter, allerdings “für uns die Sache erst einmal abgeschlossen“. Nitzsche habe eben “manchmal die Tendenz, Dinge zu vereinfachen und sehr kräftig zu formulieren“, versuchte Michael Luther noch zu erklären.

Weniger zurückhaltend bilanzierte Sachsens vormaliger Innenminister Heinz Eggert: “Die Grenze des Erträglichen ist schon lange überschritten“ (Sächsische Zeitung). Michael Kretschmer bezeichnete Nitzsches Äußerungen immerhin als “dumm, unanständig und völlig inakzeptabel“. Zur – freilich nur unterstellten – Bedeutung und Rolle von Matthias Rößler in dieser Angelegenheit und darüber hinaus gibt es des weiteren kein offizielles Wort.

Offizielle Worte gab es derweil von der NPD. Öffentlichkeitsheischend bot Holger Apfel am 30. November einen NPD-Aufnahmeantrag an Henry Nitzsche dar: “Sie wissen sicherlich so gut wie ich, dass Sie mit Ihrer politischen Positionierung keine Zukunft in Ihrer Partei haben … Herr Nitzsche, schreiben Sie Geschichte und werden Sie erster Bundestagsabgeordneter der NPD!“. In verschiedenen Internet-Foren gilt “Multi-Kulti-Schwuchteln“ mittlerweile als einer der ersten Anwärter auf das Unwort des Jahres.

[Dieser Artikel wurde am 3. Dezember 2006 bei Telepolis veröffentlicht.]