Dynamo Dresden: Glückliches Gas sponsert Glücksbärchen-Arena?

Die Kassen beim sächsischen Vertreter in der 3. Liga sind bekanntlich ein wenig klamm. Jährlich gibt es deswegen mehr oder weniger heftiges Bangen um das Lizenzierungsverfahren für die nächste Spielperiode der SG Dynamo Dresden. Und die Diskussionen über eine letztendlich solide Finanzierung des Konstruktes Rudolf-Harbig-Stadion währen, eigentlich bereits seit den ersten Planungen der baulichen Rekonstruktion, aktuell nach wie vor an.

Erstbesucher des neuen Stadions in Dresden zeigen sich übrigens wegen der baulichen Gestaltung begeistert ob des Eindruckes der einrangigen Arena; andere Besucher wiederum sprechen mittlerweile von einem beliebigen Event-Tempel, ähnlich anderer relativ lieblos vor sich hin sprießender Stadionanlagen.

Gut, im Rudolf-Harbig-Stadion (RHS) präsentieren zur Zeit noch die Fans die Mannschaftsaufstellung ihres Teams. Eckbälle und Freistöße werden mitnichten durch eine Firma XY begleitunterstützt. Nach Torerfolgen folgen – wie in anderen Stadien der Republik mittlerweile fast durchgängig üblich und so zuweilen nicht minder peinlich – im RHS keine Wechsel-Ansagen à la ’Wir haben Was – Die Anderen Irgendwas – Danke – Bitte’. Die Atmosphäre im RHS hat nach wie vor schon noch etwas Eigenes, nicht zuletzt auch Dank der Ultras Dynamo, trotz des neuen Event-Tempels, trotz des unsäglichen Caterings, trotz alledem – einfach so, Rudolf-Harbig-Stadion in Dresden eben.

(…) Jetzt ist ein Name gefunden: Glücksgas-Arena. Man spricht von 250.000 Euro, dass sich das bayrische Energie-Unternehmen sein Engagement jährlich kosten lassen will. Dynamo reagierte (…) auf Nachfrage geschockt, wenn gleich sich keiner offiziell äußern wollte. Schließlich haben die Schwarz-Gelben mit den Namensrechten nichts zu tun.

Die Stadt Dresden schon eher. Die kann sogar ihr Veto einlegen, wenn der Name sittenwidrig wäre. Finanzbürgermeister Hartmut Vorjohann (…): “Wir kennen das Thema und finden den Namen nicht nur unglücklich gewählt, sondern sehen diese Sponsoren-Wahl sogar als einen Tritt vors städtische Schienbein.“ Vorjohann denkt dabei an die DREWAG, die als städtisches Unternehmen ein Konkurrent von Glücksgas ist: “Wir als Stadt haben maßgeblichen Anteil am Stadionbau und den Betreiberkosten. Doch die DREWAG selbst kann nicht als Namensgeber fungieren, weil Dynamo in der Stadt einfach zu sehr polarisiert.“ Und das Energie-Unternehmen fürchtet, eher einen Imageschaden zu nehmen, als dass mit einer DREWAG-Arena Kunden gewonnen würden.

Vorjohann schießt auch gegen den Dynamo- und Stadion-Vermarkter SPORTFIVE, der Glücksgas nach Dresden holen will: “Wenn diese Agentur keinen besseren Sponsor gewinnen kann und die Stadt so brüskiert, muss sie sich fragen, ob sie der richtige Vermarkter für die Arena ist.“ (…) [Dresdner Morgenpost, 25. November 2010]

[Dieser Artikel wurde am 25. November 2010 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

Pyrotechnik im Stadion: Offener Brief aus Chemnitz an den DFB

Mit einer durchaus nicht alltäglichen Überschrift wartete die Dresdner Morgenpost am 26. Oktober 2010 auf. So war in der dortigen Fußball-Rubrik zu lesen: “Offener Brief an den DFB: Chemnitz für Pyrotechnik in den Stadien! – Verein, Polizei, Ultras und Fanprojekt plädieren gemeinsam für ein kontrolliertes ‘Feuer frei’“.

Im zugehörigen Artikel heißt es dann unter anderem –

“(…) ’Pyrotechnik ist kein Verbrechen!’ – Seit vielen Monaten hallt dieser Ruf durch Deutschlands Fußballstadien. Weil der DFB in seinen Statuten verankert hat, dass das Abbrennen von Pyrotechnik in den Arenen von Hamburg bis München verboten ist, sind die Fans sauer.

Auch in Chemnitz macht sich dagegen Widerstand breit. In Deutschland bislang einmalig, haben sich zu diesem heißen Thema Vertreter des CFC, des Fanprojektes Chemnitz, der Ultragruppierung Chemnitz 99 und sogar der Polizei (!) in einem offenen Brief an DFB-Sicherheitsboss Helmut Spahn gewandt (…)

’Wir haben mit dem kontrollierten Abbrennen von Pyrotechnik in Chemnitz bislang sehr gute Erfahrungen gemacht’, sagt CFC-Marketingchef Sven-Uwe Kühn und erinnerte an die beiden Landesligapokalspiele der vergangenen Saison gegen Dynamo Dresden und Erzgebirge Aue, als die Chemnitzer Fans in einem abgesperrten Bereich vor ihrem Block mit Rauchfackeln für farbenfrohe Effekte gesorgt hatten.“

“’Pyrotechnik gehört als optisches Stilmittel seit Jahren zum Fußball dazu’, plädiert auch Ronny Licht, Sprecher der Chemnitzer Ultras, für ein ’kontrolliertes und authentisches Abbrennen im Block’. Licht weiter: ’Ein vernünftig gezündeter Bengalo ist weiter ungefährlicher, als im Stadion fünf Bier zu trinken.’

Der offene Brief wurde (…) Spahn bereits am 12. Oktober per Einschreiben zugestellt. Eine Antwort blieb er bislang schuldig …“

“(…) Wie wir erfahren haben, wird diese auch explizit nicht stattfinden.“ [Ultras Dynamo, ’Zentralorgan’, 6. November 2010]

Nichtsdestotrotz oder gerade deswegen wird über das Schreiben – das Ostfussball.com vorliegt – und der darin postulierten Anliegen in verschiedenen Fan-Kreisen und auch Online-Foren sehr wohl diskutiert.

Die Verfasser besagten Briefes an den DFB formulierten zudem deutlich ihre Absicht, das Schriftstück ab dem 25. Oktober 2010 der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, “um eine offene Debatte zu ermöglichen“.

Im Folgenden dokumentiert Ostfussball.com den offenen Brief aus Chemnitz und ist übrigens darüber hinaus der Meinung, damit – im Gegensatz zum schweigenden DFB – einen Beitrag zur allseitigen Bilateralität in der Sachdebatte zu leisten.

Offener Brief an den Deutschen Fußballbund

An: Leiter der Abteilung Prävention und Sicherheit des DFB, Helmut Spahn

Betreff: Offener Brief zur “Fan-Aktion“ im Rahmen des Heimspiels des Chemnitzer FC gegen den VfB Lübeck am 18.09.2010

Sehr geehrter Herr Spahn,

wir möchten uns heute aus gegebenem Anlass mit einem offenen Brief an den Deutschen Fußballbund wenden. Unser Thema soll die lang diskutierte Frage einer Teil-Legalisierung von Pyrotechnik in deutschen Fußballstadien sein. Daher wenden wir uns an Sie, als Leiter der Abteilung Prävention und Sicherheit beim Deutschen Fußballbund. Den aktuellsten Anlass sehen wir in der Kommunikation rund um das Heimspiel des Chemnitzer FC gegen den VfB Lübeck am 18.09.2010.

Die “Ultras Chemnitz ’99“ haben sich im Vorfeld dieses Spiels dialogisch mit der Ultragruppe aus Lübeck in Verbindung gesetzt. Beide Fangemeinschaften entwickelten die Idee eines gemeinsamen Intros zu diesem Spiel. Geplant war das Entzünden von mehrfarbigen Rauchfackeln beim Einlaufen der Mannschaften in einem abgesperrten Bereich im Heim- und im Gästeblock. Der Arbeitstitel dieser gemeinsamen Aktion lautete: “Ist die Kurve bunt – wird der Ball erst rund“. Diesen konstruktiven Dialog zwischen beiden Gruppen interpretierten alle Beteiligten als deeskalierende Maßnahme im Vorfeld des Spiels. Daher wurden die Jugendlichen in ihrem Anliegen unterstützt und eine Genehmigung dieser Fanaktion beim Deutschen Fußballbund beantragt. Diesem Antrag wurde leider nicht stattgegeben. Die geplanten Rauchfackeln entsprachen im Übrigen einer Kategorie, die nicht unter das Sprengstoffgesetz fällt und somit nicht anmeldepflichtig ist.

Grundsätzlich wurde seitens des DFB jedoch diesbezüglich Gesprächsbereitschaft signalisiert und auf einen späteren Zeitpunkt verwiesen. Diese Brücke der Kommunikationsbereitschaft möchten wir mit diesem Brief betreten.

Dahingehend sollen im Folgenden einige Erfahrungen einfließen, die wir im Chemnitz im Verlauf der letzten Jahre gemacht haben. Daraus sollen Anregungen abgeleitet werden, welche als Ausgangspunkt für eine breite Diskussion dieser Thematik dienen könnten.

Der “Chemnitzer Weg“ im Umgang mit Pyrotechnik begann mit einigen Aktionen, die sich vor dem Block der Chemnitzer Ultras abspielten. Dabei wurden Bengalfackeln mit gültiger BAM-Nummer gemäß der gesetzlichen Bestimmungen beim Einlaufen der Mannschaften kontrolliert abgebrannt. Im Vorfeld dieser Aktionen gab es Gespräche zwischen Ultras, Verein, Polizei und Ordnungsamt. Diese wurden vom Fanprojekt Chemnitz moderiert. Gemeinsam fand man Möglichkeiten, Pyrotechnik im Stadioninnenraum einzusetzen, ohne die Sicherheit der Stadionbesucher zu gefährden oder den Spielbetrieb zu beeinträchtigen. Somit wurden diese Aktionen im lokalen Kontext genehmigt. Nach und nach setzte sich so ein stetiger Prozess in Gang, welcher in einen dauerhaften und nachhaltigen Dialog zwischen Fans und allen beteiligten Institutionen mündete.

Nach einigen erfolgreichen Verläufen dieser Art entschied man sich einen weiteren Schritt zu gehen. Demnach war es den ultraorientierten Jugendlichen ein großes Bedürfnis, Pyrotechnik auch authentisch und gemäß ihrer spezifischen Jugend(fan)kultur im Block zu entzünden. Folglich suchte man gemeinsam nach Möglichkeiten, dies umzusetzen. Schnell wurde klar, dass diesbezüglich folgende Eckpunkte als unbedingte Voraussetzungen feststanden:

  • abgesperrter Bereich im Block
  • feste Zuweisung von Personen und Verantwortungsbereichen
  • ausschließliche Nutzung von Rauchfackeln, die nicht unter das Sprengstoffgesetz fallen
  • feste Zuweisung von Zeitpunkten vor oder nach dem Spiel, um den Spielbetrieb nicht zu beeinflussen

Basierend auf diesen Voraussetzungen wurden auch die weitegehenden Schritte genehmigt und erfolgreich umgesetzt. Im Rahmen des Sachsenpokalfinales zwischen dem Chemnitzer FC und dem FC Erzgebirge Aue gab es sogar eine gemeinsame Aktion auf beiden Fanseiten. Vor dem Hintergrund, dass die Fans beider Vereine eine Erzfeindschaft verbindet, ist dieser Akt des Dialoges vor dem Spiel sehr hoch einzuschätzen. Zudem kam es an diesem Tag zu keinen Zwischenfällen rund um das Spiel.

Aufgrund dieser positiven Erfahrungen im Umgang mit dem sinnvollen Einsatz von Pyrotechnik sind alle beteiligten Institutionen in Chemnitz von diesem Weg überzeugt und wollen diesen auch konsequent weitergehen. Sinnvoll meint hier, dass Fans dialogbereit sind, auch in Bezug auf Fanszenen und Institutionen, die sie ansonsten strikt meiden. Zudem sind die Fans am Spieltag aktiv an ihre Fankultur angebunden und eben nicht dem relevanten Spektrum zugeneigt. Weiterhin ist zu konstatieren, dass es seit Einführung der lokalen Genehmigungspraxis in Chemnitz keinerlei autonome Verwendung von pyrotechnischen Erzeugnissen auf Chemnitzer Seite gab.

Unser Ziel ist es, den Dialog weiter anzuschieben und diese Thematik noch breiter zu diskutieren. Dazu wäre es sinnvoll, sich die Rahmenbedingungen im Einzelnen vor Ort genau anzuschauen und konkrete Schlüsse daraus zu ziehen. Es ist uns klar, dass es nicht möglich sein wird, eine Art “General-Ermächtigung“ zu erteilen. Dazu sind die individuellen Bedingungen vor Ort zu heterogen. Wichtige Einflussfaktoren auf die Genehmigungspraxis, wie beispielsweise das Zuschaueraufkommen oder die Kommunikations-Strukturen am jeweiligen Standort, divergieren enorm. Aus diesem Grund wäre es aus unserer Sicht sinnvoll, die Genehmigungspraxis auch tatsächlich am Standort anzusiedeln und das Hausrecht der jeweiligen Heimatvereine als Manifest dieser Problematik anzuerkennen.

Wir möchten Ihnen zuerst die Möglichkeit geben, von diesem Brief Kenntnis zu nehmen. Ab dem 25.10.2010 soll er der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, um eine offene Debatte zu ermöglichen.

Wir verbleiben mit freundlichen Grüßen:

Chemnitzer FC: Peter Müller (Leiter der Geschäftsstelle)

Szenekundiger Beamter der Polizei Chemnitz: Wolfgang Rücker

Ultras Chemnitz 99: Ronny Licht

Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Chemnitz und Umgebung e.V. (Träger des Fanprojektes Chemnitz): Jürgen Tautz (Geschäftsführer)

Fanprojekt Chemnitz: Kay Herrmann (Projektleiter)

[Dieser Beitrag wurde am 10. November 2010 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]