Dynamo Dresden: Zappendusterer Stadionstreit

Es geht – wie so oft schon in der Vergangenheit des jetzigen Zweitligisten SG Dynamo Dresden (SGD) – um das liebe Geld für das nun nicht mehr ganz so neue Stadion an der Lennéstraße. Diesmal ist nur die Klaviatur ein wenig anders, düsterer?

Wie die Dresdner Morgenpost aktuell berichet, werde nunmehr der Stadionbetreiber, eine Tochterfirma des Bauherren HBM Stadien- und Sportstättenbau GmbH, vorerst das Flutlicht auf dem Kunstrasenplatz nicht mehr in Betrieb nehmen und ebenso das vormals beheizt plätschernde Entmüdungsbecken für die Spieler eher nur noch müde vor sich hin schlummern lassen.

Es ist “der vorläufige Höhepunkt eines zurzeit hinter den Kulissen erbarmungslos geführten Streites zwischen den juristischen Abteilungen beider Parteien. Laut MOPO-Informationen sollen die Schwarz-Gelben Verbindlichkeiten gegenüber der Stadion-Projektgesellschaft in Höhe von 1,5 Millionen Euro (!) haben. Davon sollen 700.000 Euro strittig sein (…) 800.000 Euro würde angeblich der Zweitligist nicht bezahlen, solange das erste Problem nicht geklärt ist“ (MoPo Dresden, 7. September).

Offenbar geht es bei alledem um unterschiedliche Auslegungen des Nutzungsvertrages für das Stadion. Während sich HBM-Geschäftsführer Axel Eichholtz zu den augenscheinlichen Zerwürfnissen offiziell nicht weiter äußert, betont Volker Oppitz, Hauptgeschäftsführer der SGD: “Wir haben keine Verbindlichkeiten“. Gleichzeitig stellt Oppitz dar, “dass aus der Saison 2009/2010 rund 360.000 Euro offen sind“. Von diesen 360.000 Euro wiederum glauben allerdings die Dresdner Dynamos, dass sie ihnen zustehen würden. Ob diese Auslegung der aufgemachten Rechnung auch wirklich zutreffend ist, wollte aus dem Dresdner Rathaus bislang niemand eilfertig bestätigen. “Dabei muss offenbar noch geklärt werden, wie die Einnahmen aus Business- und VIP-Tickets aufzuteilen sind“ (radiodresden.de, 7. September).

Vielleicht spielt nachfolgend auch die 40-Millionen-Euro-Bürgschaft der sächsischen Landeshauptstadt für die SGD nunmehr bald wieder eine Rolle? Fragen über Fragen – in Dresden business as usual?

[Dieser Artikel wurde am 7. September 2011 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

MedienScreen # 10 [In memory of Lutz Eigendorf]

[Fundstück] Frank Willmann: “Die Legende vom Eisenfuß“, jungewelt.de, 6. September 2011 –

(…) In der Spätphase der DDR kickten beim BFC Dynamo allerhand junge Männer mit entwickeltem Konsumdenken. Als staatlich anerkannte Amateure mit dickem Gehalt, die ausschließlich fürs Kicken bezahlt wurden, konnten gute Oberligaspieler durchaus mit einem Schlossermeister der PGH “Fröhliche Laubsägekunst“ mithalten. Wer einmal fett Kohle gesehen hatte, wollte selbstredend gern auch noch mehr davon. Spielerwechsel innerhalb der sozialistischen Staatengemeinschaft waren nur schwer möglich. Und welcher Spieler hatte schon Bock auf mongolische Melonen, tschetschenische Bohnensuppe oder rumänische Krautwickel? Die richtig harte Kohle und das ganze schicke Drumherum, das gab’s in Massen nur im Westen zu holen (…) Der goldene Westen lockte etliche Kandidaten, doch nicht alle hatten den Mut eines Lutz “Eisenfuß“ Eigendorf.

1956 in Brandenburg geboren, kam Lutz schon im zarten Alter von vierzehn zum BFC Dynamo (…) insgesamt kickte er 100mal in der DDR-Oberliga für den BFC. 1978 schoß er bei seinem Debüt in der Nationalmannschaft gleich zwei Tore. Ein Jahr später, am 20. März, nutze Lutz Eigendorf einen Stadtbummel durchs dröge Gießen, um sich von der Mannschaft des BFC Dynamo abzusetzen. Das DDR-Team war anläßlich eines Freundschaftsspieles gegen den 1. FC Kaiserslautern im Westen. Ob er während des Spiels von Kaiserslauterer Seite angeworben wurde, ist nur zu erahnen. Mielke soll getobt haben, als er von Eigendorfs Abgang erfuhr (…)

Nach Eigendorfs Flucht sperrte ihn die UEFA für ein Jahr wegen Vertragsbruchs. Während dieser Sperre arbeitete er in Kaiserslautern als Trainer. Als er endlich wieder Fußball spielen konnte, war ihm die alte Stärke verlorengegangen. Er wurde in Kaiserslautern nie glücklich und wechselte 1982 zu Eintracht Braunschweig. In Westdeutschland wurde er von knapp fünfzig westdeutschen MfS-Informanten bespitzelt. In den Stadien der DDR erscholl hinfort bei Spielen des vermeintlichen Stasiclubs BFC Dynamo der provokative Gesang “Wo bleibt denn der Eigendorf“ und trieb die Funktionäre auf die Palme.

In der Nacht des 5. März 1983 wurde Eigendorf bei einem Verkehrsunfall in Braunschweig schwer verletzt. Er starb zwei Tage später. Er hatte 2,2 Promill im Blut. Doch manche vermuteten einen MfS-Auftragsmord. Der Unfall wurde immer wieder aufgerollt. Anfang 2011 gab dann die zuständige Staatsanwaltschaft bekannt, es gebe im Fall Eigendorf keine objektiven Hinweise auf ein Fremdverschulden.

Nach seinem Unfalltod hatten die BFC-Fans Flagge gezeigt. Mit einem Spruchband gedachten sie beim nächsten BFC-Spiel ihres “Eisenfußes“. Ordner und Polizisten versuchten, das Spruchband zu konfiszieren, doch der BFC-Block verteidigte diese letzte Erinnerung bis aufs Blut.

[Dieser Beitrag wurde am 6. September 2011 bei Ostfussball.com publiziert.]