MedienScreen # 106 [Pyro Spotlight: Coca-Cola feat. UEFA EURO 2016]

[Fundstück] Marco Bertram, “’Euer Team braucht Euch!’ – Und angefeuert wird mit Rauch und Bengalen“, turus.net, 30. Mai 2016 –

Zugegeben, Werbespots von Coca-Cola interessieren mich nicht das viel zitierte Böhnchen. Als mir im Netz jedoch ein Bericht eines Kollegen “über den Weg“ huschte, wurde ich neugierig. Mal wieder ein Werbespot eines allseits bekannten Weltkonzerns, in dem – weil es so hübsch aussieht – Pyrotechnik zum Einsatz kommt. Und wahrlich, das Mitte April dieses Jahres ins Netz gestellte 30-sekündige Filmchen hat es in sich. Wow! In Sekunde 25 heißt es: “Euer Team braucht Euch!“ und zu sehen ist ein prall gefülltes Stadion. “Deutschland!“ ist Weiß auf Rot in Form einer großen Zettel-Choreo zu lesen. Links und rechts in den Kurven brutzeln dazu die Bengalen. Zwei rote nicht zu übersehende Brandherde. Einmal Unterrang, einmal Oberrang. Und nicht am Zaun, sondern hübsch mittendrin. Richtig Old School. Sieht ja auch besser aus. Einfach runterbrennen lassen die Teile und dann sorgsam unter einen Sitz gelegt. Aber vielleicht kommt ja auch ein netter Ordner mit einem Sandeimer vorbei. Keine Ahnung, was sich die Werbestrategen bei diesem Werbeclip gedacht haben, aber eine Frage stellt sich da schon: Wird solch eine Werbekampagne nicht mit den Verbänden abgesprochen? Immerhin ist Coca-Cola einer der wichtigsten Werbepartner der Fußballgroßveranstaltungen. Oder wurde einfach in Guerilla-Marketing-Manier der Clip ins Netz gehauen? (…)

Wie in einem Kino-Film (Jason Bourne lässt grüßen) gibt es zu Beginn eine Luftaufnahme von Berlin inklusive Telespargel. Ja, die ganze City Ost als Panorama! Meine Fresse, das ganze ZK der SED tanzt bei diesem Anblick in der Gruft. “Ooh, das sieht nicht gut aus. Die deutsche Mannschaft braucht jetzt die Unterstützung der Fans …“ hört man im Hintergrund eine Kommentatorenstimme. Jetzt aber. Wir alle! Gemeinsam! Zusammen packen wir das! Auferstanden aus Ruinen! Aufbau Ost, äh, Aufbau deutsche Nationalmannschaft, äh Mannschaft! Was auch immer! Runter von den Kissen, rauf auf die Straße! Jetzt! Angesprochen werden im Spot “nicht nur Fußballfans“, nein, “alle“ sollen helfen. Dabei sein. Anfeuern. Aus dem Büro direkt zum Stadion. Sogar vom Laufsteg. Und ja, auch die Mütter mit Kinderwagen werden aufgerufen. Und sogar vom Pflegeheim aus soll es direkt zum Ort des Geschehens gehen.

Und plötzlich befinden sich alle auf der Straße. Arme hoch. Deutschlandfahnen wehen. Und im Hintergrund – schön indirekt angeleuchtet (vielleicht legten paar Fans auch ein paar “Breslauer“ hin) – steigt der Rauch auf. Doch bevor es im Dunkeln zur Massenversammlung kommt, ist eine der Sequenzen davor auch bemerkenswert. Eine Nahaufnahme von ein paar Männern, die sich mit den Cola-Flaschen in der Hand auf den Weg machen. Betrachtet man das Ganze mal als Standbild, erkennt man, dass ein paar kernige Kerlchen dabei sind. Voila! Der in der ersten Reihe ganz rechts erscheint fast wie aus “Football Factory!“. Lächelnd zum nächsten Fight. Und die drei Typen im Hintergrund ganz rechts sehen auch aus wie Jungs von der dritten Halbzeit. Bei Sekunde 18 können sich auch zwei, drei Männer in der erstem Reihe sehen lassen. Na geht doch! Da hat die Casting-Abteilung doch mal recht ordentlich gearbeitet. Keine Typen mit bemalten Gesichtern und albernen schwarz-rot-goldenen Perücken. Nein, richtige Kerle! Bereit zu allem!

Vom Weichgespülten mal wieder zurück zu etwas mehr Kernigkeit? Was die Mütter mit Kinderwagen beim Aufmarsch sollen, ist dann jedoch die große Frage. Bei solch hitziger Atmosphäre sollte ein Baby nun vielleicht wirklich nicht mit dabei sein. Sein “Baby“ auf den Schultern hat indes am Ende des Spots einer der charismatischen Typen. Der Mob feiert, die sexy Lady auf den Schultern des Raspelkurzhaarigen schwingt die Arme wie auf einem Konzert, und im Hintergrund wurde wieder fröhlich gezündet. Roter und weißer Rauch wabert – als wäre es das Normalste der Welt – durch die Lüfte.

Schön anzuschauen? Na klar, kann sich sehen lassen. Wäre doch mal was, wenn solch ein Ausleben der Emotionen im realen Fußballleben wieder erlaubt, ja geradezu erwünscht ist. Solange aber im Ligaalltag mit medialen Keulen und verbandstechnischen Knüppeln auf jegliches Ausleben in den Fankurven eingeschlagen wird, ist solch ein Werbespot einfach nur eine reine Farce (…)

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Mit Dank & Gruß an Marco Bertram.

Ultra Can Fly

Am 28. Mai sicherte sich SV Babelsberg 03 den diessaisonalen brandenburgischen Pokal mit einem 3:1-Sieg gegen FSV Luckenwalde im Werner-Seelenbinder-Stadion.

“Die Polizei ging nach dem … Landespokalfinale in Luckenwalde gegen Fans des SV Babelsberg 03 mit Schlagstöcken und Pfefferspray vor, nachdem Babelsberg-Fans den Pokalsieg mit den eigenen Spielern im Innenraum feiern wollten. Mehrere Fans sollen kollabiert und bewusstlos geworden sein. Nur vereinzelte Babelsberger Fans sollen dabei vom Zaun in den Innenraum gelangt sein (…)“ [faszination-fankurve.de].

Ultras never die!? No comment –

[Stagedivingultras bbg_1903, YouTube.com, 30. Mai 2016]

Frauke Petry ist sexy …

… und das bleibt jetzt einfach mal so stehen. Als Zeitdokument. Kurz vor der UEFA EURO 2016. Bevor sich wieder niemand erinnern kann. Es so gar nicht gesagt haben will. Oder gemeint. Von Seiten der AfD.

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(Screenshot Twitter – O.M.)

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StreetArt # 91 [Nazi Activists Sleep In Hitler’s Room. Paranormal Activity?]

Dresden (2016) –

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(’Nazi Activists Sleep In Hitler’s Room. Paranormal Activity?’ – Foto: O.M.)

* “I Sleep in Hitler’s Room – An American Jew Visits Germany”. Tuvia Tenenbom. The Jewish Theater of New York. 2011.

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– Nachschiebsel –

“(…) Seit gut einem Jahr sorgt das als Schokopackhaus bekannte Gebäude in Dobritz immer wieder für Schlagzeilen. Vor allem politisch rechts motivierte Sprüche und Parolen sind an der Fassade zu lesen (…)“ [Sächsische Zeitung (Print-Ausgabe), 18. November 2016]

MedienScreen # 105 [KI-Träume?]

[Fundstück] David Gelernter, interviewt in DER SPIEGEL, 21. Mai 2016 –

(…) Möglich ist die Computersimulation von Bewusstsein und Gefühlen. Menschen können Gefühle vortäuschen, Computer können simulieren. Davon lässt sich eine Menge lernen, solange wir nicht so naiv sind, Simulation und Wirklichkeit zu verwechseln (…)

Wir glauben, mit der künstlichen Intelligenz der Schöpfung eines übernatürlichen Geistes beizuwohnen und den Stein der Weisen gefunden zu haben. In Wirklichkeit verstehen wir bis heute das Bewusstsein nicht. Wir können Subjektivität nicht erklären, vielleicht werden wir es nie können (…)

Glück und Trauer sind Zustände des Seins und als solche ihrem Wesen nach nicht berechenbar. Ein Geist umfasst das Denken und das Sein. Software kann als Output kein Sein liefern. Deshalb ist die Computertheorie des Geistes abwegig (…)

Alles, was wir Fortschritt nennen, findet im rationalen Spektrum des Geistes statt. Wir sind jedoch an einem Punkt angelangt, an dem wir Gefahr laufen, den Humanismus, der ebenfalls eine Errungenschaft des westlichen Denkens ist, den Götzen der Technologie und der Wissenschaftsgläubigkeit zu opfern (…)

Emotionen lassen sich aus dem Gemeinschaftsleben nicht heraushalten, und Populisten sind erfolgreich, nicht obwohl, sondern gerade weil sie sich der Rationalität widersetzen. Von Wittgenstein gibt es den berühmten Satz: Wovon man nicht reden kann, darüber muss man schweigen. Im Leben gilt die abgewandelte Botschaft: Worüber man nicht logisch sprechen kann, dass muss man dennoch fühlen (…)