Reges Fäustchen des Ostens?

Vor der Drittliga-Begegnung von Dynamo Dresden und FC Hansa Rostock am 19. März dieses Jahres auf dem Rasen im Rudolf-Harbig-Stadion begegneten sich Anhänger beider Vereine im Dresdner Stadtteil Löbtau –

[ULTRAS PYRO FANS, YouTube.com, 19. März 2016]

Die Polizei nahm unmittelbar mehr als 80 Personen vorübergehend in Gewahrsam. Gesamtermittlungen werden gegen 117 Verdächtige geführt.

Fast genau zwei Monate später, am 18. Mai, durchsuchte nun die Polizei Wohnungen in Dresden, Wilsdruff, Großenhain, Rostock, Anklam, Barth und Hamburg. Wie die Sächsische Zeitung berichtet, handelt es sich bei den 15 Beschuldigten “um Männer im Alter von 16 bis 31 Jahren, von denen sich offenbar zehn zu Dynamo Dresden und fünf zu Hansa Rostock zählen“. Ziel der aktuell erfolgten Beweissicherung sei es, “Hintergründe und Absprachen zu der Auseinandersetzung zu belegen“, beruft sich die Zeitung auf eine bezügliche Mitteilung von Oberstaatsanwalt Lorenz Haase, Sprecher der Dresdner Staatsanwaltschaft.

Nach Darstellung von Gerichtsreporter Alexander Schneider ist unter den Beschuldigten “mindestens ein ’alter Bekannter’“ – “Ein 21-Jähriger, der zu den Rädelsführern der Fangruppierung namens ’Faust des Ostens’ (FdO) zählen soll“.

“Die FdO hatte mehrere Dutzend Mitglieder. Ab 2010 soll die Gruppe für erhebliche Straftaten verantwortlich sein, darunter Sachbeschädigungen im Stadion, Einbrüche, Angriffe auf Polizisten, Körperverletzungen, Schnapsdiebstähle. Die mutmaßliche Führungsriege der FdO wurde bereits im August 2013 unter anderem wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung vor der Staatsschutzkammer des Landgerichts Dresden angeklagt. Seitdem ruht das Verfahren jedoch, da keiner der Beschuldigten in Haft saß. Für Haftsachen gilt das sogenannte Beschleunigungsgebot. Gerichte müssen diese Verfahren aufgrund des Freiheitsentzugs der Untersuchungsgefangenen vorzeitig verhandeln. Beschuldigte FdO-Angehörige sind seitdem jedoch immer wieder aufgefallen“ (Sächsische Zeitung, 19. Mai 2016).

Nach letzten behördlichen Angaben Mitte Februar 2015 umfasste die Faust des Ostens rund 40 Mitglieder. Im Mai 2013 bezifferte Oberstaatsanwalt Jürgen Schär noch mehr als 100 Beschuldigte im Verfahren gegen die Gruppierung aus dem Umfeld von Dynamo Dresden. Öffentlich bekannt sind staatsanwaltlich laufende Ermittlungen gegen die Faust des Ostens seit Juni 2012.

Im aktuellen Vorgang sei übrigens nicht ausgeschlossen, “dass auch gegen die Hooligans aus Dresden und Rostock wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt wird“, zitiert die Sächsische Zeitung Oberstaatsanwalt Lorenz Haase.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 22. Januar 2015 sein Urteil (Az 3 StR 233/14) im Verfahren gegen die Hooligans Elbflorenz verkündet, dem zufolge Hooligan-Gruppen grundsätzlich als kriminelle Vereinigungen angesehen werden können. Insbesondere auch, wenn sie sich “mit anderen Hooligan-Gruppen zu organisierten Schlägereien treffen“ (BGH-Urteil im Medien-Spiegel).

Wie lange die Ermittlungen im aktuellen Fall dauern werden, ist gegenwärtig noch unklar.

MedienScreen # 102 [Danke, Red Bull, Danke]

[Fundstück] “Bundesliga im Osten. Wie haben wir dich vermisst!“, spuckelch.wordpress.com, 17. Mai 2016 –

In Leipzig wurde 1989 die Einheit Deutschlands ins Rollen gebracht. Und wie der Lauf der Geschichte es will, wurde sie in der Heldenstadt auch zum krönenden Abschluss gebracht. Nach ausreichend Spaßbädern und Gewerbeflächen verfügt der Osten nun auch über das höchste sportliche materielle Gut: Die Fußball-Bundesliga. Wir hier drüben sind jetzt alle glücklich und zufrieden. Gibt es etwas Schöneres? Gibt es etwas Wichtigeres? Jetzt können die in den Westen abgewanderten Ossis wieder heimkehren und hier Bundesliga schauen. Die Medien sind sich einig: Das hat der Osten verdient. Wir gehören endlich dazu, und ermöglicht hat uns das ein Österreicher. Natürlich! Die wissen ja, wie es sich anfühlt, nicht dazu zu gehören.

Jahrelang mussten wir unseren zu irgendwelchen Vereinen in den unteren Ligen quälen. Die nichts hatten, außer Tradition. Aber was nutzt die, so ganz ohne Bundesliga? So lässt sie sich ja nicht mal mit einem knackigen Werbeslogan vermarkten. Wir haben zugesehen, wie es Energie Cottbus nach oben schaffte und dabei ganz unprofessionell auf eigene Kraft und Kreativität setzte. Mussten ja wieder abstürzten. Und in Dresden, Berlin, Rostock, Blau-Gelb und Grün-Weiß – Leipzig, Magdeburg, Aue, Chemnitz, Babelsberg, Erfurt, Jena, Halle quälten wir uns mangels Alternativen Woche für Woche zum bundesligafreien Fußball ins Stadion und durften zum Dank auch noch unsere Choreos selber bezahlen, beim Stadionausbau mitackern, die Vereine vor Insolvenzen retten! Schön war das nicht!

Wir mussten jahrelang auf zerrissene Anstoßzeiten, überhöhte Kartenpreise und Sky-Abos verzichten. Viele von uns haben noch nie FIFA-Soccer mit der eigenen Mannschaft spielen können! Statt eines teuren Stars mit eigenem Sportwagenfuhrpark wurden wir mit dessen Abziehbild, der sich gerade mal einen Q5 leisten konnte, abgespeist. Unsere sexy Spielerfrauen schafften es in keinen Modelkalender. Wir harrten unter uns im Stadion aus, ohne dass uns ein Maskottchen zuwinkte. Wo andere seit Jahren klatschpappten taten uns noch die Hände vom selber machen weh. Aber diese grauen Jahre sind Gott sei Dank vorbei. Wir Ossis naschen nun auch am Hochglanzkuchen Bundesliga. Endlich brauchen wir uns im Stadion nicht mehr mit hingeschluderten Werbeblöcken von Provinzunternehmen nerven lassen, sondern bekommen eine Bundesligashow mit High-End-Reklame von Weltkonzernen! Halleluja!

Danke Leipzig!

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Mit Dank & Gruß an den Spuckelch und dortselbst im Original.

MoPo beleidigt einige Ost-Vereine. Aber nur fast.

“Silly beleidigt Leipzig-Fans“ titelt die Dresdner Morgenpost vom Tage zum “Eklat bei RB-Aufstiegsfeier“ am zurückliegenden Pfingsmontag. Als Erklärung auf der Frontseite der Zeitung –

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(Titelseite Dresdner Morgenpost, 17. Mai 2016, Ausschnitt – O.M.)

Doch titelseitig gesehen ist das eben nur ein Teil der Wahrheit. Und ausgerechnet allein Dynamo Dresden muss dafür herhalten. Genauer betrachtet war der Auftritt von Silly in Leipzig doch viel bunter. Und hätte sich so auch als Aufmacher nicht übel gemacht.

Schließlich trat Sängerin Anna Loos in einer Obertrikotage vom 1. FC Union Berlin auf. Keyboarder Ritchie Barton war mit einem Leibchen des 1. FC Magdeburg bekleidet. Gitarrist Uwe Hassbecker hatte ein Dress vom FC Hansa Rostock übergestreift. Und, ja, Bassist Jäcki Reznicek stand in einem Trikot von Dynamo Dresden auf der Bühne. Last but not least saß Ronny Dehn im Rote-Bullen-Shirt am Schlagzeug.

Angemerkt sei, dass der Dresdner Morgenpost dann im Innenteil die Ausgewogenheit in aller Bandbreite der mannschaftsfarblichen Darstellung über RasenBallsport Leipzig hinaus gelingt. Zitatenreich garniert –

“Wir sind ja für den Fußball im Osten. Und dafür, dass die Menschen jeden Tag kämpfen. Manche Mannschaften müssen ein bisschen mehr kämpfen und haben weniger Geld. Für all die sind wir hier“, erklärte Loos nach dem Auftritt im MDR.

Für die Pfiffe hatte sie kein Verständnis: “Wir dachten, wir spielen hier für die ostdeutschen Fußballmannschaften. Jetzt ist das eine Aufstiegsfeier von RB Leipzig. Wenn die keinen Spaß verstehen, dann sind sie selber Schuld.“ (Dresdner Morgenpost, 17. Mai 2016)

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(Online vorab differenzierter. MoPo24.de, 16. Mai 2016 – Screenshot: O.M.)

Und übrigens nicht nur nebenbei: Chapeau!, Silly.