Archiv der Kategorie: Anno 2007

“perplex“ – die Staatsanwaltschaft ermittelt

Dresden. Die auch als NPD-Schülerzeitung bezeichnete neue Jugendzeitung der Jungen Nationaldemokraten aus Sachsen kommt eher bunt als braun daher, lässt aber vom Inhalt kaum etwas an politischen Deutungen offen.

Überraschend ist das Auftauchen einer “Jugendzeitung für Sachsen“ keineswegs, der Zeitpunkt relativ kurz nach Schuljahresanfang kommt ebenso nicht von ungefähr. Zumal das Entstehen dieser Publikation in einschlägigen Kreisen nicht gerade ein Geheimnis darstellte. So warnte immerhin vor gut einer Woche sogar das Sächsische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) “vor einer Schülerzeitung der rechtsextremistischen NPD“. Nach Einschätzungen der Behörde werde mit einer solchen Schrift seitens der NPD und der Jungen Nationaldemokraten (JN) versucht, “Jugendliche zu ködern und auf versteckte Art und Weise rechtsextremistische Anschauungen und Feindbilder zu transportieren. Ziel dürfte sein, Jugendliche sowohl für rechtsextremistische Positionen allgemein zu gewinnen, als auch zukünftiges Wählerpotenzial zu erschließen“ (AP).

“Ganz kostenlos“ und “jung – frech – deutsch“ schlägt perplex auf 16 Seiten einen comic-ähnlich gehaltenen Bogen vom “linksextremen Bildungsdesaster“ über die “drohende Entvölkerung Mitteldeutschlands“ hin zur “Handreichung für eine brisante, spannungsgeladene Geschichtsstunde an Deiner Schule“. Bei letzterem geht es beispielsweise schlicht und ergreifend um herbei zitierte Argumentationshilfen der Art, “dass Hitler vor seinem Einmarsch in Polen verzweifelt versucht hat, den Frieden zu retten“, wobei natürlich – nach Duktus der perplex-Redaktion – auch der vorgebliche “Friedensflieger“ Rudolf Heß keinesfalls unbeachtet rechts liegen gelassen wird. Die letzten Textzeilen dieser Postille dürften allerdings bezüglich eines – zugegeben unterstellten – inhaltlich-politischen Zusammenhangs nicht nur beim plakativ anvisierten Klientel einige Verwirrung hinterlassen: “… damit die Sonne, schön wie nie, über Deutschland scheint!“ – DDR reloaded?

Darüber hinaus ist das Heft, redok vorliegend, gespickt mit teaserhaften Einsprengseln von politischen Kurz-Botschaften à la “Jetzt Nationalen Widerstand organisieren!“, “Haken gegen die linken Spießer an den Schulen und im Fernsehen!“, “Das System hat keine Fehler, das System ist der Fehler!“ bis hin zu “Mach Deinen Schulhof zur national befreiten Zone!“. Garniert wird das Ganze mit einem Bericht über den JN-Sachsentag vom August in Dresden-Pappritz als “Grundlage für weitere Großveranstaltungen der Nationalen Jugend“.

Als der NPD-Landtagsabgeordnete Jürgen W. Gansel am 20. September vor einem Dresdner Berufsschulzentrum mit mehreren seiner Kameraden die Druckschrift verteilen wollte, konfiszierte die Polizei 150 Exemplare. Über die letzten Tage sind allerdings nicht nur an einer Bildungseinrichtung in der Region besagte Druckschriften gesichtet worden. Das Sächsische Staatsministerium für Kultus hatte bereits vorab darauf hingewiesen, dass das Verteilen “dieser Zeitung“ auf dem Schulgelände verboten sei, auftauchende Hefte würden beschlagnahmt und der Polizei übergeben.

Gansel selbst hat die Auflage von perplex auf 30.000 beziffert. Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft Dresden gegen die herausgebende JN – als Verantwortlicher im Sinne des Presserechtes zeichnet Jens Steinbach mit ostsächsischer Adresse – wegen des Verstoßes gegen das Jugendschutzgesetz. Gansel ist bis dato durch seinen Status als Landtagsabgeordneter geschützt – “gegen ihn kann die Behörde wegen der Immunität nicht vorgehen“ (AFP).

[Dieser Artikel wurde am 24. September 2007 bei redok veröffentlicht.]

Planungen nicht nur für nächsten NPD-Bundesparteitag

Coswig/Dresden. Die rechtsextreme Partei hat offenbar auch eine gastro-kulturelle Einrichtung nahe der sächsischen Landeshauptstadt als zukünftigen Tagungsort in engere Erwägung gezogen.

Wie das Dresdner Antifa Recherche Team (ART) bereits vor einigen Tagen mit Bezug auf eine regionale Tageszeitung darstellte, gab es seitens der NPD augenscheinlich Bestrebungen, den nächsten Bundesparteitag am 27./28. Oktober 2007 bei Dresden abhalten zu wollen. Im Fokus diesbezüglicher Planungen der rechtsextremistischen Partei sei dabei das nach Eigenwerbung “erste Haus am Platz“, die Börse in Coswig.

Nach Einschätzung des ART sei allerdings die lobenswerte Ablehnung des Ansinnens der NPD durch die Betreiber der Börse beziehungsweise ein verwaltungsrechtlicher Verhinderungsversuch dieser Partei-Veranstaltung der ganz besonderen Art allein nicht ausreichend.

Erst zum letzten NPD-Landesparteitag im März diesen Jahres hatten sich die Rechtsextremisten letztendlich in die Räume eines Beruflichen Schulzentrums in der Kreisstadt Pirna eingeklagt, um dortselbst dann rechtsextreme Schulstunden über ihr eigenes Gesellschafts- und Menschenbild zelebrieren zu können. Auch bei der Coswiger Börse handelt es sich um öffentliche Räume, in denen bereits Partei-Veranstaltungen stattgefunden haben. Die Begründung des Oberverwaltungsgerichtes Bautzen zur Ermöglichung des NPD-Landesparteitages am 4. März in der Aula besagten Berufsschulzentrums in Pirna-Copitz fußte auf dem Gleichbehandlungsgrundsatz im Parteiengesetz.

ART Dresden verweist allerdings auch darauf, “dass es typisch für die NPD ist, für derlei Großveranstaltungen mehrere Lokalitäten anzumieten, um für eventuelle juristische Streitigkeiten mit den Vermietern zusätzlich gewappnet zu sein“. Im offiziellen Online-Terminkalender der NPD für Oktober 2007 ist bis dato nur eine einzige “Saalveranstaltung in Leipzig mit Stefan Lux“ zu finden. Der letzte NPD-Bundesparteitag fand im November 2006 in Berlin statt.

Gleichwohl ob der nächste rechtsextreme Bundesparteitag in Coswig stattfindet oder nicht, hat die NPD bereits für den 31. Mai 2008 – mit acht möglichen Ausweichterminen in jenem Monat sowie sämtlichen Freitagen und Samstagen im April – eine Wahlveranstaltung in der Coswiger Börse schriftlich im Rathaus der Gemeinde eingereicht.

[Dieser Artikel wurde am 19. September 2007 bei redok veröffentlicht.]

Wo man singt …

Eigentlich wollen sie “weg von dem Zeugs“, verkündete kürzlich das Duo Prussian Blue. Da kann der Auftritt beim so genannten Sachsentag der Jungen Nationaldemokraten wohl nur ein Missverständnis gewesen sein

Die Zwillinge Lynx und Lamb Gaede aus Bakersfield in Kalifornien sorgten in den letzten Jahren immer wieder einmal für Schlagzeilen – unter dem Namen Prussian Blue. So nennen die beiden nunmehr 15-Jährigen ihr geschwisterliches Gesangs-Duo der ganz eigenen Art. Der Namensgebung – auf deutsch: Preußisch Blau – sollen eine angebliche Abstammung von deutschen Einwanderern sowie die Augenfarbe von Lynx und Lamb zu Grunde liegen. Beschäftigt man sich allerdings nur etwas näher mit dem Liedgut von Prussian Blue, erscheint eine darüber hinaus kolportierte Namensdeutung in arg braunem Licht nicht ganz abwegig.

“Die Zeiten sind hart für einen stolzen weißen Mann. Bald wird ein großer Krieg kommen, ein blutiger, aber heiliger Tag. Eine mächtige Rasse gilt es zu verteidigen.“ (Victory Day)

“Rudolf Heß, Mann des Friedens, er hat nicht aufgegeben, er hat niemals aufgehört. Erinnert euch seiner und schweigt.“ (Sacrifice)

In einer Darstellung der Zeitschrift Jungle World bieten Prussian Blue selbst noch eine andere Deutungsmöglichkeit für ihren Namen: “Es gibt die Diskussion über das Fehlen der Farbe ’Preußisch Blau’, die als Rückstand von Zyklon B übrig bleibt, an den Wänden der so genannten Gaskammern in den Konzentrationslagern“.

Nach einem Resümee der FAZ gehörten Prussian Blue bereits im November 2005 “in den Vereinigten Staaten zu den derzeit prominentesten Botschaftern des Rassenhasses“. Gestützt wurde diese Einschätzung zudem durch die dazumal bekannt gewordene Unterstützung des Duos durch den Ku Klux Klan.

Den Organisatoren aus Jungen Nationaldemokraten (JN) und so genannten Freien Kräften des diesjährig als Sachsentag bezeichneten rechtsextremen Events in Dresden-Pappritz mögen allerdings zwischenzeitlich die Ohren von der letzten Schlagzeile über die “Nazi Pop Twins“ (Channel 4) geklungen haben. Mitten in den letzten Vorbereitungen für den Sachsentag berichtete der britische Sender, den beiden Schwestern gehe es nach deren Darstellung

“gar nicht um ’white power’. In den letzten vier Jahren ging es nur um Politik – es hat uns total ausgelaugt. Wir wollen eine Pause. Wir wollen weg von dem Zeugs.“

Überlegt wurde, ob nach den Rissen im Image “der gesunden arischen Familie“ nun “gar die Entnazifizierung der Nazi-Twins“ folgen werde. Zum Zeitpunkt dieser Veröffentlichung verblieben noch knapp fünf Tage bis zum bereits angekündigten Auftritt von Prussian Blue beim Sachsentag in Dresden, am 11. August sind sie beim “Sommer- und Familienfest“ der NPD Saar.

Nachdem im Vorjahr das Parteiorgan der NPD sein Deutsches-Stimme-Pressefest im braunen Schlamm bei Pappritz versucht hatte zu zelebrieren, erfolgte in diesem Jahr lediglich eine kurze Mitteilung, dass erst “für das nächste Jahr die Veranstaltung mit einem veränderten Konzept wieder geplant“ sei. Insider vermuten hinter der Absage des Pressefestes der Deutschen Stimme (DS) momentane parteiinterne Schwierigkeiten mit der Finanzierung eines solchen bundesweiten Events. Nicht unerheblich dürften zu der Absage zudem auch die teilweise heftigen szene-internen Diskussionen um die Organisation und besonders die hohen Preise auf dem vorjährigen Pressefest-Gelände und der daraus resultierende Vorwurf der Kommerzialisierung beigetragen haben.

Stattdessen wurde auf dem gleichen Privatgelände wie 2006 zum “JN-Sachsentag – Arbeit, Familie, Vaterland“ eingeladen. Die diesjährige Veranstaltung des JN-Landesverbandes Sachsen, so wurde betont, stehe “mit dem DS-Pressefest nicht im Zusammenhang“.

Das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) mutmaßte zuvor:

“Die JN versucht ansatzweise an das bisherige Konzept der in den letzten Jahren veranstalteten Pressefeste des DS-Verlages anzuknüpfen. Dort wurde versucht, mit einer Mischung aus Volksfest, politischen Vorträgen und Diskussionen, Verkaufsständen sowie rechtsextremistischer Skinheadmusik ein möglichst breites Publikum anzusprechen. … Der Schwerpunkt des Veranstalters wie auch des Teilnehmerinteresses dürfte aber eher auf die Auftritte der angekündigten rechtsextremistischen Skinheadbands beziehungsweise Liedermacher gerichtet sein … Mit der geplanten Veranstaltung zeigen sich damit einmal mehr die engen Verbindungen zwischen der JN und der rechtsextremistischen Skinhead- und Kameradschaftsszene.“

Für den 4. August in Dresden-Pappritz angekündigt waren verschiedene Redner aus dem rechtsextremen Spektrum sowie die musikalischen Darbietungen von Viking aus Italien, Asynja aus Schweden, Frontalkraft und Sachsonia aus der Bundesrepublik, Ferox aus Schweden – und Prussian Blue.

Gegen die rechtsextreme Veranstaltung protestierten Einwohnerinnen und Einwohner der Dresdner Randgemeinde mit einem bunten Bürgerfest in der Mitte ihres Dorfes. Und im Gegensatz zum Vorjahr zeigten mehrere Vertreter des Dresdner Rathauses ihre Unterstützung persönlich vor Ort. Im Vorfeld dieser Veranstaltung, die den ganzen Tag andauerte, waren wiederholt Plakate der örtlichen Bürgerinitiative gegen das Nazi-Fest von Unbekannten entfernt beziehungsweise zerstört worden. Im Laufe des frühen Nachmittags demonstrierten rund 280 meist jugendliche Demonstranten aus Antifa-Kreisen gegen die JN-Veranstaltung.

Umrahmt und begleitet wurde dieser Tag im Schönfelder Hochland von einem enormen Polizeiaufgebot. “Bis zum frühen Nachmittag und bis zum Einsatzende waren jeweils 550 Beamte zeitgleich im Einsatz. Insgesamt waren es damit 1.100“, so der Dresdner Polizei-Pressesprecher Thomas Herbst. Durch polizeiliche Vorkontrollen wurden bei anreisenden Rechtsextremisten und Sympathisanten unter anderem zwei Schreckschusswaffen, Baseballschläger, ein Samuraischwert, Messer und Reizstoffsprays sichergestellt. Es erfolgten Strafanzeigen sowie darüber hinaus mehrere Platzverweise wegen Verstößen gegen die Auflagenverfügungen, zu denen beispielsweise ein Alkoholverbot auf dem Veranstaltungsgelände gehörte. Die Polizei bilanzierte den Anreiseverkehr zum JN-Sachsentag zusammenfassend mit rund 1.000, wobei “zeitweise bis zu 600 Personen vor Ort“ gewesen seien.

Zeitlich nicht genau verbürgt ist das Eintreffen von Prussian Blue auf dem Open-Air-Gelände. Vielleicht haben sie den NPD-Parteivorsitzenden Udo Voigt ja auch nicht gegen den Multi-Kulti-Staat hetzen hören. Vielleicht haben sie sein “Großvater war kein Kriegsverbrecher“ genau so wenig gehört, wie den lautstark verkündeten “Stolz auf die Leistungen der deutschen Wehrmacht“. Vielleicht aber wurde den beiden auch flüsternd übersetzt, dass nach wie vor “ein Drittel des Deutschen Reiches unter polnischer Verwaltung steht“ und sich Teile von Österreich leider “nicht offen zu Deutschland bekennen“ könnten. Vielleicht aber reichen die Deutschkenntnisse von Lynx und Lamb ja sogar aus, um Voigts eindeutig bezügliches “Ich bin stolz ein Deutscher zu sein!“ verstehen zu können. Wenn die singenden Zwillinge denn ein wenig der Sprache ihrer angeblichen Vorfahren mächtig sein sollten, konnten sie auch im einbrechenden Dunkel der Veranstaltung beispielsweise “Braune Stadtmusikanten“- und “NAPOLA Löbau“-Aufdrucke entsprechend deuten.

Nun sind Schrift- und Lautsprache – besonders auch im Deutschen – durchaus zweierlei. So mag es, beim Auftritt von Frontalkraft unmittelbar vor ihrem eigenen, die beiden Schwestern akustisch vielleicht nur ein wenig verwirrt haben, warum – teils mit Bandunterstützung, teils a cappella durch die vor der Bühne Versammelten – wiederholend lautstark intoniert wurde:

“Schwarz ist die Nacht, in der wir euch kriegen, weiß sind die Männer, die für Deutschland siegen, rot ist das Blut auf dem Asphalt.“

Aber vielleicht haben Lynx und Lamb auch gar nichts von alledem verstanden und wussten nicht einmal, wo und vor wem sie da am 4. August als letzter Konzert-Act aufgetreten sind – schließlich wollen sie “weg von dem Zeugs“. Und im Dunkeln war die in Dresden-Pappritz über allem wehende Fahne der NPD ja dann schließlich auch schon fast gar nicht mehr so richtig zu erkennen.

[Dieser Artikel wurde am 8. August 2007 – bebildert – bei Telepolis veröffentlicht.]

Fachwissen à la NPD

Eine U-Bahn für Zwickau – so legt ein sächsischer Abgeordneter der rechtsextremen Partei bereitwillig offen, wie genau er sich im eigenen Wahlkreis auskennt

Das westsächsische Städtchen Zwickau hat durchaus einiges zu bieten. Bekannt geworden ist es wohl vor allem als vormals volkseigene Entwicklungs- und Produktionsstätte für den Trabant. Denn noch immer tuckert dieses ursprüngliche Ost-Gefährt schier unverwüstlich über die Straßen der längst wiedervereinigten Bundesrepublik und ist dabei für den nachfolgenden Verkehr – neben dem unverwechselbaren Motorgeräusch – nach wie vor an einem ganz eigenen Geruch mehr als nur zu erahnen. Gleichwohl ist die viertgrößte menschliche Ansiedlung im Freistaat Sachsen nach Selbstdarstellung als Automobil- und Robert-Schumann-Stadt “ein Mekka für alle, die es historisch mögen – gleich in mehrfacher Hinsicht: ob als Musik- oder Theaterfreunde, als Automobil-Freaks, als Museumsgänger oder aber als Liebhaber besonders gut erhaltener Bausubstanz aus Gründerzeit und Jugendstil“.

Zudem kann Zwickau auf ein relativ gut ausgebautes Nahverkehrssystem mit beispielsweise mehreren Straßenbahn- und Buslinien verweisen. Und klickt man gar auf die Homepage des FSV Zwickau – der ehemaligen BSG Sachsenring mit unvergessenen DDR-Pokal-Siegen und Europa-Cup-Auftritten – schallt einem trotz der gegenwärtigen Fußball-Unterklassigkeit ein fröhliches “… FSV – was kann es bess’res geben …“ entgegen. Die Zwickauer sind, so scheint es, auch ein lustiges Völkchen. Aber zurück zum Öffentlichen Personen- und Nahverkehr, denn nichts ist – auch in der Zwickauer Region – schon so gut, dass es nicht noch besser werden könnte.

Es kam schließlich der Tag, der Zwickau einen richtig leibhaftigen kerndeutschen Landtagsabgeordneten bescherte. Nicht, dass die Region bis dahin landespolitisch dramatisch unterversorgt gewesen wäre, aber es war ja schließlich auch nicht irgendein Landtagsabgeordneter, sondern Peter Klose – ein ausgewiesener Kämpfer für das deutsche Volk mit seinem ihm von den Nazis unterstellten Herrenrechten. Seine so genannte Bürgerbüro-Eröffnung in Zwickau – Vermieterin ist Literaturprofessorin und Unternehmensberaterin Gertrud Höhler, die deswegen unter Kritik geriet – feierte Klose nach einer Intervention des sächsischen NPD-Fraktionsvorsitzenden Holger Apfel dann doch nicht am 20. April. Aber zum diesjährigen – in rechtsextremen Szene-Kreisen ja nach wie vor gehuldigten – “Führer-Geburtstag“ beflaggte er wenigstens sein Wohnzimmerfenster durch “eine Fahne des Deutschen Reiches“, wie die Chemnitzer Zeitung berichtete. Sein Zwickauer Büro eröffnete Klose dann am 8. Mai, einem auch nicht gerade geschichtsunträchtigen Datum.

Nachdem der umtriebige Neu-Abgeordnete Klose erste parlamentarische Einarbeitungshürden gemeistert hatte und sich scheinbar in der NPD-Fraktion in Dresden heimisch zu fühlen begann, erinnerte er sich seines Wählerauftrages und des politischen Ziels seiner rechtsextremen Gesinnungskameraden. Natürlich konnte eine Idee aus seiner Heimatregion dem Abgeordneten Klose nicht verborgen bleiben. Es hat allerdings ein paar Monate gedauert, bis er, wahrscheinlich nur ein klein wenig durch gründliche Recherchen und vertrauensvolle Sondierungsgespräche aufgehalten, die ganze Brisanz des Vorgangs dann endlich öffentlich machten konnte – für die Region, für die Partei, für die Sache, und bestimmt auch ein klein wenig als nachträgliches Geburtstagsgeschenk. So konfrontierte der nationaldemokratische Held von Zwickau am 20. Juni die Sächsische Staatsregierung mit einer Kleinen Anfrage, deren Aussicht auf Beantwortung den Regierenden den kalten Angstschweiß auf die Stirn treiben dürfte. Denn so sollte es garantiert nicht öffentlich werden – noch dazu durch einen sächsischen NPD-Abgeordneten, quasi also aus der Mitte der Gesellschaft.

Schonungslos fragt Peter Klose also in der Landtagsdrucksache 4/9150 unter der Überschrift “U-Bahn in Zwickau“ unter anderem:

“Wann wurde mit den Baumaßnahmen begonnen?“
“Wann wird mit einer Fertigstellung der Anlage gerechnet?“
“Zu welchen Einschränkungen kommt es durch die Baumaßnahmen?“
“Welche Fahrpreise erwarten den späteren Nutzer?“

Vorangestellt ist der Kleinen Anfrage die Feststellung Kloses “Wie berichtet wurde, soll in absehbarer Zeit eine U-Bahn-Linie in Zwickau errichtet werden.“

Am 10. November 2006 berichtete der Lokalrundfunk tatsächlich unter der Headline “Stadtmanager präsentieren unglaubliche U-Bahn-Pläne“, dass angeblich eine U-Bahn geplant sei. Allerdings – so vorausschauend und extra auf den nachfolgenden 11.11. hinweisend – “gehe es erst einmal darum, die Zwickauer nach ihrer Meinung zu fragen.“ – Helau!

Die Fakten: Die Stadt Zwickau mit nicht ganz 100.000 Einwohnern unterhält, so Wikipedia, unter anderem “im städtischen Verkehr drei Straßenbahn-, 14 Omnibus- und zwei in den Nächten vor Sonnabenden, Sonn- und Feiertagen verkehrende Nachtbuslinien der Städtischen Verkehrsbetriebe Zwickau GmbH“. Der sächsische NPD-Landtagsabgeordnete Klose betreibt seit einiger Zeit ein so genanntes Bürgerbüro in seiner Heimatregion Zwickau. Adolf Hitler wurde am 20. April 1889 geboren. Der 8. Mai 1945 gilt als offizielles Ende des 2. Weltkrieges und besiegelte das Ende des damaligen Nazi-Deutschlands. Der 20. Juni 2007 ist ein – relativ – unverfängliches Datum, um als Landtagsabgeordneter eine offenbar völlig untergrundlose “U-Bahn“-Anfrage an eine zuständige Staatsregierung zu stellen. Der Landtagsabgeordnete Klose agiert seit 1995 als Kreisvorsitzender der NPD in Zwickau und darüber hinaus seit Jahren im sächsischen Landesvorstand der Partei.

Welche Grund-Qualifikation benötigt eigentlich generell ein Landtagsabgeordneter? Bekommt wirklich jedes Wahlvolk die Abgeordneten, die es verdient? Fragen über Fragen – und so ist es schon ein wenig bedauerlich für den aufgeklärt lustigen Teil des Zwickauer Völkchens. Aber von irgendwem ist Peter Klose ja schließlich gewählt worden, aus der Mitte der Gesellschaft – Helau?

[Dieser Artikel wurde am 9. Juli 2007 bei Telepolis veröffentlicht.]