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LVZ-Fußballkrieg: Offene Fragen

Die Begegnung in der 3. Hauptrunde im diessaisonalen Wernesgrüner Pokal-Sachsen zwischen 1. FC Lokomotive Leipzig und RasenBallsport Leipzig endete am 12. Oktober mit einem 0:2 auf dem Rasen des Zentralstadions – ein friedliches Fußballfest. Aber offenbar nicht überall in Leipzig war es an diesem Tag gleichermaßen friedfertig, und sei dem nur an der einen oder anderen Tastatur elektronischer Geräte in öffentlich verantwortlichen Bereichen der Stadt so gewesen sein.

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(Foto: O.M.)

Für zirka zwei Stunden war auf dem Online-Portal der Leipziger Volkszeitung (LVZ) realtiv umfassend und auch detailliert von “Ausschreitungen während des Leipzig-Derbys“ zu lesen.

“(…) Während des Pokalspiels zwischen Lok und RB Leipzig (…) ist es nach Polizeiangaben zu Ausschreitungen gekommen. Gegen 16 Uhr – also mit Beginn der zweiten Halbzeit des Derbys – habe es außerhalb des Stadions eine Auseinandersetzung zwischen den Fan-Lagern gegeben. Etwa 500 Lok-Anhänger griffen demnach im Bereich des Parkplatzes Friedrich-Ebert-Straße auch den Ordnungsdienst an. Als die Polizei einschritt, warfen die Randalierer Steine und Flaschen nach den Beamten, schlugen und traten sie.

Wie die Polizei weiter mitteilte, wurde zunächst versucht, die Situation mit Lautsprecherdurchsagen zu beruhigen. Nachdem dies erfolglos blieb, setzten die Sicherheitskräfte Wasserwerfer und Hunde ein. Den Angaben zufolge wurden die Angreifer so in Richtung Waldplatz abgedrängt und der Parkplatz gegen 16.25 Uhr geräumt. Die Polizisten nahmen elf Personen vorläufig fest und leiteten zahlreiche Ermittlungsverfahren ein. Insgesamt wurden offenbar fünf Polizeifahrzeuge durch Steinwürfe beschädigt, die Beamten wurden nicht verletzt (…)“ [© LVZ-Online].

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(Screenshot: LVZ-Online.de)

Die geneigte LVZ-Leserschar mag sich zuerst das eine und dann das andere Auge gerieben, umgehend vielleicht Bekannte in der Stadt auf medialen Wegen dringend vor den bürgerkriegsähnlichen Zuständen gewarnt, sich dann aber beide Augen gleichzeitig gerieben haben, denn LVZ-Online.de zog blank und verlautbarte, lediglich “eine fehlerhafte Pressemitteilung der Polizei“ habe “für Verwirrung“ gesorgt.

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(Screenshot: Polizeidirektion Leipzig)

Resümierend könnte der LVZ allerdings auch unterstellt werden: Kleinen journalistischen Blitzkrieg geführt, Vorurteile ausgelebt, Fußballmob wunschdenkend gedisst, ’Schwarzen Peter’ verteilt, Hände in Unschuld gewaschen, Pressekodex wieder aus der Schublade hervor geholt – fert’sch, wie zuweilen noch sächsisch gesagt wird.

Hernach die imaginären Wasserwerfersprühnebel verzogen und die virtuellen Lautsprecherdurchsagen verklungen sind, bleiben allerdings Fragen. Und diese öffentlich zu stellen, nimmt sich Ostfussball.com die Freiheit.

Sehr geehrte Damen und Herren in der Sportredaktion der LVZ,

nach dem unser telefonischer Kontaktversuch am heutigen Nachmittag – Ihrerseits ein wenig unüblich mit der Bitte auf eine schriftliche Anfrage verweisend – nicht zustand kam, erlauben wir uns, Ihnen auf eben diesem Weg folgende Fragen zu stellen –

Rund um das Sachsenpokalspiel zwischen Lok Leipzig und RasenBallsport Leipzig am 12. Oktober dieses Jahres wurde durch LVZ-Online.de vorübergehend in einem nicht gerade kurzen Artikel von “Ausschreitungen während des Leipzig-Derbys“ berichtet (Screenshot). Mit der Terminierung von 20:08 Uhr war dann einige Zeit später bei LVZ-Online.de zu lesen: “(…) Nach der Begegnung sorgte eine fehlerhafte Pressemitteilung der Polizei für Verwirrung. Anders als darin mitgeteilt, kam es während des Spiels nicht zu Ausschreitungen (…)“.

AD 1: Besteht Ihrer Auffassung nach die Möglichkeit, dass – so wie von Ihnen dargestellt – eine gut halbstündige gewalttätige Auseinandersetzung zwischen Fußballfans und der Polizei unter Einsatz von Wasserwerfen [etc pp.] im Stadtbereich von Leipzig für andere Medien/Nachrichtenagenturen unbemerkt bleiben könnte?

AD 2: Gab es entsprechende Rückfragen Ihrerseits an den Führungsstab der polizeilichen Einsatzkräfte beziehungsweise Kolleginnen oder Kollegen Ihrer Redaktion am Ort des Geschehens?

AD 3: Welchen Wortlaut hatte die von Ihnen als Entschuldigung angeführte Pressemitteilung der Polizeidirektion Leipzig?

AD 4: Wann und auf welchem Weg hat Ihre Redaktion besagte Pressemitteilung erreicht?

In Erwartung Ihrer baldigen Antworten …

Eine vorab via E-Mail an die Leipziger Polizeibehörde gestellte Anfrage, ob die Darstellung der LVZ hinsichtlich ’einer fehlerhaften Pressemitteilung’ bei der Berichterstattung rund um die Pokalpartie 1. FC Lok Leipzig vs. RasenBallsport Leipzig so bestätigt werden könnte, blieb bis zum heutigen Nachmittag unbeantwortet. Ab 16:30 Uhr war in der Pressestelle der Polizeidirektion Leipzig beziehungsweise jemand dort in der Angelegenheit Kundiger nicht mehr zu erreichen.

Sei’s drum, die Fragen bleiben, wir warten …

– Update 16. Oktober 2013 (17:15 Uhr) –

Wenn wir einmal die leichte Polemik eines Teils unserer Anfragen an die Leipziger Volkszeitung ein wenig außen vor lassen, ergibt sich nach Antworten aus der dortigen Sportredaktion – nicht aus der Online-Redaktion – mittlerweile ein noch nicht vollendetes Puzzle.

  • Der Ressortleiter Sport, Winfried Wächter, war am 12. Oktober selbst vor Ort und kann sich “nicht vorstellen, dass eine solche Auseinandersetzung in Stadionnähe unbemerkt geblieben wäre“.
  • Da die Leipziger Volkszeitung an Sonntagen nicht mit einer Print-Ausgabe erscheint, wurde “auch erst am Sonntag mit der Polizei Kontakt aufgenommen“. Da nach Kenntnis des Ressortleiters Sport nichts passiert war, sah dieser “auch keinen Grund, anders zu verfahren. Unsere Online-Kollegen werden sicher anders verfahren sein“.
  • Die Polizeidirektion Leipzig allerdings hat wohl eine E-Mail mit folgendem Wortlaut versandt –
    Sehr geehrte Damen und Herren,
    anbei die Korrektur unserer PM, da fälschlicherweise eine zweite Seite mit veröffentlicht wurde.
    Wir bitten um Entschuldigung.
    Mit freundlichen Grüßen
    Die Pressestelle
  • Der bereinigt korrigierte Inhalt der Pressemitteilung (Screenshot) wurde in der Montagausgabe der LVZ veröffentlicht.
  • Uwe Voigt, Pressesprecher der Polizeidirektion Leipzig, reagierte auf eine ganz eigene Art – “… ich bitte Sie die Pressestelle der Polizeidirektion Leipzig zu Ihrer Anfrage zurückzurufen, ehe ich ellenlange Texte schreibe!!!“ – Chapeau! Und ellenlang erfolgloses Telefonläuten ohne Wasserwerferrauschen in der offenen Warteschleife der Leipziger Polizeidirektion …

Wann und an wen besagte Polizei-E-Mail gesendet wurde und welchen Inhalt die ominöse ’fälschlicherweise veröffentlichte zweite Seite’ gehabt hat, ist mithin nach wie vor offen. Genau wie gleichfalls weiterhin im Nebel liegt, wie die Online-Kollegen der LVZ letztendlich zu ihrem großen Auftritt gekommen sind.

– Update 16. Oktober 2013 (21:24 Uhr) –

Sehr geehrter Herr Pressesprecher Uwe Voigt,

zur Berichterstattung rund um das Sachsenpokalspiel 1. FC Lok Leipzig gegen RasenBallsport Leipzig am 12. Oktober nicht ellenlang, sondern kurz gefragt:

  1. Stimmt es, dass die Pressestelle der Polizeidirektion Leipzig im bezüglichen Zusammenhang an Medien eine E-Mail mit folgendem Inhalt verschickte? – “(…) anbei die Korrektur unserer PM, da fälschlicherweise eine zweite Seite mit veröffentlicht wurde. Wir bitten um Entschuldigung (…)“
  2. Wenn Ja: Wann wurde diese E-Mail versandt?
  3. Wenn Ja: Wurde diese E-Mail lediglich an die LVZ-Sportredaktion beziehungsweise die LVZ-Online-Redaktion verschickt oder auch darüber hinaus verbreitet?
  4. Wenn Ja: Welchen Inhalt hatte die ’fälschlicherweise veröffentlichte zweite Seite’ der Pressemitteilung?
  5. Wenn Ja: Auf welcher Grundlage wurde die ’fälschlicherweise veröffentlichte zweite Seite’ erstellt?
  6. Wenn Ja: Wer zeichnet für den Inhalt der ’fälschlicherweise veröffentlichten zweiten Seite’ verantwortlich?
  7. Welcher Pressesprecher beziehunsgweise Medienbeauftragte der Polizeidirektion Leipzig war während der Absicherung der Fußballveranstaltung vor Ort?

Doch nicht ganz so kurz geworden, mea culpa, aber so ellenlang brauchen Sie ja nicht antworten.

In Erwartung …

… und mit freundlichen Grüßen …

[Dieser Artikel wurde – zuerst ohne Updates – am 15. Oktober 2013 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

[Nachsatz vom 16. Oktober 2013 -> 6 vor 9 @ BILDblog.de]

Dynamo Dresden: Dementierte Matthäus wirklich?

Seit einiger Zeit nun bereits ist die SG Dynamo Dresden (SGD) auf der Suche nach einem neuen Trainer für die amtierende Zweitliga-Mannschaft. Der eine oder andere Name für den Posten war bis dato schon im Gespräch, Gerüchte machten die Runde, der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) befragte seine Zuschauerinnen und Zuschauer online nach eventuellen Favoriten für den Trainerstuhl bei den Schwarz-Gelben, oder besser gesagt: bei den diessaisonal eher gelb-gelb auflaufenden Kickern aus der sächsischen Landeshauptstadt.

Und bei allen bezüglichen Gelegenheiten fiel immer einmal wieder der Name von Lothar Matthäus, durchaus bekannt dafür, sich auch gern selbst in das Gespräch um freie Trainerstellen rund um den fußballerischen Erdball zu bringen.

Nun aber soll der Loddar dementiert haben – und zwar richtig und endgültig. So zitiert der MDR aus dem eigenen Webtalk einen Herrn Matthäus: “Dynamo Dresden ist natürlich immer eine interessante Option. Aber es gibt keine Gespräche.“ Zudem stünde er – berichtete MDR darüber hinaus – “wegen eines Fernsehvertrages“ gegenwärtig sowieso nicht zur Verfügung.

Aber welcher Lothar Matthäus kam da beim MDR eigentlich zu Wort? Der Sender jedenfalls bezog sich auf Aussagen, die der “43-Jährige“ am ersten Septembertag dieses Jahres von sich gegeben habe. Der so zitierte sah vor der Kamera dem Loddar dann auch verblüffend ähnlich. Nur: DER Lothar Herbert Matthäus ward – immerhin bisher unwiderlegt – im Märzen des Jahres 1961 Anno Domini geboren.

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(mdr.de – “Zuletzt aktualisiert: 01. September 2013, 16:45 Uhr“)

Wer hat da wohl beim MDR-Webtalk etwaigen Gesprächen mit der SGD um den dort derzeit unbesetzten Trainerposten wirklich widersprochen? Und ist dieses Dementi noch zu halten? Wenn ja, für wie lange? Fragen über Fragen …

Lothar Herbert Matthäus – Bitte übernehmen Sie und schaffen endlich selbst Klarheit. Die Welt wartet bestimmt darauf.

Post Scriptum: Unterdessen aktualisierte mdr.de um 17:22 Uhr – doch die bislang im verschwörungstheoretischen Ansatz dokumentierte Ungewissheit in der Sache bleibt nach wie vor bestehen.

[Dieser Artikel wurde am 1. September 2013 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

Post Post Scriptum: Der MDR hat sich offenbar seines steuerfinanzierten Bildungsauftrages besonnen und Lothar Herbert Matthäus bereits schon am 2. September um 10:13 Uhr den zuvor zugestandenen Jungbrunnen kommentarlos wiederum entzogen. Rentnerinnen und Rentner aus der Region der mitteldeutschen Drei-Länder-Sende-Anstalt, hört die Signale!

’Die Welt’ erklärt die ostdeutsche Provinz Dresden

Nein, als Posse ist das Schriftstück aus der Reihe “Ein paar Blitzbesuche in den deutschen Provinzen“ mitnichten deklariert, ebenso wenig als persönlich journalistische Kommentierung, aber eilfertig unter der Headline ’Kultur im Wahlkreis’ ankündigt – “Was gibt es dort zu sehen, zu lesen oder zu hören, wo die Spitzenkandidaten der Parteien antreten?“ Beispielsweise mit dem Flugzeug über Dresden einschwebend und die Stadt “von oben wie ein bürgerliches Paradies“ sehend?

Den Wahlkreis einer durchaus bekannten Linken-Politikerin kann der Überflieger aber “auch von unten aus betrachten, aus der Sicht ihrer Partei. Dann ist die eindrucksvollste Sehenswürdigkeit das Glücksgas-Stadion, malerisch gelegen zwischen Blüherpark und Großem Garten“.

Ja, der Aufgalopp ist mies und wird auch nicht unbedingt besser – befindet sich im weiteren Verlauf dann eher in einem quasi qualitativ freien Fall aus dem Überfliegerflugzeug nach ganz weit unten.

So empfiehlt ein für DIE WELT tätiger Michael Pilz den Besuch des Dresdner Stadions “wenn Dynamo Dresden auftritt und sich der Zweckbau vorwiegend mit Eingeborenen füllt“. ’Eingeborene’ liest sich gut – Chapeau!

An dieser Stelle erlauben wir uns dann aber doch erst einmal vorsichtshalber, kurz den Terminus ’Ostdeutsche Neger’ zu googlen, mit ungefähr 442.000 Ergebnissen in nur 0,33 Sekunden. ’Eingeborene Dresden’ kommt bei der Suche in ähnlicher Zeit auf rund 394.000 Fundstücke – erstaunlich, Herr Pilz; gut recherchiert! Aber wie schaut es mit ’Eingeborener ostdeutscher Neger’ aus?

Ach ja – “Wer ihre Stadt [also die der elbflorentinischen Ost-Sachsen-Eingeborenen-Neger] verstehen möchte, muss Veit Pätzug lesen“, meint Michael Pilz …

“Es sind Heldensagen aus der Zeit der DDR, der Wende und des Widerstands gegen den Westen. In den widerlichsten kommen Nazis vor und Mitmenschen zu Schaden.“

… bezieht sich allerdings dabei fast völlig orientierungslos und zudem auch noch hilflos scheinend auf Pätzug und unterschlägt mehr, als der geneigten Leserin oder dem geneigten Leser von Veit Pätzugs bisherigen Gesamt-Werken bekannt ist – eine reine Zumutung durch Meisterchen Pilz.

Ob es “Unter den Türmen von Dresden“ noch billiger geht? Oh ja, Michael Pilz scheint durchaus investigativ auf der Pirsch gewesen zu sein –

“… Verkürzt gesagt: Der Westfußball gehört den Geldgebern, der Ostfußball den Fans. Die haben ihn erhalten und Dynamo auch nach Meuselwitz begleitet. Gern erschrecken sie den Westen, indem sie sich aufführen wie Söldnerhorden und verwerfliche Parolen brüllen …“

Fast schon beängstigend, wie da jemand seine offenbar losen Latten am Zaun öffentlich so darstellt wie “Unter den Türmen von Dresden“.

Investigativer als investigativ schließt dann das Pamphlet. “(…) Im Stadion führt die linke ’Elb-Kaida’ ihre Massenchoreografien auf und sorgt für Feuerwerk. Empfehlenswert sind auch die Bismarck-Semmeln.“ – Nur wo im Rudolf-Harbig-Stadion gäbe es die aktuell noch? Und wenn, dann keinesfalls mit Ihnen, Herr Michael Pilz.

(…) Eh’ schwarzer Neger, des au’ noch (…) –

[Dieser Artikel wurde am 25. August 2013 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

MedienScreen # 25 [Ein Innenminister und die Fan-Chaoten von Dynamo Dresden]

[Fundstück] Nicole Selmer, “Sächsischer Innenminister greift Dynamo-Fans an“, Publikative.org, 13. März 2013 –

(…) Dynamo Dresden, das sind die Chaoten aus dem Osten. Gewalt, Rassismus, Pyrotechnik – kennen wir alles (…) Da wundert es auch nicht, wenn der sächsische Staatsminister des Inneren schreibt, dass Dynamo-Fans Polizisten attackierten – selbst wenn die Polizei davon nichts mitbekommt (…)

Dynamo Dresden ist nicht gern, aber häufig Gast beim DFB-Sportgericht in Frankfurt. Die Frankfurter Rundschau schreibt von mehr als 20 Urteilen gegen den ostdeutschen Klub seit 2002. Dass die Fans für Probleme sorgen, ist kaum zu bestreiten. Ebenso offensichtlich, wenngleich meist weniger beachtet, sind jedoch die Fortschritte: Verein und Fanszene haben in der Auseinandersetzung mit Gewalt und Rassismus einen weiten Weg zurückgelegt. Aber trotz großer Investition des Vereins in die Fanarbeit, der Aufforderung des Vorsängers zum Pyroverzicht und langjährigen Aktivitäten der antirassistischen Faninitiative 1953international: Dynamo Dresden wird seinen schlechten Ruf nicht los.

Umso sensibler reagieren die Fans von Dynamo auf Vorwürfe, selbst wenn die nicht aus Frankfurt, sondern vom sächsischen Innenminister stammen. Markus Ulbig beziehungsweise sein Team sind eifrige Social-Media-User. Auf seiner Facebookseite beschäftigte sich der Minister am Montag [11. März] mit dem Fußballwochenende und schrieb: “Fast 1500 Polizisten für gerade mal drei Fußballspiele am Wochenende in Sachsen. Rechnet man das Spiel in Halle dazu, wo unsere Reiterstaffel eingesetzt war, sind wir gleich bei 2500 Beamten. Ausschreitungen, Randale, brutale Angriffe auf die Polizisten – eine traurige Bilanz und höchst unsportlich. Hier muss sich was ändern.“ (…)

Es folgten Zustimmungen, aber auch Nachfragen von Userinnen und Usern, welche Spiele und welche Randale hier genau gemeint seien. Ulbig antwortete mehrfach und erläuterte dann: “Nach dem Spiel Aue/Dynamo griffen circa 200 sogenannte ’Dynamo-Fans’ die Polizei an, zwei verletzte Beamte, 15 Strafanzeigen.“

Dynamo Dresden spielte am Sonntag [10. März] in Aue (…) Von Ausschreitungen jedoch, gar von gezielten Angriffen gegen die Polizei, wie deren Dienstherr sie beschreibt, ist nichts bekannt. Das geht aus einem Offenen Brief hervor, den ein Dynamo-Fan an Marcus Ulbig schrieb, zu lesen im Dynamo-Blog spuckelch: Der Fan hatte nachgefragt bei der Polizeidirektion Chemnitz, die für das Spiel zuständig war. Was denn in der Pressemeldung stünde, wollte er wissen und erhielt die Antwort: “Es ist nichts weiter vorgefallen. Wozu sollen wir denn dann eine Pressemitteilung herausgeben.“

[Fundstück] “Offener Brief an den Sächsischen Innenminister Markus Ulbig“, spuckelch.wordpress.com, 12. März 2013 –

(…) Was wissen Sie, was die Chemnitzer Polizei nicht weiß? Teilen Sie doch bitte Ihre Informationen mit uns. Gern auch persönlich in der Berliner Vertretung des Freistaates Sachsen in der Brüderstraße 11. Ich mag Dresdner Eierschecke gern (…)

[Dieser Beitrag wurde am 13. März 2013 bei Ostfussball.com publiziert.]

– Update –

Dresdner Morgenpost, 16. März 2013 –

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Dynamo Dresden und die “Freiheit“ des MDR

Die “Freiheit“ der 5. Liga wurde am 30. Oktober 2007 beim Online-Magazin Telepolis publiziert und beschäftigte sich im weiteren Sinne mit den Ereignissen anlässlich der fußballerischen Begegnung am 28. Oktober 2007 in der damaligen Sachsenliga zwischen den Amateuren der SG Dynamo Dresden und der Mannschaft von 1. FC Lokomotive Leipzig –

(…) Das Sachsenliga-Spiel war zwar von dauernden Böllern, Raketen und Rauchschwaden begleitet, wurde allerdings nicht unterbrochen, geschweige denn abgebrochen (…) Und danach geschah das, was alle ja schon vorher gewusst haben könnten und was nunmehr zusammengepuzzelte Fernsehbilder mehr schlecht als recht zeigen – Gewalt im Osten. Straßenschlachten in der Dresdner Innenstadt: Raketen, Böller, Steine, Gewalt, Verletzte, Festnahmen in Größenordnungen von mehreren Hundert – Einsatz von weit über 1.000 Polizisten; Wasserwerfer, Hunde, Pferde, Hubschrauber vor Ort (…) Die Gazetten schreiben und tun so, als ob sie berichten und Ursachen suchen würden. Die Video-Portale quellen über von Sequenzen von diesem Tag in Dresden (…)

Nicht nur Video-Portale und TV-Kanäle wurden dazumal quasi geflutet von den Ereignissen rund um diesen Dresdner Oktobertag, auch Print- und besonders Bild-Agenturen füllten die Nachrichten-Ticker. Original-Fotos sind Dokumente.

Heutzutage nun spielt der amtierende Zweitligist Dynamo Dresden mit seinem Profi-Kader beispielsweise auswärts bei Hannover 96 um den DFB-Pokal. Und in der nachbetrachtenden Berichterstattung des MDR (Mitteldeutscher Rundfunk) zum 31. Oktober 2012 gleicht plötzlich ein angeblich aktuelles Bild irgendwie einem früheren Schnappschuss – Zufall? Absicht? Journalistische Schlamperei?

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(Screenshot – Ultras.ws)

(…) Im Rahmen der Sendung “Sachsenspiegel“ am 1. November verwendete die Redaktion für die Anmoderation zu einem Beitrag über die Randalen ein Symbolbild mit aufgebrachten Fans. Eine darauf abgebildete Person wurde vom “Sachsenspiegel“ zwar unkenntlich gemacht, das Problem ist jedoch das wie: Die Grafiker legten dem Mann nämlich nachträglich ein Bengalo in die Hand (…)

Fans fanden das Originalbild und teilten es in einer Gegenüberstellung zur bearbeiteten Version aus dem Sachsenspiegel. Dynamo Dresden bezog dazu ebenfalls Stellung. Der Club beschwerte sich beim Sender und schrieb auf der eigenen Seite, man habe “mit Nachdruck auf das Unverständnis der SG Dynamo Dresden und vieler Anhänger über die als äußerst unsensibel, dramatisierend und journalistisch fragwürdig empfundene Bearbeitung eines fünf Jahre alten Fotos für die Anmoderation hingewiesen.“

Der MDR antwortete in einer Stellungnahme: “Nach ausgiebiger Diskussion sind auch wir zu der Auffassung gelangt, dass diese Grafik nicht optimal ist und zu Missverständnissen führen kann. Wir bedauern das und werden daraus intern Konsequenzen ziehen.“ (…) [meedia.de]

“Die Gazetten schreiben und tun so, als ob sie berichten und Ursachen suchen würden.“ Gibt es Zufälle? “Auch der Zufall ist nicht unergründlich – er hat seine Regelmäßigkeit“ (Novalis).

Nach ausgiebiger Diskussion ist Ostfussball.com zu der Auffassung gelangt, dass die wie zufällig scheinende Stellungnahme des MDR nicht optimal ist und durchaus zu weiteren Missverständnissen führen könnte. Ostfussball.com bedauert das und wird daraus intern aber keine Konsequenzen ziehen, warum auch? Der Ball liegt sinnBILDlich bengalobeleuchtet beim MDR.

[Dieser Artikel wurde am 9. November 2012 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]