Archiv der Kategorie: FoundPieces

MedienScreen # 21 [Dynamo Dresden, Borussia Dortmund, So oder so – DFB?]

[Fundstück] “Wird Dortmund wie Dynamo bestraft?“, Dresdner Morgenpost, 16. Mai 2012 –

(…) Gleiches Recht für alle: Droht dem frischgebackenen Pokalsieger Borussia Dortmund jetzt auch der Ausschluss aus dem Wettbewerb oder ein Geisterspiel so wie Dynamo?

Es geschah beim DFB-Pokal-Finale kurz nach 21 Uhr im Berliner Olympia-Stadion: Als die Spieler von Bayern München und Dortmund zur zweiten Halbzeit auf den Rasen kamen, brannten im BVB-Block über 30 Bengalos. Eine dicke Rauchwolke zog durchs Stadion. Nach dem Spiel gab’s Ausschreitungen von Dortmund-Fans (…)

dehli_news_bvb_sgd_pokal_25_10_11
(Dresdner Lichter, Dortmund, 25. Oktober 2011 – Foto: dehli-news.de)

Die Geschehnisse (…) erinnerten leider exakt an die 2. DFB-Pokal-Runde in Dortmund (…) Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc sagte damals: “Ich hoffe, dass das angemessen geahndet wird.“ (…)

(…) Allerdings war der deutschlandweite Aufschrei damals größer (…) Für Tage bestimmte Dynamo die Negativschlagzeilen. Und jetzt: Die Dortmunder Chaoten sind gerade mal eine Randnotiz in der heilen Welt des Doublesiegers wert. Von den Bengalos im Bayern-Block ist gar keine Rede (…)

[Dieser Beitrag wurde am 16. Mai 2012 bei Ostfussball.com publiziert.]

MedienScreen # 20 [Argusaugen des DFB?]

[Fundstück] ’Meine Meinung’ von Nordfried Hönig, “Sind auch vorm DFB alle gleich?“, Dresdner Morgenpost, 7. Mai 2012 –

(…) Die Bundesliga-Saison ist seit gestern Geschichte und um die schönste Nebensache der Welt, den Fußball, wird es für kurze Zeit ruhiger.

Was haben wir erlebt? Spiele mit großer Leidenschaft und voller Spannung (…)

Und die echten, leider auch die falschen Fans haben wieder Fußball-Geschichte geschrieben. Dynamo Dresden wurde wegen schwerer Ausschreitungen beim Pokalspiel in Dortmund zur Kasse gebeten. Der DFB griff ungewohnt hart durch (…)

Dafür gab es beim Abstiegskracher des 1. FC Köln wieder Bilder, die irgendwie an das unrühmliche Dynamospiel erinnerten: Tribünen voller Rauch, Polizei auf dem Rasen und Spieler, die aus Angst um ihre Gesundheit vor sogenannten in die Kabine flüchteten.

Ich bin gespannt, wie der DFB reagieren wird. Ob ein reicher Klub mit Nationalspielern und Fußballverbands-Lobby genauso hart bestraft werden wird wie Dynamo? Muss wohl! Es geht hier um Glaubwürdigkeit des Verbandes, um gewaltfreien Sport und die schönste Nebensache der Welt (…)

[Dieser Beitrag wurde am 7. Mai 2012 bei Ostfussball.com publiziert.]

MedienScreen # 19 [Red Bull, Gefahr für den Fußball]

[Fundstück] “Die Dose der Pandora“, 11freunde.de, 27. April 2012 –

(…) Eigentlich dürfte es diesen Klub gar nicht geben. Jedenfalls dann nicht, wenn sich die Fußballverbände an ihre Regeln halten würden. Als RB Leipzig am 8. August 2009 zum ersten Spiel seiner Vereinsgeschichte gegen die zweite Mannschaft von Carl Zeiss Jena antrat, war das noch so. Damals hatte der Sächsische Fußball-Verband (SFV) alle Entwürfe für das Vereinsemblem abgelehnt, weil es dem Markenzeichen des Konzerns zu ähnlich war. Denn genau das verbietet die Satzung des Verbandes, in § 12 heißt es: “Änderungen, Ergänzungen oder Neugebung von Vereinsnamen und Vereinszeichen zum Zwecke der Werbung sind unzulässig.“ Das gilt nicht nur in Sachsen, sondern im gesamten deutschen Fußball. § 15 der Satzung des Deutschen Fußball-Bundes benutzt die exakt gleiche Formulierung, und auch für die Deutsche Fußball Liga ist sie verbindlich.

Ausnahmen von der Regel gibt es nur dort, wo Klubs als Betriebssportgemeinschaften gegründet wurden und daher Unternehmensnamen bzw. dessen Logo im Vereinsemblem tragen, wie etwa bei Bayer Leverkusen oder Carl Zeiss Jena. In den Siebzigern hatte es in der zweiten Liga noch zwei Fälle gegeben, bei denen Sponsoren Klubs umbenannten. Der SV Waldhof hieß damals nach einem Chipshersteller SV Chio Waldhof Mannheim, und ein Geldgeber brachte beim SC Westfalia Herne zwischenzeitlich den Namen seiner Tankstellenkette unter: Westfalia Goldin Herne. Ende der siebziger Jahre untersagte der DFB solche Umbenennungen.

Der Trick, das Verbot zu umgehen, wurde aber nicht in Leipzig erfunden, sondern in der westfälischen Provinz. Als der TuS Ahlen und Blau-Weiß Ahlen 1996 fusionierten, hieß der neue Verein verblüffend umständlich Leichtathletik und Rasensport Ahlen. Die Abkürzung LR stand wie zufällig auch für das Unternehmen des Sponsors Helmut Spikkers: LR International. Das Verbot, mit dem Vereinsnamen zu werben, unterläuft RB Leipzig jedoch viel konsequenter, als es LR Ahlen getan hat. Offiziell steht das Kürzel zwar für RasenBallsport, doch der Klub benutzt den Namen fast nirgends. Auf den Plakaten in der Stadt, der Stadionzeitung oder Homepage ist konsequent von den “Roten Bullen“ die Rede, als sei das ein Traditionsname wie “Die Roten Teufel“ oder “Die Knappen“. Einer besonderen Transferleistung von Roten Bullen zu Red Bull bedarf es da nicht mehr.

Doch wie konnte es passieren, dass der Sächsische Fußball-Verband so gegen Wort und Geist seiner Satzung verstoßen hat? Für Stephan Oberholz, als Vizepräsident für Rechtsfragen zuständig, stellt sich die Frage nicht. Das aktuelle Motiv habe “für alle Beteiligten ausgereicht“, sagt er. Eine hübsche Formulierung ist das, die nach Hinterzimmerabsprache klingt: Mach noch ein paar Striche dran, dann winken wir das durch. Im Mai 2010 wurde das heutige Emblem durch einen Präsidiumsbeschluss des SFV akzeptiert (…)

[Dieser Beitrag wurde am 2. Mai 2012 bei Ostfussball.com publiziert.]

MedienScreen # 18 [Kanonenrohre vs. Ultras]

[Fundstück] “Vortrag – ’Sind das alles Vollidioten?’ – Fanforscher Gabler in Osnabrück über das Image der Ultras“, noz.de, 24. April 2012 –

(…) “Manchmal müssen sich die Ultras vorkommen wie ein Kaninchen, das gleichzeitig in zehn Kanonenrohre schaut.“ Diesen drastischen Vergleich zog Fanforscher Jonas Gabler (…)

Gabler kam durch persönliche Erfahrungen in deutschen und italienischen Stadien auf die Idee, sein Studium der Politikwissenschaft mit einer Diplomarbeit über rechtsradikale Tendenzen in der Fanszene im Ländervergleich abzuschließen. Die Stigmatisierung der Ultras in der öffentlichen Wahrnehmung schilderte der 30-jähriger Berliner nicht, um sich Freunde (…) zu verschaffen. Sondern er begründete diese Brandmarkung – durchaus überzeugend – mit zusammenlaufenden historischen Entwicklungslinien in der Fan- und Jugendsubkultur, gepaart mit Druck vonseiten der Polizei und den Medien.

Gerade die letzten beiden Akteure würden oft ein Bild erzeugen, dass die Gewalt in den Stadien so ausgeprägt sei wie nie – was in der Tat vielen statistischen Erhebungen zu diesem Thema widerspricht. Gabler wies darauf hin, dass in den 70er und 80er Jahren gewaltbereite Hooligans den Fußball als Bühne missbraucht hatten: zu einer Zeit, als der Stadionbesuch Männerdomäne war. “Wenn sich Fans daneben benommen haben, hat man das abgehakt und gesagt: Das sind halt Vollidioten“, erklärte Gabler plastisch die Vorurteile, die über Fans seinerzeit entstanden: “laut, betrunken, aggressiv, im Zweifel rechts.“

“Mit der Kommerzialisierung des Fußballs durch Verbände, Vereine und Freizeitindustrie und dem Einzug der Familien ins Stadion wurden diese bis dato unbeachteten Verhaltensweisen tabuisiert“, erklärte Gabler. Weil sich Ende der 90er Jahre, die Hooligan-Szene auflöste und in den Blöcken gleichzeitig als neuer, dominant auftretender Akteur die Ultras auf den Plan traten, seien diese von Außenstehenden einfach mit den alten Vorurteilen über Fans überzogen worden.

Dies steht im krassen Widerspruch zur Selbstwahrnehmung dieser Fangruppierung als Stimmungsträger in den Kurven, als gegenüber der Dominanz des Geldes im Fußball kritisch eingestellte Fraktion, die auch in den Vereinen um Mitsprache und für ihre Belange kämpft. Gabler bezeichnete die Ultra-Bewegung als derzeit attraktivste Jugendsubkultur. In diesem Zusammenhang kritisierte er die Aussage von Fanforscher Gunter A. Pilz, dass einige Ultras sich in Richtung “Hooltras“ entwickeln würden: Einer Jugendsubkultur sei es schon immer inhärent gewesen, ab und an mal über die Strenge zu schlagen. Dies sei nicht neu, nicht speziell auf die Ultras zu reduzieren.

“Eine Unterscheidung zwischen guten Ultras mit den schönen Choreografien und bösen Schläger-Ultras ist unzulässig“, erklärte Gabler, da die Grenzen fließend seien. Stattdessen müsse die Gesellschaft lernen, die Potenziale der Ultras zu erkennen (…) Und vor allem: In der Tatsache, dass sich innerhalb der Bewegung klare Regeln des Zusammenlebens herausgebildet hätten, liege die Chance auf “einen Prozess der Zivilisierung der Szene – aber nur, wenn man sich mit ihr auseinandersetzt und anerkennt, dass sie immer eine Subkultur bleiben wird.“

[Dieser Beitrag wurde am 25. April 2012 bei Ostfussball.com publiziert.]

MedienScreen # 17 [Was von Ultra übrig bleibt – ein Szenario]

[Fundstück] Andrej Reisin, “Ultras: Wer mit dem Feuer spielt“, Publikative.org, 11. März 2012 –

(…) Innerhalb kürzester Zeit ist Ultra beinahe zu einer Art Staatsfeind avanciert, mindestens aber zur scheinbar größten Gefahr für die Sicherheit und Attraktivität des Profifußballs in Deutschland und Europa. Die Mahner, Warner, Prediger und Scharfmacher wider die Ultras beschwören jedoch Phänomene herauf, die aus den Kurven längst verdrängt schienen. Denn was nach Ultra kommen könnte, wollen viele offenbar weder sehen noch wahrhaben …

(…) Ohne jeden Zweifel hat das Aufkommen der Ultra-Bewegung ab Ende der Neunziger entscheidend dazu beigetragen, rechten Hools und Nazi-Schlägern die Dominanz in den Kurven zu nehmen, die sie bis dahin ebenso zweifellos hatten. Dass Fankultur heute weitgehend bunt statt braun ist, ist auch das Verdienst vieler, vieler Ultragruppen, die sich ausgehend vom Grundgedanken, dass der Support für den Verein im Mittelpunkt steht, nach und nach von Rassismus und Diskriminierung abgegrenzt haben. In vielen Städten und in vielen Stadien sind sie heute deshalb die Träger einer progressiven und bunten Fußballkultur, zu der aus ihrer Sicht eben auch Pyrotechnik gehören kann – neben der Gewaltbereitschaft sicherlich der momentan am heißesten umstrittene Punkt (…)

(…) Es wäre deshalb dingend geboten, verschiedene Themen endlich auch getrennt voneinander zu verhandeln – und nicht permanent in hysterischem Geschrei alles in einen Topf zu werfen, nur weil man mal wieder keinen Aufmacher und die Deutsche Polizeigewerkschaft noch nicht genug Resonanzraum für ihre Forderungen gefunden hat: Das derzeit an jedem Wochenende verstärkt zu beobachtende Abbrennen von Pyrotechnik hat den einfachen Grund, dass die Ultras DFB und DFL unmissverständlich deutlich machen wollen, dass der Abbruch eines Dialogs nur dazu führt, dass dann eben unkontrolliert überall gezündelt wird. Die Message ist ganz klar: “Hier sind wir, hier bleiben wir, wir machen, was wir wollen, Ihr könnt uns nicht verbieten!“ (…)

(…) Letzteres ist allerdings ein fataler Irrtum: Die Ultras können und werden den Krieg mit den Vereinen und Verbänden und vor allem mit der Polizei nicht gewinnen. Mit und zu Recht wird der Staat sein Gewaltmonopol durchsetzen, denn in der Tat kann kein demokratisch-zivilgesellschaftlich verfasstes Gemeinwesen dauerhaft dabei zusehen, wie eine gewisse Anzahl zumeist junger Männer für sich selbst entscheidet, wann sie Gewaltanwendung zur Durchsetzung ihrer Ziele für richtig hält. Aber: Die klügeren Ultra-Gruppen haben dies längst erkannt. Nicht umsonst versuchen sie, sich innerhalb der Vereinsgremien Gehör zu verschaffen, nicht ohne Grund starteten sie eine Dialog-Initiative über Pyrotechnik, nicht aus Gewaltverherrlichung beteiligen sie sich an Fankongressen und ähnlichen Veranstaltungen (…)

(…) Wer diesen durchaus demokratischen Partizipationsversuchen immer wieder nur die Tür ins Gesicht und den Knüppel hinterher schlägt, darf sich nicht wundern, wenn er ausgerechnet die radikalsten und gewaltbereitesten Kräfte fördert – und damit exakt die Zustände heraufbeschwört, die vermeintlich bekämpft werden sollen. Denn auch, wer die jugendlicher Lust an der Revolte in Ultra-Kurven ausleben will, wird sich überlegen, ob Stadionverbote, Strafbefehle und horrende Schadenersatzforderungen den ganzen Spaß wert sind. Übrig bleiben werden bei der “brutalst möglichen“ Repression, wie sie von Scharfmachern gerne gefordert wird, daher vor allem diejenigen, die eh nichts zu verlieren haben – und denen deswegen alles scheißegal ist – Knast inklusive. Ein gefährliches Spiel mit dem Feuer – nur genau anders herum, als immer propagiert wird (…)

(…) Eine Lösung des Gewaltproblems ist deswegen schlechterdings nicht gegen die Ultras, sondern nur mit ihnen möglich. Denn die Alternative zu den Ultras könnte weitaus schlimmer sein. Wer die Repressionsschraube gegen die Ultras immer weiter zuzieht, läuft daher massiv Gefahr, ungewollt ganz anderen Kandidaten neue Spielfelder zu eröffnen, deren Zeit in der Kurve schon vorbei zu sein schien. Wer Gespräche abbricht und behauptet, diese hätten nie stattgefunden, verschafft denjenigen Stumpfis in den Stadien neues Gehör, die eh schon immer wussten, dass man Probleme nur mit dicken Armen, Alkohol und einer ordentlichen Portion Hass lösen kann. Wer immer mehr und immer öfter Pfefferspray einsetzt, wird die Anzahl der dumpfen “ACAB“-Gröler nicht verkleinern. Und wer ganze Gruppen mit Stadienverboten und ähnlichen Maßnahmen belegt, eröffnet die Räume, in denen rechte Gewaltgangs neue Spielfelder finden (…)

[Dieser Beitrag wurde am 21. März 2012 bei Ostfussball.com publiziert.]