Archiv der Kategorie: Hooltras

Polizei feat. Ultras.ws?

Wir erinnern uns, was bisher geschah – Edgar wollte eigentlich Rasen mähen …

Das Jahr 2014 ist erst wenige Tage alt und obwohl die Temperaturen im Außenbereich eher Frühling statt Winter vorgaukeln, ist trotzalledem natürlich mitnichten an eine rasenmäherische Aktion im heimatlichen Gärtchen zu denken.

Und so beschließt Eddi – von seinen Freundinnen und Freunden nach wie vor so geheißen – sein bislang schon durchaus umfangreiches Archiv zum Zeitgeschehen ein wenig zu ordnen und über den Jahreswechsel liegen gebliebene Fundstücke entsprechend einzusortieren. Vielleicht muss er ja auch seinem Enkel irgendwann wieder einmal bei den Hausaufgaben helfen. Und außerdem macht es Spaß, denkt Edgar so vor sich hin, seine papieren gefüllte Ordner-Ansammlung mit einem Blick streifend. “Ach ja, old school“, seufzt Edgar leise.

Klar hat Eddi längst auch die elektronischen Medien entdeckt und mit der Zeit Schritt für Schritt für sich erschlossen, zuweilen mit tatkräftiger Hilfe seines Enkels. “Ha ha, von wegen old school. Die Racker von heute denken ja glatt, das wäre nur mit ’alt’ zu übersetzen. Na, wenn die wüssten“, brummelt Edgar und fährt nebenbei seine liebevoll gepflegte Rechentechnik in ihren Betriebszustand hoch. Eddi besorgt sich aus den Tiefen seines kleinen Hauses noch eine Hülse aus der ostregionalen Bierproduktion, zündet sich eine Zigarette an und beginnt seine Archiv-Ordner aller Art zu bearbeiten.

“Och, was die Tage alles so passiert“, murmelt Edgar, “ist doch eigentlich gerade rasenfußballerisch freie Zeit jetzt“. Seine Recherche-Reise geht nun kalendarisch noch weiter zurück. Und da Eddi ein durch und durch offener Mensch ist, endet die Welt dabei für ihn keinesfalls am Lattenzaun seines kleinen erdenen Grundstücks.

Aber so viel Zeit hat Edgar heute eigentlich gar nicht für seine archivarische Tätigkeit. Einige Leutchen warten – gerade bei diesem Wetter – garantiert noch am Getränkestützpunkt vom Grohmann Siggi um die Ecke auf eine vor sich hin philosophierende abendliche Plauder-Runde. Und Rasen gibt es ja gerade sowieso keinen zu mähen.

Edgar lässt noch einmal kurz seinen Blick schweifen, bevor er zu Grohmann Siggi seinem Getränkestützpunkt aufbrechen will. “Was ist denn das hier?“, murmelt er. Irgend so eine Pressemitteilung der Polizei zu einem längst zurück liegenden Oberliga-Spiel in Baden-Württemberg. “Ausschreitungen bei SSV Reutlingen gegen Karlsruher SC II“, überlegt Eddi, “muss mir das jetzt unbedingt etwas sagen?“. Och nö, ab damit in den Rundordner für zeitgeschichtliche Abfälle und gut ist der Abend. Da bleiben die Augen von Eddi plötzlich an einer Ansage in der polizeilichen Pressemitteilung hängen –

Informationen und Hintergründe zum Thema Ultra, Ultras und Hooligans finden sich auf http://www.ultras.ws. [Polizeidirektion Reutlingen – Pressemitteilung – 25. November 2013 – Stand: 14.15 Uhr]

Edgar schmunzelt vor sich hin: “Ach, die Welt ist aus den Fugen. Jetzt macht schon die Polizei Werbung für Ultras und Hooligans, so was aber auch“. Eddi versteht, wie offenbar die Polizei ebenso, einige der sich immer wieder im öffentlichen Sprachgebrauch vermischenden Betitelungen zwar auch nicht so recht, schüttelt aber immerhin nachdenklich seinen Kopf und fragt sich leicht irritiert: Dürfen die so was überhaupt, also die Polizei, so mit einem quasi werbenden Verweis auf einer offiziellen Pressemitteilung? Ist das nicht fast schon kommerzielles Sponsoring?

Was würde wohl der scheinbar medial allmächtige Law-and-Order-Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, dazu sagen? Obwohl, Herr Wendt sei ja mit dem Adjektiv “unsympatisch“ noch gut bedient – wie Eddi beim weiteren Aufräumen seines Archivs in der Ausgabe 12/2013 der Zeitschrift konkret nebenbei lesen konnte.

Fragen über Fragen schwirren wie lautlos durch den Raum. “Aber jetzt“, sagt Eddi zu sich selbst, seine vorerst letzte Zigarette ausdrückend und die heimatliche Rechentechnik herunter fahrend, “geht es erst einmal zur abendlichen Runde beim Grohmann Siggi“. Der Rasen muss sowieso noch warten …

Post Scriptum: Ultras.ws wollte zu dieser “spaßigen Causa“ kein darüber hinaus gehendes Statement abgeben. Die Polizeidirektion Reutlingen sowie Herr Rainer Wendt wurden nicht nachgefragt – warum auch? “Die Wahrheit ist immer konkret“ (Lenin).

[Dieser Beitrag wurde am 10. Januar 2014 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

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Hooligans Elbflorenz: Post-Urteil

Bekanntlich verurteilte das Landgericht Dresden im vorigen Jahr fünf Männer wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, teilweise auch Landfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung. Die Angeklagten standen seit 24. August 2011 vor Gericht. Durch die Staatsanwaltschaft wurden sie beschuldigt, die Hooligans Elbflorenz gegründet und zahlreiche Gewalttaten in Zusammenhängen mit Fußballspielen von Dynamo Dresden angezettelt zu haben.

Nach dem Prozessausgang verzichtete die Dresdner Staatsanwaltschaft auf die Einlegung von Rechtsmitteln. Vielmehr wurde angekündigt, “nun auch die bis zu 40 weiteren mutmaßlichen Mitglieder der ’Hooligans Elbflorenz’ anklagen“ zu wollen.

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(Von oben betrachtet – Screenshot: maps.google.de)

Die Verteidigung der im Prozess um die mutmaßliche Führungsriege der Hooligans Elbflorenz Beklagten äußerte sich damals unmittelbar nach der Urteilsverkündung entsetzt über den Ausgang der Gerichtsverhandlung. Alle zehn Verteidiger kündigten eine Revision des 28 Monate gedauerten Verfahrens vor dem Bundesgerichtshof an.

“Allein: Die Urteile wurden noch nicht zugestellt. Denn das Abfassen der detaillierten oft seitenlangen Urteile frisst ebenfalls enorm Zeit“, so eine Notiz in der Dresdner Morgenpost am 4. Januar dieses Jahres. Das Landgericht Dresden hatte sein Strafmaß am 29. April 2013 verkündet.

[Dieser Artikel wurde am 5. Januar 2014 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

Ultras: Nur Kurvenrebellen?

Kurz vor dem kalendarischen Jahresende sollte ein 2013 veröffentlichtes Büchlein mitnichten links liegen geblieben sein. Christoph Ruf’s “Kurvenrebellen“ wird auf erstaunlich vielen Ultra-Websites erwähnt und dortselbst teilweise auch beworben. Warum?

Weil der Mann ganz gut schreiben kann? Weil – neben anderen Büchern, Publikationen und aktuell bezüglichen Artikeln – schon allein sein “Occupy Sesame Street“ im 2012 erschienenen Buch “Ultras im Abseits?“ mehr als nur nebenbei lesenswert war?

Weil der Mann vielleicht Ahnung von der Materie hat? Weil der Mann sich durchaus auskennt rund um die Szenerie und fast alle Facetten detailgenau beschreibt? – Ja. Und das ist selten; inside des Boulevards sowieso, im sich seriös gebenden bundesdeutschen Fußball-Journalismus traurigerweise fast noch mehr als nur ausnahmsweise.

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(An der BAB 9, Sommer 2013 – Foto: O.M.)

In der Einleitung zu “Kurvenrebellen“ ist unter anderem zu lesen –

“(…) Doch erstaunlicherweise wird öffentlich weder die Kreativität der Ultras, ihr politisches Engagement noch ihr Engagement für den Verein öffentlich gewürdigt. Eine brennende Bengalfackel genügt zuweilen, um eine ganze Kaskade von Negativschlagzeilen über eine Szene auszuschütten, die bundesweit aus mehreren zehntausend Menschen bestehen dürfte (…)“

Weiterhin war Christoph Ruf “positiv überrascht, dass die allermeisten Szenen (…) bereit waren, sich gegenüber dem Angehörigen einer Berufsgruppe zu öffnen, aus deren Reihen allein im Jahre 2012 Verzerrungen und Unwahrheiten transportiert wurden, die eigentlich ein Fall für den Presserat sind“.

Ja, der fußballerische Journalismus in der Bundesrepublik Deutschland ist weit gekommen – journalistisch kaum noch vertretbare Grenzen anschnüffeln und diese dann gleichwohl pseudo interessiert oberflächig übertreten, what ever?

Da tut ein Buch wie “Kurvenrebellen“ fast schon wieder gut. Leider fehlt “Kurvenrebellen“ bei seiner erzählerischen Akribi ein Register im Anhang. Aber ansonsten ist das Teil schon lesenswert, für jemanden, der in Zusammenhängen hinterfragend lesen möchte –

“(…) Man mag einiges an den Ultras auszusetzen haben, vieles davon wird (…) genauso thematisiert wie all das, was die Ultra-Szene zur vielleicht faszinierendsten Jugend-Bewegung dieser Tage macht. Eines steht aber fest: Die Ultras sind die Besten ihrer Generation …“

Ja, lesen bildet, und auch ein Stadionbesuch bildet, vor allem auswärts. Erfahrungen, die Frau/Mann gemacht haben sollte, allerdings abseits der VIP-Bereiche. War Christoph Ruf in jenen geschützten Zonen? Wohl eher nicht, oder manchmal vielleicht auch. Sein Fokus ist direkter, so liest es sich jedenfalls. Und es liest sich zugegeben gut – für die, die es sowieso schon kennen.

Und eben dies ist auch ein Problem von Büchern wie “Kurvenrebellen“. Es wird wohl hauptsächlich von denen gelesen werden, die sowieso irgendwie dabei sind, Wochenende für Wochenende, Spieltag für Spieltag; egal auf welcher Seite der imaginären Barrikade.

Aber nichtsdestotrotz ist es wichtig, dass es Bücher wie “Kurvenrebellen“ gibt. Denn möglicherweise bildet lesen ja wirklich, hier und da, vielleicht.

Danke, Christoph Ruf, für diesen weiteren journalistisch kurvenrebellischen Anlauf. Denn ein solcher ist immer noch besser als gar keiner.

* Christoph Ruf * Kurvenrebellen – Die Ultras – Einblicke in eine widersprüchliche Szene * Verlag Die Werkstatt

[Dieser Artikel wurde am 28. Dezember 2013 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

Neuer DFB-Strafenkatalog

Wie der SPIEGEL in seiner neuesten Ausgabe berichtet, verschärft der Deutsche Fußball-Bund (DFB) zum 1. Januar 2014 seine Stadionverbotsrichtlinien gegen Fußballfans jeder Provenienz.

So werde in anderthalb Monaten “nach den verschärften Richtlinien, die eine Arbeitsgemeinschaft unter Beteiligung von Fanprojekten und Vereinen formuliert hat, das Höchstmaß für Stadionverbote in deutschen Spielstätten der ersten bis vierten Liga von drei auf fünf Jahre ausgedehnt“.

Dem SPIEGEL vorliegenden Papier zufolge sollen “Hausverbote von einem, zwei oder drei Jahren bei Gewalt, Verwendung von Pyrotechnik oder verfassungsfeindlichen Umtrieben“ nach wie vor Anwendung finden. Weiter heißt es, ein “Fünfjahresausschluss kann bei besonders schweren Vergehen gegen Wiederholungstäter verhängt werden“.

“Der DFB übermittelt gemäß dem Beschluss einmal wöchentlich der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) sowie der Bundespolizei die Namen der ausgesperrten Fans. Vor Spielen der deutschen Nationalmannschaft wird wie bisher eine Namensliste an die internationalen Verbände Uefa und Fifa weitergegeben“ (DER SPIEGEL, 18. November 2013).

[Dieser Artikel wurde am 18. November 2013 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

Blickfang Ultra: Rückblick auf die Saison 2012/13

“Mal sehen, ob wir in einem Jahr einen erneuten Versuch wagen“, war noch im letztjährlichen Saisonheft 2011/12 von Blickfang Ultra (BFU) durchaus etwas kryptisch zu lesen. Und die BFU-Redaktion hat es erneut gewagt und gebar nun schon vor einigen Wochen den mittlerweile bereits dritten Rückblick auf eine wie auch immer abgelaufene Saison.

Das äußerlich Augenfälligste ist der Wechsel des Heftes auf ein eher unhandliches A4-Format. Geschuldet war dies vordergründig allerdings der vorliegenden Materialfülle: “Hätten wir das alles jetzt auf A5 pressen wollen, ihr würdet wohl jetzt ein 600 Seiten dickes Buch in euren Händen halten“ [BFU]. Aber auf die inneren Werte kommt es an und die sind beileibe nicht von schlechten Eltern des Heftgeburtsvorganges.

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Nachdem sich beim saisonalen 2010/11’er Rückblick aus dem ostdeutschen Raum sieben und für die Saison 2011/12 acht Ultra-Gruppen in den BFU-Heften darstellten, sind es in der aktuellen Ausgabe die folgenden neun alphabetisch aufgelisteten Vertretungen –

  • BLOCK U # 1. FC Magdeburg
  • ERFORDIA ULTRAS # FC Rot-Weiß Erfurt
  • HORDA AZZURO # FC Carl Zeiss Jena
  • RED KAOS 97 # FSV Zwickau
  • SAALEFRONT # Hallescher FC
  • ULTRAS CHEMNITZ # Chemnitzer FC
  • ULTRAS DYNAMO # SG Dynamo Dresden
  • ULTRAS GERA 99 # BSG Wismut Gera
  • WUHLESYNDIKAT # 1. FC Union Berlin

Neu in einem BFU-Saisonrückblick sind die Ranking-Rubriken für Choreos und Zaunfahnen und last but not least eine dreiseitige Zeitstrahlübersicht von Juli 2012 bis Mai 2013. Darüber hinaus gibt es einen Streifzug in Wort und Bild durch 23 europäische Pokalendspiele. In gewohnt hoher Druckqualität wird das Heft mit rund 500 Fotografien abgerundet. Auf den 292 farbigen Seiten präsentieren insgesamt 47 bundesdeutsche Ultra-Gruppierungen ihre vorsaisonale Sicht der Dinge aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln.

“(…) Viel diskutiert haben wir auch intern, warum nun diese und jene Gruppe dabei sein darf, ob das überhaupt sinnvoll ist und wo man die Messlatte für eine Teilnahme eigentlich anzusetzen hat. Eine allgemeingültige Lösung gibt es nicht. Ich persönlich sehe es zumindest nicht als meine Aufgabe an, Richter darüber zu spielen, wer gut und schlecht ist. Das sollen andere machen. Ich merk selber immer mehr, wie mich dieses überhebliche Getue von manchen Gruppen oder auch Einzelpersonen nervt. Bezogen aufs Heft kannste eh machen was du willst, es wird sowieso immer wieder das Negative gesehen und alles schlecht geredet. Ich warte schon auf die Statements der Oberschlauen, die sich über die Texte von Gruppe XY lustig machen. Anstatt die positiven und schönen Seiten eines solchen Projektes zu sehen, oder auch die viele Arbeit die dahintersteckt, wird direkt draufgehauen und sich lustig gemacht. Mein Tipp an den Personenkreis: Hüpft mal hoch und schaut in eure 3. Reihe, was da für Leute stehen. Weisste bescheid, ne?! (…)“ [Vorwort]

Blickfang Ultra Saisonrückblick 2012/13 ist mit 7,90 Euro ausgepreist, gleichwohl bei einem Händler des eigenen Vertrauens nach wie vor erhältlich. Und: Lesen bildet …

[Dieser Artikel wurde am 1. Oktober 2013 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

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