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Virtueller Krieg gegen den Terrorismus

Das Echtzeit-Strategiespiel “War on Terror“ verspricht rein technisch viel im Terrorismus-Kampf. Titel und Inhalt deuten allerdings auch über den Cyber-Bildschirmrand hinaus

Der von der US-Regierung nach dem 11. September 2001 postulierte War on Terrorism wird zwar auch im eigenen Land zunehmend kritisiert. Allerdings hat die so geführte und mittlerweile fast durchgängig als Global War on Terror titulierte Politik unter dem amtierenden Präsidenten George W. Bush zumindest scheinbar eines erreicht: Bei mehr und mehr US -Amerikanern ist ein negativ besetztes sowie potentiell gewaltunterstellendes Bild des Islam vorherrschend (Ihr Sieg ist auch ein Sieg Bin Ladens) – und das nicht erst seit gestern und zudem nicht allein in den USA.

Die virtuelle Spielewelt kann als mehr oder weniger deutliche Widerspiegelung verstanden oder ebenso als Resultat einer Entwicklung gesehen werden. Wer beispielsweise einmal seinen Blick durch Free-Mini-Game-Plattformen im Internet schweifen lässt, vermag sich dort beispielsweise auch mit Spielen wie War on Terrorism auf virtuelle Missionen begeben. Der erste Teil von War on Terrorism wurde von TechRadium noch im Jahr 2001 veröffentlicht, der zweite Teil folgte fast umgehend im darauffolgenden Jahr.

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(Screenshots von “War on Terror”)

Beide Teile lassen – bei nicht einmal mittelmäßig einzustufender Performance – an Deutlichkeit sowie Umsetzung des virtuellen Kampfziels nichts zu wünschen übrig. In den zwei Spielversionen steht fast ausschließlich ein Scheibenschießen auf nicht näher spezifizierte – aber eindeutig zuordenbare – Terroristen im Mittelpunkt. Darüber hinaus kann im ersten Teil von War on Terrorism während der Mission “Bin Laden Capture“ Osama selbst prügelnd bearbeitet werden – bis dieser durch die Schläge zusammenbricht. Die politische Botschaft, wenn solchen Spielen denn eine unterstellt wird, ist nicht nur in dieser Sequenz – bis dahin allerdings rein technisch gesehen schlecht umgesetzt – deutlich.

Eine Entwicklung mit durchaus politischen Bezügen kann seit dem 11.9. auf dem Spielesektor wohl auch von jenen, die hier nicht unbedingt einen Zusammenhang sehen möchten, nicht geleugnet werden. Zudem nimmt der “Kampf gegen den internationalen Terrorismus völlig neue Dimensionen“ an. Mit dem PC-Spiel War on Terror wird “ein bedrückend authentisches Zukunftsszenario“ versprochen.

In der Game-Story plant ein Terrornetzwerk namens The Order Anschläge “auf die Metropolen der zivilisierten Welt“. Doch damit nicht genug: “Der Orden sät obendrein aus dem Untergrund heraus Zwietracht zwischen der NATO-Nachfolgeorganisation World Forces und der Großmacht China.“ Nun liegt es allein in den Händen des Spielers, “die weltweite Verschwörung aufzudecken und der Menschheit den Frieden zurückzubringen“.

Der Publisher von War on Terror, Deep Silver, scheint sich allerdings über die historische Verortung des virtuell anbrechenden allumfassenden Terrorkriegs selbst nicht ganz sicher. Auf der offiziellen Website zum Spiel befindet sich “im Jahr 2006 … der Terror auf seinem finsteren Höhepunkt“, während in der Printwerbung der Orden auch schon mal erst 2008 seinen Terror-Großangriff beginnt. Aber letztendlich ist allein das Ziel bestimmend, nämlich “die Welt ein für alle Male vom Terrorismus zu befreien“.

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In der Ankündigung der technischen Umsetzung des Echtzeit-Strategiespiels durch den ungarischen Entwickler Digital Reality – der Mitentwickler Monte Christo ist gegenwärtig “under construction“ – wird mit Superlativen nicht gerade sparsam umgegangen. Ein Augenmerk liegt dabei darauf, dass die von D-Day und Afrika Korps vs. Desert Rats bekannte Walker-Engine von Digital Reality zur Walker 3 Engine weiter entwickelt wurde. So wäre jetzt mit bis zu 2.500 Polygonen für einen Soldaten in der Darstellung eine enorme Detailvielfalt möglich geworden. “Liebevoll gestaltete und im Genre unverbrauchte Schauplätze rund um den Globus“ – wie beispielsweise der Pariser Eiffelturm, das Brandenburger Tor und die Kathedrale von Canterbury – seien aus bis zu 40.000 Polygonen zusammengesetzt und würden – “zum Verwechseln ähnlich“ – in der 3D-Grafik durch realistische Schatten- und Beleuchtungseffekte umspielt.

War on Terror bietet zudem einen Multiplayer-Modus mit 20 Karten für bis zu acht Mitspieler. Weitere Mehrspieler-Karten können auf Wunsch von einem Zufallgenerator zusätzlich erstellt werden. Zudem soll die Unterstützung mit GameSpy War-on-Terror-Kämpfe via Internet effektiver möglich machen. Besonders hervorhebenswert scheint die für das Spiel entwickelte künstliche Intelligenz (KI). Hier zeichnen nunmehr für die meisten Spielaktionen nicht mehr feststehende Skripts verantwortlich, “sondern eine flexible KI, die sich der jeweiligen Situation anpasst“. Ein kleinwenig klingt es so, als sei Digital Reality bei der KI-Programmierung zumindest ansatzweise etwas gelungen, woran andere Entwickler seit längerem nach wie vor eher weniger als mehr erfolgreich zu Gange sind (S.T.A.L.K.E.R. – ein Nachruf?).

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Der Medien-Hype um War on Terror ist zudem nicht gering. Wohl einmalig in der bisherigen Geschichte wurde ein Spiel in der Zeitschrift PC GAMES gleich über sechs Seiten beworben und zudem vorab als “Prachtspiel“ eingestuft: “Effekte wie im Actionfilm“. GameStar betont in seiner Beurteilung “eine sehr realistisch wirkende Umgebung“. PC AKTION lässt sprachlich herausragend während erster Tests “oft mal vor lauter Grafikpracht den Bildschirm vollsabbern“ und stellt resümierend fest: “So nah an einem virtuellen Kriegsgeschehen waren Sie noch nie.“ Getrübt wird das Ganze allerdings von scheinbar aufgetretenen Turbulenzen um den letztendlichen Release-Termin des Spiels, der eigentlich für den 17. März angekündigt war, aber nun laut der “War on Terror“-Website offenbar auf den 7. April verschoben worden ist.

Ein stringenter Vergleich sowie thematisch fortführende Zusammenhänge und deren inhaltliche zusammenhängende Orientierung von War on Terrorism und War on Terror scheinen nur konstruierter Natur sein zu können. In der technischen Umsetzung verbieten sie sich überdies geradezu. Zumal es sich ja auch nur um Computerspiele handelt.

Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) War on Terror nach Prüfung der spielbaren Demo-Version mit der Altersfreigabe ab 16 Jahren eingestuft hat. Manchmal erhalten aber auch durchaus unterstellte Bezüge zum Krieg gegen den Terror wiederum außer-virtuelle Nuancen: “Nur wer alle taktischen Möglichkeiten in Betracht zieht und Helden sowie Spezialfähigkeiten sinnvoll einsetzt, wird am Ende des Tages den Sieg davontragen … oder beim Versuch kläglich scheitern.“ Real oder virtuell? Allein im Cyberspace ist es nur ein Spiel.

[Dieser Artikel wurde am 17. März 2006 bei Telepolis veröffentlicht.]

S.T.A.L.K.E.R. – ein Nachruf?

Der Rollenspiel-Ego-Shooter sollte spektakulärer als Half-Life 2 werden, noch kursieren um das virtuelle Tschernobyl jedoch vor allem Gerüchte

Die unendliche Geschichte Half-Life 2 war vor gut einem Jahr gerade zu Ende geschrieben – und wird bis heute durchaus erfolgreich fortgesetzt. Während damals in Game-Communities noch beispielsweise heftig über die Steam-Zwangsregistrierung für Half-Life 2 diskutiert wurde, flackerte am virtuellen Spielhorizont bereits S.T.A.L.K.E.R. – der immer wieder gern so titulierte Frontalangriff auf Half-Life 2.

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Die Story von S.T.A.L.K.E.R. spielt im Jahr 2006 und rankt sich um eine fiktive Reaktorkatastrophe. In deren Folge besetzt Militär das Gebiet, atomar verstrahlte Tiere entwickeln sich zu gefährlichen Bloodsucker-Kreaturen. Auf geldgieriger Suche nach Artefakten dringen schließlich, quasi als Namensgeber für das Spiel, so genannte Stalker in die verbotene und abgeriegelte Zone ein, versuchen ihre Ziele zu erreichen und dabei am Leben zu bleiben.

Über genauere Einzelheiten der Gesamtstory breiten die Entwickler nach wie vor den Mantel ihres Schweigens. So kursieren verschiedentlich nur weitere Story-Andeutungen von Verschwörungen, Intrigen und wissenschaftlichen Experimenten im virtuellen Spielareal. Nicht fiktiv dagegen ist allerdings die geografische Verortung des Katastrophenszenarios in Tschernobyl. So seien vom ukrainischen Entwicklerteam GSC Game World – nach Vorab-Berichten – rund 30 Quadratkilometer um Tschernobyl Detail für Detail anhand fotografischer Aufnahmen für S.T.A.L.K.E.R. exakt nachempfunden und umgesetzt worden.

Über Sinnhaftigkeit der Story im Einzelnen und die geografische Ansiedlung in Tschernobyl im Besonderen mag trefflich gestritten werden können. Die spielerischen Meilensteine, welche der “Survival-Shooter“ (4Players.de) wohl immer noch nach wie vor durch sich zu setzen beansprucht, sollen andere sein. So ist – abgesehen von den wieder und wieder beschriebenen facetten- und detailreichen Charakteren und Spielgebieten – die von GSC speziell für S.T.A.L.K.E.R. entwickelte “X-Ray“-Engine angeblich in der Lage, mehr als eine Million Polygone pro Einzelbild flüssig darzustellen. Sie soll zudem entsprechende Physikberechnungen für realistische Szenen möglich machen.

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Doch über die Zusammenführung von Ego-Shooter und Rollenspiel hinaus wird noch mehr versprochen: Im Gegensatz zu beispielsweise Half-Life 2 soll es in den 18 Levels von S.T.A.L.K.E.R. keine geskripteten Ereignisse mehr geben. Dadurch wäre das Spiel “nichlinear und damit das Morrowind der Ego-Shooter“ (PC-GAMES). Für den jeweiligen Spieler würde das bei gelungener Umsetzung dann fast volle individuelle Bewegungsfreiheit sowie verschiedene Lösungswege in den einzelnen S.T.A.L.K.E.R.-Missionen bedeuten. Die letztendliche Realisierung scheint allerdings schwieriger als von den Entwicklern selbst erwartet – oder ist das Ziel zu hoch gesteckt?

Als ein Grund für die mittlerweile jahrelangen Verzögerungen wird immer wieder die entsprechend schwierig zu programmierende künstliche Intelligenz (KI) angegeben, bei S.T.A.L.K.E.R. wird sie mit “Lebenssimulation“ umschrieben. Die Crux kann durchaus darin vermutet werden, dass auch in den gerade bei S.T.A.L.K.E.R. angestrebten Lebenssimulationen jeder der so genannten Non-Player Characters divergent sowie gleichfalls teilweise unabhängig von Game-Aktivitäten reagieren kann und zudem Stereotype vermieden werden sollen. Die KI-Latte liegt also dementsprechend hoch, beim selbst postulierten S.T.A.L.K.E.R.-Anspruch etwa noch zu hoch?

Jedenfalls verstrichen immer wieder angekündigte Release-Termine. Noch Anfang diesen Jahres hatte Oleg Yavorsky von GSC Game World auf die Frage, ob für S.T.A.L.K.E.R. als Veröffentlichungszeitpunkt “der Mai 2005 in Gefahr“ sei mit “Ich denke nicht“ reagiert. Nach der im besagten Mai in Los Angeles stattgefundenen Spielefachmesse E3 verlautbarte dann der S.T.A.L.K.E.R.-Anbieter THQ Entertaiment, mit dem Spiel sei 2005 nicht mehr zu rechnen. Im aktuellen Release-Ticker von THQ steht hinsichtlich eines möglichen Termins nach wie vor “noch nicht bekannt“.

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Mittlerweile kursieren Gerüchte, S.T.A.L.K.E.R. stehe angeblich kurz vor der Fertigstellung. Eine der dahingehend letzten Meldungen vom Oktober besagt, die Entwickler von GSC Game World sollen sich mit dem Spiel bereits in der Debug-Phase befinden, auch der getestete Mehrspielermodus sei vielversprechend. Allerdings wurde noch im September gerüchteweise vermeldet, die Designer arbeiteten noch an der Handlung und die zu erledigende Liste der Programmierarbeiten sei noch lang. Zudem gibt es auch noch keinerlei gesicherte Aussagen hinsichtlich der mindestens benötigten beziehungsweise optimal ausgerichteten Rechner-Hardware-Konfiguration der mittlerweile bereits lang als länger lauernden S.T.A.L.K.E.R.-Gemeinde. Etwas sicherer dagegen scheint, dass bereits im November – also jenseits aller etwaigen Release-Deutungen – angeblich schon der erste Roman zu S.T.A.L.K.E.R. auf den Markt kommen soll.

Als nächst möglicher Start-Termin wurde zwischenzeitlich das Frühjahr 2006 gehandelt, aber auch der Herbst des nächsten Jahres ist bereits im Terminspiel. Betrachtet man die Aussage von Anton Bolshakov (GSC Game World), die im offiziellen russischen S.T.A.L.K.E.R.-Forum kolportiert wurde – den endgültigen Release-Termin könne man an einer groß angelegten Werbekampagne absehen, die etwa ein halbes Jahr vor der Veröffentlichung beginnen soll -, ist allerdings auch das Frühjahr 2006 bereits S.T.A.L.K.E.R.-Geschichte. Wenn nicht etwa das eintritt, was bereits hier und da ebenfalls vermutet wurde: Am 26. April 2006 wird die sehr reale nukleare Katastrophe von Tschernobyl 20 Jahre alt. Ein äußerst makabrer Anlass wäre es – unterstellt – allerdings schon, ein solches Datum für einen wie auch immer gearteten Game-Hype nutzen zu wollen.

Vielleicht scheint ja ein Nachruf vorab auf S.T.A.L.K.E.R.: Shadow of Chernobyl zum jetzigen Zeitpunkt wie ein wenig verfrüht. Allerdings muss aber nicht nur auch das letztendliche let’s play erst noch bewiesen werden.

[Dieser Artikel wurde am 31. Oktober 2005 bei Telepolis veröffentlicht.]

Neonazis virtuell und im real life nicht erwünscht

Keine erfolgreiche Woche für den Freien Widerstand: Erst die Hoheit über die eigene Domain eingebüßt und dann in Leipzig auf der Straße gestoppt

Er mag geschlafen haben zu jenem Zeitpunkt in der Nacht zum 1. Oktober, der selbsternannte Führer der so genannten Freien Kameradschaften. Vielleicht hat er dabei sogar auch ein wenig seinen ewigen Traum vom freien Durchmarsch auf Leipzigs Straßen geträumt. Wann, wo und wobei Christian Worch an besagtem Samstag kurz nach Mitternacht die Hiobs-Botschaft über das ab diesem Zeitpunkt auch offiziell sichtbare Online-Hijacking der Freien-Widerstand-Domain ereilte, ist nicht überliefert. Dass er zumindest von den bis kurz zuvor noch zuständigen Administratoren des nunmehr virtuell vogelfreien Nationalen Widerstandes informiert wurde, kann allerdings durchaus unterstellt werden.

Vielleicht hätten Worch und seine Kameraden ja auch ein wenig stutzig und demzufolge aufmerksamer sein können. Denn wie schon bei der letzten größeren Hacker-Attacke gegen rechtsextreme Internetseiten (Virtuelle Antifa) gab es auch diesmal – abgesehen von den kruden politischen Inhalten – wahrnehmbare Merkwürdigkeiten um die Plattform des Freien Widerstandes. So ist es erst wenige Tage her, dass eine sich selbst so betitelnde “Mantelgruppe“ ihren virtuell Zugang zum Nazi-Onlineshop von Front-Records publik machte, in dessen Folge die von rechtsextremer Seite als sicher deklarierten aktuellen Kundendaten öffentlich wurden.

Das von der “Mantelgruppe“ – namentlich zudem für Insider mit deutlichem Kleidungsbezug – in diesem Zusammenhang verwendete leicht veränderte Konterfei von Axel W. Reitz und das Outfit der Website vom Freien Widerstand war augenscheinlich schon nicht mehr zufällig. Auch das Bekennerschreiben der “Mantelgruppe“ triefte zwischen den Zeilen geradezu offensichtlich vor Ironie: “Inspiriert durch den Aufruf auf freier-widerstand … hat sich eine Gruppe autonomer Nationalisten mit speziellen Fähigkeiten auf dem Gebiet der Weltnetzsicherheit zusammengefunden und sich zur Aufgabe gemacht, die Sicherheit nationaler Versände zu überprüfen und diese bei Nichteinhaltung UNSERER Vorschriften dementsprechend abzustrafen …“

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(Nicht nur die Fassade bröckelt. Screenshot von z.o.g. binary battle unit 01.01 – Quelle: indymedia)

Nichts desto Trotz erschien zu diesem Zeitpunkt beim Freien Widerstand quasi reflexartig noch die so original gepostete Mitteilung an die Kameradinnen und Kameraden: “Für Alle zum mitschreiben: Wir (alle die mit … freier-widerstand … zutun haben) haben nichts mit dem Hack gegen FrontRecords zutun und waren weder am Hack, noch an der Veröffentlichung der Daten beteiligt …“

In den Morgenstunden des 1. Oktober veränderte sich diese Erklärung dann vom Wortlaut her zwar nur unwesentlich, der Inhalt aber entscheidend: “Für Alle zum mitschreiben: Wir (alle die mit … freier-widerstand … zutun haben) waren … Informationsquelle der Antifa“. Was folgte war unmittelbar – so die Antifa-Hacker [z.o.g. binary battle unit 01.01] – “wo eben noch der Freie Widerstand, bald virtuelles Ödland“. Neben den Daten des – als eines der bedeutendsten deutschsprachigen rechtsextremen Foren eingestuften – Freien Widerstandes gingen während der Antifa-Hack-Aktion auch diejenigen des so genannten Freien Widerstands Süd seinem eigentlichen Betreiber verlustig – denn mitgelesen und archiviert wurde von Antifa-Seite in beiden betroffenen Foren wohl schon seit geraumer Zeit.

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(Game over – and down. Die Website des Freien Widerstands am späteren Morgen des 1. Oktober. Screenshot von O.M.)

Dabei wurde zumindest beim Freien Widerstand deutlich, “dass es sich um eine Quatschbude ersten Ranges handelte“, in der – nicht gerade nebensächlich – zurückhaltend auch “persönliche Beziehungsprobleme und Vorlieben“ eine Rolle spielten. So kursieren mittlerweile, über die Berichterstattung von relevanten Interna aus dem rechtsextremen Forum beispielsweise auf indymedia hinaus – (“Star-Hacker PIG DESTROYER hackt die sexuellen Vorlieben des Freiers ’Widerstand’ auf!“) – auch entsprechend kolportierte Details von Forennutzern. Eher softcore-mäßig ist da noch die auch Telepolis vorliegende Äußerung von Axel W. Reitz in Richtung von Franz Schönhuber, Reitz werde sich von jenem doch nichts vorschreiben lassen, schließlich habe Schönhuber während des 2. Weltkriegs mit einer Geschlechtskrankheit im Lazarett gelegen. Diesbezüglich erscheint das Niveau bei Frau und Herrn Neonazi nach unten hin weit offen. “z.o.g. binary battle unit 01.01“ formulierte dahingehend noch relativ zurückhaltend: “Wir lasen über einen langen Zeitraum Private Nachrichten und dabei konnten wir uns öfters des Gefühls nicht erwehren, hier handelt es sich nicht um ein relevantes Neonazi-Portal, sondern vorrangig um eine Daily-Soap“.

Wo und wann genau Worch vom vorläufigen Verlust seiner charismatischen Selbstdarstellungsplattform erfuhr, wird – wie bereits festgestellt – wahrscheinlich nie erhellend zu klären sein, und wie er darauf reagierte wohl eben so wenig. Die Antifa-Hacker ließen zudem an Deutlichkeit nichts offen und grüßten in ihrer Selbstdarstellung gleich alle, die “den Nazis klarmachen, dass sie auch im real life nicht erwünscht sind“. Der für Worch nicht gerade ermutigende virtuelle Daten-Sachstand mag ihm aber schon durch den Kopf gegangen sein, als er wenige Stunden später in Leipzig – diesmal selbst in einen langen Mantel gewandet – ein Häuflein Getreuer zum geplanten Marsch durch die Stadt um sich zu scharen suchte. Es war der nunmehr vierzehnte Versuch Worchs, entweder das Völkerschlachtdenkmal oder den als alternativ geltenden Leipziger Stadtteil Connewitz mit einem von ihm angeführten Aufmarsch zu erreichen.

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(Und am 1. Oktober ging dann wieder einmal gar nichts für Neonazis auf Leipzigs Straßen – Sogar Polizeipferde durften sich dieses Mal regengeschützt ruhig verhalten. Foto: O.M.)

Begonnen hatte Worch mit diesen Demonstrationen in Leipzig am 1. September 2001, damals mit noch gut 2.000 Rechtsextremen im Gefolge. Bereits angemeldet von ihm sind angeblich – nunmehr beschränkt jeweils zum 1. Mai und 3. Oktober – Aufmärsche für die nächstens sechs Jahre. Am diesjährigen 1. Oktober fanden allerdings nur noch lediglich rund 150 Kameradinnen und Kameraden ihren freinationalen Widerstandsweg zum Führer Worch in Leipzig. Dem mögen eventuell noch die Ohren vom virtuellen Datenverlust geklungen haben, denn es erfolgte – wohl erstmalig in der Geschichte dieser Leipziger Aufmärsche – kein inhaltlich wie auch immer gearteter Redebeitrag von Worch. Nur lange Wartezeiten für die Rechtsextremisten – wie so oft schon – gab es, strömenden Regen gab es – und bedeutend mehr Gegendemonstranten. Nach nur wenigen hundert Metern Demonstrationsstrecke wurde der rechtsextreme Marsch am Friedrich-List-Platz von rund 700 Gegendemonstranten massiv – aber gewaltfrei – blockiert. “Da es sich bei den Gegendemonstranten zum überwiegenden Teil um friedliche Demonstranten handelte und nur eine Minderheit als gewaltbereit eingestuft werden konnte, wurde eine Räumung verworfen“, so hernach die Polizeidirektion Leipzig. Worch stand mit seinem Gefolge stundenlang im strömenden Regen einer letztendlich wiederum erfolgreichen Blockade der geplanten Neonazi-Marschroute gegenüber – und kehrte zum vierzehnten Mal erfolglos in Leipzig um.

Schon nach der ebenso gescheiterten vorletzten Worch-Demonstration am 1. Mai – mit rund 800 Teilnehmern – war im damals noch existenten Freien-Widerstands-Forum zu lesen: “Am Ende ist festzustellen, dass der Nationale Widerstand wohl eine kleine Pleite erlebt hat, deutlich mehr Gegendemonstranten und schlechte Demokoordination. Herr Worch muss sich Gedanken machen was schief gelaufen ist.“ Sinniert Herr Worch jetzt etwa gar darüber, alpträumt er vielleicht mittlerweile sogar ein kleinwenig? Und wenn, wäre das so nicht gut so – virtuell wie im real life?

[Dieser Artikel wurde am 3. Oktober 2005 bei Telepolis veröffentlicht.]

Virtuelle Antifa

Während einer “Hackthenazis-Aktionswoche“ wird durch linke Netzaktivisten politisches Datenhijacking gegen mehrere rechtsextremistische Internetseiten betrieben

Der Zeitpunkt war bewusst gewählt und erste mehr oder weniger deutliche Zeichen haben das Ereignis durchaus angekündigt. So kursierte beispielsweise bereits seit einiger Zeit die ICQ-Nummer des einschlägig bekannten Rechtsextremisten Dieter Riefling im Internet, samt einer seiner Forenbeiträge von der Website des so genannten Freien Widerstandes. Ebenso verfügbar war seit kürzerem die aktuelle so genannte Gefangenenliste der “Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige“ (HNG).

In den Morgenstunden des 8. Mai folgten den mehr oder weniger leisen Andeutungen erste Taten und – in subversiver Kleinschrift – die Veröffentlichung eines Aufrufs zur “./hackthenazis aktionswoche“:

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dies ist ein aufruf verschiedener pink hats, doch mal nicht einfach so vor sich hin zu hacken, sondern eine aktionswoche gegen boneheads und andere rassisten im netz zu starten. (…) ab dem tag der befreiung von der faschistischen gewaltherrschaft soll auch das internet von nazilügen und brauner propaganda befreit werden. wir wünschen uns viele defacements von naziseiten. ganz toll wären auch viele aufdeckungen interner strukturen. (…) der 8. mai ist der tag der befreiung vom nationalsozialismus, freitag der 13. mai wird für die nazis zum unglückstag. seid kreativ! lasst euch was einfallen. seid nicht nur destruktiv. macht kunst.

Dann aber doch noch leicht Spaß-Guerilla angehaucht schließt der Aufruf mit “und wer keinen computer hat, soll halt ein hackebeil nehmen.“

Zeitgleich zur Veröffentlichung dieser Erklärung wurde die Website der NPD Jena leicht verändert dem Ansinnen der Aktion online angepasst. Zudem erklärte der Nationale Widerstand Jena (NWJ) virtuell überraschend seine Auflösung und ein bis dato angekündigtes so betiteltes “Fest der Völker“ verfiel in die Absage-Rubrik.

Scheinbar nicht ganz so mit dem Prinzip der journalistischen Gegenrecherche vertraut, übernahm die “Thüringische Landeszeitung“ den Vorgang fast unkommentiert in ihre Berichterstattung. Während der NWJ ziemlich schnell – wenn auch dilettantisch – wieder online war, postete die NPD Jena lediglich ein markiges “Wir kommen wieder“. Später wurde dies durch den lakonischen Hinweis “Momentan sind keine Inhalte hinterlegt, dies liegt an der kompletten Umgestaltung unserer Seite“ ersetzt – welches mit “Leider haben sie vergessen hinzuzufügen, wer ihnen die Seiten komplett umgestaltet hat“ kommentiert wurde. In der fortlaufenden Berichterstattung über die “./hackthenazis aktionswoche“ bei indymedia wurden die ausgelesenen Mail-Adressen-Listen derweil länger und länger.

Kurz danach ereilte die Antifa-Online-Aktionswoche die Domain des Aktionsbüros Saar und ersetzte “den digitalen braunen Dreck durch was hübscheres“. Entsprechende Backups, so wurde für die ganze Aktion stets betont, würden von allen Vorgängen erstellt werden. Kurze Zeit später wurde dann auch der rechtsextremistische “Endzeit-Versand“ und dessen Forum – wie ebenso “Endzeit-Klänge“, “Sonnentanzversand“, “EZ-Versand“ sowie “STV88“ – entsprechend down gesetzt sowie diesbezügliche Kundendaten öffentlich gemacht.

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Allerdings war bereits das letzte größere Antifa-Hijacking (“HI MOM! Ich habe die Neonazis gehackt“) – das Ereignis machte durchaus Medienfurore und die Daten wurden teilweise der Staatsanwaltschaft zur Verwertung überstellt – in der Szene nicht unbedingt unumstritten. In dieser eher internen Diskussion ging und geht es unter anderem um den berüchtigten Hacker-Kodex und darum, wie weit das unbestritten berühmte, von “The Mentor“ geschriebene, Hacker-Manifest interpretiert und letztendlich auch praktiziert werden kann, ohne die eigene Hacker-Ehre zu verletzen – auch und besonders unter dem politischen Gesichtspunkt “nazis aus dem äther kicken“ zu wollen.

Wohl auch im Zusammenhang mit der aktuellen “./hackthenazis aktionswoche“ hat sich der Chaos Computer Club (CCC) gemüßigt gesehen, eine Erklärung zu veröffentlichen, in der es unter anderem heißt:

Der CCC hat immer klargestellt, dass mit dem Hacken eine Verpflichtung zum sorgsamen Verhalten eingegangen werden muss. Die Ansprüche an den Umgang mit den gewonnenen Daten – private Daten schützen und öffentliche Daten nützen – gelten für alle, also auch für Unternehmen und Verwaltung. Aber auch für die Hacker selbst ist die Hackerethik mehr als eine unverbindliche Anleitung zum moralischen Handeln. (…)

Wir sind eine galaktische Gemeinschaft von Lebewesen, unabhängig von Alter, Geschlecht und Abstammung sowie gesellschaftlicher Stellung, offen für alle mit neuen Ideen. Wer jedoch mit Ideen von Rassismus, Ausgrenzung und damit verbundener struktureller und körperlicher Gewalt auf uns zukommt, hat sich vom Dialog verabschiedet und ist jenseits der Akzeptanzgrenze. Wer es darauf anlegt, das Zusammenleben in dieser Gesellschaft zu zerstören und auf eine alternative Gesellschaft hinarbeitet, deren Grundsätze auf Chauvinismus und Nationalismus beruht, arbeitet gegen die moralischen Grundsätze, die uns als Club verbinden. Der CCC erklärt das Vertreten von Rassismus und von der Verharmlosung der historischen und aktuellen faschistischer Gewalt für unvereinbar mit einer Mitgliedschaft. Dazu gehören insbesondere die Mitgliedschaft in oder Unterstützung einer rechtsextremen oder rechtsradikalen Organisation. (…).

Natürlich ist es – und das sollte keinesfalls negiert werden – nur eine Frage der Zeit, bis auch die letzten der während der jetzigen Antifa-Online-Aktionswoche offline gesetzten rechtsextremistischen Websites wieder online sind. Die entsprechende Auswertung der Nazi-Daten steht dabei allerdings noch auf einem anderen Blatt der Online-Geschichte. Und ein Ende von entsprechenden Antifa-Aktivitäten gegen rechtsextremistische Websites – auch nach dem jetzt postulierten Downline-Day Freitag dem Dreizehnten – ist nicht absehbar.

[Dieser Artikel wurde am 13. Mai 2005 bei Telepolis veröffentlicht.]

Nur technisches Ungeschick bei RTL?

Über das Online-Impressum des Privatsenders konnte man bis vor kurzem noch direkt beim ’Freien Widerstand’ landen

RTL Creation ist eine hundertprozentige Tochter von RTL Television und “verantwortlich für alle Maßnahmen des Senders RTL im Bereich Marketing, Promotion und Design“. Nach Eigenauskunft stellt das Unternehmen zudem sein Know-how der Bertelsmann AG, der RTL Group und darüber hinaus den mit RTL eng verbandelten Unternehmen IP-Deutschland, RTL New Media, RTL Enterprises, RTL Shop sowie ebenso dem Nachrichtenkanal n-tv zur Verfügung. Der Internet-Auftritt von RTL Creation erscheint professionell und verfügt natürlich auch über ein Impressum.

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(Screenshot der Website mit dem Impressum. Indymedia machte zuerst darauf aufmerksam)

Dieses Impressum wiederum sorgte bis quasi soeben noch für einige Aufmerksamkeit, die RTL Creation nicht einfach ad acta legen dürfte. Egal, ob nun letztendlich die Gründe für diese Aufmerksamkeit im technischen oder im politischen Spektrum liegen.

Noch mindestens am Abend des 16. Dezember konnte ein aufmerksamer Leser nämlich am Ende von Punkt 3 des kleingedruckten Impressums von RTL Creation folgenden Hinweis finden: “Das Kopierrecht für veröffentlichte, vom Autor selbst erstellte Objekte bleibt allein beim Autor der Seiten. Eine Vervielfältigung oder Verwendung solcher Grafiken, Tondokumente, Videosequenzen und Texte in anderen elektronischen oder gedruckten Publikationen ist ohne ausdrückliche Zustimmung des Autors nicht gestattet.“ Dem schloss sich an dieser Stelle direkt die Möglichkeit zur Online-Anfrage über die Email-Adresse “rechtliches@freier-widerstand.net“ an.

Als Domainbesitzer von freier-widerstand.net fungiert niemand anderes als Gary Lauck, Initiator der NSDAP-Aufbauorganisation. Der unter anderem wegen Volksverhetzung, Aufstachelung zum Rassenhass und Verbreitung von NS-Propaganda verurteilte Holocaust-Leugner Lauck (“Lügen von Auschwitz“) lebt in den USA und ist einer der bekanntesten Neonazis, zudem mit weit reichenden internationalen Verbindungen.

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(Ausschnitt aus der im Google Cache noch aufrufbaren Seite)

Natürlich steht die Frage, wie ein solcher Email-Verweis in das Impressum von RTL Creation gelangt. Lediglich ein – unterstellt – etwas fauler Webmaster, der sich mit paste and copy seine Arbeit ein wenig erleichtern wollte?

Gegenüber Telepolis hatte RTL Newmedia – im Gegensatz zu RTL Television eigentlich für die Gestaltung der Corporate Site der RTL-Tochter RTL Creation nicht verantwortlich – folgende, sehr einfache Erklärung parat: “Es handelt sich bei der Verlinkung im Impressum der Website eindeutig um einen widerrechtlichen Angriff von außen. Sprich, hier waren Hacker und nicht etwa RTL-Webmaster am Werk.“ Dieser Version des Vorgangs wird mittlerweile wohl auch von RTL Television so interpretiert. Wie verlautbarte, ist allerdings dahingehend keine öffentliche Stellungnahme von RTL zu erwarten. RTL Creation selbst reagierte in keiner Weise auf entsprechende Nachfragen von Telepolis.

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(Mittlerweile wurde auch der Text des Impressums gelöscht und ersetzt)

Die betreffende Email-Adresse im Impressum bei RTL Creation wurde im Laufe des 17. Dezember in einen unverfänglicheren Email-Verweis geändert. Das strittige Impressum ist allerdings nach wie vor im Google-Cache auffindbar.

[Dieser Artikel wurde am 17. Dezember 2004 bei Telepolis veröffentlicht.]