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Offensive für drei braune Bundestagsdirektmandate

Mit einer nicht nur verbalen “Wortergreifungsstrategie“ forciert die NPD von Sachsen aus einen öffentlichkeitswirksamen Bundestagswahlkampf der rechtsextremen Kräfte

Der sich abzeichnende Kampf um Abgeordnetenmandate im Deutschen Bundestag bei einer eventuell vorgezogenen Wahl wird für die NPD schwerpunktmäßig wohl in Sachsen betrieben werden. Eigentlich sollten nach dem dortigen Wahlerfolg im Herbst 2004 (Rechter Aufbau Ost – NPD im Sächsischen Landtag) erfolgversprechende Strukturen bis zum turnusmäßigen Termin der Bundestagswahl 2006 entsprechend Schritt für Schritt auf- und ausgebaut werden. Nunmehr drängt die Zeit und es offenbarten sich zwischenzeitlich einige Probleme auf Rechtsaußen.

Die seit Jahresbeginn propagierte “Volksfront“ zwischen NPD und DVU wurde mittlerweile bundesweit erstmalig bei der Wahl der sächsischen Kandidatenliste praktiziert. So steht beispielsweise auf der aus dem NPD-Wahlparteitag vom 25. Juni in Chemnitz resultierenden Landesliste hinter Holger Apfel (NPD) auf Platz 2 der von der DVU nominierte Harald Neubauer (parteilos, vormalig Generalsekretär und Europaabgeordneter der ’Republikaner’). Weiterhin folgt – nach Winfried Petzold (NPD-Landesvorsitzender Sachsen) und Uwe Leichsenring (Parlamentarischer Geschäftsführer der NPD-Fraktion) – auf dem fünften Listenplatz Hans-Otto Weidenbach als Bundesvorstandsmitglied der DVU. Die weiteren fünfzehn Kandidatenplätze sind, bis auf eine Ausnahme, personell durchweg mit NPD-Mitgliedern beziehungsweise einem Kader der Nachwuchsorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) besetzt.

Auf dem Chemnitzer Parteitag, der teilweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt fand, bekräftigte der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt vor Vertretern aus DVU, Deutscher Partei und DSU den Grundkonsens dieser Volksfront vom äußersten rechten Rand: “Die Zeit des ewigen Gegeneinander ist endgültig vorbei, nun gilt es gemeinsam zu handeln, damit in Deutschland endlich wieder Politik für Deutsche gemacht wird!“

Gegenwärtig werden die Erfolgsaussichten für die Rechtsextremisten, als bundesweite “Volksfront“ die nötige Fünf-Prozent-Hürde in den Berliner Reichstag zu überwinden, als nur marginal eingeschätzt. Kampfbereit beabsichtigt die NPD allerdings, die wahlrechtlichen Möglichkeiten von drei erreichten Direktmandaten für sich zu nutzen. Hierfür sieht Peter Marx (NPD-Fraktionsgeschäftsführer im Sächsischen Landtag) als NPD-Bundestagswahlkampfleiter durchaus Chancen im brandenburgischen Spreewald, im vorpommerschen Anklam – und in Sachsen.

In Sachsen sollen alle 17 Wahlkreise mit entsprechenden Kandidaten besetzt werden. Hierbei liegen die Hauptschwerpunkte offensichtlich im Wahlkreis 156 (Großenhain, Kamenz, Hoyerswerda) bei Holger Apfel als Landtags-Fraktionsvorsitzender sowie bei dem unter anderem als Mäzen der Skinheads Sächsische Schweiz (SSS) geltenden Uwe Leichsenring (Trotz Verbot nach wie vor aktiv) im Wahlgebiet Sächsische Schweiz/Weißeritzkreis.

Die Chance auf – für einen Einzug in den Deutschen Bundestag nötige – drei erfolgreich erwählte “Volksfront“-Direktwahlkreise wird unterschiedlich gesehen. Während Marx (NPD) in Verlautbarungen natürlich auf siegreiche Direktkandidaten setzt, schätzt das Sächsische Landesamt für Verfassungsschutz ein: “Insgesamt sind die Erfolgsaussichten der Direktkandidaten eher als gering einzuschätzen.“ Hamburger Verfassungsschützer attestierten in diesem Zusammenhang, die NPD wäre gegenwärtig kaum mehr in der Lage, sich “organisatorisch so aufstellen“, dass sie wahlbezüglich Erfolg erreichen könnte.

Um einem eventuell weiteren Wahl-Misserfolg – nach den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen sowie auch bei den Oberbürgermeister-Wahlen in Leipzig und Görlitz – entgegen zu wirken, praktizieren Rechtsextremisten in ihrer geographischen Hauptkampflinie zunehmend eine vom Präsidenten des Sächsischen Verfassungsschutzes, Rainer Stock, so bezeichnete “Wortergreifungsstrategie“. Hierbei handelt es sich nicht allein nur um klientelbezogenes – aber generell bewusst provozierendes – Auftreten von regional oder überregional bekannten Rechtsextremisten im öffentlichen Raum und auf öffentlichen politischen Veranstaltungen. Das Ziel besteht letztendlich darin, die jeweilige Veranstaltung – wenn nicht schon zu dominieren – wenigstens entsprechend beeinflussen zu können. Dabei agieren NPD-Landtagsabgeordnete und deren Mitarbeiter, Partei-Kader, Vertreter der SSS sowie der so genannten Freien Kräfte Sachsen (FKS) eng miteinander.

Exemplarisch scheint diesbezüglich, dass NPD-MdL Klaus-Jürgen Menzel in letzter Zeit eine durchaus im wahrsten Sinne des Wortes aktive außerparlamentarische Arbeit zu betreiben scheint. Menzel postulierte vor nicht all zu langer Zeit seine geopolitischen Ansprüche eindeutig: “Unser Land geht von den blauen Bergen der Vogesen bis zu der Mühle von Tauroggen. Von der Königsau in Nordschleswig bis nach Brixen in Südtirol. Und keinen Quadratmeter weniger!“

Bereits am 12. Juni versuchten rund 30 bekannte Rechtsextremisten eine Veranstaltung des Projektes Tolerantes Dresden zur Kunstaktion 100 Tote zu stören. Im Veranstaltungsraum versuchte sich Menzel rhetorisch ins rechte Öffentlichkeitslicht zu setzen, gleichfalls Peter Naumann, verurteilter Terrorist und gegenwärtig Mitarbeiter von Menzel. Zudem waren FKS- und SSS-Mitglieder vor Ort.

Zu einer weiteren Veranstaltung von Tolerantes Dresden nur wenige Tage später am 16. Juni versammelte sich wiederum ein rechtsextremes Konglomerat, erneut mit Menzel und Naumann, um allem Anschein nach die Veranstaltungslokalität in der Dresdner Neustadt nicht nur verbal zu besetzen. Daran wurden die Rechtsextremisten von einer Gruppe Antifaschisten gehindert, woraufhin die Lage eskalierte.

Die Sächsische Zeitung berichtete in diesem Zusammenhang: “… Bei den Ausschreitungen zwischen Linken und Rechten mit vier Verletzten … in der Dresdner Neustadt wurde auch der NPD-Landtagsabgeordnete Klaus-Jürgen Menzel gesichtet. Ein Sprecher der Polizeidirektion Dresden bestätigte einen entsprechenden Zeitungsbericht. Offen sei, ob Menzel selbst – wie in antifaschistischen Internetseiten behauptet – handgreiflich wurde …“ Und weiterhin wird mitgeteilt, Menzel “habe aber bestritten, unmittelbar in die Schlägerei eingegriffen zu haben“.

Immerhin war Menzel (“Ein Karat härter als der Feind, das bringt den Sieg!“) an diesem Tag offensichtlich nicht gerade inaktiv inmitten einer Gruppe von Rechtsextremisten unterwegs, die in ihrer personellen Zusammensetzung nicht gerade für militante Zurückhaltung gegenüber Andersdenkenden bekannt ist. So wurde Menzel – neben Mitgliedern der eigentlich verbotenen SSS – unter anderem erneut von einschlägig gerichtsbekannten FKS-Kadern eskortiert. Dabei trat in wiederholter Führungsfunktion Sven Hagendorf in Erscheinung. Hagendorf war 2002 Bundestagsdirektkandidat für die NPD sowie 2004 Spitzenkandidat für das so genannte Nationale Bündnis zur Kommunalwahl und ist Betreiber des einschlägigen “Club 14“ in Dresden. Anmerkenswert zu allein diesem personellen Menzel-Umfeld scheint durchaus, dass Hagendorf nach einer NPD-Demonstration am 13. August 2001 in Dresden öffentlich mit einer Pistole im Hosenbund posierte – und am Wahlabend zum Sächsischen Landtag am 19. September 2004 als Bodyguard für NPD-Vertreter im Landtagsgebäude agierte.

Zum Tag der Offenen Tür in der Landeszentrale für politische Bildung am 30. Juni wiederum versuchten die NPD-Abgeordneten Klaus-Jürgen Menzel, Jürgen W. Gansel (Bundestagsdirektkandidat für Riesa, Torgau-Oschatz, Delitzsch-Eilenburg) und Gitta Schüßler eine Podiumsdiskussion in den Räumen der Einrichtung inhaltlich für sich zu vereinnahmen. Als Ansatzpunkt bedienten sie sich dabei der polemischen Forderungsfrage nach der Abschaffung des Verfassungsschutzes. Leider waren die Rechtsextremisten, als bei dieser Veranstaltung in Landeszentrale später um Ethik, Normen und Werte diskutiert wurde, dann schon nicht mehr anwesend.

So zeichnet sich seitens der “Volksfront“ von Rechts ein offensiv-aggressiver Bundestagswahlkampf um jedes einzelne Wählerprozent in den aus ihrer Sicht möglichen Hochburgen ab. Organisiert und geleitet wird dieser Wahlkampf bezeichnenderweise von der Geschäftsstelle der Sachsen-NPD im Dresdner Lockwitzgrund aus. Ihren Wahletat beziffert die NPD selbst auf “derzeit rund 500.000 Euro“. Dabei wird – unschwer vorauszusagen – wiederum und erneuert eine enge Zusammenarbeit mit den so genannten Freien Kameradschaften zu registrieren sein (Braun-nationaler “Tsunami“ als verlängerter parlamentarischer Arm?). Wie weit dieses rechtsextreme diesjährige Aktionsbündnis, über Plakate Kleben, Infomaterial und “Schulhof“-CD Verteilen letztendlich hinaus reicht, wird aufmerksam zu beobachten sein. Besondere Beachtung verdient hierbei die offensichtlich militante Drohung des NPD-Bundestagswahlkampfleiters, wenn für NPD-Stände im Wahlkampf seitens der Ordnungsbehörden nicht entsprechender Schutz erfolge, “werden wir uns zur Wehr setzen“.

[Dieser Artikel wurde am 8. Juli 2005 bei Telepolis veröffentlicht.]

Virtuelle Antifa

Während einer “Hackthenazis-Aktionswoche“ wird durch linke Netzaktivisten politisches Datenhijacking gegen mehrere rechtsextremistische Internetseiten betrieben

Der Zeitpunkt war bewusst gewählt und erste mehr oder weniger deutliche Zeichen haben das Ereignis durchaus angekündigt. So kursierte beispielsweise bereits seit einiger Zeit die ICQ-Nummer des einschlägig bekannten Rechtsextremisten Dieter Riefling im Internet, samt einer seiner Forenbeiträge von der Website des so genannten Freien Widerstandes. Ebenso verfügbar war seit kürzerem die aktuelle so genannte Gefangenenliste der “Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige“ (HNG).

In den Morgenstunden des 8. Mai folgten den mehr oder weniger leisen Andeutungen erste Taten und – in subversiver Kleinschrift – die Veröffentlichung eines Aufrufs zur “./hackthenazis aktionswoche“:

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dies ist ein aufruf verschiedener pink hats, doch mal nicht einfach so vor sich hin zu hacken, sondern eine aktionswoche gegen boneheads und andere rassisten im netz zu starten. (…) ab dem tag der befreiung von der faschistischen gewaltherrschaft soll auch das internet von nazilügen und brauner propaganda befreit werden. wir wünschen uns viele defacements von naziseiten. ganz toll wären auch viele aufdeckungen interner strukturen. (…) der 8. mai ist der tag der befreiung vom nationalsozialismus, freitag der 13. mai wird für die nazis zum unglückstag. seid kreativ! lasst euch was einfallen. seid nicht nur destruktiv. macht kunst.

Dann aber doch noch leicht Spaß-Guerilla angehaucht schließt der Aufruf mit “und wer keinen computer hat, soll halt ein hackebeil nehmen.“

Zeitgleich zur Veröffentlichung dieser Erklärung wurde die Website der NPD Jena leicht verändert dem Ansinnen der Aktion online angepasst. Zudem erklärte der Nationale Widerstand Jena (NWJ) virtuell überraschend seine Auflösung und ein bis dato angekündigtes so betiteltes “Fest der Völker“ verfiel in die Absage-Rubrik.

Scheinbar nicht ganz so mit dem Prinzip der journalistischen Gegenrecherche vertraut, übernahm die “Thüringische Landeszeitung“ den Vorgang fast unkommentiert in ihre Berichterstattung. Während der NWJ ziemlich schnell – wenn auch dilettantisch – wieder online war, postete die NPD Jena lediglich ein markiges “Wir kommen wieder“. Später wurde dies durch den lakonischen Hinweis “Momentan sind keine Inhalte hinterlegt, dies liegt an der kompletten Umgestaltung unserer Seite“ ersetzt – welches mit “Leider haben sie vergessen hinzuzufügen, wer ihnen die Seiten komplett umgestaltet hat“ kommentiert wurde. In der fortlaufenden Berichterstattung über die “./hackthenazis aktionswoche“ bei indymedia wurden die ausgelesenen Mail-Adressen-Listen derweil länger und länger.

Kurz danach ereilte die Antifa-Online-Aktionswoche die Domain des Aktionsbüros Saar und ersetzte “den digitalen braunen Dreck durch was hübscheres“. Entsprechende Backups, so wurde für die ganze Aktion stets betont, würden von allen Vorgängen erstellt werden. Kurze Zeit später wurde dann auch der rechtsextremistische “Endzeit-Versand“ und dessen Forum – wie ebenso “Endzeit-Klänge“, “Sonnentanzversand“, “EZ-Versand“ sowie “STV88“ – entsprechend down gesetzt sowie diesbezügliche Kundendaten öffentlich gemacht.

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Allerdings war bereits das letzte größere Antifa-Hijacking (“HI MOM! Ich habe die Neonazis gehackt“) – das Ereignis machte durchaus Medienfurore und die Daten wurden teilweise der Staatsanwaltschaft zur Verwertung überstellt – in der Szene nicht unbedingt unumstritten. In dieser eher internen Diskussion ging und geht es unter anderem um den berüchtigten Hacker-Kodex und darum, wie weit das unbestritten berühmte, von “The Mentor“ geschriebene, Hacker-Manifest interpretiert und letztendlich auch praktiziert werden kann, ohne die eigene Hacker-Ehre zu verletzen – auch und besonders unter dem politischen Gesichtspunkt “nazis aus dem äther kicken“ zu wollen.

Wohl auch im Zusammenhang mit der aktuellen “./hackthenazis aktionswoche“ hat sich der Chaos Computer Club (CCC) gemüßigt gesehen, eine Erklärung zu veröffentlichen, in der es unter anderem heißt:

Der CCC hat immer klargestellt, dass mit dem Hacken eine Verpflichtung zum sorgsamen Verhalten eingegangen werden muss. Die Ansprüche an den Umgang mit den gewonnenen Daten – private Daten schützen und öffentliche Daten nützen – gelten für alle, also auch für Unternehmen und Verwaltung. Aber auch für die Hacker selbst ist die Hackerethik mehr als eine unverbindliche Anleitung zum moralischen Handeln. (…)

Wir sind eine galaktische Gemeinschaft von Lebewesen, unabhängig von Alter, Geschlecht und Abstammung sowie gesellschaftlicher Stellung, offen für alle mit neuen Ideen. Wer jedoch mit Ideen von Rassismus, Ausgrenzung und damit verbundener struktureller und körperlicher Gewalt auf uns zukommt, hat sich vom Dialog verabschiedet und ist jenseits der Akzeptanzgrenze. Wer es darauf anlegt, das Zusammenleben in dieser Gesellschaft zu zerstören und auf eine alternative Gesellschaft hinarbeitet, deren Grundsätze auf Chauvinismus und Nationalismus beruht, arbeitet gegen die moralischen Grundsätze, die uns als Club verbinden. Der CCC erklärt das Vertreten von Rassismus und von der Verharmlosung der historischen und aktuellen faschistischer Gewalt für unvereinbar mit einer Mitgliedschaft. Dazu gehören insbesondere die Mitgliedschaft in oder Unterstützung einer rechtsextremen oder rechtsradikalen Organisation. (…).

Natürlich ist es – und das sollte keinesfalls negiert werden – nur eine Frage der Zeit, bis auch die letzten der während der jetzigen Antifa-Online-Aktionswoche offline gesetzten rechtsextremistischen Websites wieder online sind. Die entsprechende Auswertung der Nazi-Daten steht dabei allerdings noch auf einem anderen Blatt der Online-Geschichte. Und ein Ende von entsprechenden Antifa-Aktivitäten gegen rechtsextremistische Websites – auch nach dem jetzt postulierten Downline-Day Freitag dem Dreizehnten – ist nicht absehbar.

[Dieser Artikel wurde am 13. Mai 2005 bei Telepolis veröffentlicht.]

Braun-nationaler “Tsunami“ als verlängerter parlamentarischer Arm?

Während sich die sächsische NPD-Landtagsfraktion hinsichtlich der Parlamentsinstrumente immer lernfähiger zeigt, scheint der Schulterschluss zwischen Partei und Kameradschaftsszene wieder zu bröckeln

In den vergangenen Monaten seit dem Einzug der NPD in den Sächsischen Landtag hat sich der Fokus der Aufmerksamkeit durchaus ein wenig in den Weiten der tagtäglichen parlamentarischen Arbeit verloren. Der Ernst der politischen Arbeit ist eingezogen. Längst hat die “tageszeitung“ ihre tägliche Glosse über den “Sachsen-Hitler“ Holger Apfel eingestellt und auch die wöchentlichen NPD-Witzchen der “Dresdner Morgenpost“ nach dem Duktus “Noch so ein Ding – Leichsenring“ gibt es nicht mehr. Kolportagen, dass NPD-Abgeordnete das Hohe Haus am Elbufer nur heimlich durch die Tiefgarage verlassen oder sich ängstlich nicht alleine auf die Parlamentstoilette trauen würden, wurden gleichfalls immer spärlicher und mit der Zeit gänzlich ad acta gelegt.

Natürlich erhielt die NPD-Fraktion die von ihr erhoffte mediale Aufmerksamkeit wegen der nötigen Wiederholungswahlgänge mit rechtsextremen Leihstimmen aus anderen Fraktionen bei der Wahl des Ministerpräsidenten (Niemand will es gewesen sein) und der Ausländerbeauftragten (Das Spiel mit zwei Unbekannten geht weiter) sowie zum Jugendhilfeausschuss des Landtages. Zielgerichtet und auf die entsprechende Klientel gemünzt, wurde von der NPD-Fraktion die geschichtsrevisionistische Titulierung “Bomben-Holocaust“ (Nur eine Landtagssitzung in Sachsen?) gleichfalls als kostengünstige politische Public Relation genutzt. Dass der NPD-Landtagsabgeordnete Matthias Paul als Vorsitzender des Umweltausschusses agiert, war dann wohl allerdings fast nur der Fraktion selbst eine Mitteilung wert.

Neben dem im so bezeichneten Drei-Säulen-Konzept propagierten “Kampf um die Straße“ und dem “Kampf um die Köpfe“ soll der in Sachsen erfolgreiche “Kampf um den Einzug in die Parlamente“ lediglich ein Etappenziel darstellen. Und gewählt von einem guten Teil aus der Mitte der Gesellschaft scheint die rechtsextreme sächsische Parlamentsvertretung im Dresdner Hohen Haus auch angekommen zu sein. Die Fraktion ist seit langem arbeitsfähig, Mitarbeiter sind eingestellt und die ersten Regionalbüros im Freistaat wurden eröffnet. Zudem soll nun auch der NPD-Landesvorstand nach Dresden umsiedeln, um effektiver Wirkung erzielen zu können.

Nach dem Wahlerfolg im September 2004 herrschte bis in weite Kreise auch der so genannten Freien Kameradschaften hinein eine regelrechte nationale Euphorie. Wie ist es aber eigentlich um die Wirkung der NPD-Fraktion bestellt? Mit wem sollte diese Fraktion hinsichtlich ihrer Arbeit im Parlament verglichen werden? Mit der Brandenburger DVU-Fraktion sicherlich nicht. Die NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag lernt das Nutzen der parlamentarischen Mittel mehr und mehr und wendet diese auch entsprechend an, wie allein das Einreichen gleich mehrerer Dutzend Kleiner Anfragen durch Uwe Leichsenring innerhalb kürzester Zeit exemplarisch zeigen mag.

Dass man es in Sachsen mit einer rechtsextremen Fraktion zu tun hätte, die sich innerhalb vielleicht nur weniger Monate durch sich selbst erledigen würde, konnten höchstens völlig über die sächsischen Zusammenhänge Uninformierte annehmen. Welche Arbeit in dieser NPD-Fraktion investiert wird, verfehlt allerdings scheinbar die gewünschte Außenwirkung, besonders in das doch durchaus für die NPD wichtige Spektrum der Freien Kameradschaften. Wen interessieren dort die 95 Änderungsanträge der NPD-Fraktion zum Haushaltsentwurf? Wen beeindruckt dort das sich umfangreich angeeignete – und die anderen Fraktion durchaus verblüffende – Hintergrundwissen über die Affäre um die Sächsische Landesbank? Sollen die braunen Mädels und Jungs auf der Straße mit dem NPD-nahen “Bildungswerk für Heimat und nationale Identität“ oder der von NPD-MdL Jürgen W. Gansel initiierten “Dresdner Schule“ erreicht und auf nationalem Kurs gehalten werden? Eher diesbezüglich Klientel-tauglich schien dann schon wiederum die NPD-Nichtteilnahme an der Feierstunde am 8. Mai im Sächsischen Landtag.

Allein in der finanziellen Ausstattung der Fraktion deuten sich für die nächste Zeit durchaus umfangreiche und offensive politische Arbeitsmöglichkeiten an. Dahingehend listete das Antifaschistische Infoblatt kürzlich auf:

Neben der Wahlkampfkostenrückerstattung gibt es noch mehr staatliche Töpfe, die angezapft werden können. Im Haushalt des Freistaates sind 770.000 Euro im Jahr für politische Stiftungen eingeplant. 100.000 Euro will die NPD davon jährlich für eine parteinahe Stiftung beantragen. (…) Selbst für den Fall, dass die NPD bei der nächsten Landtagswahl nicht wieder über die 5%-Hürde käme, die Stiftung müsste auch noch eine weitere Legislatur, bis 2009, aus Landesmitteln finanziert werden.

Braucht aber die NPD – also auch ihre sächsische Parlamentssektion – die Freien Kameradschaften eigentlich noch? Wählerzuspruch jedenfalls erhalten die Rechtsextremisten ja mittlerweile weit jenseits ihres militanten Straßenkämpfermilieus. Und sind mittlerweile die NPD-Abgeordneten nicht in einer anderen – freikameradschaftlich durchaus als parlamentarisch-korrupt gesehenen – politischen Sphäre und haben sich abgewendet vom “Kampf um die Straße“? Denn obwohl sich die NPD durchaus um die Freien Kameradschaften müht, die Kritik aus deren Reihen wird immer lauter – und besonders nach der unvermittelten Absage des geplanten NPD-Aufzuges am 8. Mai in Berlin.

Am 1. Mai in Leipzig – eine Demonstration von rund 850 Freien Kräften unter der Führung von Christian Worch kam auf Grund umfangreichen antifaschistischen Widerstandes und eines daraufhin verhängten polizeilichen Notstandes über die Stadt nur einige hundert Meter weit – hatte das noch anders geklungen. Der kürzlich auch als symbolisch handreichendes Zeichen für das nationale Kameradschaftsspektrum in den NPD-Bundesvorstand gewählte Thorsten Heise überbrachte ausdrückliche Grüße des Parteigremiums an die Kameradinnen und Kameraden auf der Straße und betonte in seiner Ansprache, dass der Freie Widerstand und die Freien Kameradschaften zur NPD gehören würden.

Zuvor hatte Axel W. Reitz “aus Liebe zum Vaterland“ bereits einen revolutionär-nationalen Kampf angekündigt, “bis der Letzte von uns untergegangen ist – oder bis zum Sieg“. Und der gleichfalls einschlägig vorbestrafte Neonazi Dieter Riefling – “Ich werde euch die Wahrheit ins Gehirn schreien“ – beschwor gar einen “nationalen Tsunami“, der “die Ghettos dieses Landes reinigen“ werde.

Trotz des aktuellen “Verrat“-Vorwurfs aus den Freien Kameradschaften besonders gegenüber der NPD-Parteileitung gibt es natürlich nach wie vor teilweise sehr enges Zusammenwirken dieser rechtsextremen Kräfte. So fungierten beispielsweise am Wahlabend des 19. September 2004 Teile der so genannten Freien Kräfte Sachsen (FKS) als Personenschutz für die NPD-Prominenz im Landtag. Auf einer FKS-Demonstration am 19. März 2005 durch die Dresdner Neustadt wiederum spielte Peter Naumann, Mitarbeiter von NPD-MdL Klaus-Jürgen Menzel, eine tragende organisatorische Rolle und durfte eine längere Ansprache halten.

Bei allen gegenwärtigen Schuldzuweisungen wird die Symbiose zwischen NPD und Kameradschaften auch weiter bestehen. Zudem wird der parlamentarische Arm des “nationalen Tsunami“ bemüht sein, Stimmpotentiale in der Mitte der Gesellschaft zu erhalten und sich darüber hinaus weitere zu erschließen. Mit welchen Mitteln und Strategien dieser rechtsextreme Zwei-Fronten-Kampf auf den Straßen und in den Parlamenten – nicht nur in Sachsen – genau betrieben wird, sollte sehr aufmerksam beobachtet werden. Aktivitäten von Nazis in sächsischen Parlamenten werden beispielsweise seit einiger Zeit in einer kritischen Online-Dokumentation zusammengefasst dargestellt.

Im gerade erschienenen Brockhaus-Jahrbuch 2004 ist zur NPD unter anderem Folgendes veröffentlicht:

Beflügelt vom Scheitern des Verbotsantrags beim Bundesverfassungsgericht im Jahr 2003 und ihren Wahlerfolgen, öffnete sich die NPD wieder verstärkt gewaltbereiten Neonazis. Der Parteitag Ende Oktober (…) wählte eine einschlägig vorbestrafte, einflussreiche Führungsriege in den Vorstand und stellte die Weichen für die Bildung einer ’Volksfront von rechts’.

[Dieser Artikel wurde am 12. Mai 2005 – bebildert – bei Telepolis veröffentlicht.]

Neues braunes Jugendprojekt

Mit einer bundesweiten Schülerzeitung wollen Neonazis gezielt neue Klientel ansprechen. Die Finanzierung dafür soll aus der braunen Szene selbst kommen

Der geplante Überraschungscoup rechtsextremer Protagonisten dürfte gründlich daneben gegangen sein. Seit einiger Zeit kursiert ein Probeentwurf für eine bundesweite Schülerzeitung mit sehr deutlich rechtsextremistischem Touch, der mittlerweile öffentlich geworden ist. Dabei wurde im Anschreiben unter der Rubrik “information“ unmissverständlich die nationalsozialistische Geheimhaltungsstufe vorgegeben. Originalton: “Diese Epost geht ausschließlich an nationale Versände, Personen und Gruppen die uns bekannt sind und zu denen wir Vertrauen haben!“ Weiter weist die nationale Projekttruppe darauf hin: “Es gilt das Vertrauensprinzip! Keine Veröffentlichungen in öffentlichen Foren oder Informationsseiten!“ – um gleichzeitig aufzufordern: “Wer weitere Versände, Personen oder Gruppen kennt, der kann diese Mitteilung gern weiterversenden!“

Worum geht es bei dieser mit beabsichtigter Geheimhaltung versehenen internen Vorab-Information für so bezeichnete national Gesinnte? “Independent – unabhängige Schüler- & Jugendzeitung. kritisch – kreativ – zukunftsweisend“ heißt relativ harmlos daherkommend die Headline des Projekts. Die endgültige Print-Form soll im Format A5 erscheinen und als Minimum 16 Seiten umfassen. “Je nach dem was an Mitteln zusammenkommt, kann die Zahl beliebig vergrößert werden!“ Der erste Independent wird für das 2. Quartal 2005 avisiert und soll danach aller Vierteljahre erscheinen. Beabsichtigt ist Schwarz-weiß-Druck oder “2-farbig (je nach dem, was an Geld zusammenkommt!)“. Die Macher von Independent sehen ihre Zielgruppe so, dass die Verteilung “an Jugendliche … und nicht an Szeneleute“ beabsichtigt ist. Dementsprechend wird auch um “Werbung, Annoncen oder Mitteilungen … in ordentlicher Form“ gebeten. Gleichfalls wird die rechtsextreme Schulhof-Website eine “Extraseite für die Schülerzeitung“ erhalten.

independent

Bei den mittlerweile ebenfalls publik gewordenen Texten – “In diesem Probeexemplar sind nur kurz Anrisse von Texten beinhaltet, dass ihr seht, wie und vor allem was geschrieben wird“ – wird beispielsweise “die medienlüge“ pseudokritisch hintergefragt: “Sind wir nur das Mittel, damit Medienchefs noch mehr verdienen?“ Unter “umweltschutz“ folgt “ein kurzes resume“: “Jeder kann ohne großen Zeit- und Kostenaufwand etwas für die Umwelt tun.“

Das Layout des Telepolis vorliegenden Probeexemplars von Independent ist eher laienhaft erstellt und soll wohl lediglich andeutungsweise dazu dienen, “euch zu informieren, wie die bundesweite ’Unabhängige Schülerzeitung [independent]’ aussehen soll“. Mithin werden allerdings bereits vordergründig unverfänglich scheinende “Themengebiete“ in Independent “von der Umweltproblematik über Musik bis hin zum sozialkritischen Gebiet“ angekündigt.

Allein die Vereinnahmung einer Comic-Kult-Figur für die Probe-Titelseite von Independent sorgte im WorldWideWeb bereits für – allerdings eher unpolitische – Aktionsankündigungen. Die linke Spaßguerilla meint: “Bernd das Brot wurde von den Faschoschweinen entführt und gezwungen auf dem Cover einer Nazizeitung zu posieren“ und “deshalb fordern wir alle fortschrittlichen Kräfte auf: Befreit Bernd das Brot! Alle Mittel müssen eingesetzt, alle Kräfte mobilisiert werden“. Die verbalradikale Steigerung liest sich nicht weniger unpolitisch dramatisch: “Wir werden für die Freiheit von Bernd das Brot kämpfen und uns nicht scheuen, Waffen und Sprengstoff einzusetzen!!!!“

Aber zurück zum Eigentlichen. Woher kommt das Geld für Independent? Finanziert werden soll “diese große Sache durch Konzerte“ sowie “durch eigene Aufwendungen und (hoffentlich) durch Versände, Läden, Labels und Kameradschaften unserer Szene“. Und vielleicht auch durch NPD-Landtagsabgeordnete? Als Kontakt fungiert ein “Pressearchiv“ unter einem Postfach in Dresden. Online erreichbar ist die derzeitige Redaktion von Independent über den Free-Mailer hotmail.com. Als Unterstützer werden die so genannten Freien Kräfte Sachsen (“HI MOM! Ich habe die Neonazis gehackt“), Bound For Nature sowie Underground Music (AryenMusic – Aryen88 and Underground-Music) angegeben.

Als einer der Unterzeichner des Vorab-Independent-Rundschreibens gilt Karsten Scholz, Herausgeber der “Rufe ins Reich“. Gleichfalls involviert ist der “Nationale Bote“. Die Freien Kräfte Sachsen beabsichtigen übrigens dieser Tage, unter dem Motto “Linken Terror dort bekämpfen, wo er entsteht“ durch die Dresdner Neustadt zu marschieren. “Verwirklicht“ wird Independent über den NMV-Medienbetrieb – “NMV. Propaganda aller Art. Der Versand für Nationale Sozialisten!“.

[Dieser Artikel wurde am 17. März 2005 bei Telepolis veröffentlicht.]

Weiße Rosen in Dresden

Die Gedenkkultur anlässlich der Bombardierung am 13. Februar 1945 erfährt nicht erst zum 60. Jahrestag braune Schatten, allerdings dieses Mal deutlicher als je zuvor

Seit Wochen schon mobilisiert die rechte Szene, als ginge es darum, den Zweiten Weltkrieg noch nachträglich gewinnen zu wollen, wenigstens plakativ historisch umdeutend auf den Straßen der sächsischen Landeshauptstadt. Nicht, dass dort nicht schon seit Jahren am 13. Februar Rechtsextremisten jeglicher Couleur ihr vorgebliches Gedenken der Opfer zelebrieren würden (Dresden – wieder Zentrum der rechtsextremen ’Bewegung’?). Der 13. Februar 2005 soll nunmehr ein weiterer Meilenstein werden – hin zur Etablierung als jährlich größter bundesweiter Nazi-Aufzug, getarnt als “Trauermarsch zum Gedenken der Opfer des alliierten Bombenterrors 1945 in Dresden“.

Ein kleiner historischer Einschub sei an dieser Stelle erlaubt. Der Publizist Sebastian Haffner zitiert in seinen “Anmerkungen zu Hitler“ den als Nerobefehl in die Geschichte eingegangenen so genannten Führerbefehl vom 19. März 1945:

Alle militärischen, Verkehrs-, Nachrichten-, Industrie- und Versorgungsanlagen, sowie Sachwerte innerhalb des Reichsgebiets, die sich der Feind für die Fortsetzung seines Kampfes irgendwie sofort oder in absehbarer Zeit nutzbar machen kann, sind zu zerstören.

Weiter dokumentiert Haffner in seinem Buch die Erläuterung dieses Befehls durch Hitler:

Wenn der Krieg verloren geht, wird auch das Volk verloren sein. Es ist nicht notwendig, auf die Grundlagen, die das deutsche Volk zu seinem primitivsten Weiterleben braucht, Rücksicht zu nehmen. Im Gegenteil ist es besser, selbst diese Dinge zu zerstören. Denn das Volk hat sich als das schwächere erwiesen, und dem stärkeren Ostvolk gehört ausschließlich die Zukunft. Was nach diesem Kampf übrigbleibt, sind ohnehin nur die Minderwertigen, denn die Guten sind gefallen.

Außer auf der Website der auch in diesem Jahr verantwortlich zeichnenden Jungen Landsmannschaft Ostpreußen (JLO) wird der Demonstrationsaufruf nach Dresden online so umfangreich plakatiert, wie selten zuvor für einen rechtsextremen Aufmarsch in der Bundesrepublik geworben wurde. Die avisierte Mobilisierung – teilweise ergänzt durch eigene Aufrufe und Kommentare sowie Angebote für organisierte Mitfahrgelegenheiten – ist politisch entsprechend kompatibel sowie geografisch fast schon flächendeckend. Dabei reicht das Spektrum unter anderem vom Störtebeker-Netz über Wikingerversand, Aktionsbüro Norddeutschland, Widerstand Nord, Aktionsbüro Mitte, Freier Widerstand, Aktionsbüro Rhein-Neckar, Aktionsbüro Saar, Aktionsbüro Thüringen, Nationaler Widerstand Berlin-Brandenburg, Elbsandsteinportal, Nationales Infoportal Bayern hin zu weiteren diversen Freien Kameradschaften. Ebenso aktiv in das rechtsextreme Mobilisierungsnetz eingebunden sind die “Deutsche Stimme“, Junge-Nationaldemokraten- und NPD-Websites sowieso und darüber hinaus natürlich auch das Nationale Jugendbündnis sowie das Nationale Bündnis Dresden.

Der Fraktionsvorsitzende der NPD im Sächsischen Landtag und Dresdner Stadtrat für das Nationale Bündnis, Holger Apfel, betonte im Vorfeld, die JLO sorge “seit vielen Jahren dafür, dass das Gedenken an die Opfer des Terrorangriffs nicht jenen überlassen wird, die sich durch einseitige Schuldbekenntnisse hervortun oder gar die gnadenlose Bombardierung deutscher Städte als Befreiungsakt feiern“. Apfel tritt nunmehr als Schirmherr über die JLO-Veranstaltung am 13. Februar auf, nach dem die JLO zuvor diese Schirmherrschaft Ministerpräsident Georg Milbradt und auch Fritz Hähle (CDU-Fraktionsvorsitzender) erfolglos angetragen hatte.

Eine von der NPD-Fraktion angemeldete “Trauerkundgebung zum Gedenken an die Opfer des anglo-amerikanischen Terrorangriffs auf Dresden vor 60 Jahren“ auf dem Platz vor dem Sächsischen Landtag wurde von Landtagspräsident Erich Iltgen (CDU) mit der Begründung, das Ansinnen widerspreche der Wahrung der Würde des Gedenktages, abgelehnt. Reiner Pommerin, Geschichtsprofessor an der TU Dresden, erklärte unmissverständlich den historischen Standpunkt:

Das Wort Holocaust ist eindeutig auf das unvorstellbare Grauen von Millionen getöteter Juden konzentriert. Die NPD will mit dieser Relativierung von den Verbrechen der deutschen Seite ablenken.

Der NPD-Landtagsabgeordnete Klaus-Jürgen Menzel indes äußerte, er sei der Ansicht, dass der Zweite Weltkrieg den Deutschen von den Amerikanern aufgezwungen wurde. Anlässlich des stattgefundenen Neujahrsempfangs der NPD-Fraktion betitelte die Partei-Zeitung “Deutsche Stimme“ den Landtag übrigens bereits als “national befreite Zone“.

In seinem kürzlich auch in Dresden vorgestellten Buch “Dresden, Dienstag, 13. Februar 1945“ analysierte Frederick Taylor die Stadt wegen ihrer Rüstungsindustrie als “durchaus legitimes“ Kriegsziel. Menschlich und kulturell sei der Angriff aber eine furchtbare Katastrophe gewesen. Keine abschließende Antwort habe er – während einer Veranstaltung des Hannah-Arendt-Institus darauf angesprochen – auf die Frage, ob die Bombardierung Dresdens ein Kriegsverbrechen war, zumal diese schwierige juristische Frage nur auf dem Boden der damaligen Rechtsauffassung zu beantworten sei. Der britische Historiker betonte allerdings: “Viele Briten und auch ich wünschen sich immer wieder, dass es niemals zur Zerstörung Dresdens durch die Royal Air Force gekommen wäre.“ Oberbürgermeister Ingolf Roßberg (F.D.P.) äußerte zu Taylors Buch: “Man muss auch Wahrheiten zur Kenntnis nehmen, die möglicherweise unangenehm sind.“ Mehreren Medienberichten zufolge haben linke Gruppen für den 13. Februar tausende Antifaschisten angekündigt. Man wolle “das Trauern um die Täter nicht tatenlos hinnehmen“.

Dresdner Persönlichkeiten, darunter Pfarrer Frank Richter (Demokratische Vertrauenswürdigkeit steht auf dem Spiel) und Schauspieler Friedrich-Wilhelm Junge, beabsichtigen am Abend des 13. Februar mit möglichst vielen Menschen auf dem Theaterplatz als “Zeichen der Mahnung und des Gedenkens“ eine große symbolische Kerze nachzubilden. Die Interessengemeinschaft “13. Februar 1945“ hat mittlerweile die Dresdner Bevölkerung aufgerufen, an diesem Tag – als Zeichen stummen Protestes gegen den Auftritt von Neonazis beim Gedenken an die Zerstörung im Zweiten Weltkrieg – eine weiße Rose zu tragen. “Wir sind für die Überwindung von Krieg, Rassismus und Gewalt“, erklärte die Interessengemeinschaft, deren “Aktion Weiße Rose“ von Dresdner Zeitungen und verschiedenen Organisationen unterstützt wird. Einen Bezug zu den ursprünglichen Namensgebern für die politische Bedeutung der Weißen Rose, Sophie und Hans Scholl, wollte die Dresdner Interessengemeinschaft allerdings scheinbar nicht herstellen. Unbeeindruckt zeigte sich die Interessengemeinschaft “13. Februar“ dann auch davon, dass bereits bei einem so genannten Gedenkmarsch von rund 700 Rechtsextremisten am 15. Januar 2005 in Magdeburg unter dem Symbol der Weißen Rose marschiert wurde.

Fast umgehend wurde auf einer rechtsextremen “Dresden-Gedenkseite-13. Februar“, auch unter “Massenmord“ auf einem russischen Server gehostet, aufgerufen: “Tragt in Dresden weiße Rosen! Als Zeichen stummen Protestes gegen das Gedenken an die Zerstörung Dresdens im Zweiten Weltkrieg soll die Bevölkerung nach dem Willen von Gutmenschen am 13. Februar ausgerechnet eine weiße Rose tragen … Zum Gedenktag kommen alljährlich Oppositionelle nach Dresden, die den alliierten Bombenholocaust anprangern … Weiße Rosen gehören uns allen! Wir fordern daher alle Teilnehmer des Gedenkmarsches auf: Tragt weiße Rosen zum Gedenken an die Opfer des Holocaust von Dresden!“

Allerdings ist dieses Ansinnen in der rechten Szene nicht unumstritten. So wurde es beispielsweise im Störtebeker-Netz als “schlechter Scherz“ kommentiert. Originalzitat: “Offensichtlich ist dem Verfasser des … Aufrufs nicht bekannt, dass es sich bei der Weißen Rose um ein Antifa-Symbol schlechthin handelt, mit dem man für gewöhnlich an die sogenannte Widerstandsgruppe der Geschwister Scholl & Co. handelt, die während des Zweiten Weltkrieges wegen fortgesetzter Wehrkraftzersetzung und Begünstigung von Feindmächten hingerichtet wurde. Und ausgerechnet damit soll man sich am 13. Februar in Dresden schmücken wollen … Wenn man partout den Blumenfreund spielen will, dann sollte man dies gefälligst mit einer Blume tun, die als Symbol des Deutschtums gilt, nämlich der Kornblume oder besser auf Blumen am Revers ganz und gar verzichten. Besser man verzichtet ganz darauf, als das man für nichts und wieder nichts die Äußerlichkeiten linksextremer Splittergruppen kopiert.“

Abschließend sei – der historischen Klarheit des Deutschtums wegen – noch einmal aus dem bereits erwähnten Haffner-Buch zitiert:

Wenn das deutsche Volk einmal nicht mehr stark und opferbereit genug ist, sein eigenes Blut für seine Existenz einzusetzen, so soll es vergehen und von einer anderen, stärkeren Macht vernichtet werden … Ich werde dann dem deutschen Volk keine Träne nachweinen. (Adolf Hitler)

Die Ordnungsbehörden erwarten mittlerweile gut 5.000 Rechtsextremisten für den Abend in der sächsischen Landeshauptstadt. Dresden am 13. Februar – ein ganz normaler deutscher Trauertag im deutschen Winter 2005?

[Dieser Artikel wurde am 5. Februar 2005 bei Telepolis veröffentlicht.]