Hooligans Elbflorenz – Klartext

Am 29. April 2013 verurteilte das Landgericht Dresden fünf Männer wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, teilweise auch Landfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung. Die Angeklagten standen seit 24. August 2011 vor Gericht. Durch die Staatsanwaltschaft wurden sie beschuldigt, die Hooligans Elbflorenz gegründet und zahlreiche Gewalttaten in Zusammenhängen mit Fußballspielen von Dynamo Dresden angezettelt zu haben.

Nach dem damaligen Prozessausgang verzichtete die Dresdner Staatsanwaltschaft auf die Einlegung von Rechtsmitteln. Vielmehr wurde angekündigt, “nun auch die bis zu 40 weiteren mutmaßlichen Mitglieder der ’Hooligans Elbflorenz’ anklagen“ zu wollen. Die Verteidigung der Beschuldigten kündigte nach dem Urteilsspruch eine Revision vor dem Bundesgerichtshof an.

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(Rudolf-Harbig-Stadion, September 2003 – Foto: dehli-news.de)

Für das Buch Schwarzer Hals Gelbe Zähne Teil 3 (SCHWARZER HALS Verlag, 2014) interviewte Veit Pätzug Protagonisten der Szene. Mit freundlicher Genehmigung des Autors werden nachfolgend einige Passagen aus dem 42-seitigen Kapitel “Hooligans Elbflorenz? Dynamo Dresdens aktuelle Kategorie C“ dokumentiert –

“Hooligans Elbflorenz“ – ein schwungvoller Name, unter dem ihr in der Öffentlichkeit firmiert. Aber gibt, beziehungsweise gab es je eine Vereinigung namens “Hooligans Elbflorenz“?

A.: Wir können’s kurz machen: Gab’s nie, gibt’s nicht.

Diese rhetorische Frage stellte ich euch, weil seit August 2011 ein Strafverfahren am Landgericht Dresden gegen fünf Mitglieder dieser Vereinigung läuft. Wenn es diese Vereinigung gar nicht gibt, …

A.: … wäre die Prozessführung an sich anzufechten? Genau, in diese Richtung geht auch unsere Argumentation vor Gericht, beziehungsweise die unserer Anwälte. Das große Gespenst “Hooligans Elbflorenz“ basiert im Grunde nur auf einer Fahne, die – so hörte man in der Verhandlung gegen uns – irgendwer im Jahr 1999 nähte und bemalte. Anlass war eine Boxerei zwischen uns und Chemnitz – der Vollständigkeit halber, wir haben verloren. Seit dem kursiert dieser Begriff überhaupt …

C.: … und wird von jedem interpretiert, wie er’s für richtig hält. Sprich, die Polizei, Presse und Medien, sogar die Dynamo-Szene benutzt, aus verschiedenen Gründen, ein erfundenes Wortkonstrukt für uns, obwohl die wenigsten wissen, wer wir genau sind und was wir konkret tun oder lassen.

D.: Im Prinzip galt die Fahne bei ihrer Entstehung den Leuten im Block M – aber auch nicht allen, die dort standen. Im M versammelten sich eben bis zum Stadionabriss Dynamos Hooligans samt Umfeld. Wenn man so will, war die Fahne eine Referenz an den Block M – und sonst nichts.

A.: Langer Rede … – wir selbst bezeichneten uns nie so.

Wie dann?

A.: Jeder sagte was anderes. Kategorie C, Ackerbande, Extremsportgruppe, Wald- und Wiesenfraktion, Boxtruppe, such dir was aus. Es gab übrigens auch nie irgendeine Klamotte, auf der “Hooligans Elbflorenz“ stand. Und, weil du anfangs von “firmieren“ sprachst, wir waren und sind keine Firma, kein Verein, kein Klub oder sonst was. Aufs Wesentliche verkürzt, sehen wir uns als Freundeskreis, von mir aus Interessenkreis, der gemeinsam Sport treibt. Ein Hobby verbindet uns.

D.: In der Stadt waren wir für viele einfach die “Eastside-Leute“. Um einem Missverständnis vorzubeugen, mit dem Dynamo-Fanclub “Eastside“ hat das rein gar nichts zu tun. “Eastside“, wie es auf uns gemünzt wurde, gibt es auch in Berlin oder Chemnitz – Kampfsportler eben.

Eure Anwälte haben also vor Gericht gefragt, gegen wen überhaupt der Prozess geführt wird – davon ausgehend, diese Vereinigung existiert nicht?

A.: Natürlich, das war mehrfach ein Thema, selbst im Plädoyer. Die Staatsanwaltschaft stützte sich ja, was das betrifft, auf eine krude Beweislage. Mir und einem zweiten Angeklagten wurde vorgeworfen, Anführer und Rädelsführer der dubiosen “Hooligans Elbflorenz“ zu sein. Die Begründung, zwei Jüngere unserer Gruppe hätten unsere Telefonnummern unter “HE Chef“ in ihren Handys gespeichert. Ziemlich dünn, oder?! Wenn meine Nummer unter “DD Chef“ abgespeichert wäre, würde das doch auch nicht automatisch bedeuten, dass ich der Bürgermeister von Dresden bin. Da fragt man sich schon …

D.: Die Polizei führte schon lange vor Prozessbeginn eine Kartei unter dem Namen “Hooligans Elbflorenz“. Die enthaltene Namens- und Adressliste umfasste einhundertachtzig Personen. Die Kartei wurde schon 2002 nach dem Spiel gegen den DSC erstellt.

Wie bitte, so viele?!

D.: Pervers, oder?! Da waren aber auch Ultras drunter und irgendwelche Kutten, die sich mal in unserem Dunstkreis bewegten. Eben ’ne klassische Bullen-Statistik.

C.: In meinen Augen haben entsprechende Behörden das Monster “Hooligans Elbflorenz“ erschaffen, um die Verfolgung einer kriminellen Vereinigung rechtfertigen zu können – von allen Anklagepunkten, derer wir uns erwehren müssen, der finsterste.

D.: Fest steht, unsere Gruppe trat nie mit dieser Fahne in Erscheinung, und bei Hausdurchsuchungen wurde sie auch bei keinem von uns gefunden. Zu dieser Fahne und diesem Namen gab es unsererseits nie eine Identifikation.

A.: Damit können wir das Thema an dieser Stelle auch abschließen.

D.: Na ja, nicht ganz. Ein riesiger Aufhänger für das Gericht war auch, dass die Ultras die Fahne durch Dresden trugen und der Stoff dann gegen Aue im Stadion hing. Wir hatten nichts damit zu tun, es war ein reiner Fanmarsch. Damals soll es dann auch zu einem “Stadionüberfall“ gekommen sein – 2009 übrigens -, dessen angebliche Organisation uns ebenfalls zur Last gelegt wird. Völlig an den Haaren herbeigezogen, schlicht und ergreifend falsch! Aber solche Darstellungen führten dazu, dass die Dresdner Hooligans, also wir, in ganz Deutschland mit dem Begriff “Hooligans Elbflorenz“ gleichgesetzt wurden. Für die Öffentlichkeit ist das ein und dieselbe Geschichte, tatsächlich aber Bullshit. Aus unserer Fanszene schmückten sich hin und wieder einige mit der Fahne, um eine Art Drohkulisse aufzuziehen. Wie gesagt, Gespenstergeschichten …

Beim Thema Fahne, und speziell bei dieser, muss ich einfach fragen, ob jemals irgendwer versuchte, das Ding an sich zu nehmen, also zu “ruppen“?

D.: Bisher hat sich das niemand getraut. Der Mythos scheint alle abgeschreckt zu haben. Aber die Bullen haben’s versucht, in Uerdingen zum Beispiel. Für ihr Prestige hätten die Bullen diese Fahne sicher gern. Und sogar der Ordnungsdienst bei Dynamo vergriff sich an ihr. Unterm ehemaligen Geschäftsführer Maaß liefen solche Mätzchen in Dresden ab. Auch UD kann ein Lied davon singen. War zwar ein anderes Spiel, aber deren Blockfahne versuchte die Security ebenfalls vom Zaun zu fetzen – erfolglos, versteht sich.

Ich bekomme jetzt sicher keine Aussage, frage euch aber trotzdem: Wo ist sie jetzt?

A.: Keine Ahnung.

(…)

[Mit Dank & Gruß an Veit Pätzug.]

[Dieser Beitrag wurde am 10. November 2014 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]