LVZ-Fußballkrieg: Offene Fragen

Die Begegnung in der 3. Hauptrunde im diessaisonalen Wernesgrüner Pokal-Sachsen zwischen 1. FC Lokomotive Leipzig und RasenBallsport Leipzig endete am 12. Oktober mit einem 0:2 auf dem Rasen des Zentralstadions – ein friedliches Fußballfest. Aber offenbar nicht überall in Leipzig war es an diesem Tag gleichermaßen friedfertig, und sei dem nur an der einen oder anderen Tastatur elektronischer Geräte in öffentlich verantwortlichen Bereichen der Stadt so gewesen sein.

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(Foto: O.M.)

Für zirka zwei Stunden war auf dem Online-Portal der Leipziger Volkszeitung (LVZ) realtiv umfassend und auch detailliert von “Ausschreitungen während des Leipzig-Derbys“ zu lesen.

“(…) Während des Pokalspiels zwischen Lok und RB Leipzig (…) ist es nach Polizeiangaben zu Ausschreitungen gekommen. Gegen 16 Uhr – also mit Beginn der zweiten Halbzeit des Derbys – habe es außerhalb des Stadions eine Auseinandersetzung zwischen den Fan-Lagern gegeben. Etwa 500 Lok-Anhänger griffen demnach im Bereich des Parkplatzes Friedrich-Ebert-Straße auch den Ordnungsdienst an. Als die Polizei einschritt, warfen die Randalierer Steine und Flaschen nach den Beamten, schlugen und traten sie.

Wie die Polizei weiter mitteilte, wurde zunächst versucht, die Situation mit Lautsprecherdurchsagen zu beruhigen. Nachdem dies erfolglos blieb, setzten die Sicherheitskräfte Wasserwerfer und Hunde ein. Den Angaben zufolge wurden die Angreifer so in Richtung Waldplatz abgedrängt und der Parkplatz gegen 16.25 Uhr geräumt. Die Polizisten nahmen elf Personen vorläufig fest und leiteten zahlreiche Ermittlungsverfahren ein. Insgesamt wurden offenbar fünf Polizeifahrzeuge durch Steinwürfe beschädigt, die Beamten wurden nicht verletzt (…)“ [© LVZ-Online].

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(Screenshot: LVZ-Online.de)

Die geneigte LVZ-Leserschar mag sich zuerst das eine und dann das andere Auge gerieben, umgehend vielleicht Bekannte in der Stadt auf medialen Wegen dringend vor den bürgerkriegsähnlichen Zuständen gewarnt, sich dann aber beide Augen gleichzeitig gerieben haben, denn LVZ-Online.de zog blank und verlautbarte, lediglich “eine fehlerhafte Pressemitteilung der Polizei“ habe “für Verwirrung“ gesorgt.

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(Screenshot: Polizeidirektion Leipzig)

Resümierend könnte der LVZ allerdings auch unterstellt werden: Kleinen journalistischen Blitzkrieg geführt, Vorurteile ausgelebt, Fußballmob wunschdenkend gedisst, ’Schwarzen Peter’ verteilt, Hände in Unschuld gewaschen, Pressekodex wieder aus der Schublade hervor geholt – fert’sch, wie zuweilen noch sächsisch gesagt wird.

Hernach die imaginären Wasserwerfersprühnebel verzogen und die virtuellen Lautsprecherdurchsagen verklungen sind, bleiben allerdings Fragen. Und diese öffentlich zu stellen, nimmt sich Ostfussball.com die Freiheit.

Sehr geehrte Damen und Herren in der Sportredaktion der LVZ,

nach dem unser telefonischer Kontaktversuch am heutigen Nachmittag – Ihrerseits ein wenig unüblich mit der Bitte auf eine schriftliche Anfrage verweisend – nicht zustand kam, erlauben wir uns, Ihnen auf eben diesem Weg folgende Fragen zu stellen –

Rund um das Sachsenpokalspiel zwischen Lok Leipzig und RasenBallsport Leipzig am 12. Oktober dieses Jahres wurde durch LVZ-Online.de vorübergehend in einem nicht gerade kurzen Artikel von “Ausschreitungen während des Leipzig-Derbys“ berichtet (Screenshot). Mit der Terminierung von 20:08 Uhr war dann einige Zeit später bei LVZ-Online.de zu lesen: “(…) Nach der Begegnung sorgte eine fehlerhafte Pressemitteilung der Polizei für Verwirrung. Anders als darin mitgeteilt, kam es während des Spiels nicht zu Ausschreitungen (…)“.

AD 1: Besteht Ihrer Auffassung nach die Möglichkeit, dass – so wie von Ihnen dargestellt – eine gut halbstündige gewalttätige Auseinandersetzung zwischen Fußballfans und der Polizei unter Einsatz von Wasserwerfen [etc pp.] im Stadtbereich von Leipzig für andere Medien/Nachrichtenagenturen unbemerkt bleiben könnte?

AD 2: Gab es entsprechende Rückfragen Ihrerseits an den Führungsstab der polizeilichen Einsatzkräfte beziehungsweise Kolleginnen oder Kollegen Ihrer Redaktion am Ort des Geschehens?

AD 3: Welchen Wortlaut hatte die von Ihnen als Entschuldigung angeführte Pressemitteilung der Polizeidirektion Leipzig?

AD 4: Wann und auf welchem Weg hat Ihre Redaktion besagte Pressemitteilung erreicht?

In Erwartung Ihrer baldigen Antworten …

Eine vorab via E-Mail an die Leipziger Polizeibehörde gestellte Anfrage, ob die Darstellung der LVZ hinsichtlich ’einer fehlerhaften Pressemitteilung’ bei der Berichterstattung rund um die Pokalpartie 1. FC Lok Leipzig vs. RasenBallsport Leipzig so bestätigt werden könnte, blieb bis zum heutigen Nachmittag unbeantwortet. Ab 16:30 Uhr war in der Pressestelle der Polizeidirektion Leipzig beziehungsweise jemand dort in der Angelegenheit Kundiger nicht mehr zu erreichen.

Sei’s drum, die Fragen bleiben, wir warten …

– Update 16. Oktober 2013 (17:15 Uhr) –

Wenn wir einmal die leichte Polemik eines Teils unserer Anfragen an die Leipziger Volkszeitung ein wenig außen vor lassen, ergibt sich nach Antworten aus der dortigen Sportredaktion – nicht aus der Online-Redaktion – mittlerweile ein noch nicht vollendetes Puzzle.

  • Der Ressortleiter Sport, Winfried Wächter, war am 12. Oktober selbst vor Ort und kann sich “nicht vorstellen, dass eine solche Auseinandersetzung in Stadionnähe unbemerkt geblieben wäre“.
  • Da die Leipziger Volkszeitung an Sonntagen nicht mit einer Print-Ausgabe erscheint, wurde “auch erst am Sonntag mit der Polizei Kontakt aufgenommen“. Da nach Kenntnis des Ressortleiters Sport nichts passiert war, sah dieser “auch keinen Grund, anders zu verfahren. Unsere Online-Kollegen werden sicher anders verfahren sein“.
  • Die Polizeidirektion Leipzig allerdings hat wohl eine E-Mail mit folgendem Wortlaut versandt –
    Sehr geehrte Damen und Herren,
    anbei die Korrektur unserer PM, da fälschlicherweise eine zweite Seite mit veröffentlicht wurde.
    Wir bitten um Entschuldigung.
    Mit freundlichen Grüßen
    Die Pressestelle
  • Der bereinigt korrigierte Inhalt der Pressemitteilung (Screenshot) wurde in der Montagausgabe der LVZ veröffentlicht.
  • Uwe Voigt, Pressesprecher der Polizeidirektion Leipzig, reagierte auf eine ganz eigene Art – “… ich bitte Sie die Pressestelle der Polizeidirektion Leipzig zu Ihrer Anfrage zurückzurufen, ehe ich ellenlange Texte schreibe!!!“ – Chapeau! Und ellenlang erfolgloses Telefonläuten ohne Wasserwerferrauschen in der offenen Warteschleife der Leipziger Polizeidirektion …

Wann und an wen besagte Polizei-E-Mail gesendet wurde und welchen Inhalt die ominöse ’fälschlicherweise veröffentlichte zweite Seite’ gehabt hat, ist mithin nach wie vor offen. Genau wie gleichfalls weiterhin im Nebel liegt, wie die Online-Kollegen der LVZ letztendlich zu ihrem großen Auftritt gekommen sind.

– Update 16. Oktober 2013 (21:24 Uhr) –

Sehr geehrter Herr Pressesprecher Uwe Voigt,

zur Berichterstattung rund um das Sachsenpokalspiel 1. FC Lok Leipzig gegen RasenBallsport Leipzig am 12. Oktober nicht ellenlang, sondern kurz gefragt:

  1. Stimmt es, dass die Pressestelle der Polizeidirektion Leipzig im bezüglichen Zusammenhang an Medien eine E-Mail mit folgendem Inhalt verschickte? – “(…) anbei die Korrektur unserer PM, da fälschlicherweise eine zweite Seite mit veröffentlicht wurde. Wir bitten um Entschuldigung (…)“
  2. Wenn Ja: Wann wurde diese E-Mail versandt?
  3. Wenn Ja: Wurde diese E-Mail lediglich an die LVZ-Sportredaktion beziehungsweise die LVZ-Online-Redaktion verschickt oder auch darüber hinaus verbreitet?
  4. Wenn Ja: Welchen Inhalt hatte die ’fälschlicherweise veröffentlichte zweite Seite’ der Pressemitteilung?
  5. Wenn Ja: Auf welcher Grundlage wurde die ’fälschlicherweise veröffentlichte zweite Seite’ erstellt?
  6. Wenn Ja: Wer zeichnet für den Inhalt der ’fälschlicherweise veröffentlichten zweiten Seite’ verantwortlich?
  7. Welcher Pressesprecher beziehunsgweise Medienbeauftragte der Polizeidirektion Leipzig war während der Absicherung der Fußballveranstaltung vor Ort?

Doch nicht ganz so kurz geworden, mea culpa, aber so ellenlang brauchen Sie ja nicht antworten.

In Erwartung …

… und mit freundlichen Grüßen …

[Dieser Artikel wurde – zuerst ohne Updates – am 15. Oktober 2013 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

[Nachsatz vom 16. Oktober 2013 -> 6 vor 9 @ BILDblog.de]