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Sächsischer “Phänomenbereich Sport und Gewalt“

Nach offiziellen Darstellungen waren mit Stichtag 30. April 2013 Informationen über 13.033 Personen in der Verbunddatei “Gewalttäter Sport“ beim Bundeskriminalamt erfasst.

In den letzten Wochen und Monaten wurden beispielsweise in Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Berlin und Sachsen-Anhalt mehr und mehr bundesländerspezifische Datensammlungen über Fußballanhänger aller Couleur bekannt. Nun ebenso in Sachsen. Überraschung? Die Rechtmäßigkeit solcher Dateien steht nicht erst seit gestern in der Kritik.

Nach aktuellen Medienberichten sammelt auch Sachsens Polizei seit Jahren Informationen über die fußballtangierende Fanszene. Laut Antworten von Innenministers Markus Ulbig (CDU) auf Anfragen des bündnisgrünen Abgeordneten Valentin Lippmann (Drucksache 6/4224) sind datensatzmäßig in Sachsen derzeit 594 Hooligans erfasst. Dabei wurden 328 Personen von der Polizeidirektion Dresden, 102 durch die Polizeidirektion Leipzig und 164 von der Polizeidirektion Zwickau gespeichert.

Bei einer bezüglichen Aufschlüsselung durch die Freie Presse hinsichtlich sächsischer Vereine “entfallen die mit Abstand meisten Fälle auf den Drittligisten Dynamo Dresden (328). Auf Platz zwei rangiert Viertligist FSV Zwickau (154), gefolgt von den Leipziger Vereinen Lok (72) und Chemie (19). Dem Umfeld des Drittligisten Erzgebirge Aue wird kein einziger Datensatz zugeordnet, RB Leipzig genauso wie dem VfB Auerbach nur jeweils einer, dem Chemnitzer FC vier und dem VFC Plauen immerhin neun“.

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(Ressentiments – Foto: O.M.)

“Warum es neben der datenschutzrechtlich höchst umstrittenen vom Bundeskriminalamt geführten bundesweiten Datei ’Gewalttäter Sport’ eine weitere sächsische Datei braucht, ist nicht nachvollziehbar. Zumal in der sächsischen Datei offensichtlich mehr Personen aus Sachsen gespeichert werden als in der bundesweiten. Während 2015 in der BKA-Datei ’Gewalttäter Sport’ 480 Personen gespeichert wurden, sind es in der sächsischen Datei immerhin über 100 Personen mehr”, so Valentin Lippmann.

Das für den “Phänomenbereich Sport und Gewalt“ angewandte “ermittlungsunterstützende Fallanalysesystem Sachsen“ (eFAS) sei nach Ministeriumsangaben “keine Auskunftsdatei im klassischen Sinn, sondern ein ’Arbeitsinstrument’ für die Ermittlungen in Strafverfahren“.

“Eine regelmäßige selektive Datenübermittlung erfolgt anlassbezogen an das Bundeskriminalamt … Für personenbezogene Daten ist in eFAS eine Aussonderungsprüffrist von zwei Jahren vorzugeben. Eine automatisierte Routine prüft das Aussonderungsdatum. Mit Erreichung des Aussonderungsdatums entscheidet der Sacharbeiter über eine Löschung oder im begründeten Einzelfall über eine rechtlich zulässige Verlängerung der Speicherung.“

Seit Jahren schon steht mehr als deutlich am Raum, dass allein schon derjenige, “wessen Personalien … einmal im Rahmen der ’Gefahrenabwehr’ kontrolliert worden sind, Eingang in die Datei ’Gewalttäter Sport’ [findet] und sich strafrechtlicher und zivilrechtlicher Anfeindung ausgesetzt [sieht]“ – “Schlimmer geht es nimmer! Dieses System lässt jedem Datenschützer die Haare zu Berge stehen!“ (anwalt.de, 29. Februar 2012).

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– Update –

(…) Nachdem mittlerweile in elf Bundesländern öffentlich wurde, dass die Polizei Datenbanken oder Dateien über Fußballfans angelegt hat, fordert die Arbeitsgemeinschaft Fananwälte nun die Löschung all dieser Dateien (…) [Faszination Fankurve, 15. April 2016]

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Kommandos 13. Februar?

Berlin. Der verhinderte Aufmarsch von Dresden gebiert nachträglich offenbar militante Drohgebärden aus dem rechtsextremen Milieu.

Dass der Verlauf des diesjährigen 13. Februar in rechtsextremen Strukturen und Zusammenhängen Spuren hinterlassen hat, ist unschwer zu verfolgen. Ob der für sie desaströse Tag die Szene letztendlich verunsichert oder eher zusammen geschweißt hat, bleibt allerdings abzuwarten.

Während die durchaus emotional geführten Auswertungsdiskussionen in den einschlägig bekannten rechtsextremen Internetforen langsam zu verebben scheinen, zeigt sich augenscheinlich, dass der Stachel der Blockade von Dresden – Keinen Meter gelaufen zu sein – bei einigen wohl doch viel tiefer im rechten Fleisch sitzt, als auch nur halböffentlich zugegeben. Nach ersten internen Irritationen beginnt die so genannte nationale Bewegung, nachdem es im unmittelbaren Umfeld des 13. Februar bereits beispielsweise in Gera und wiederholt in Pirna militante Aktionen gegeben hatte, offensichtlich noch offensiver zu agieren.

So wird mittlerweile beispielsweise aus Berlin berichtet, dass mehrere linke Organisationen und Aktivisten; größtenteils Unterzeichner des Blockadeaufrufs von Nazifrei! – Dresden stellt sich quer, Drohbriefe erhalten haben, in denen ein sich selbst so betitelndes “Kommando 13. Februar“ sehr andeutungsweise militant mitteilt: “… dein Leben interessiert uns brennend“. Teilweise sei den Briefen zudem ein Streichholz beigefügt gewesen, so die Nachrichtenagentur ddp. Aus offenbar ebenso rechtsextremen Zusammenhängen heraus war übrigens bereits am 14. Februar in einer anonymisierten E-Mail an redok unter anderem angekündigt worden: “Die kommenden 364 Tage werden ganz spannend“ und weiter: “was glaubt ihr denn was passiert wenn die Polizei nicht vor Ort ist ?“ (Schreibweise so im Original).

Unterdessen warnte Heinz Fromm, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, in einem Tagesspiegel-Gespräch vor einer steigenden Aggressivität der rechtsextremen Szene. So könne sich eine “Jetzt-Erst-Recht-Stimmung“ entwickeln. Der rechtsextreme Veteran Christian Worch fordert derweil nach dem diesjährigen 13. Februar in Dresden auf seiner Website weniger als mehr verklausuliert: “Also: Umdenken. Flexibler planen. Koordinierter handeln. Egoismen zurückstellen. Und sich nicht mehr wie eine Hammelherde an einem einzelnen Ort einpferchen lassen“.

[Dieser Artikel wurde am 24. Februar 2010 bei redok veröffentlicht.]

Mahnmal beschädigt

Berlin. Zum wiederholten Mal wurde das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen geschändet.

So stellten am Morgen des 5. April Mitarbeiter des zuständigen Wachschutzes fest, dass auf der Verglasung eines Sichtfensters der am südlichen Rand des Tiergartens befindlichen Stele, hinter dem ein Video mit einer Kussszene eines gleichgeschlechtlichen Paares läuft, deutliche Kratzspuren hinterlassen worden waren.

Das im Mai 2008 eingeweihte Denkmal war nicht zum ersten Mal Ziel von Anschlägen. Bereits Mitte August 2008 hatten Unbekannte damals unter anderem das Sichtfenster des Mahnmals eingeschlagen. Dasselbe wiederholte sich Mitte Dezember 2008. Von den aktuellen Tätern fehlt bislang jede Spur. Die Staatsschutz-Abteilung des Landeskriminalamts hat die Ermittlungen übernommen.

[Dieser Artikel wurde am 5. April 2009 bei redok veröffentlicht.]

Volksverhetzung: Razzia in mehreren Bundesländern

Berlin. Im Zuge einer länderübergreifenden Ermittlung wurden Tonträger und Propagandamaterialien mit rechtsextremistischen Inhalten beschlagnahmt. Ein Schwerpunkt der Durchsuchungen lag in Sachsen.

So wurden in den Morgenstunden des 16. Januar in Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Brandenburg und Baden-Württemberg mehrere Objekte durchsucht und dabei diverse, offenbar strafrechtlich relevante, Asservate sichergestellt.

Schwerpunkt der Aktion war Sachsen. In dem südöstlichen Bundesland wurden “acht Firmensitze und Wohnungen in allen drei Regierungsbezirken“ durchsucht (ddp). Allein hierbei seien 119 CDs sichergestellt worden, deren Inhalte als volksverhetzend eingestuft werde. Unter den konfiszierten Asservaten befänden sich gut 50 Exemplare einer zweiten Ausgabe der CD “Gift für die Ohren“. Darüber hinaus seien 32 Zeitschriften aufgefunden und gleichfalls eingezogen worden, “in denen der Staat verunglimpft“ werde. Zu den durchsuchten Objekten zählte der Vertrieb “Front Records“ in Wurzen.

Bereits Mitte März 2007 durchsuchten Ermittlungsbehörden Wohnungen und Geschäftsräume in Berlin, um die damals neu erschienene erste CD “Gift für die Ohren“ von “Burn Down“ und “X.x.X.“ zu beschlagnahmen. Nach Darstellung von Turn it down handelt es sich bei “X.x.X.“ augenscheinlich um einen Ableger der rechtsextremistischen Band D.S.T. (“Deutsch, Stolz, Treue“); gegen Mitglieder der Band war Anklage erhoben worden.

Über Sachsen hinaus wurden in Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Brandenburg und Baden-Württemberg weitere neun Objekte durchsucht. Der Razzia voraus gingen, so die Nachrichtenagentur ddp, Ermittlungen durch Berliner Sicherheitsbehörden sowie Durchsuchungsbeschlüsse, “die nach zusätzlichen Internet-Recherchen des LKA eingeleitet worden waren“.

[Dieser Artikel wurde am 17. Januar 2008 bei redok veröffentlicht.]