Schlagwort-Archive: DDR

MedienScreen # 163 [Toni Krahl. Am Fenster. Immer wieder. Anders. Und nicht irgendwie.]

[Fundstück] Toni Krahl in seinem Buch “Toni Krahls Rocklegenden“ (2016) –

(…) Fünf Jahre K & P Music waren es mir wert, bei mir zu Hause ein kleines Fest zu geben. Wir haben ein Schwein gebraten, klar, ’n vegetarisches. Das nie Fleisch gefressen hat (…)

“Toni ist einer der Coolsten. Er hat nie vergessen, dass in dem Wort Unterhaltung das Wort Haltung steckt(Sebastian Krumbiegel, Klappentext).

– Nachschiebsel –

Lieber Toni Krahl, Joe Cocker hat 1988 in Dresden aber beileibe nicht “in der Elbaue“ gespielt. Da war eine Wiese. In Dresden. Ja. Nicht etwa nahe der Elbe. Sondern fast direkt neben dem Rudolf-Harbig-Stadion. Die seitdem nach ihm geheißen wird. Cockerwiese. Remember?

MedienScreen # 152 [Schmidt schallert]

[Fundstück] Andreas Schmidt-Schaller im Buch “Klare Ansage“ (2015) –

(…) Hunderttausende zumeist gut ausgebildete, motivierte Menschen verließen die DDR – heute würde man sie Wirtschaftsflüchtlinge nennen (…)

(…) Einen Ausreiseantrag zu stellen, wäre mir nie in den Sinn gekommen, das erschien mir als Flucht, als ein Sich-Drücken vor den Problemen, von denen es hier mehr als genug gab. Diese konnte man nur mit Gleichgesinnten lösen, wenn man dablieb. Abhauen war keine Lösung (…)

MedienScreen # 116 [DDR-Märchenwald. Kein Opfer ist je vergessen.]

[Fundstück] “Tatort Märchenwald: Jetzt reden die Opfer“, politplatschquatsch.com, 26. September 2012 –

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Es sind fürwahr bewegende Zeilen und erschütternde Erinnerungen, die zu Herzen gehen, die uns nach der Enthüllung der wahren Zusammenhänge, die vor fast 40 Jahren zur Verschleppung des Kinderfernsehbären Bummi nach Sibirien führten, erreichten. Kinder, die damals litten und heute Männer und Frauen sind, schwärmten noch einmal von Borstel, dem tumben Igel. Sie gedachten Herrn Uhu, dem steinmeierweisen Vogel mit den Untertellertassenaugen. Sie träumten sich für einen Moment zurück in den heilen Märchenwald der sozialistischen Fernsehkindheit, der Weltrevolution sowenig kannte wie McDonalds und Nintendo.

Kein Name ist vergessen, auch wenn er manchmal durcheinandergewürfelt wird. Die Märchenwald-Forschung steht erst am Anfang und kein Verantwortlicher für den Kahlschlag im Koboldland wird mit dem Schrecken davonkommen.

Bei der sogenannten Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit, schreibt einer der Betroffenen mutig, “wurde bislang ein auffällig weiter Bogen um diese Affäre gemacht“. Dabei sei, über 20 Jahre nach dem angeblichen Ende der DDR, längst Zeit für eine Zusammenfassung und Klarstellung gewesen. “Ich selbst, der ich zu dieser Sache auch heute nur anonym zu posten wage, gehöre zu diesen Kindern, denen der charismatisch positive gelbe Bummibär gestohlen wurde, um ihn durch einen unglaubwürdigen, undurchschaubaren Niemand mit einer verstörend deformierten Physiognomie zu ersetzen“, offenbar der PPQ-Leser. Der Verlust schmerze ihn bis heute, und es gebe noch immer kein Verstehen.

Nicht nur dieser Schreiber ermutigt alle, die sich der Wahrheit verpflichtet fühlen, nicht Ruhe zu geben und nicht nachzulassen, bis das letzte Geheimnis um die Ränkespiele hinter der Mattscheibe gelüftet ist. “Es ist wie immer das Verdienst und das Vorrecht der Blogs, das Dunkel um solche ausgeblendeten Geschehnisse zu lichten, und einen ersten Schritt zu tun, die Verantwortlichen, die glaubten, nach all den Jahren seien sie aus dem Schneider, zumindest aufzuschrecken.“

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Mit Dank & Gruß an PPQ und dortselbst im Original.

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MedienScreen # 101 [DDR-Märchenwald. Die Akte Bummi.]

[Fundstück] “Tatort Märchenwald: Die Verbannung des Bummi“, politplatschquatsch.com, 25. September 2012 –

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Er war einer der ersten, die nach dem 2. Weltkrieg ein neues Zuhause im Märchenwald fanden. Der Bär Bummi, ein brummiger, sandgelber Kerl, leistete dem Meister Nadelöhr Gesellschaft, der die fröhlichen Kinder der Arbeiter und Bauern der sozialistischen DDR ab Ende der 50er Jahre immer Sonntagsnachmittag “Zu Besuch im Märchenland“ empfing. Erst der liebenswerte Plüschteddy mit dem großen Herzen bereitete das Feld für Schnattchen und Pittiplatsch, der 1962, kurz nach dem Mauerbau, in einem offensichtlichen Westpaket in die Schneiderstube kam, um systemerhaltende Streiche zu spielen und Rock-Roller-Sprüche wie “Ach, du meine Nase“ und das später durch PPQ weltweit bekanntgewordene “Platsch-Quatsch!“ in die Kamera zu sagen.

Dennoch war es nicht der Kobold, den der Bannstrahl traf. Pittiplatsch, bis heute Namensgeber eines der elaboriertesten Internetblogs, wurde nach Protesten von sozialistischen Pädagogen zwar für einige Zeit vom Sender genommen und hinter den Kulissen auf zahm umerzogen. Heiligabend 1962 durfte der runde schwarze Fex wieder Possen reißen und Schnatterinchen ärgern – nur wenige erkannten, dass der, der da wieder Faxen machte, ein gebrochener Mann war, ein Schatten seiner selbst. Ihm zur Seite gestellt worden waren nun die Kobolde Nickeneck, Drehrumbum der Runde und Wuschel, drei Figuren von großer Undurchsichtigkeit. Waren sie Spitzel, die auf ihn angesetzt wurden? Waren sie seine Betreuer, weil den Machthabern der labile Zustand Pittis nicht entgangen war und sie einen öffentlichkeitswirksamen Ausfall des Stars fürchteten?

Oder hatte Pitti selbst bei der Stasi unterschrieben? Entsprechende Gerüchte machten früh die Runde, konnten aber nie belegt werden. Doch der Ablauf der weiteren Ereignisse im Märchenwald spricht eine deutliche Sprache: So lange der gebürtige Wenigeröder Eckart Friedrichson, der in der Rolle seines Lebens den Nadelöhr gab, seine schützende Hand über die Märchenwäldler hielt, ging alles gut. Fröhlich sang er mit seiner großen Zauber-Elle, die als Ersatz für eine Gitarre diente, das Lied “Ich komme aus dem Märchenland“, kein leiser Hauch von kaltem Krieg wehte durch Studio.

Doch hinter den Kulissen, so behaupten Eingeweihte, schraubten die Realpolitiker längst an einer völligen Neuorientierung der kindlichen Sendung, der sie vorwarfen, zu wenig auf Klassenkampf zu setzen, die Völkerfreundschaft zu vernachlässigen und Anarchisten wie Pittiplatsch zu viel Raum zugeben. Mit Herrn Fuchs wurde von den maßgeblichen Kreisen in Pankow und Moskau ein typischer Vertreter des auf dem Boden der DDR endgültig geschlagenen Kleinbürgertums in die Wald-WG aufgenommen. Fuchs sollte als Zielscheibe für böse Späße Adenauer ersetzen. Der Hund Moppi kam als typischer Vertreter des Proletariats hinzu – er redete nicht viel, aber Blödsinn. Zeigte aber stets deutlich, dass er bereit war, die Sache der Arbeiter mit aller Kraft zu verteidigen. Gute Voraussetzungen für eine große Karriere nicht nur im Showgeschäft.

Dann kam der Tag, an dem Bummi-Bär starb. Ein Rollkommando aus Wünsdorf fuhr unangekündigt vor den Märchenwald-Studios in Babelsberg vor. Augenzeugen erinnern sich an sieben bis neun Männer in Uniformen der sowjetischen Fallschirmjägertruppe, eine Eliteeinheit, die für den KGB besonders knifflige Aufgaben erledigte. Während zwei Mann die Eingänge sicherten, so ein Zeitzeuge, seien die anderen in die Aufenthaltsräume der Darsteller gestürmt. “Dort wurde Bummi knallhart gepackt und rausgeschleift“, erinnert sich der Mann, der bis heute unter traumatischen Träumen wegen des Vorfalls leidet. Der in einem Lied besungene (“Bummi, Bummi“, oben) Star wurde stellvertretend abgestraft, vermuten Forscher heute, wo Stasiakten, die PPQ vorliegen, zumindest die halbe Wahrheit verraten.

Es soll eine Intervention von ganz oben, sprich aus Moskau gewesen sein, die zu dieser Aktion führte. Bummi verschwand spurlos. Eckhard Friedrichson verkraftete es nicht. Das Herz. Meister Nadelöhr, seit seiner Kindheit an Diabetis erkrankt, starb völlig unerwartet, für eine ganze Generation endete mit diesen beiden Verlusten die Kindheit. Das Ende der DDR, es deutete sich bereits an. Im Herbst danach folgte die Biermann-Ausbürgerung, später gingen auch Manfred Krug und Nina Hagen in den Westen, um nicht ebenfalls wie Bummi in die Sowjetunion verschleppt zu werden.

Den Feinden des Friedens im Märchenwald aber kam das nur recht. Hintergrund der Disziplinierungsaktion gegen Bummi, so wurde es später bei einer geheimen Parteiversammlung mitgeteilt, seien Hinweise darauf gewesen, dass der altgediente Bär mit seiner Rolle als Sidekick der dominanten Schnattchen und Pitti nicht mehr zufrieden gewesen sein. Bummi sei in Kreise geraten, die der DDR nicht wohlgesonnen gewesen seien, der Verdacht der Spionage und des Dissidententums habe im Raum gestanden, heißt es in den Stasi-Unterlagen, die von Mielke selbst gegengezeichnet wurden.

Gemeinsam mit der Stasi-Kinderabteilung entwarf der KGB den Plan, Bummi “zu seiner eigenen Sicherheit“ nach Moskau zu bringen. Offiziell wurde dann über den Sender erklärt, der beliebte Bär sei auf Reisen im sozialistische Ausland, um Freundschaft mit Bären aus aller Welt zu schließen. Die Lücke im Märchenwald schloß sein bärbeißiger sowjetischer Vetter Mischka, ein hochrangiger KGB-Offizier mit Einzelkämpferausbildung, der bis zum Ende der DDR tatsächlich mit Drohungen und zuweilen auch blanker Gewalt für stabile Verhältnisse im Märchenland sorgte. Gemeinsam mit Pittiplatsch und Schnatterinchen trat der alptraumhafte, dunkelhaarige Bär, der nach dem Chef der DDR-Auslandsaufklärung Mischa Wolf benannt worden war, auch in hunderten Ausgaben des Abendgrußes “Unser Sandmännchen“ auf. Noch laufen wissenschaftliche Untersuchungen, um zu ermitteln, welche Langzeitschäden die dauernde Konfrontation mit dem wortkargen Russen bei den Kindern verursacht hat.

Bummi hingegen, für viele ahnungslose DDR-Kinder immer noch ein Idol, wurde allenfalls zu hohen staatlichen Feiertagen aus seinem Moskauer Exil zugeschaltet. Er sagte dann ein paar Worte, Kenner spürten, dass er zuvor unter Drogen gesetzt worden war. Nach dem Mauerfall gab es einige hilflose Versuche des talentierten Plüschriesen, in sein altes Metier zurückzukehren. Keiner glückte. Heute lebt Bummi, immer noch schwer bewacht, inzwischen aber auch leicht umnachtet, in einem Heim für verdienstvolle Kulturschaffende der Sowjetunion in Wladiwostok. Interviewbitten von PPQ wurden von der Heimleitung ohne Begründung abgelehnt.

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Mit Dank & Gruß an PPQ und dortselbst im Original.

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