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MedienScreen # 250 [Imaginierter Journalismus]

[Fundstück] Hans Hoff, “Der Begriff ’Journalist’ ist nicht mehr zu gebrauchen“, DWDL.de, 24. Mai 2020 –

(…) Noch immer sind Journalisten in ihrer großen Masse sehr ehrenwerte Menschen, die eine sehr ehrenwerte Arbeit erledigen. Diese Arbeit ist in den vergangenen Jahren nicht einfacher geworden (…) Die meisten Journalisten hat das gequält, aber sie haben sich nicht beirren lassen, sie haben einfach noch eine Schüppe drauf gelegt, weil sie das, was sie tun, mit Überzeugung und Leidenschaft tun (…)

Die Bezeichnung Journalist beinhaltet keine Trennschärfe mehr. Sie sagt nichts mehr aus über den Menschen, der in Fragebögen Journalist als Berufsbezeichnung einträgt. Wenn ich sage, dass ich Journalist bin, dann gehöre ich automatisch zu einer Vereinigung, in der sich auch Hersteller von Regenbogenpostillen, so genannten Reichweitenportalen und boulevardesken Jauchegruben tummeln. Ja, sie tummeln sich dort nicht nur, sie geben zunehmend den Ton an, weil ihre Produkte angesichts von zurückgehenden Reichweiten traditioneller Medien ein immer stärkeres Gewicht erlangen.

Es gibt Mistschleudern wie “Der Westen“, Dumpfportale wie “Express“, Hetzblätter wie “Bild“ und Lügenorgane wie “Die Aktuelle“. Überall dort arbeiten Menschen, die sich als Journalisten bezeichnen. Sie zeichnen sich mehrheitlich dadurch aus, dass ihnen komplett egal ist, was sie transportieren, so lange sie mit ihrem Output genügend Deppen einfangen und am Ende die Zahlen stimmen. Sie optimieren ihre Produkte der Form nach und scheren sich einen Dreck um Inhalte (…)

Sie nennen sich Journalisten, aber ihre Berufsbezeichnung wird mit jedem Tag, da die Verunstalter jeglicher Wahrhaftigkeit erfolgreich ihr Werk verrichten, wertloser (…)

MedienScreen # 185 [Pyeongchang. Goldperliges Olympia? ARD und ZDF – Läuft.]

[Fundstück] “Olympia im Fernsehen – Warum bei ARD und ZDF nicht alles Gold ist“, Imre Grimm, Hannoversche Allgemeine Zeitung Online, 14. Februar 2018, “Patriotische Glücksbesoffenheit und eskalierende Randsportexperten: Wie gedopt feiern ARD und ZDF die olympischen Winterspiele (…)“ –

Katarina Witt könnte als letzte Überlebende zwischen brennenden Trümmern stehen, während es giftige Frösche vom Himmel regnet – sie wäre trotzdem blendender Laune. Biblisches Inferno? Ein Klacks für die Kati. “Jaha!“, würde sie lachen. “So ist das eben im Leben: Mal läuft es besser, mal läuft es weniger gut.“ Ein Wort wie “schlecht“ käme der ARD-Expertin für Unerschütterlichkeit nie über die Lippen. “Weniger gut“ – das ist das Äußerste an “Nekatiwität“.

Dieser schneeweiße Optimismus, das fröhliche Wittsche “Immer vorwärts!“ ist der Sound der Winterspiele 2018 bei ARD und ZDF, der großen Koalition der olympischen Glücksbesoffenheit (…)

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MedienScreen # 103 [Radio Blah Blah]

[Fundstück] Hans Hoff, “Radio Gaga: Der beste Mix auf den dümmsten Wellen“, DWDL.de, 15. Mai 2016 –

(…) Ich habe jetzt herausgefunden, wie man schlechtes Radio von ganz schlechtem Radio unterscheidet. Ich sitze da, höre zu, und wenn dann jemand “Der beste Mix“ sagt, dann ist sofort Sense. Im günstigsten Falle drücke ich auf den Umschaltknopf. Bin ich härter drauf, mache ich ganz aus, und wenn ich meine Tage habe, dann nehme ich einen Stein und pfeffere ihn in mein Radio. “Da, du dumme Sau“, sage ich dann und hasse mich schon im selben Moment dafür.

Aber was soll ich machen? Ich bin enttäuscht von einem Medium, das mich beim Aufwachsen begleitet hat, das mir Entdeckungen ermöglichte, das mir Welten eröffnete, von denen ich nicht mal wusste, dass es sie überhaupt gibt. Wo Radio war, war vorne. Im Radio wurden Trends geboren, gemacht, zelebriert (…)

Heute ist Radio gaga. Endgültig. Es ist vorbei, das Medium liegt im Sterben. Und das beste Zeichen fürs Siechtum ist, wenn jemand “Der beste Mix“ sagt. Dann kann man sehr sicher davon ausgehen, dass jene, die da am Mikrofon stehen, ihre Hörer für dümmer als Brot halten (…)