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Ultras.ws goes Stadionfans.de

“The future is written?“, war die Frage nach der erst kürzlich durchaus überraschenden Ansage, dass das bis dato unbestritten umfangreichste deutschsprachige Fan-Forum im virtuellen Raum – Ultras.ws (UWS) – dochnicht so einfach sterben“ würde. Und so heißt Raider jetzt Twix. Oder?

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(UWS 2.0? – Screenshot: O.M.)

Seit wenigen Stunden nun ist unter der Headline “Wir sind wieder da“ bei Stadionfans.de hinsichtlich des Reloades von Ultras.ws neubeflaggt zu lesen –

“(…) leider war unser Forum auf Drängen staatlicher Behörden seit Juni 2015 ständig unter Beschuss geraten, sodass wir die Plattform im September leider vom Netz nehmen mussten (…)

Mittlerweile haben wir allerdings wieder ein paar positive Entscheidungen beim Verwaltungsgericht mit unserem Rechtsanwalt erreichen können (…) Wir können versichern, dass kein neuer Betreiber die alte Webseite übernommen hat, obwohl zahlreiche Angebote vorlagen.

Wir hatten die Hoffnung auch niemals aufgegeben, wieder weiter zu machen – natürlich nun im deutlich kleineren Kreis. Vielleicht verirrt sich ja der eine oder andere alte User wieder hierher und findet alte Bekannte aus immerhin knapp 13 Jahren Forengeschichte wieder (…)“

Ein solches Startup vor den Endfeiertagen eines Jahres scheint gewagt. Aber was sind schon Zeit und Raum? Stadionfans.de – es wird zu sehen sein.

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Ultras.ws – The future is written?

Seit dem 17. September dieses Jahres ist bekanntermaßen das bis dato unbestritten umfangreichste – allerdings verschiedentlich auch nicht unbedingt unumstrittenste – deutschsprachige Fan-Forum Ultras.ws (UWS) offline. Nach wie vor.

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(UWS am Tag der Abschaltung – Screenshot: O.M.)

Unterdessen wird auf der kürzlich reaktivierten Website von Ostfussball.com der bisherige UWS-Betreiber mit einer aktuellen Ansage zitiert –

“Das Ultras.ws-Forum wird nicht so einfach sterben. Es ist ja noch da, auch wenn zur Zeit leider nur als Parkingseite. Und viel wichtiger – wir kommen schon bald wieder! Allerdings wird es ein kompletter Neuanfang mit neuer Software sowie Domain. Das .ws für West Samoa wird verschwinden, denn wir wollen zu unseren Wurzeln zurückkehren, und das ist nunmal Deutschland. Nur das Wort ’Ultras’ wird nicht mehr so vorrangig fallen, dafür aber mehr über ’Fußballfans’ oder ’Fankurve’ berichtet. Ansonsten wird aber am alten Konzept festgehalten. Also einfach mal hin wieder drauf schauen, es dauert gar nicht mehr all zu lange. Die Techniker sind bereits dran und der Server sowie neuer Name steht auch schon …“ (Ostfussball.com, 18. Dezember).

“Die Zukunft ist die beste Zeugin“ (Pindar).

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Datei “Gewalttäter Sport“ light?

In der Verbunddatei “Gewalttäter und Sport“, der so genannten “Hooligan-Datei“, waren Ende des Jahres 2008 knapp 10.000 Personen erfasst. Im Mai 2010 betrug das Volumen bereits zirka 11.000 Einträge. Zu Jahresbeginn 2011 kursierte dann die Information, zitiert aus einer am 15. November 2010 publizierten Erhebung des Bundeskriminalamts (BKA), dass in besagter Datensammlung bundesweit 16.799 Datensätze über insgesamt 12.800 Menschen gespeichert seien.

13.032 Personen in Deutschland sind in der Datei “Gewalttäter Sport“ des Bundeskriminalamts erfasst. Sie gelten damit als potentiell gefährlich. (’Zahl der Woche’ in: DER SPIEGEL, 26. März 2012)

Mit Stichtag 30. April 2013 waren letztendlich – so jedenfalls offiziell dargestellt – Informationen über 13.033 Persönlichkeiten in der Verbunddatei “Gewalttäter Sport“ abgespeichert.

“… Die Datei ist vor zwanzig Jahren von den Bundesländern eingerichtet worden und gilt ein scharfes Schwert. Denn dort werden nicht nur Täter eingetragen, die eine oder mehrere aus einem Katalog von insgesamt 16 Straftaten – von Gewalt gegen andere über Verstöße gegen das Versammlungsrecht bis zur Volksverhetzung und Beleidigung – begangen haben sollen. Auch kann sich derjenige dort wiederfinden, von dem die Polizei ’aufgrund bestimmter Tatsachen’ auch nur annimmt, dass er künftig an Straftaten in Zusammenhang mit Fußball beteiligt sein könnte …“ (derwesten.de, 12. Oktober 2015).

Wie heise.de berichtete, hat nunmehr die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen “einen Antrag in den Bundestag eingebracht, mit der die … angebliche Stigmatisierung von Fußballfans beendet werden soll“.

“… Die Grünen wollen, dass die Löschfristen in der Datei ’Gewalttäter Sport’ von 5 Jahren auf 12 Monate bei Erwachsenen und einem halben Jahr bei Jugendlichen reduziert werden. Personen dürften zudem nur noch ’bei einem konkreten Anfangsverdacht’ eingetragen werden, wenn bereits ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren laufe. Betroffene müssten zudem grundsätzlich über Einträge informiert werden; sie sollen widersprechen können.

Auch lehnen die Grünen die Praxis ab, dass Polizeidienststellen personenbezogene Daten ohne Wissen der Betroffenen an Fußballvereine weitergeben …“ (heise.de, 8. Oktober 2015).

Die aktuelle Botschaft der BündnisGrünen ist wohlfein vernehmbar. Allerdings steht unter anderem seit fast vier Jahren schon mehr als deutlich am Raum, dass allein schon derjenige, “wessen Personalien … einmal im Rahmen der ’Gefahrenabwehr’ kontrolliert worden sind, Eingang in die Datei ’Gewalttäter Sport’ [findet] und sich strafrechtlicher und zivilrechtlicher Anfeindung ausgesetzt [sieht]“ – “Schlimmer geht es nimmer! Dieses System lässt jedem Datenschützer die Haare zu Berge stehen!“ (anwalt.de, 29. Februar 2012).

Nicht zuletzt wurde im April 2010 durch das Verwaltungsgericht Karlsruhe eine fehlende rechtliche Grundlage der Dateisammlung “Gewalttäter Sport“ festgestellt. Darüber hinaus bezeichnete bereits im Dezember 2008 das niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg schon die Einrichtung der Verbunddatei als illegal, da das Informationssystem auf keiner klaren Rechtsgrundlage beruht habe.

Im Juni 2010 stimmte dann der Bundesrat dem Entwurf für eine Verordnung des Bundesinnenministeriums zu, mit dem die Datensammlung “Gewalttäter Sport“ nebst vielen anderen Warndateien des BKA auf eine rechtliche Grundlage gestellt werden sollte. “Eine Beratung der neuen Rechtsverordnung auch im Bundestag hielt das Innenministerium nicht für nötig“ (heise.de, 4. Juni 2010).

Die Sicherheitsbehörden hätten offenbar aufgrund des rasanten Anwachsens der “Hooligan-Datei“ den Überblick über deren Bestand verloren, bemerkt wiederum die Bundestagsfraktion der BündnisGrünen nun im Oktober 2015. Mit einer politischen Löschfrist von wie vielen Jahren?

Fußballfans, DFB, Dialog – Punkt, Aus, Ende?

“Fanorganisationen verlassen Dialogstrukturen des DFB“. Hat diese aktuelle Meldung ernsthaft irgendwen verwundert? Nach all dem Hin und Her? Mehr her als hin? Nach all der Zeit? “Glaubt jemand in der Fan-Szene wirklich noch an den gewissen Hauch eines quasi wahrlich gleichberechtigten Dialogs?“, war doch bereits schon im Dezember des Jahres 2011, damals in den Zusammenhängen der Pyrotechnik-Debatte, eine der kritischen Thesen.

“Ja – (…) überhaupt miteinander sprechen zu wollen, ist kein Verbrechen. Es kommt eben nur manchmal auch auf den jeweiligen Gesprächspartner an (…).“

Dialog sieht anders aus. Und Einbahnstraßen führen in die eine Richtung letztendlich nirgendwohin.

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(Foto: O.M.)

Die Fanorganisationen ProFans, UnsereKurve, Queer Football Fanclubs und F_in Netzwerk Frauen im Fußball postulieren jetzt nur, was doch längst Tatsache war. Weniger oder mehr. Von Seiten der Verbandsebene. Einseitiger Dialog wird Monolog geheißen. Und sollte endlich auch deutlich als solcher benannt werden.

Mittlerweile also haben die Fanorganisationen “keinen dauerhaften und ernsthaften Willen des Verbandes DFB erkennen können, mit Fußballfans einen transparenten und zielführenden Dialog etablieren zu wollen. Die Arbeit der AG Fanbelange/Fanarbeit, dem einzigen Gremium für einen institutionalisierten regelmäßigen nationalen Dialog des DFB mit Fußballfans, wurde bisher konsequent aus der Öffentlichkeit herausgehalten. Dadurch wird das Bild der Fußballfans fast ausschließlich durch polarisierende Politiker, Polizeigewerkschafter und Medien geprägt“.

Ist das die Zukunft? Auf, auf zum nächsten Fußball-Sicherheitsgipfel? Der DFB hat immer Recht?

“(…) Obwohl die Verbände die Einzigartigkeit der Fußballfankultur in Deutschland permanent loben, auch um damit höchstmögliche Erlöse in der Vermarktung des Profifußballs zu erzielen, werden Dialog und Kooperationen mit den Fußballfans immer wieder torpediert oder ausgebremst (…)“ [unsere-kurve.de, 14. Oktober 2015].

Schon als der Monolog im Januar 2012 noch fast ein Dialog war, schillerte unter anderem das Szenario Gesichtsscanner her? Stehplätze weg? – Da geht noch was in deutschen Stadien. Mit wem? Und wohin?

MedienScreen # 49 [#BILDnotwelcome]

(…) “Bild“-Chef Kai Diekmann hat mit seinen zwei Pöbeltweets zu St. Paulis Entscheidung, sich nicht als Werbetransmitter der “Wir helfen“-Aktion benutzen zu lassen, also das geschafft, was sonst nur Reizthemen wie Stadionverbote oder zu hohe Ticketpreise schaffen: Er hat Fans vereint, die sich sonst nicht besonders leiden können (…)

– [Reichlich bebildertes Fundstück] Moritz Tschermak, “Wer nicht für ’Bild’ werben will, muss gegen Flüchtlinge sein (3)“, bildblog.de, 21. September 2015

Beton_Blumen
(“… When will they ever learn? When will they ever learn?” – Foto: O.M.)