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“Sturm 34“ – als Märtyrer der Bewegung weiter aktiv

Dresden/Mittweida. Während heute einerseits der Prozess gegen führende Köpfe der verbotenen Kameradschaft eröffnet wurde, wird andererseits der rechtsextremen Szene um Mittweida ein erstarktes Selbstbewusstsein attestiert.

So schätzt das Netzwerk für demokratische Kultur Wurzen (NDK) ein, dass gut ein Jahr nach dem Verbot des “Sturm 34“ die rechte Szene in der Region offenbar wieder erstarkt ist. Die Rechten sähen sich durch das Verbot als Märtyrer und träten zunehmend selbstbewusst auf, zudem diene das im April 2007 gegen die Kameradschaft verhängte Vereinsverbot innerhalb der rechtsextremen Szene auch der Legendenbildung, zitiert die Nachrichtenagentur ddp einen Sprecher des Wurzener Netzwerkes.

Die ehemaligen Mitglieder des “Sturm 34“ seien nach wie vor immer noch bestens vernetzt. Selbstgesetzte Ziele – beispielsweise die Schaffung von so genannten national befreiten Zonen – würden immer noch verfolgt. Außerdem gebe es vermehrte Szene-Kontakte in angrenzende Regionen. “Kurz nach dem Verbot im Sommer 2007 sei zwar zu beobachten gewesen, dass die Rechten in Mittweida vorsichtiger agieren, davon sei aber mittlerweile nichts mehr zu merken“ (ddp).

Das Interesse am heutigen Prozessauftakt gegen fünf führende Kader des “Sturm 34“ vor der Staatsschutzkammer des Landgerichts Dresden “wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung“ richtete sich vorab vor allem auf die Verquickung des augenscheinlich mehr als weniger an der Gründung des “Sturm 34“ beteiligten und bis zu einem gewissen Zeitpunkt offenbar in der Szene agierenden V-Mannes sowie auf die mittlerweile offensichtliche Vorläuferorganisation “Division Sächsischer Sturm“.

Während das Innenministerium diesbezüglich konsequent schweigt, hat Justizminister Geert Mackenroth (CDU) zumindest die Informantentätigkeit des als “Joker“ titulierten Informanten indirekt bestätigt (taz). Allerdings kam die erste Verhandlung über die Verlesung der Anklageschrift kaum hinaus (ddp). Dem vor Gericht sitzenden Quintett werden zudem mehrere Fälle von Körperverletzung, Landfriedensbruch und Volksverhetzung vorgeworfen.

Die Verteidiger wollten derweil das Verfahren bis zur letztendlichen Klärung der Rolle des Informanten “Joker“ aussetzen. Damit steht und fällt allerdings, ähnlich wie beim gescheiterten NPD-Verbotsverfahren, dann auch die Verwertbarkeit bisher getätigter Aussagen – erneut eine unendliche Geschichte?

[Dieser Artikel wurde am 10. April 2008 bei redok veröffentlicht.]

Wenn die Pressefreiheit elbabwärts treibt

Der Lauschangriff auf einen Dresdner Journalisten ist nicht nur ein politischer Skandal

Der Artikel 5 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland enthält die durchaus bekannte Aussage, dass jeder das Recht hat, “seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu informieren“.

Auf eben jenem Artikel des Grundgesetzes beruht der dann so bezeichnete Informantenschutz von Journalistinnen und Journalisten. In der Konsequenz bedeutet dies eigentlich, dass die jeweilige journalistische Quelle geschützt ist. Ein Journalist hat also – wie auch Anwälte und Abgeordnete – dahingehend einen gesetzlich verbrieften Anspruch auf Zeugnisverweigerungsrecht nach Paragraf 53 der Strafprozessordnung. In der Strafprozessordnung ist des weiteren festgeschrieben, dass beispielsweise die Abfrage von Telefonverbindungsdaten nur unter definierten Voraussetzungen gestattet ist. So weit zur rechtlichen Theorie – Was aber, wenn ein Journalist ein wenig mehr zu wissen scheint als andere, zudem noch durchaus brisante Informationen?

Am 24. Mai 2005 fand eine Durchsuchung der Immobilie des ehemaligen sächsischen Wirtschaftsministers Kajo Schommer (CDU) statt. Ausschlaggebend hierfür waren bis dato stattgefundene Ermittlungen der sachseneigenen Antikorruptionseinheit “Ines“ gegen Schommer. Allerdings waren damals die Ermittler nicht die ersten vor Ort auf besagtem Anwesen: Ronny Klein, ein Journalist der Dresdner Morgenpost, berichtete – auch mit Fotos des Ex-Ministers während der Aktion regional relativ Aufsehen erregend – von der Durchsuchung. Unmittelbar danach beginnen bei der zuständigen Generalstaatsanwaltschaft Untersuchungen zur Ermittlung der “undichten Stelle“ – wie mittlerweile bekannt mit entsprechender Information an das Sächsische Justizministerium. Der Vorwurf lautet “Verrat von Dienstgeheimnissen“, ermittelt wird gegen “Unbekannt“.

Lauschangriff auf das Diensttelefon

Was folgt ist, dass das hernach zuständige Amtsgericht Chemnitz die von der Staatsanwaltschaft Chemnitz beabsichtigten Daten-Abfragen bezüglich von 29 LKA-Beamten, 19 Staatsanwälten und “Ines“-Mitarbeitern ablehnt, aus Rechtsgründen wie betont wird. Hinsichtlich des Journalisten wird allerdings anders verfahren: Zurückreichend ab dem 15. April werden alle Handy-Telefonate von Klein aufgelistet und entsprechend der erfolgten Kontakte ausgewertet.

Eine Datenerfassung der jeweiligen Geo-Koordinaten des Journalisten wird seitens der ermittelnden Behörde abgestritten, liegt aber – unterstellt – nach Stand der Abhörtechnik allerdings durchaus im Bereich des Möglichen. Der Lauschangriff auf das Diensttelefon von Klein wird wegen des technischen Aufwandes – das Dresdner Druck- und Verlagshaus beherbergt neben der Dresdner Morgenpost auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sächsischen Zeitung – nicht realisiert. Allerdings, so berichtete die Sächsische Zeitung, habe die Telekom sinngemäß angeboten, man könne die Daten aller Telefonate, die über die zentrale Einwahl gehen, bereit stellen, da eine Abfrage von Kleins Dienstapparat separat nicht möglich sei.

Im Zuge des Lauschangriffes auf Klein wird ein Telefon-Kontakt mit “Ines“-Staatsanwalt Andreas Ball dokumentiert, woraufhin dessen dienstliche sowie auch die private Telefonnummer in den Fokus der Überwacher genommen werden. Mittlerweile sind seine Telefon- und auch Kontoverhältnisse aktenkundig erfasst. Das angeblich anvisierte Ermittlungsziel ist, den Tippgeber für die Dresdner Morgenpost zu enttarnen. Und die Pressefreiheit treibt derweil von Dresden aus ganz langsam elbabwärts durch die Republik. Sollen so etwa Spitzelattacken auf Journalisten hoffähig gemacht werden – gar ein sächsischer Testballon vielleicht mit sich andeutend absehbarer bundesweiter Relevanz? Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) stellte in einer Pressemitteilung fest, dass er in den zu Tage getretenen sächsischen Verhältnissen “eine massive Verletzung der Pressefreiheit“ sieht und zudem eine Gefährdung der journalistisch-investigativen Recherche befürchtet.

Die Vorgänge um den Lauschangriff gegen den Journalisten Ronny Klein haben – abgesehen davon, dass der Skandal längst jenseits der Ländergrenzen Aufsehen erregt – mittlerweile zu einem parlamentarischen Nachspiel im Sächsischen Landtag geführt, welches durchaus politisch interessant ist. Immerhin regieren in Sachsen CDU und SPD gemeinsam – der verantwortliche Justizminister, Geert Mackenroth, wird von der CDU gestellt. Mackenroth vertrat im Vorfeld der Landtagssitzung die Auffassung, die Datenabfrage bezüglich des ausgespähten Journalisten sei “rechtens“ gewesen. Die Kritik der politischen Opposition war heftig, und auch aus den Reihen von CDU und SPD gab es durchaus kritische Stimmen. Nun bestehen CDU und SPD quasi in der Konsequenz jeweils von sich als Regierung selbst auf einem ausführlichen Bericht über die erfolgte Journalisten-Bespitzelung.

Bei der ersten parlamentarischen Behandlung in der Sache erklärte der sächsische Justizminister, er bedauere es, dass die Pressefreiheit “tangiert werden musste“ und bezeichnete diesen Vorgang als einmaligen “Einzelfall“. Zumindest war es Mackenroth stets wichtig zu betonen, Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) sei “zu keinem Zeitpunkt“ über die Einzelheiten des Lauschangriffs informiert gewesen. Cornelius Weiss, Alterspräsident des Landtages und SPD-Fraktionsvorsitzender, betonte im Verlauf der ersten Informationen bezüglich der Abhöraktion unmissverständlich, die Pressefreiheit sei “eine wichtige Säule der Demokratie, die darf man nicht absägen“. Generalstaatsanwalt Jörg Schwalm erklärte derweil, dieser Fall sei “der bisher erste in Sachsen, bei dem die Staatsanwaltschaft einen Beschluss zur Abfrage von Telefondaten eines Journalisten erwirkt“ habe.

[Dieser Artikel wurde am 8. September 2005 bei Telepolis veröffentlicht.]