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Gremlizas Express stops. Something remains.

Aus gegebenem Anlass noch einmal hervor gekrämert

“(…) in einem Land, dem Peter Alexander der deutsche Frank Sinatra war und Helene Fischer wahlweise als Erbin von Marlene Dietrich oder die deutsche Streisand gilt, ist nichts unmöglich (…)“ [’gremlizas express’, konkret, 1/2016]

* Hermann L. Gremliza, 20. November 1940 – 20. Dezember 2019 *

(…) Wie groß die Lücke ist, die Hermann L. Gremliza (…) hinterlässt, lässt sich in etwa abschätzen an seiner Kolumne “Gremlizas Express“ auf der letzten Seite jeder “Konkret“-Ausgabe. Hier demonstrierte der glühende Karl-Kraus-Verehrer eindrucksvoll, dass linkes Denken nicht nur eine Frage der richtigen Haltung, sondern auch der richtigen Sprache ist. Gremliza war ein linker “Waldorf & Statler“ in Personalunion (das schlagfertige Seniorenduo aus der “Muppets Show“), der sich beißend und reißerisch von seiner Empore der Selbstgewissheit herunter über seine Zeitgenossen lustig machen konnte. Und, zum Leidwesen der Kritisierten, darin auch meist recht behielt (…)

Hermann L. Gremliza hinterlässt der Nachwelt ein gewaltiges Werk. Tröstlich allein ist, dass er nun wieder mit dem 2013 verstorbenen Satiriker Horst Tomayer, ein langjähriger Weggefährte aus “Konkret“-Zeiten, vereint ist. Wo immer sich die beiden jetzt auch befinden, können sie dort ihr politisches Comedy-Duo “Sehr gemischtes Doppel“ wiederaufnehmen.

[“Stachel im Fleisch der deutschen Linken“, Andreas Busche, Der Tagesspiegel Online, 24. Dezember 2019]

(…) Während die Frankfurter Straßenkämpfer Joschka Fischer und Thomas Schmid heiße Zähren um die im Gefängnis sterbenden Kombattanten von der RAF vergossen, zog Gremliza dem Sentiment die messerscharfe Analyse vor: “Ulrike Meinhofs Weg in den Untergrund begann, als Sozialdemokraten einen Goebbels-Referenten zum Bundeskanzler wählten.“ So nämlich hob sein Nachruf auf seine Vorgängerin in der konkret-Chefredaktion an.

Wie Ulrike Meinhof brillierte Gremliza als Kolumnist und mähte mit seinem messerscharfen Verstand alles nieder, was rechts von ihm stand und dumm genug war, sich öffentlich zu äußern (…)

[“Freibeuter mit messerscharfem Verstand“, Willi Winkler, Süddeutsche Zeitung Online, 23. Dezember 2019]

(…) Man konnte sich an Gremliza reiben. Doch wenn man sich auf ihn einließ, konnte man aus dem Streit mit ihm lernen oder unterhalten werden. Nur ein Beispiel: Obschon Gremliza nie einen echten Shitstorm erleben musste – dafür war konkret einfach nie digital genug -, lieferte er mit “Stürmerscheiße“ das passende Vokabular dafür. Welch Eleganz (…)

[“Der polemische Bourgeois“, Alexander Nabert, taz.de, 23. Dezember 2019]

“Die Wahrheit ist immer konkret“ (Wladimir Iljitsch Uljanow).

(Screenshot Twitter: O.M.)

MedienScreen # 147 [Total Recall?]

[Fundstück] Hermann L. Gremliza, “Drum rechts, zwei, drei!“, konkret, 1/2017 –

(…) Wenn alle Nazis werden, die alten Sozis und die neuen, die Grünen und die anderen Linksliberalen, kann der Extremismus einpacken. Ja, das ist ungerecht. Man sieht die Erfolge der Toleranz doch an jeder Hauswand: Alle, bis auf ein paar ohnmächtige Grüppchen, beteuern unentwegt, die Nazis seien keine, sondern besorgte Bürger mit ihren Sorgen, Nöten, Ängsten und Abwehrreflexen, die man ernst nehmen müsse. Richtig ist natürlich das Gegenteil: Das Verständnis, das sie überall finden, hat sie gesellschaftsfähig gemacht und ermutigt (…)

Schweine bleiben auch als arme Schweine Schweine. Verlust oder halluzinierter Verlust des Arbeitsplatzes an einen Flüchtling oder Asylbewerber ist kein strafmildernder Umstand fürs Anzünden einer Flüchtlingsunterkunft oder auch nur fürs Begaffen der Szene. Wer am Seelenleben oder wie man das nennt solcher besorgter Bürger andocken will, um sie heim ins Reich seiner Partei zu holen, wird zu ihrem Animateur. So geht die andere, die wahre Geschichte der deutschen Gegenwart (…)

Kurt Biedenkopf unisono

Und das bleibt jetzt einfach mal so stehen. Unkommentiert. Warum auch? Läuft doch …

“(…) Es gibt außer der NPD in Deutschland keine Partei, von der eine Bedrohung unserer Demokratie ausgeht. Das gilt auch für die AfD. Sie ist in Wahlen erfolgreich. Sie wurde von Ökonomen gegründet, denen es um die soziale Marktwirtschaft ging. Sie wurden von Personen mit populistischen Begabungen verdrängt. Frau Petry hat ein politisches Talent. Sie und ihre Mitstreiter haben von den Grünen gelernt, wie man als neue Partei auftreten muss – sie provozieren (…) [Kurt Biedenkopf interviewt @ huffingtonpost.de, 22. November 2016]

“In Sachsen haben noch keine Häuser gebrannt, es ist auch noch niemand umgekommen … Und die sächsische Bevölkerung hat sich als völlig immun erwiesen gegenüber rechtsradikalen Versuchungen. In Sachsen gibt es keinen Grund, auf der Grundlage des Wahlverhaltens der Bevölkerung von einer Gefahr von rechts zu reden“ (Kurt Biedenkopf, November 2000).

Wie gesagt – “(…) Der frühere CDU-Generalsekretär und langjährige sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf sieht von der AfD keine Bedrohung für die Demokratie ausgehen und erwartet, dass sich die Alternative für Deutschland langfristig etablieren wird (…)“ [huffingtonpost.de, a.a.O].

Läuft also. Da brennt nichts an. Demokratietheoretisch.

“Keine Atempause, Geschichte wird gemacht, es geht voran“ (in memoriam Fehlfarben). Frei nach Hermann L. Gremliza ist in diesem Land nichts unmöglich.

Biedenkopf gibt Kurt die Hand

Die Zeit ist ein ständiger Fluss. Verschiedenes ändert sich, einiges bleibt gleich. Im Blick auf den Zeitfluss mag mancher zuweilen manches weitestgehend gleichsetzen. Übergreifend. Gewissermaßen nach dem historischen Prinzip einer Querfront. Sinnbildlich. Populistisch?

Populär statt populistisch dünkte Kurt Biedenkopf nicht wenigen in seiner politischen Blütezeit als sächsischer ’Landesvater’. “Das System Biedenkopf“ schien öffentlich eher unpopulär ob einer genaueren Beleuchtung. Im Jahr 2002 bei edition ost publiziert, warf das Werk von Michael Bartsch als Report allerdings mehr als ein erhellendes Licht. “Der Hof-Staat Sachsen und seine braven Untertanen. Oder: Wie in Sachsen die Demokratie auf den Hund kam“ (Buch-Teaser). Lesen kann bilden. Auch heute noch.

Nun, im Zeitfluss geht es nach wie vor um Demokratie. Weniger oder mehr. Und einiges scheint unverändert. Unverrückbar. Fast wie tausendjährig.

Kaum, dass die letztaktuellen Biedenkopf’schen Thesen zur ostdeutschen Immunität gegen rechtsextremes Gedankengut verraucht scheinen, wird wiederum Feuer entfacht. Verbal. Von Sachsens Alt-Landesväterchen. Kann doch so betitelt werden? Obwohl so eine Titulierung ja irgendwie verniedlicht. Und verniedlichen will im demokratischen Diskurs wohl kaum jemand.

“Die Pegida-Demonstrationen sind Ausübung eines ganz entscheidenden demokratischen Grundrechts, nämlich demonstrieren zu dürfen“, referierte Kurt Biedenkopf am 29. Dezember in einem Interview bei Deutschlandradio Kultur seine Sicht der Dinge. Unverrückbar? Grundrechte. Demokratie. Gut. Doch der analytische Blick vom Biedenkopf Kurt endet nicht profan am rechten Rand der jüngeren Geschichte.

“Ich möchte unter keinen Umständen, dass die Pegida-Demonstrationen mit der Statistik von der ’Zeit’ [Zahl der Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte] in Zusammenhang gebracht wird. Das ist unzulässig.“

Es ist schon ein Kreuz mit den demokratischen Grundrechten. Und manchmal eben ein brennendes. Könnte unzulässig versimplifiziert werden. Wobei Biedenkopf gleich zu Beginn des Gesprächs deutlich macht, “wenn Leute ein Haus anzünden, ist das keine politische Erklärung, sondern ein Verbrechen. Dass wir das sofort der politischen Entwicklung des Landes zurechnen, halte ich für fragwürdig“.

Unethisch meinungsbildet wiederum natürlich kein Ex-Landesväterchen, ein ostdeutschsächsisches schon gar nicht. Denn “es gibt genug Gründe in Ostdeutschland, nicht nur in Sachsen, sondern in Ostdeutschland, warum die Bevölkerung über diesen starken Flüchtlingszustrom beunruhigt ist“, greift Kurt Biedenkopf offenbar das Motto Sachsen den sächsischen Indianern auf und verfeinert es sogleich zielgerichtet, denn “wir müssen mit den Menschen, die so verunsichert sind, Friedensgespräche, Gespräche führen“. Sinnbildlich?

Nun ja, den Gesprächseinwurf der Interviewerin, Liane von Billerbeck, sie wäre “auch Ostdeutsche“ und “nicht verunsichert“, wischt Biedenkopf hinweg, dann sei von Billerbeck eben “eine glückliche Ausnahme“. Und außerdem, “ich glaube nicht, dass wir weiterkommen, wenn wir das immer auf diese Gleise schieben“, so im Weiteren die Biedenkopf’sche Ansage. Mit aller gebotenen Deutlichkeit.

Und nichts liegt dem sächsischen Alt-Landesvater ferner als Undeutlichkeit. Schon in früheren Jahren beschrieb er konkret seine Beobachtungen des politischen Zeitgeschehens. Aufmerksam. Analysierend. Fundiert. Unvergessen.

“In Sachsen haben noch keine Häuser gebrannt, es ist auch noch niemand umgekommen … Und die sächsische Bevölkerung hat sich als völlig immun erwiesen gegenüber rechtsradikalen Versuchungen. In Sachsen gibt es keinen Grund, auf der Grundlage des Wahlverhaltens der Bevölkerung von einer Gefahr von rechts zu reden“ (Kurt Biedenkopf, November 2000).

Dem Fluss der Zeitgeschichte folgend, stellte Deutschlandradio Kultur den CDU-Politiker aktuell als heute in Bayern lebend, “dem Land Sachsen aber weiterhin stark verbunden“, vor.

“Die Sachsen haben eine Innovation gehabt, eine politische Innovation, nämlich eine politische Gruppierung, die keine Partei ist, die sich aber in Anlehnung an frühere Protesterscheinungen in der Zeit vor der Wiedervereinigung an diese Erscheinungen anlehnen und aufmerksam machen wollen“ (Kurt Biedenkopf, Interview, ZDF heute journal, 13. Oktober 2015).

“Keine Atempause, Geschichte wird gemacht, es geht voran“ (in memoriam Fehlfarben). Frei nach Hermann L. Gremliza ist in diesem Land nichts unmöglich.

MedienScreen # 68 [Deutsche Künstlichkeit]

[Fundstück] Hermann L. Gremliza, “gremlizas express“, konkret, 1/2016 –

(…) in einem Land, dem Peter Alexander der deutsche Frank Sinatra war und Helene Fischer wahlweise als Erbin von Marlene Dietrich oder die deutsche Streisand gilt, ist nichts unmöglich (…)