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Eine letzte Verwarnung à la CDU

“Multi-Kulti-Schwuchteln“ als Unwort des Jahres? Beteiligt sich auch die CDU an der Abstimmung – oder nur noch dumpf-nationale Patrioten?

Als der Bundestagsabgeordnete Henry Nitzsche Ende des Jahres 2003 mit rassistischen Äußerungen gegenüber Muslimen erstmals auf sich aufmerksam machte, war er – trotz Bundestagsmandat – überregional ein noch nahezu politisch Unbekannter. Für seine dazumal “möglicherweise missverständliche ’Wortwahl’“ entschuldigte er sich sogar nachträglich. Nichts desto trotz wurde Nitzsche von der damaligen CDU-Vorsitzenden Angela Merkel sogar kritisiert. Aber auch seine schon vordem der sehr rechtskonservativen Zeitschrift Junge Freiheit gewährten politischen Einsichten hatten ihn nicht unbedingt aus seinem Hinterbänkler-Dasein heraustreten lassen.

In die relativ kurzfristig anberaumte Bundestagswahl im Herbst 2005 zog dann Henry Nitzsche bereits in einen CDU-Provinz-Wahlkampf von Rechtsaußen unter der bei weitem nicht nur von ihm allein bevorzugten politischen Kampf-Parole “Arbeit, Familie, Vaterland“. Offiziell wies Nitzsche zu jener Zeit allerdings erneut “jeden Bezug zu rechtsextremem Gedankengut“ von sich. Holger Apfel, jetziger Fraktionsvorsitzender der NPD im Sächsischen Landtag, zeigte sich im damaligen Wahlkampf bezüglich des Nitzsche-Mottos “erfreut … dass nun sogar unser Parteitagsmotto übernommen“ wurde.

Aktuell verkürzt der gern von seiner ganz eigenen Art des Patriotismus fabulierende Nitzsche – nach seinem erneuten Einzug in den Deutschen Bundestag – die Zeitspanne für keineswegs nur demokratisch-provokative Äußerungen mittlerweile reinweg um die Hälfte. Wie erst jetzt – durch den darauf bezogenen Rücktritt des CDU-Stadtvorsitzenden im sächsischen Wittichenau am 27. November – bekannt wurde, hat Nitzsche bereits im Juni des Jahres auf einer Diskussionsveranstaltung im ostsächsischen Lieske erneut tiefbraunes Wasser zu Brunnen getragen. Nitzsche habe auf dieser Veranstaltung ausgeführt, man brauche den Patriotismus, “um endlich vom Schuldkult runterzukommen“ und damit zu erreichen, dass “Deutschland nie wieder von Multi-Kulti-Schwuchteln in Berlin regiert“ werde. Der besagte zurückgetretene CDU-Stadtvorsitzende von Wittichenau, Staatsanwalt Ludwig Altenkamp, bezeichnete diese Äußerungen von Henry Nitzsche als “rechtsextrem“.

Durchaus politisch pikant ist zudem die Tatsache, dass bei dieser Veranstaltung auch der ehemalige sächsische Kultusminister Matthias Rößler (CDU) zugegen war. Rößler agiert seit 2004 als so betitelter Patriotismusbeauftragter der sächsischen Christlich Demokratischen Union, um “als Antwort auf den Einzug der NPD [in den Landtag von Dresden] das Thema Patriotismus in der sächsischen Union wieder stärker zur Geltung kommen zu lassen“.

Der CDU-Landesvorsitzende Georg Milbradt, in Personalunion auch Ministerpräsident, verwarnte Nitzsche inzwischen ob dessen Äußerungen. Für einen noch weiteren Wiederholungsfall sei Henry Nitzsche der Ausschluss aus der Partei angedroht worden. Berichten zufolge sollen Milbradt und auch Sachsens CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer vom Auftritt Nitzsches in Lieske bereits seit Juni informiert gewesen sein. Der Vorsitzende der sächsischen CDU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag Michael Luther erklärte derweil, er halte Nitzsche “nicht für einen Rechtsradikalen“. Zudem habe der ja unterdessen “seine Äußerungen im Vorstand der Landesgruppe und auch öffentlich bedauert“. Ihm sei darüber hinaus angeraten worden, “sich das künftig besser zu überlegen“ – wie auch immer dies gemeint sein mag. Damit sei, so Luther weiter, allerdings “für uns die Sache erst einmal abgeschlossen“. Nitzsche habe eben “manchmal die Tendenz, Dinge zu vereinfachen und sehr kräftig zu formulieren“, versuchte Michael Luther noch zu erklären.

Weniger zurückhaltend bilanzierte Sachsens vormaliger Innenminister Heinz Eggert: “Die Grenze des Erträglichen ist schon lange überschritten“ (Sächsische Zeitung). Michael Kretschmer bezeichnete Nitzsches Äußerungen immerhin als “dumm, unanständig und völlig inakzeptabel“. Zur – freilich nur unterstellten – Bedeutung und Rolle von Matthias Rößler in dieser Angelegenheit und darüber hinaus gibt es des weiteren kein offizielles Wort.

Offizielle Worte gab es derweil von der NPD. Öffentlichkeitsheischend bot Holger Apfel am 30. November einen NPD-Aufnahmeantrag an Henry Nitzsche dar: “Sie wissen sicherlich so gut wie ich, dass Sie mit Ihrer politischen Positionierung keine Zukunft in Ihrer Partei haben … Herr Nitzsche, schreiben Sie Geschichte und werden Sie erster Bundestagsabgeordneter der NPD!“. In verschiedenen Internet-Foren gilt “Multi-Kulti-Schwuchteln“ mittlerweile als einer der ersten Anwärter auf das Unwort des Jahres.

[Dieser Artikel wurde am 3. Dezember 2006 bei Telepolis veröffentlicht.]

Braune Schwindsucht an der Elbe

Innerhalb weniger Tage büßt die sächsische NPD-Fraktion zwei Abgeordnete ein. Die weitere Entwicklung scheint offen

Nach dem Unfalltod von Ian Stuart Leichsenring, dem charismatischen Mäzen der Skinhead Sächsische Schweiz, schien in die Abgeordneten-Personalien der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag nach außen hin geordnete Ruhe eingezogen zu sein. Die unerwarteten und gleichfalls ungeordnet reflektierten Abgänge von Klaus Baier, Mirko Schmidt und Jürgen Schön aus der rechtsextremistischen Fraktion im Dezember 2005 galten pro Forma als erledigt. Die acht verbliebenen Abgeordneten suchten – so der Anschein – den noch engeren Schulterschluss. Der für Uwe Leichsenring nachgerückte René Despang fiel bei der quasi Neukonstituierung der Fraktion nicht einmal ansatzweise störend ins Gewicht – als ersatzweise Ergänzung allerdings ebenso wenig.

Der produzierte arbeitsam-geschlossene Schein leuchtete noch bis kurz nach dem durch die braune Achse Dresden-Schwerin erreichten Einzug der NPD in den Schweriner Landtag. Mittlerweile allerdings flackert das NPD-Fraktionslicht in Dresden nur noch mühsam. Die verbliebenen Leuchtreflexe zeigen unter der Tünche mehr Schatten als Licht.

Am 26. September schaffte der Immunitätsausschuss des Sächsischen Landtages in einem ersten Abstimmverfahren die Grundlage für die Möglichkeit einer weiteren strafrechtlichen Verfolgung der NPD-Abgeordneten Holger Apfel, Klaus-Jürgen Menzel und Winfried Petzold. Gegen Apfel und Petzold sind Strafverfahren wegen Beleidigung, gegen Menzel wegen uneidlicher Falschaussage und versuchter Strafvereitelung anhängig. Das Landtagsplenum hob am 11. Oktober mit großer Mehrheit die Immunität der drei Abgeordneten auf.

Gut einen Monat nach seinem Immunitätsverlust ging Klaus-Jürgen Menzel dann auch noch seine Fraktionszugehörigkeit verlustig. Der bekennende Hitler-Verehrer hieß am Rande des NPD-Bundesparteitages in Berlin vor laufenden Kameras zum wiederholten Mal Adolf Hitler einen “großen Staatsmann“. Auf die geopolitisch aggressiven Ansprüche eines Herrn Menzel hatte Telepolis bereits im Juli 2005 aufmerksam gemacht: “Unser Land geht von den blauen Bergen der Vogesen bis zu der Mühle von Tauroggen. Von der Königsau in Nordschleswig bis nach Brixen in Südtirol. Und keinen Quadratmeter weniger!“.

Am 14. November verkündete die NPD-Fraktion unter der Überschrift “Für saubere Verhältnisse auch in den eigenen Reihen“ den Fraktionsausschluss von Menzel. Begründet wurde dieser Ausschluss allerdings allein mit finanziellen Unregelmäßigkeiten des nunmehr fraktionslosen Abgeordneten. Fast umgehend sorgte Menzel dann am 16. November mit einer erneut eindeutig auf Hitler bezogenen Bewunderungsäußerung im Plenum des Landtages für einen weiteren Eklat. Auf Grund seiner Äußerungen ermittelt die Staatsanwaltschaft – über die bereits laufenden Verfahren hinaus – nunmehr auch wegen Volksverhetzung gegen Klaus-Jürgen Menzel.

In den Vormittagsstunden des 24. November durchsuchten Beamte auf Beschluss des Amtsgerichtes Dresden die Büroräume und die Wohnung des NPD-Abgeordneten Matthias Paul wegen des Verdachtes auf Besitz und Verbreitung von Kinderpornografie. Die Immunität von Paul musste dazu nicht zwingend aufgehoben werden, da der Sächsische Landtag zu Beginn der jetzigen Legislatur richterlich angeordnete Durchsuchungen von Abgeordnetenräumlichkeiten grundsätzlich möglich gemacht hat. Landtagspräsident Erich Iltgen (CDU) hatte zudem seine Zustimmung für die Durchsuchungen erteilt. Wie die Staatsanwaltschaft mitteilte, sei gegen Paul hinsichtlich der erhobenen Vorwürfe bereits seit einigen Wochen ermittelt worden. Beschlagnahmt wurden Rechner, Festplatten, Videos und Bücher aus dem Besitz von Paul. Bis dato wurde – jedenfalls nach Einschätzungen der Initiative Nazis in den Parlamenten – Matthias Paul “trotz seiner guten Kontakte zu militanten Neonazikameradschaften in seiner Region … eher der biederen, bürgerlichen, sachlich und skandalfrei arbeitenden Facette der NPD“ zugeordnet.

Nachdem Paul die ihm gegenüber geltend gemachten Straftatbestände als “absurd und rufschädigend“ bezeichnet und zurück gewiesen hatte, legte er noch am Abend des 24. November sein Landtagsmandat nieder und trat von seiner Tätigkeit im Kreisverband Meißen-Radebeul, sowie als Landespressesprecher und allen anderen Parteiämtern zurück.

In einer von der NPD-Landtagsfraktion verbreiteten Erklärung wurde mitgeteilt, Paul habe “gegenüber den Mitgliedern der Fraktion und des Parteivorstandes dargelegt“, dass und warum er hinsichtlich des gegen ihn erhobenen Straftatbestandes unschuldig sei. Der Entschluss zur Mandatsniederlegung sowie den Ämter-Rücktritten resultiere aus den “weltanschaulichen Positionen unserer Partei“ und diene “angesichts der ungeheuerlichen Vorwürfe“ dazu, “Schaden von der Partei abzuwenden“. Darüber hinaus beabsichtige Matthias Paul, sich “mit allen juristischen Mitteln“ gegen die erhobenen Vorwürfe zu wehren.

Wie zudem ebenfalls bekannt wurde, hat die Staatsanwaltschaft mittlerweile Vorermittlungen gegen den NPD-Kreisverband Dresden aufgenommen. Ermittelt wird wegen etwaiger Verstöße gegen das Parteiengesetz hinsichtlich finanzieller Unregelmäßigkeiten bei der Kontenführung. Der gleichfalls als Sprecher der Landtagsfraktion agierende NPD-Kreis-Schatzmeister Holger Szymanski deklarierte die erhobenen Vorwürfe in einer ersten Stellungnahme als nichtig. Derweil kündigte der leitende Oberstaatsanwalt in Dresden an, gegen die drei Landtagsabgeordneten Apfel, Menzel und Petzold würde in Kürze Anklage erhoben werden. Klaus-Jürgen Menzel wurden in der Zwischenzeit durch den Landesvorstand der NPD die Partei-Mitgliederrechte entzogen. Gleichzeitig sei gegen Menzel “damit ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet“ worden.

Für Matthias Paul wird nunmehr Peter Klose “als ehemaliges langjähriges Landesvorstandsmitglied und Mitbegründer vieler Kreisverbände“ in den Sächsischen Landtag nachrücken. Klose wurde im November 2001 vom Amtsgericht Zwickau unter damaliger Zugutehaltung des Rechts auf freie Meinungsäußerung von der Anklage der Volksverhetzung freigesprochen.

[Dieser Artikel wurde am 25. November 2006 bei Telepolis veröffentlicht.]

Kinderpornografie-Verdacht gegen Matthias Paul

Dresden. Gegen den sächsischen NPD-Landtagsabgeordneten Matthias Paul wird wegen des Verdachtes auf Besitz kinderpornografischer Schriften ermittelt. Die Staatsanwaltschaft Dresden ließ am heutigen Vormittag auf Beschluss des zuständigen Amtsgerichtes das Landtagsbüro, das so betitelte Bürgerbüro und auch die Wohnung des Abgeordneten durchsuchen.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt agiert Paul über seine Abgeordnetentätigkeit hinaus unter anderem als Beisitzer im NPD-Landesvorstand und ebenso als stellvertretender Kreisvorsitzender der NPD Meißen-Radebeul. Zudem nimmt er die Funktion des Pressesprechers der sächsischen NPD wahr. Als Landtagsmitglied ist der 29-jährige gelernte Stahlbetonbauer auch stellvertretendes Mitglied im Landesjugendhilfeausschuss. Nach Einschätzung der Initiative Nazis in den Parlamenten wurde Matthias Paul bisher “trotz seiner guten Kontakte zu militanten Neonazikameradschaften in seiner Region … eher der biederen, bürgerlichen, sachlich und skandalfrei arbeitenden Facette der NPD“ zugerechnet. Paul gilt als Vertrauter des stellvertretenden NPD-Parteivorsitzenden Peter Marx.

Vier Staatsanwälte und 15 Beamte des Landeskriminalamtes waren an den Durchsuchungen beteiligt. Bereits seit einigen Wochen werde gegen Paul ermittelt, erklärte Oberstaatsanwalt Jürgen Schär. Landtagspräsident Erich Iltgen habe seine Zustimmung zu der Durchsuchung des Abgeordnetenbüros erteilt. Bei den Durchsuchungen seien ein Computer, eine Festplatte, eine Vielzahl von Videos und Bücher sichergestellt worden, berichtet dpa. Nach weiteren Presseberichten ist der Hauptvorwurf der Besitz von Kinderporno-Videodateien auf den Computern Pauls. Für den Besitz kinderpornografischer Schriften sieht das Strafgesetz eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren vor.

Wie ein Landtagssprecher gegenüber MDR 1 Radio Sachsen erklärte, seien Durchsuchungen von Abgeordnetenbüros in Sachsen grundsätzlich möglich, da der Landtag zu Beginn der Legislaturperiode festgelegt hat, gerichtlich angeordnete Durchsuchungen durchführen lassen zu können. Die Immunität des Abgeordneten wurde daher zunächst nicht aufgehoben.

In einer ersten Stellungnahme wies Paul die Vorwürfe als “absurd und rufschädigend“ zurück. Er könne sich die Durchsuchungsaktion der Ermittler nicht erklären.

Der NPD-Fraktionsvorsitzende Holger Apfel ließ erklären, die Landtagsfraktion werde sich “nicht an einer Vorverurteilung beteiligen und die konkreten Beschuldigungen genau prüfen“. Wenn sich der Vorwurf bewahrheiten sollte, werde die Fraktion “selbstverständlich Konsequenzen ziehen“.

Gegen Apfel selbst läuft – zusammen mit dem Abgeordneten Winfried Petzold – ein Strafverfahren wegen Beleidigung, der vor wenigen Tagen aus der Fraktion ausgeschlossene Klaus-Jürgen Menzel muss sich wegen uneidlicher Falschaussage und versuchter Strafvereitelung verantworten. Gegen die drei Abgeordneten soll in Kürze Anklage erhoben werden, so Oberstaatsanwalt Schär.

[Dieser Artikel wurde am 24. November 2006 bei redok veröffentlicht.]

Da waren’s nur noch acht

Dresden. Mit zwölf Abgeordneten war die NPD im September 2004 in den Sächsischen Landtag eingezogen – jetzt sind es nur noch acht. Nach einem geheim durchgeführten Votum ist Klaus-Jürgen Menzel heute einstimmig aus der NPD-Fraktion ausgeschlossen worden. Vordergründig wurde der Rauswurf Menzels mit finanziellen Unregelmäßigkeiten des Landtagsabgeordneten begründet. Kolportiert wird in diesem Zusammenhang das schwebende Ansinnen der Finanzbehörden, auf Menzels Diäten zugreifen zu wollen. Bereits vor einem Jahr waren drei NPD-Abgeordnete aus der Partei ausgetreten.

Menzel hatte erst vor wenigen Tagen für Aufmerksamkeit gesorgt , als er sich – nicht zum ersten Mal – unmissverständlich zum Nationalsozialismus bekannte, Adolf Hitler einen “großen Staatsmann“ nannte und darüber hinaus erklärte: “Zum Führer stehe ich nach wie vor.“ Nachfolgend leise angedeuteter Kritik aus den eigenen Parteireihen hielt Menzel entgegen: “Wir dürfen uns doch nicht immer nur verkriechen“. Prompt handelte sich Menzel Strafanzeigen von SPD- und CDU-Abgeordneten wegen Volksverhetzung ein, denen die Staatsanwaltschaft jetzt nachgeht.

Der NPD-Führung konnten solch grobe Nazi-Lobeshymnen durchaus nicht recht sein, denn dort betreibt man neonazistische Politik lieber unterhalb der Strafbarkeits-Schwelle. Dennoch blieb heute Johannes Müller, Parlamentarischer Geschäftsführer der NPD im sächsischen Landtag, bei Allgemeinplätzen. Menzel vertrete nicht die Meinung von Fraktion und Partei, sagte Müller, vermied es aber, sich eindeutig vom Hitler-Lob Menzels zu distanzieren. “Er ist ein alter Mann“, tat Müller den Nazi-Lautsprecher Menzel ab.

Tatsächlich hatte Menzel die Presse schon auch mal mit eher abseitigen Sprüchen beglückt, wie etwa: “Odin ist in uns, wir sind die Kinder der Eiche“. Solche Weisheiten wie auch Menzels Hitler-Verehrung seien aber, so Johannes Müller heute, nicht der entscheidende Grund für den Rauswurf – an den NS-Parolen hat sich die sächsische NPD offenbar nicht gestört.

Kein Widerspruch kam von der NPD auch zu Menzels deutlich postulierten geopolitischen Ansprüchen, über die das Online-Magazin Telepolis bereits im Juli 2005 berichtete: “Unser Land geht von den blauen Bergen der Vogesen bis zu der Mühle von Tauroggen. Von der Königsau in Nordschleswig bis nach Brixen in Südtirol. Und keinen Quadratmeter weniger!“

In einer heute verbreiteten Pressemitteilung der NPD-Fraktion unter dem Titel “Für saubere Verhältnisse auch in den eigenen Reihen“ wurde über Menzels Nationalsozialismus-Bezug keine Silbe verloren. Gegenüber der Presse erklärte Johannes Müller die Hitler-Sprüche vage als Menzels “Privatmeinung“. Das “notwendige Vertrauensverhältnis zwischen Herrn Menzel und den anderen Abgeordneten“ sei nicht mehr gegeben, heißt es weiter in der Fraktions-Mitteilung. Unmittelbarer Auslöser für den Menzel-Rauswurf sei der Brief einer 80-jährigen Frau aus Norddeutschland gewesen, die sich “aus Verzweiflung“ an die Fraktion gewandt habe. Menzel habe sich von ihr einen vierstelligen Betrag geliehen, sie dann aber mit der Rückzahlung “über Monate“ hingehalten.

“Nach und nach“ seien weitere finanzielle Unregelmäßigkeiten Menzels bekannt geworden, so etwa eine Verurteilung wegen Subventionsbetrug, die er der Fraktion verschwiegen habe, “betrügerische Jagdreisen“, nicht zurückgezahlte Darlehen von Gesinnungsgenossen sowie Mietschulden und erhebliche Steuerschulden. Ein Finanzamt soll versucht haben, die Abgeordneten-Diäten von Menzel zu pfänden.

Die Fraktion hatte Menzel schon seit einiger Zeit nicht mehr im Landtagsplenum reden lassen. Dem Rauswurf aus der Fraktion soll auch ein Partei-Ausschlussverfahren folgen, das die Fraktion beim Parteivorstand beantragen will.

Der Fraktionsvorsitzende Holger Apfel gab den Saubermann und teilte mit, gerade angesichts des aktuellen Falls eines “betrügerischen ehemaligen Funktionärs in Thüringen“, der die Partei finanziell schwer belaste, wolle man “das Fehlverhalten Einzelner“ konsequent ahnden.

Im letzten Jahr hatte die sächsische NPD-Landtagsfraktion erhebliche Probleme gehabt, den vorgeschriebenen Rechnungsprüfungsbericht für das Jahr 2004 vorzulegen. Anfang Dezember 2005 erteilte Holger Apfel den Auftrag an den Wirtschaftsprüfer Werner Linn und legte den Bericht dann erst Anfang 2006 vor. Anfang Oktober 2006 berichtete das Nachrichtenmagazin Focus über eine Untersuchung der Parlamentsverwaltung, die in mehreren Schreiben an den Rechnungshof massive Hinweise auf Missbrauch von Fraktionsmitteln für die NPD-Parteiarbeit gegeben hatte.

Schon vor seinen Hitler-Lobpreisungen war Menzel ins Visier der Strafverfolger geraten. Bereits vor einem Monat verlor er seine Immunität als Landtagsabgeordneter, weil er wegen uneidlicher Falschaussage und versuchter Strafvereitelung vor Gericht muss. Nach Erkenntnis der Staatsanwaltschaft Dresden hatte Menzel einem Neonazi ein falsches Alibi verschafft, der bei Demonstrationen mehrfach auf politische Gegner eingeprügelt hatte.

Ende letzten Jahres waren die drei Abgeordneten Mirko Schmidt, Jürgen Schön und Klaus Baier aus der NPD ausgetreten. Mit der jetzigen Schrumpfung auf acht Abgeordnete muss die NPD-Landtagsfraktion mit weiteren finanziellen Einbußen rechnen, denn die vom Steuerzahler aufgebrachten Fraktionsmittel bemessen sich an der Größe der Landtagsfraktion. Nach Menzels Rauswurf verringern sich die Fraktionsmittel monatlich um 2.380 Euro, sagte ein Landtagssprecher.

[Dieser Artikel (Olaf Meyer/Albrecht Kolthoff) wurde am 14. November 2006 bei redok veröffentlicht.]

“Ihr macht das Kreuz, wir den Rest“

In den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern ziehen nicht allein nur plakative NPD-Abgeordnete ein

Es mag am Wahlabend des 17. September fast zur selben Tageszeit gewesen sein, zufällig erscheint nachträglich lediglich die zeitliche Nähe der Ereignisse. Während einer NPD-Wahlparty – im Ausschank offensichtlich böhmisches Bier der Marke Krusovice – wurden in Schwerin Journalisten von Rechtsextremisten massiv bei ihrer Arbeit behindert und körperlich attackiert. Dabei kam es auf Seiten der Medienschaffenden zu Verletzungen und Sachbeschädigungen. Kurz nach 23 Uhr sendete SPIEGEL TV an jenem Abend den Teil des Videos, auf dem in Wismar der militante Einsatz rechtsextremistischer Kameraden im mecklenburg-vorpommerischen Wahlkampf dokumentiert wurde.

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Nazi-Aktion am 12. August in Wismar. Screenshot: indymedia.de

Die mit 7,3 Prozent der Zweitstimmen in den Landtag von Schwerin eingezogene NPD dürfte zukünftig allerdings beabsichtigen, sich offiziell nicht unbedingt mit dem Hauch von Militanz zu umgeben. Schließlich gelten nicht wenige rechtsextremistische Protagonisten in der Region als “nette Jungs von nebenan“. Die im östlichen Norden über Jahre hinweg erfolgte Assimilierung der bürgerlichen Mitte soll schließlich nicht nur stabilisiert, sondern weiter ausgedehnt werden. Inwieweit sich dabei die so genannten Freien Kameradschaften mehr oder weniger widerspruchslos als lediglich parlamentarischer Hilfsarm der Landtagsfraktion rekrutieren lassen, bleibt abzuwarten. Vermutlich wird aber schon bald wieder ein Vor-Wahlversprechen von NPD-Spitzenkandidat Udo Pastörs – “Ihr macht das Kreuz, wir machen den Rest“ – als gewandt formulierter außerparlamentarischer Kampfauftrag entsprechend interpretiert werden.

Pastörs bestätigte bereits kurz nach der Wahl, dass er als vormalig lernwilliger Praktikant im Sächsischen Landtag (Die braune Achse Dresden-Schwerin) und zukünftiger Fraktionsvorsitzender in Schwerin gewillt ist, die verbal-provozierende Strategie der sächsischen NPD-Fraktion nun auch im Nordosten zur Anwendung zu bringen. Nach Pastörs’ Gusto ist Adolf Hitler – “wertfrei“ und “nur gemessen an den objektiv messbaren Ergebnissen auf vielen Gebieten“ – grundsätzlich “ein Phänomen gewesen … militärisch, sozial, ökonomisch – er hat ja wahnsinnige Pflöcke eingerammt auf fast allen Gebieten“. Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß wiederum ist für Pastörs als “absoluter Idealist … vergleichbar mit Gandhi“. Und der Holocaust-Leugner Ernst Zündel hat nach der Ansicht von Pastörs “in der Vergangenheit Unglaubliches geleistet“.

Der als Kaufmann und Juwelier firmierende Pastörs gilt als eng mit der rechtsextremistischen Szene verbunden. So unterzeichnete er 1998 das einschlägig verortete Pamphlet “Aufruf an alle Deutschen zur Notwehr gegen die Überfremdung – Der Völkermord am Deutschen Volk“. Berichten vom September 2006 zufolge hat Pastörs mehrmals die Sektenkolonie Colonia Dignidad in Chile aufgesucht. Er habe “dort viel gelernt, sehr viel. Wie man mit wenig Geld sofort Zivilisation schaffen kann, wenn alle arbeiten“, zitierte der Stern den NPD-Politiker. Im mecklenburg-vorpommerischen Lübtheen engagiert sich Pastörs, der seit 2000 Parteimitglied ist, in der Bürgerinitiative “Braunkohle Nein!“. Zudem agiert er noch als stellvertretender Landesvorsitzender und als Mitglied im Kreisvorstand Ludwigslust und ist als Schulungsreferent der NPD tätig. Schulungsmäßig versuchte Pastörs in einem Interview mit der National-Zeitung vom 8. September 2006 dann auch, etwaigen Traumata infolge der personellen Verluste innerhalb der sächsischen Parlamentsvorreiter bereits vorab entgegen zu wirken:

“… unsere Mitglieder in den Kreisverbänden sind dahingehend unterrichtet, dass sie jeden Annäherungsversuch von Seiten der Geheimdienste dem Landesvorsitzenden melden. Und es ist durch höchste Aufmerksamkeit auf allen Führungsebenen dafür Sorge getragen, dass Straftaten durch Agenten mit NPD-Mitgliedsausweis nur schwer vorstellbar sind.“

Die Aufgabe als Bindeglied der Fraktion zu den so genannten Freien Kameradschaften fällt wahrscheinlich an Tino Müller, auf den zweiten NPD-Listenplatz in den Schweriner Landtag gewählt. Der gelernte Maurer gilt als einer der führenden Köpfe der regionalen Kameradschaftsszene – so in der Nationalgermanischen Bruderschaft (NGB) und der Heimattreuen deutschen Jugend (HdJ). Wie vielen rechtsextremistischen Kadern eigen, ist auch Müller in einer örtlichen Bürgerinitiative (“Schöner und sicher wohnen in Ueckermünde“) äußerst aktiv tätig. Erst seit Ende 2005 NPD-Mitglied fungiert Müller mittlerweile als Vorsitzender des Kreisverbandes Uecker-Randow und ist dem Sozialen Nationalen Bündnis Pommern zugehörig.

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Udo Voigt (NPD-Parteivorsitzender), Gerhard Frey (DVU-Bundesvorsitzender), Udo Pastörs (Fraktionsvorsitzender im Landtag MVP) und Holger Apfel (Fraktionsvorsitzender im Landtag Sachsen) auf einer Pressekonferenz am 21.9. Foto: NPD

Aufmerksame Beobachter der rechtsextremen Szene in Mecklenburg-Vorpommern sehen gleichfalls in Michael Andrejewski einen Garanten für örtliche NPD-Wahlergebnisse jenseits der 30-Prozent-Marke. Nach Einschätzung des Mobilen Beratungsteams für demokratische Kultur (MBT) aus Schwerin hat Andrejewski “das Netzwerk zwischen Partei und Kameradschaften vorangetrieben“. Der über Listenplatz 3 gewählte ausgebildete Volljurist, der nach eigener Aussage das “herrschende politische System“ ablehnt, ist Mitglied des NPD-Landesvorstandes sowie Abgeordneter im Kreistag Ostvorpommern und in der Stadtvertretung Anklam. Den wie auch immer gearteten Wählerauftrag Kommunalpolitik stuft Andrejewski lediglich als Mittel zum Zweck ein – um das “System zu kippen“. Die politischen Wurzeln Andrejewskis reichen bis zur Hamburger “Liste für Ausländerstopp“ (HLA) zurück.

Wie Müller dürfte auch der über Listenplatz 4 gewählte Stefan Köster seine Dienste für Klientelbegehrlichkeiten der militanten Kameradschaften leisten. Im Kreistag von Ludwigslust fiel Köster allerdings bisher nicht durch übermäßige Aktivitäten jenseits rechtsextremistischer Propaganda auf. Im Mai 2006 wurde das frühere Mitglied der Wiking-Jugend und derzeit als NPD-Bundesgeschäftsführer sowie mecklenburg-vorpommerischer Landesvorsitzender amtierend in erster Instanz wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung zu sechs Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung, 60 Stunden gemeinnütziger Arbeit sowie 500 Euro Schmerzensgeld verurteilt. Köster hat in dem aus seiner Sicht “politischen Prozess“ Berufung gegen das Urteil eingelegt.

“In Mitteldeutschland findet eine geräuschlose völkische Graswurzelrevolution statt. Mit einem moderaten Ton, zivilem Auftreten und alltagsnahen Themen gelingt es Nationalisten vielerorts zum integralen Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens zu werden, während sich die Systemkräfte dem Volk immer mehr entfremden und in der Lebenswelt der von ihnen tief enttäuschten Durchschnittsbürger immer weniger vorkommen. Mit Plakatlosungen wie ’Arbeit, Familie, Heimat’ und dem politischen Kampf gegen Zuwanderung, EU-Fremdbestimmung und Globalisierung als den Zerstörungsmächten der Zeit treffen Nationalisten zunehmend den Nerv der Menschen und werden oftmals als einzige noch wählbare idealistische Kraft angesehen“ (Jürgen W. Gansel/NPD).

Über NPD-Listenplatz 5 führte der Weg von Birger Lüssow direkt aus der Kameradschaftsszene in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Als 2002 das rechtsextremistische Aktionsbündnis “Festungsstadt Rostock“ ins Leben gerufen wurde, war Lüssow einer der führenden Mitiinitiatoren – damals auch mutmaßlicher Blood&Honour-Kader und nach wie vor Aktivist des Kameradschaftsbundes Mecklenburg (KBM). Nunmehr agiert Lüssow, seit 2005 NPD-Mitglied, ebenfalls als Vorsitzender des Kreisverbandes Mecklenburg-Mitte.

Welche Funktion dem bisher eher unbekannten Raimund Borrmann in der Landtagsfraktion zukommt, ist ob der relativen Blässe des stellvertretenden NPD-Kreisvorsitzenden von Mecklenburg-Mitte derzeit noch nicht deutlich absehbar. Der über Landeslistenplatz 6 gewählte Borrmann soll angeblich ein Philosophiestudium mit Schwerpunkt Marxismus absolviert haben.

Die nach dem Wahlabend umgehend postulierte “enge Zusammenarbeit“ der “Achse Schwerin-Dresden“ (O-Ton NPD) hat zur Folge, dass der bisherige sächsische Fraktionsgeschäftsführer Peter Marx seinen Aufgabenbereich von Dresden nach Schwerin verlagert. Ein so genannter “Arbeitskreis volkstreuer Abgeordneter“ soll als “regelmäßige gemeinsame Beratungen beider Fraktionen“ möglichst bald zum “Alltag gehören“.

Mittlerweile wurden auf der konstituierenden ersten Fraktionssitzung Udo Pastörs zum Fraktionsvorsitzenden, Tino Müller und Stefan Köster zu stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden sowie Köster gleichfalls zum Parlamentarischen Geschäftsführer gewählt. Wie Michael Andrejewski verlautbaren ließ, würde die Fraktion “auf jeden Fall“ Mitarbeiter aus der Kameradschaftsszene einstellen. Am 20. September hat die Fraktion “ihre Arbeit aufgenommen, um zum Wohle unseres Volkes in Mecklenburg und Pommern zu wirken“ (vgl. Schmackhafte NPD-Bonbons).

Die NPD – und damit unweigerlich auch die regionale Kameradschaftsszene – wird dabei in ihrer weiteren Aufbauarbeit in Mecklenburg-Vorpommern direkt von der öffentlichen Hand gefördert. Für jede Wählerstimme stehen der NPD laut Parteiengesetz jährlich 85 Cent zu. Die monatliche Grundentschädigung pro Abgeordneten beträgt etwa 4.400 Euro, zudem werden Mittel für zusätzliche Mitarbeiter im Wahlkreis bereitgestellt. Jeder gewählte NPD-Abgeordnete beabsichtigt nach bisherigen Verlautbarungen, ein eigenes Wahlkreisbüro einzurichten – ähnlich wie in Sachsen ein rechtsextremistischer Struktur- und Personenausbau finanziert mit staatlichen Geldern. Berechnungen gehen davon aus, dass allein der NPD-Landtagsfraktion in Mecklenburg-Vorpommern für die nächsten fünf Jahre zirka 2,5 Millionen Euro Steuergelder zur Verfügung stehen.

[Dieser Artikel wurde am 22. September 2006 bei Telepolis veröffentlicht.]