Schlagwort-Archive: Journalismus

MedienScreen # 80 [Fischer im Recht. Außerhalb der Wahrheit?]

[Fundstück] Thomas Fischer, “Die Lügenpresse – Eines ist sicher: Jeder hat seine eigene Wahrheit. Was öffentliche Wahrheit ist, bestimmt die Kommunikation. Doch wer hat jetzt recht?“, Zeit Online, 2. Februar 2016 –

(…) Nicht Gleichheit und Solidarität ist das Ziel des Menschseins, sondern Ungleichheit und Sieg. Demokratie ist keine Form der Verwirklichung von Gerechtigkeit, sondern von Marktmacht.

Dies und nichts anderes, verehrte Leser, ist die Kraft, die heute und morgen Milliarden von Menschen in kleine Boote oder winzige Raumschiffe zwingt. Nicht diese Menschen haben eine solche Weltsicht erfunden, sondern wir. Daher gehe ich zuversichtlich davon aus, dass Sie, wenn München Kinshasa wäre und Frankfurt Nairobi, lieber heute als morgen in Ihre SUVs und Jachten springen und Ihren verzogenen Gören ein Leben jenseits des Schlamms und der Gülle-Seen und der Trostlosigkeit von Hartz IV zu ermöglichen suchten (…)

Exklusiv: Die Stunde der Kreiszeitung

Rund um die mehr oder weniger bekannten Vorgänge beim abgesagten Fußball-Länderspiel am 17. November dieses Jahres in Hannover bleibt das jetzt – in der Abfolge leicht redigiert – einfach mal so stehen. Als exklusives Zeitdokument. Bevor Kreiszeitung.de wieder in Vergessenheit gerät.

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Nun sage aber bitte niemand, Kreiszeitung.de hätte im Laufe des Abends nicht reagiert. Investigativ. Quasi journalistisch.

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Die entsprechende Headline bei Kreiszeitung.de liest sich aktuell übrigens unverändert. Nach wie vor.

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Noch Fragen?

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Post Scriptum –

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Post Post Scriptum – Kein Sprengstoff-Rettungswagen und andere Dochnichtnews aus Hannover (bildblog.de, 19. November 2015)

Post Post Post Scriptum Die Anschläge von Paris in den Medien – eine Linksammlung – Update, 19. November (bildblog.de)

MedienScreen # 15 [Bild und Co. sind eine Gefahr für den ganzen Journalismus]

[Fundstück] “IRRE! Bild und co. sind eine Gefahr für den ganzen Journalismus“, Benjamin Giebenrath für Blickfang Ultra (BFU) im Januar 2012 [BFU # 23] –

Wir, die Redaktion des Blickfang Ultrà, haben die Schnauze gestrichen voll und versuchen uns hiermit an einer Abrechnung mit den sogenannten Kollegen unter der schreibenden Zunft. Wir nehmen uns die Frechheit heraus, Journalisten und Autoren in den Massenmedien als Kollegen zu bezeichnen, was unter den Lohnschreibern wohl für einen Aufschrei sorgen und mit einem spöttischen Lächeln quittiert werden dürfte, doch ist uns das egal. Wir sind Ultras, wir schreiben über Ultras, wir scheren uns nicht um Titel, Regeln oder Konventionen und bilden uns hiermit unsere eigene Wahrheit und erlauben uns diese zu verbreiten. Wir nutzen hierbei die beliebten Stilmittel des Populismus, der Verallgemeinerung und scheren genüsslich und mit hohem Eifer alle über einen Kamm!

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Wir können es nicht mehr mit ansehen, wie Ultrasgruppen nach vermeintlich schlimmen Vorfällen ihre Zeit damit verschwenden, gut und vorsichtig formulierte Stellungnahmen zu verfassen, welche die Wahrheit der Zeitungen und Polizisten in Frage stellen und der eigentlichen Wahrheit recht nahe kommen. Die Schriften erscheinen in Magazinen, Infozines, Fanzines, auf den Blogs und Homepages der Gruppen. Sie haben fast keinerlei Wirkung, werden kaum beachtet und die Zahl der Richtigstellungen in den Massenmedien, die durch einen solchen Text erfolgten, tendiert gegen Null. Was in den Massenmedien geschrieben steht, ist Gesetz und die eigene Wahrheit, da helfen keine Richtigstellungen und Widerlegung der Presseberichte. Zwar mag es sogenannte Journalisten geben, die sich die Texte durchlesen, doch werden sie den Teufel tun, ihren selbst verfassten Artikel, oder den eines sogenannten Kollegen, zu widerlegen. Uns ist egal, was der einzelne sogenannte Journalist denkt, wir sehen nur, was geschrieben wird, wie gegen unsere Bewegung gehetzt und wir alle in einen Topf geschmissen werden. Nutzt eure Zeit anders, hängt mit euren Freunden herum, versucht eure Gruppe weiterzubringen, geht malen, geht kleben, schreibt an euren Magazinen oder feiert in Clubs. Egal was, alles ist sinnvoller, als das verbreiten der eigentlichen Wahrheit, die lediglich von einem Personenkreis angenommen wird, der diese sowieso schon kennt.

Journalisten stigmatisieren und verbreiten entgegen besserem Wissen Lug und Trug! Ihnen ist das egal, sie sehen nicht die Qualität ihrer Texte, sie sehen nicht den Wahrheitsgehalt, sie sehen nicht die Wirkung – sie sehen lediglich die Reaktion ihres Chefredakteurs. Ein gelungener und guter Artikel ist nicht gut oder gelungen, wenn er hohen literarischen Ansprüchen genügt, ist nicht gut, wenn er besonders gut geschrieben wurde, sondern hat einzig und allein seine Daseinsberechtigung, indem er gedruckt wird. Lohnschreiber leben vom Schreiben, es ist ihr Beruf, keinesfalls aber ihre Berufung. In unserem System braucht man Geld zum Leben, was selbst für sogenannte Journalisten gilt, denn diese verdienen durch die Veröffentlichung ihrer Texte! Veröffentlicht wird aber lediglich, was sich verkauft – die Schlagzeile und die Wirkung auf den Leser muss stimmen. Was verkauft sich denn heutzutage besser als Gewalt? Nicht viel und insbesondere die Fußballgewalt scheint eine große Wirkung zu haben, denn sie findet, vermeintlich, im Rahmen von Massenveranstaltungen statt. In den Redaktionen dieser Republik ertönt lauter Jubel, wenn über den Ticker wieder Ausschreitungen aus einem Stadion eintrudeln. Was schreibt sich für diese Zunft denn leichter als ein Artikel über Ultras und Hooligans?

Journalisten betreiben Rufmord und geben ein großes Nichts aus Einzelschicksalen und den Menschen. Ein Artikel über Ausschreitungen bei Dynamo schreibt sich fast von alleine, denn der Journalist kann in diesem Fall nichts falsch machen. Die öffentliche Meinung über Dynamo hat sich im Lauf der Jahre manifestiert. Jeder Artikel, in dem Dynamo-Fans nicht als besoffene Nazischläger dargestellt werden, verwundert den Leser und lässt ihn in allem vom Glauben abfallen. Verliert ein Fußballfan durch eine Aneinanderreihung von schrecklichen Ereignissen einen Arm, so wird nicht der Mensch an sich gesehen, sondern die sogenannten Journalisten versuchen den Menschen in eine Schublade zu pressen, um dem Artikel eine reißerische Note zu verpassen, die dafür sorgt, dass er auch gedruckt und Geld auf das Konto des Lohnschreibers überwiesen wird. “Hooligan verliert Arm“ klingt besser als “Fußballfan verliert Arm“. Die Wirkung der erstgenannten Schlagzeile macht den Leser aufmerksam und sorgt für Gedanken, die nicht das Schicksal des jungen Menschen sehen, der sein Leben lang gezeichnet sein wird, sondern der Leser denkt an einen Hooligan, der durch sein eigens Tun und Handeln selbst schuld an seinem Schicksal ist. Hooligans und Ultras sind für diese sogenannten Journalisten und Leser der Abschaum der Gesellschaft, Streunende Köter, um die es einem nicht leid tun muss, die selber daran schuld sind. Wie können Menschen im sogenannten Journalismus alle Menschlichkeit über Bord werfen und gleichzeitig das Unmenschliche unter Ultras und Hooligans anprangern? Ein Spagat, der wohl nur einem Lohnschreiber und dem hirnlose Gefolge, auch genannt “die Leser“, gelingt, da sie es sich seit vielen Jahren angeeignet haben!

Journalisten sind eines der Rädchen im System. Polizei, DFB, DFL und der Staat betreiben hemmungslosen Lobbyismus und die Massenmedien geben sich dafür gerne her. Gesetze, Maßnahmen, neue Regulierungen werden beschlossen und müssen an den Mann, respektive Fan gebracht werden. Was eignet sich aus Sicht der Regulierer besser als die Verbreitung über die Massenmedien? Eine Meinung wird durch den Lobbyismus an Millionen Empfänger gebracht, der Clou daran ist, dass die Oberen den Wortlaut vorgeben, bestimmen, was verbreitet wird und welche Reaktion dies bei der Öffentlichkeit auslösen soll und der Lohnschreiber, der sogenannte Journalist, spielt da gerne den Lakaien und tippt den Artikel fröhlich in sein MacBook. Egal ob vor der WM 2006 in Deutschland, neue Stadionverbotsrichtlinien, nach ausufernden Polizeieinsätzen oder erst kürzlich bei der Pyrodebatte: Geschrieben wird, was die Oberen haben wollen, sogenannte Journalisten, die ausscheren und sich mit der realen Wahrheit befassen wollen, sind nicht gerade eine große Masse und gehen in dieser unter. Der Fan ist dabei der Dumme und das Versuchsfeld für einen immer neuen Wahnsinn des Staates und der Verbände, deren Regulierungswahn keine Grenzen zu kennen scheint.

Journalisten sind gut organisiert und weit vernetzt. Sie nutzen die modernen Massenmedien, wie Zeitungen und das Internet, um ihre Botschaften, Lügen und Hysterie zu verbreiten. Regelmäßig schwärmen sie aus und begeben sich auf ihren Feldzug gegen aktive Fans und Ultras. Bewaffnet mit Handys, iPhones, Smartphones und MacBooks schlagen sie zu und senden ihre “Wahrheit“ in alle Welt. Ihre treuen und leicht gläubigen Leser lassen sich dabei als weiterer Multiplikator missbrauchen und verbreiten die Inhalte in Form von Kommentaren auf den Homepages der Medien weiter, sie verbreiten diese in sogenannten Fanforen, am Stammtisch oder in Gesprächen auf der Arbeit oder im privaten Umfeld. Der Journalist ist sich dessen durchaus bewusst und arbeitet gezielt daran, die Meldungen so zu formulieren, dass sie der einfache “Manfred“ kapiert und fröhlich weiterverbreiten kann. Schuldig machen sich auch die sogenannten Ultras selbst, welche diese Meldungen in den eigenen Medien, wie beispielsweise ultras.ws, ebenfalls weiterverbreiten und die Inhalte gar noch diskutieren und für bare Münze nehmen. Schämt euch, ihr seid der Abschaum innerhalb des Abschaums und die Lakaien eines Systems, das ihr angeblich ablehnt und bekämpfen wollt. Ihr seid nichts weiter als ein weiterer Teil der hirnlosen Herde, die unserer Bewegung schadet und den sogenannten Journalisten und den Oberen in die Karten spielt!

Der Journalismus an sich wird neben der Judikative, der Exekutive und der Legislative oftmals als die vierte Gewalt eines Staates bezeichnet. Er wirkt meinungsbildend und manipulativ auf seine Nutzer und Empfänger. Unabhängige Medien sucht man in Deutschland leider vergebens, denn diese kommen, im Bereich der Ultraskultur, von den Ultras selbst, die in der Regel, abgesehen von leider wenigen Ausnahmen, auch nur von den Ultras genutzt werden. Ein Teufelskreis, aus dem es kein Entrinnen gibt und es ist nicht davon auszugehen, dass sich in dieser Hinsicht etwas ändern wird. Wir leben in einer Gesellschaft, die Gewalt zwar ablehnt, diese aber ausübt und gerne begafft, nur um danach seinen Ekel auszudrücken und durch die moderne Medienlandschaft kann sich ein Jeder durch einen Kommentar wichtig machen. Es ist der Moment gekommen, an dem wir uns auskotzen müssen, indem wir populistisch auf den Populismus reagieren, in dem wir mit Verallgemeinerung auf die Verallgemeinerung reagieren, in dem wir die Stigmatisierung durch Stigmatisierung anprangern, in dem wir die Verbreitung von fragwürdigen Inhalten durch die Verbreitung von (für viele sicherlich) fragwürdige Inhalte verbreiten. Wir nutzen unsere Medien, um die Nutzung und den Missbrauch der Medien zu kritisieren. Wir sind Ultras, wir müssen uns vor niemanden rechtfertigen, außer vor uns selbst!

[Dieser Beitrag wurde am 10. März 2012 bei Ostfussball.com publiziert.]

Bis zur Unkenntlichkeit autorisieren

Neun bundesdeutsche Tageszeitungen wehren sich mit einer Aktion gegen zunehmend restriktiv gehandhabte Interview-Autorisierungen, Besserungen sind wohl nicht zu erwarten

Die gängige Praxis ist bekannt: Nach einem Interview liest der Befragte seine Aussagen Korrektur und erteilt dem Journalisten quasi die Autorisierung zur Veröffentlichung. In den meisten Fällen werden so kleinere journalistische Verständigungsfehler vermieden. So weit, so gut. Allerdings hat sich im Laufe der Zeit diese Praxis derart zu einer Unsitte entwickelt, dass in immer mehr Fällen eher ein genehm redigierter Monolog des Befragten – das eigentliche Interview nicht selten mehr als schönend – das Licht der Öffentlichkeit erreicht.

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Für die Berliner “tageszeitung“ lief das journalistische Fass jetzt über, als sie wegen eines geplanten Interviewabdrucks mit SPD-Generalsekretär Olaf Scholz seitens der Parteizentrale im folgenden mit zu erwartendem Informationsboykott konfrontiert wurde. Daraufhin erschien die “taz“ am 28. November aufsehenerregend mit lediglich einer geschwärzten Version des Scholz-Interviews auf ihrer Titelseite. Der Kritik am immer mehr um sich greifenden Missbrauch des Autorisierungsvorbehaltes als Druckmittel von Interviewpartnern gegenüber Journalisten – von “taz“-Chefredakteurin Bascha Mika als “Betrug am Leser“ tituliert – haben sich weitere Zeitungen angeschlossen. Und so betreiben “Berliner Zeitung“, “FAZ“, “Financial Times Deutschland“, “Frankfurter Rundschau“, “Kölner Stadt-Anzeiger“, “Süddeutsche Zeitung“, “Tagesspiegel“, “Welt“ und “taz“ eine gemeinsame Protestaktion, die in ihrer Geschichte wohl einmalig sein dürfte: Kampf der missbräuchlichen Autorisierung.

Zwar ist es bei bundesdeutschen Printmedien – im Gegensatz zu anderen Ländern – durchaus üblich, Interviewtexte durch den Gesprächspartner autorisieren zu lassen. Allerdings würden dabei ursprüngliche Interviewpassagen des öfteren “bis zur Unkenntlichkeit verändert“ beschreibt beispielsweise die “Süddeutsche Zeitung“ das Übel eines beeinflussten Journalismus. Die “Financial Times Deutschland“ hat dahingehend in ihrem so genannten Stil-Buch entsprechende Grundregeln festgehalten: “Was im Interview gesagt wird, ist öffentlich – es darf keinen Unterschied machen, ob ein Befragter live im Fernsehen oder vor dem Diktiergerät eines Print-Journalisten spricht.“ Natürlich, und so ist es landläufig üblich, seien Aussagekorrekturen vor Ort sowie Vertraulichkeit davon unbenommen. Allerdings gelte der journalistische Grundsatz: “Was ’on the record’ gesagt wurde, bleibt öffentlich.“

Durch die von der “taz“ initiierte Interview-Zensur-Kampagne ist zumindest Bewegung in die bis dato schon mehr und mehr betonierten Zustände gekommen. Als immerhin “sinnvolle Debatte für beide Seiten“ bezeichnete Regierungssprecher Bela Anda die Diskussion um den missbräuchlichen Autorisierungsvorbehalt. Wobei Anda die eigentliche Ursache der journalistischen Kritik nicht unbedingt erfasst zu haben scheint. Dass allerdings allein von Politikern – mehr oder weniger erfolgreich – Versuche einer gefälligen Medienbeeinflussungen unternommen werden, glauben wohl nur die allerwenigsten. Und die nächste Interview-Autorisierung wartet schon.

[Dieser Artikel wurde am 1. Dezember 2003 bei Telepolis veröffentlicht.]