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Auschwitz als demokratische Falle?

Wie eine Einladung zur parlamentarischen Dienstreise dazu führte, dass die sächsische NPD-Fraktion ihr diesjähriges “Bomben-Holocaust-Gedenken“ nicht im ehemaligen Vernichtungslager zelebrieren wird

Schon weit vor dem Einzug der NPD in den Sächsischen Landtag erlebte Dresden jährlich um den 13. Februar herum zum Jahrestag der Bombardierung der Stadt im Jahr 1945 zunehmend auch deutschnational und einschlägig faschistoid dominiertes Betroffenheitsgedenken (Dresden – wieder Zentrum der rechtsextremen ’Bewegung’?). Allerdings ist die Medienöffentlichkeit – vor allem sogar die regionale – mittlerweile deutlich bei ihrem Blick auf das Dresdner Gedenk-Geschehen im Februar aufmerksamer geworden.

Allein schon durch die NPD-Parlamentspräsenz und zudem den 60. Jahrestag der Dresdner Bombardierung stand der vorjährige 13. Februar fast zwangsläufig im weiten Fokus der Öffentlichkeit (Weiße Rosen in Dresden). Dieser Fokus weitete sich noch, als im Vorfeld die NPD-Fraktion die Teilnahme an einer Schweigeminute für alle Opfer des Nationalsozialismus – “gleichviel durch welche Willkür- und Gewaltmaßnahmen sie zu Schaden gekommen sind“ – verweigerte und die damals noch 12 Abgeordneten geschlossen den Plenarsaal verließen (Nur eine Landtagssitzung in Sachsen?). Nicht zuletzt sei dahingehend auch an die provozierende Relativierung der Shoa durch den NPD-Abgeordneten Jürgen W. Gansel erinnert, der in diesem Zusammenhang die Bombardierung Dresdens als “Bomben-Holocaust“ bezeichnete.

Auch der diesjährige Dresdner 13. Februar wirft bereits seine Schatten – fast ausschließlich parlamentarisch vorerst und zur Abwechslung durchaus etwas anders geartet als bisher erlebt. So regte Landtagspräsident Erich Iltgen (CDU) in seiner Neujahrsansprache – wohl in bester demokratischer Absicht – eine Parlamentsreise zum nicht nur geografischen Ziel Oswiecim an. Am Gedenktag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, so das postulierte Wunschziel, solle “an diesem historischen Ort der deutschen Täterschaft und Verantwortung der Millionen Opfer nationalsozialistischer Gewaltherrschaft“ gedacht werden. Diese Reise-Einladung erging explizit an alle Fraktionen des Sächsischen Landtages und sorgte für einige Verwirrungen – mit ausgewiesenen Rechtsextremisten nach Auschwitz?

“Die Angst vorm Lächeln in der Gaskammer“ (Sächsische Zeitung) war sogleich medial spürbar. Und die präsidiale Erziehungsabsicht bezüglich der nach dem vorweihnachtlichen Ausstieg von Jürgen Schön auf nunmehr nur noch neun Abgeordnete reduzierten Rechtsextremisten (Update: Die sächsische NPD-Fraktion bröckelt) schimmerte zudem mehr als nur hintergründig und durchaus plakativ aus Iltgens hehrer Ankündigung.

Während die Reaktionen von SPD, Linksfraktion.PDS, FDP, Bündnis 90/Die Grünen und auch CDU auf einen etwaig gemeinsamen Besuch der Gedenkstätte Auschwitz mit NPD-Abgeordneten eher irritiert und verhalten ausfielen, fragte der Geschäftsführer der NPD-Fraktion, Peter Marx, sich und andere öffentlich: “Warum sollten wir nicht mitfahren?“. Diese Äußerung erschien dem rechtsextremistischen Störtebeker-Netz als “schon etwas befremdlich“ und als “verzweifelter Versuch, irgendwelche Wählerstimmen zurückgewinnen zu wollen“. Weiter kommentierte die sich so bezeichnende Schriftleitung: “Fühlt Peter Marx sich jetzt etwa dazu veranlasst, hier den italienischen Chef der Alleanza Nazionale, Gianfranco Fini, nachzuahmen, der sich ja bekanntlich auch bemüßigt fühlte, in Israel den italienischen Faschismus und seine persönliche politische Vergangenheit verächtlich zu machen, indem er sich für Dinge entschuldigte, für die sich kein anständiger Mensch mit gesunder Selbstachtung, und der gar nicht in diese weit zurückliegenden Dinge verwickelt ist, entschuldigen würde.“

Andererseits liest es sich in der anschließenden Störtebeker-Forumsdiskussion beispielsweise schon fast als Forderung, dass “wenn die NPD es ernst meinte als parteipolitischer Arm der nationalen Opposition, würde sie nach Auschwitz mitreisen und dann unvermittelt die medienwirksame Bühne zu einem Solidaritätsappell für Germar Rudolf, Ernst Zündel und Siegfried Verbeke nutzen“. Die so genannten Freien Kräfte Sachsen (FKS) bezweifelten gar aus ihrer Sicht der Dinge, “ob sich nun gerade Auschwitz – dessen bauliche Anlagen trotz strafrechtlich fixierter ’offenkundiger Tatsachen’ bei immer mehr Menschen Zweifel an offenkundigen Wahrheiten aufkommen lassen – als Gedenkort eignet“.

Nachdem – unterstellt, aber augenscheinlich – der NPD-Geschäftsführer seiner Rest-Fraktion unabgesprochen verbal enteilt war, wurde fast umgehend unter dem Titel “Warum wir nicht nach Auschwitz fahren“ bezüglich der Reise-Einladung erklärt: “Die NPD-Fraktion wird sich nicht an einseitigen Sühnebekenntnissen beteiligen – weder in Auschwitz noch anderswo“. Zudem sei “ein gemeinsames Gedenken mit den Vertretern der Altparteien nicht möglich (…), solange Menschen in Deutschland in Gefängnissen sitzen, weil sie aus Sicht der Herrschenden eine falsche politische Überzeugung vertreten“. Gleichzeitig kündigte die NPD-Fraktion an, bei der Veranstaltung im Landtag anlässlich des Auschwitz-Gedenktages am 27. Januar wegen einer anberaumten “Tagung zur regionalen Entwicklung in der Oberlausitz“ nicht teilnehmen zu können.

Der Landtagsabgeordnete Gansel – mithin als Historiker geltend – erklärte sich seinen Fußspuren aus dem Vorjahr folgend ebenfalls zum Thema und wird ob seiner Worte mittlerweile in der rechtsextremen Szene mehr als weniger gefeiert – “Ja genau, das ist der Ton, den wir hören wollen und die einzig mögliche Tonart, in der Antworten auf solche Ansinnen von Deutschen, die noch nicht an politischer Rückenmarkschwäche leiden, gehalten sein dürfen“ (Störtebeker-Netz). Denn ganz nach dem Geschmack der Szene beginnt Gansels Tirade auf der NPD-Bundesseite mit der Ablehnung des “steuerfinanzierten Sühnetourismus nach Auschwitz“, führt über “die Berufsbüßer und Schuldmetaphysiker der Altparteien“ dahin – dabei den “Einsatz der Auschwitz-Keule“ nicht aussparend -, “sich 61 Jahre nach Kriegsende endlich des Büßerhemdes und der Narrenkappe als bisheriger Staatsmode der BRD zu entledigen“, um abschließend deutlich machen zu wollen: “Der Fahrkartenschalter nach Canossa ist unwiderruflich geschlossen!“.

Was bleibt? Sächsische NPD-Abgeordnete fahren also – eigentlich wenig verwunderlich – nun doch nicht in die KZ-Gedenkstätte nach Auschwitz, vorerst jedenfalls. Wobei noch nicht einmal auch nur andeutungsweise klar war, ob gegen die Nazi-Parlamentarier in Auschwitz – so wie 2005 der brandenburgischen DVU-Fraktion in Sachsenhausen – nicht vielleicht auch ein Hausverbot ausgesprochen worden wäre. Wie dieser ganze Vorgang allerdings letztlich etwa gar zur “Nagelprobe“ (Cornelius Weiss, SPD, Alterspräsident des Landtags) oder zur “Probe aufs Exempel“ (Erich Iltgen, CDU, Landtagspräsident) für die NPD werden sollte, wird bei aller vorausgesetzter Kenntnis über fundiert rechtsextremistische Umtriebe in der Bundesrepublik Deutschland wohl ein Geheimnis dieser Politiker bleiben.

[Dieser Artikel wurde am 17. Januar 2006 bei Telepolis veröffentlicht.]

Offensive für drei braune Bundestagsdirektmandate

Mit einer nicht nur verbalen “Wortergreifungsstrategie“ forciert die NPD von Sachsen aus einen öffentlichkeitswirksamen Bundestagswahlkampf der rechtsextremen Kräfte

Der sich abzeichnende Kampf um Abgeordnetenmandate im Deutschen Bundestag bei einer eventuell vorgezogenen Wahl wird für die NPD schwerpunktmäßig wohl in Sachsen betrieben werden. Eigentlich sollten nach dem dortigen Wahlerfolg im Herbst 2004 (Rechter Aufbau Ost – NPD im Sächsischen Landtag) erfolgversprechende Strukturen bis zum turnusmäßigen Termin der Bundestagswahl 2006 entsprechend Schritt für Schritt auf- und ausgebaut werden. Nunmehr drängt die Zeit und es offenbarten sich zwischenzeitlich einige Probleme auf Rechtsaußen.

Die seit Jahresbeginn propagierte “Volksfront“ zwischen NPD und DVU wurde mittlerweile bundesweit erstmalig bei der Wahl der sächsischen Kandidatenliste praktiziert. So steht beispielsweise auf der aus dem NPD-Wahlparteitag vom 25. Juni in Chemnitz resultierenden Landesliste hinter Holger Apfel (NPD) auf Platz 2 der von der DVU nominierte Harald Neubauer (parteilos, vormalig Generalsekretär und Europaabgeordneter der ’Republikaner’). Weiterhin folgt – nach Winfried Petzold (NPD-Landesvorsitzender Sachsen) und Uwe Leichsenring (Parlamentarischer Geschäftsführer der NPD-Fraktion) – auf dem fünften Listenplatz Hans-Otto Weidenbach als Bundesvorstandsmitglied der DVU. Die weiteren fünfzehn Kandidatenplätze sind, bis auf eine Ausnahme, personell durchweg mit NPD-Mitgliedern beziehungsweise einem Kader der Nachwuchsorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) besetzt.

Auf dem Chemnitzer Parteitag, der teilweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt fand, bekräftigte der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt vor Vertretern aus DVU, Deutscher Partei und DSU den Grundkonsens dieser Volksfront vom äußersten rechten Rand: “Die Zeit des ewigen Gegeneinander ist endgültig vorbei, nun gilt es gemeinsam zu handeln, damit in Deutschland endlich wieder Politik für Deutsche gemacht wird!“

Gegenwärtig werden die Erfolgsaussichten für die Rechtsextremisten, als bundesweite “Volksfront“ die nötige Fünf-Prozent-Hürde in den Berliner Reichstag zu überwinden, als nur marginal eingeschätzt. Kampfbereit beabsichtigt die NPD allerdings, die wahlrechtlichen Möglichkeiten von drei erreichten Direktmandaten für sich zu nutzen. Hierfür sieht Peter Marx (NPD-Fraktionsgeschäftsführer im Sächsischen Landtag) als NPD-Bundestagswahlkampfleiter durchaus Chancen im brandenburgischen Spreewald, im vorpommerschen Anklam – und in Sachsen.

In Sachsen sollen alle 17 Wahlkreise mit entsprechenden Kandidaten besetzt werden. Hierbei liegen die Hauptschwerpunkte offensichtlich im Wahlkreis 156 (Großenhain, Kamenz, Hoyerswerda) bei Holger Apfel als Landtags-Fraktionsvorsitzender sowie bei dem unter anderem als Mäzen der Skinheads Sächsische Schweiz (SSS) geltenden Uwe Leichsenring (Trotz Verbot nach wie vor aktiv) im Wahlgebiet Sächsische Schweiz/Weißeritzkreis.

Die Chance auf – für einen Einzug in den Deutschen Bundestag nötige – drei erfolgreich erwählte “Volksfront“-Direktwahlkreise wird unterschiedlich gesehen. Während Marx (NPD) in Verlautbarungen natürlich auf siegreiche Direktkandidaten setzt, schätzt das Sächsische Landesamt für Verfassungsschutz ein: “Insgesamt sind die Erfolgsaussichten der Direktkandidaten eher als gering einzuschätzen.“ Hamburger Verfassungsschützer attestierten in diesem Zusammenhang, die NPD wäre gegenwärtig kaum mehr in der Lage, sich “organisatorisch so aufstellen“, dass sie wahlbezüglich Erfolg erreichen könnte.

Um einem eventuell weiteren Wahl-Misserfolg – nach den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen sowie auch bei den Oberbürgermeister-Wahlen in Leipzig und Görlitz – entgegen zu wirken, praktizieren Rechtsextremisten in ihrer geographischen Hauptkampflinie zunehmend eine vom Präsidenten des Sächsischen Verfassungsschutzes, Rainer Stock, so bezeichnete “Wortergreifungsstrategie“. Hierbei handelt es sich nicht allein nur um klientelbezogenes – aber generell bewusst provozierendes – Auftreten von regional oder überregional bekannten Rechtsextremisten im öffentlichen Raum und auf öffentlichen politischen Veranstaltungen. Das Ziel besteht letztendlich darin, die jeweilige Veranstaltung – wenn nicht schon zu dominieren – wenigstens entsprechend beeinflussen zu können. Dabei agieren NPD-Landtagsabgeordnete und deren Mitarbeiter, Partei-Kader, Vertreter der SSS sowie der so genannten Freien Kräfte Sachsen (FKS) eng miteinander.

Exemplarisch scheint diesbezüglich, dass NPD-MdL Klaus-Jürgen Menzel in letzter Zeit eine durchaus im wahrsten Sinne des Wortes aktive außerparlamentarische Arbeit zu betreiben scheint. Menzel postulierte vor nicht all zu langer Zeit seine geopolitischen Ansprüche eindeutig: “Unser Land geht von den blauen Bergen der Vogesen bis zu der Mühle von Tauroggen. Von der Königsau in Nordschleswig bis nach Brixen in Südtirol. Und keinen Quadratmeter weniger!“

Bereits am 12. Juni versuchten rund 30 bekannte Rechtsextremisten eine Veranstaltung des Projektes Tolerantes Dresden zur Kunstaktion 100 Tote zu stören. Im Veranstaltungsraum versuchte sich Menzel rhetorisch ins rechte Öffentlichkeitslicht zu setzen, gleichfalls Peter Naumann, verurteilter Terrorist und gegenwärtig Mitarbeiter von Menzel. Zudem waren FKS- und SSS-Mitglieder vor Ort.

Zu einer weiteren Veranstaltung von Tolerantes Dresden nur wenige Tage später am 16. Juni versammelte sich wiederum ein rechtsextremes Konglomerat, erneut mit Menzel und Naumann, um allem Anschein nach die Veranstaltungslokalität in der Dresdner Neustadt nicht nur verbal zu besetzen. Daran wurden die Rechtsextremisten von einer Gruppe Antifaschisten gehindert, woraufhin die Lage eskalierte.

Die Sächsische Zeitung berichtete in diesem Zusammenhang: “… Bei den Ausschreitungen zwischen Linken und Rechten mit vier Verletzten … in der Dresdner Neustadt wurde auch der NPD-Landtagsabgeordnete Klaus-Jürgen Menzel gesichtet. Ein Sprecher der Polizeidirektion Dresden bestätigte einen entsprechenden Zeitungsbericht. Offen sei, ob Menzel selbst – wie in antifaschistischen Internetseiten behauptet – handgreiflich wurde …“ Und weiterhin wird mitgeteilt, Menzel “habe aber bestritten, unmittelbar in die Schlägerei eingegriffen zu haben“.

Immerhin war Menzel (“Ein Karat härter als der Feind, das bringt den Sieg!“) an diesem Tag offensichtlich nicht gerade inaktiv inmitten einer Gruppe von Rechtsextremisten unterwegs, die in ihrer personellen Zusammensetzung nicht gerade für militante Zurückhaltung gegenüber Andersdenkenden bekannt ist. So wurde Menzel – neben Mitgliedern der eigentlich verbotenen SSS – unter anderem erneut von einschlägig gerichtsbekannten FKS-Kadern eskortiert. Dabei trat in wiederholter Führungsfunktion Sven Hagendorf in Erscheinung. Hagendorf war 2002 Bundestagsdirektkandidat für die NPD sowie 2004 Spitzenkandidat für das so genannte Nationale Bündnis zur Kommunalwahl und ist Betreiber des einschlägigen “Club 14“ in Dresden. Anmerkenswert zu allein diesem personellen Menzel-Umfeld scheint durchaus, dass Hagendorf nach einer NPD-Demonstration am 13. August 2001 in Dresden öffentlich mit einer Pistole im Hosenbund posierte – und am Wahlabend zum Sächsischen Landtag am 19. September 2004 als Bodyguard für NPD-Vertreter im Landtagsgebäude agierte.

Zum Tag der Offenen Tür in der Landeszentrale für politische Bildung am 30. Juni wiederum versuchten die NPD-Abgeordneten Klaus-Jürgen Menzel, Jürgen W. Gansel (Bundestagsdirektkandidat für Riesa, Torgau-Oschatz, Delitzsch-Eilenburg) und Gitta Schüßler eine Podiumsdiskussion in den Räumen der Einrichtung inhaltlich für sich zu vereinnahmen. Als Ansatzpunkt bedienten sie sich dabei der polemischen Forderungsfrage nach der Abschaffung des Verfassungsschutzes. Leider waren die Rechtsextremisten, als bei dieser Veranstaltung in Landeszentrale später um Ethik, Normen und Werte diskutiert wurde, dann schon nicht mehr anwesend.

So zeichnet sich seitens der “Volksfront“ von Rechts ein offensiv-aggressiver Bundestagswahlkampf um jedes einzelne Wählerprozent in den aus ihrer Sicht möglichen Hochburgen ab. Organisiert und geleitet wird dieser Wahlkampf bezeichnenderweise von der Geschäftsstelle der Sachsen-NPD im Dresdner Lockwitzgrund aus. Ihren Wahletat beziffert die NPD selbst auf “derzeit rund 500.000 Euro“. Dabei wird – unschwer vorauszusagen – wiederum und erneuert eine enge Zusammenarbeit mit den so genannten Freien Kameradschaften zu registrieren sein (Braun-nationaler “Tsunami“ als verlängerter parlamentarischer Arm?). Wie weit dieses rechtsextreme diesjährige Aktionsbündnis, über Plakate Kleben, Infomaterial und “Schulhof“-CD Verteilen letztendlich hinaus reicht, wird aufmerksam zu beobachten sein. Besondere Beachtung verdient hierbei die offensichtlich militante Drohung des NPD-Bundestagswahlkampfleiters, wenn für NPD-Stände im Wahlkampf seitens der Ordnungsbehörden nicht entsprechender Schutz erfolge, “werden wir uns zur Wehr setzen“.

[Dieser Artikel wurde am 8. Juli 2005 bei Telepolis veröffentlicht.]

Braun-nationaler “Tsunami“ als verlängerter parlamentarischer Arm?

Während sich die sächsische NPD-Landtagsfraktion hinsichtlich der Parlamentsinstrumente immer lernfähiger zeigt, scheint der Schulterschluss zwischen Partei und Kameradschaftsszene wieder zu bröckeln

In den vergangenen Monaten seit dem Einzug der NPD in den Sächsischen Landtag hat sich der Fokus der Aufmerksamkeit durchaus ein wenig in den Weiten der tagtäglichen parlamentarischen Arbeit verloren. Der Ernst der politischen Arbeit ist eingezogen. Längst hat die “tageszeitung“ ihre tägliche Glosse über den “Sachsen-Hitler“ Holger Apfel eingestellt und auch die wöchentlichen NPD-Witzchen der “Dresdner Morgenpost“ nach dem Duktus “Noch so ein Ding – Leichsenring“ gibt es nicht mehr. Kolportagen, dass NPD-Abgeordnete das Hohe Haus am Elbufer nur heimlich durch die Tiefgarage verlassen oder sich ängstlich nicht alleine auf die Parlamentstoilette trauen würden, wurden gleichfalls immer spärlicher und mit der Zeit gänzlich ad acta gelegt.

Natürlich erhielt die NPD-Fraktion die von ihr erhoffte mediale Aufmerksamkeit wegen der nötigen Wiederholungswahlgänge mit rechtsextremen Leihstimmen aus anderen Fraktionen bei der Wahl des Ministerpräsidenten (Niemand will es gewesen sein) und der Ausländerbeauftragten (Das Spiel mit zwei Unbekannten geht weiter) sowie zum Jugendhilfeausschuss des Landtages. Zielgerichtet und auf die entsprechende Klientel gemünzt, wurde von der NPD-Fraktion die geschichtsrevisionistische Titulierung “Bomben-Holocaust“ (Nur eine Landtagssitzung in Sachsen?) gleichfalls als kostengünstige politische Public Relation genutzt. Dass der NPD-Landtagsabgeordnete Matthias Paul als Vorsitzender des Umweltausschusses agiert, war dann wohl allerdings fast nur der Fraktion selbst eine Mitteilung wert.

Neben dem im so bezeichneten Drei-Säulen-Konzept propagierten “Kampf um die Straße“ und dem “Kampf um die Köpfe“ soll der in Sachsen erfolgreiche “Kampf um den Einzug in die Parlamente“ lediglich ein Etappenziel darstellen. Und gewählt von einem guten Teil aus der Mitte der Gesellschaft scheint die rechtsextreme sächsische Parlamentsvertretung im Dresdner Hohen Haus auch angekommen zu sein. Die Fraktion ist seit langem arbeitsfähig, Mitarbeiter sind eingestellt und die ersten Regionalbüros im Freistaat wurden eröffnet. Zudem soll nun auch der NPD-Landesvorstand nach Dresden umsiedeln, um effektiver Wirkung erzielen zu können.

Nach dem Wahlerfolg im September 2004 herrschte bis in weite Kreise auch der so genannten Freien Kameradschaften hinein eine regelrechte nationale Euphorie. Wie ist es aber eigentlich um die Wirkung der NPD-Fraktion bestellt? Mit wem sollte diese Fraktion hinsichtlich ihrer Arbeit im Parlament verglichen werden? Mit der Brandenburger DVU-Fraktion sicherlich nicht. Die NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag lernt das Nutzen der parlamentarischen Mittel mehr und mehr und wendet diese auch entsprechend an, wie allein das Einreichen gleich mehrerer Dutzend Kleiner Anfragen durch Uwe Leichsenring innerhalb kürzester Zeit exemplarisch zeigen mag.

Dass man es in Sachsen mit einer rechtsextremen Fraktion zu tun hätte, die sich innerhalb vielleicht nur weniger Monate durch sich selbst erledigen würde, konnten höchstens völlig über die sächsischen Zusammenhänge Uninformierte annehmen. Welche Arbeit in dieser NPD-Fraktion investiert wird, verfehlt allerdings scheinbar die gewünschte Außenwirkung, besonders in das doch durchaus für die NPD wichtige Spektrum der Freien Kameradschaften. Wen interessieren dort die 95 Änderungsanträge der NPD-Fraktion zum Haushaltsentwurf? Wen beeindruckt dort das sich umfangreich angeeignete – und die anderen Fraktion durchaus verblüffende – Hintergrundwissen über die Affäre um die Sächsische Landesbank? Sollen die braunen Mädels und Jungs auf der Straße mit dem NPD-nahen “Bildungswerk für Heimat und nationale Identität“ oder der von NPD-MdL Jürgen W. Gansel initiierten “Dresdner Schule“ erreicht und auf nationalem Kurs gehalten werden? Eher diesbezüglich Klientel-tauglich schien dann schon wiederum die NPD-Nichtteilnahme an der Feierstunde am 8. Mai im Sächsischen Landtag.

Allein in der finanziellen Ausstattung der Fraktion deuten sich für die nächste Zeit durchaus umfangreiche und offensive politische Arbeitsmöglichkeiten an. Dahingehend listete das Antifaschistische Infoblatt kürzlich auf:

Neben der Wahlkampfkostenrückerstattung gibt es noch mehr staatliche Töpfe, die angezapft werden können. Im Haushalt des Freistaates sind 770.000 Euro im Jahr für politische Stiftungen eingeplant. 100.000 Euro will die NPD davon jährlich für eine parteinahe Stiftung beantragen. (…) Selbst für den Fall, dass die NPD bei der nächsten Landtagswahl nicht wieder über die 5%-Hürde käme, die Stiftung müsste auch noch eine weitere Legislatur, bis 2009, aus Landesmitteln finanziert werden.

Braucht aber die NPD – also auch ihre sächsische Parlamentssektion – die Freien Kameradschaften eigentlich noch? Wählerzuspruch jedenfalls erhalten die Rechtsextremisten ja mittlerweile weit jenseits ihres militanten Straßenkämpfermilieus. Und sind mittlerweile die NPD-Abgeordneten nicht in einer anderen – freikameradschaftlich durchaus als parlamentarisch-korrupt gesehenen – politischen Sphäre und haben sich abgewendet vom “Kampf um die Straße“? Denn obwohl sich die NPD durchaus um die Freien Kameradschaften müht, die Kritik aus deren Reihen wird immer lauter – und besonders nach der unvermittelten Absage des geplanten NPD-Aufzuges am 8. Mai in Berlin.

Am 1. Mai in Leipzig – eine Demonstration von rund 850 Freien Kräften unter der Führung von Christian Worch kam auf Grund umfangreichen antifaschistischen Widerstandes und eines daraufhin verhängten polizeilichen Notstandes über die Stadt nur einige hundert Meter weit – hatte das noch anders geklungen. Der kürzlich auch als symbolisch handreichendes Zeichen für das nationale Kameradschaftsspektrum in den NPD-Bundesvorstand gewählte Thorsten Heise überbrachte ausdrückliche Grüße des Parteigremiums an die Kameradinnen und Kameraden auf der Straße und betonte in seiner Ansprache, dass der Freie Widerstand und die Freien Kameradschaften zur NPD gehören würden.

Zuvor hatte Axel W. Reitz “aus Liebe zum Vaterland“ bereits einen revolutionär-nationalen Kampf angekündigt, “bis der Letzte von uns untergegangen ist – oder bis zum Sieg“. Und der gleichfalls einschlägig vorbestrafte Neonazi Dieter Riefling – “Ich werde euch die Wahrheit ins Gehirn schreien“ – beschwor gar einen “nationalen Tsunami“, der “die Ghettos dieses Landes reinigen“ werde.

Trotz des aktuellen “Verrat“-Vorwurfs aus den Freien Kameradschaften besonders gegenüber der NPD-Parteileitung gibt es natürlich nach wie vor teilweise sehr enges Zusammenwirken dieser rechtsextremen Kräfte. So fungierten beispielsweise am Wahlabend des 19. September 2004 Teile der so genannten Freien Kräfte Sachsen (FKS) als Personenschutz für die NPD-Prominenz im Landtag. Auf einer FKS-Demonstration am 19. März 2005 durch die Dresdner Neustadt wiederum spielte Peter Naumann, Mitarbeiter von NPD-MdL Klaus-Jürgen Menzel, eine tragende organisatorische Rolle und durfte eine längere Ansprache halten.

Bei allen gegenwärtigen Schuldzuweisungen wird die Symbiose zwischen NPD und Kameradschaften auch weiter bestehen. Zudem wird der parlamentarische Arm des “nationalen Tsunami“ bemüht sein, Stimmpotentiale in der Mitte der Gesellschaft zu erhalten und sich darüber hinaus weitere zu erschließen. Mit welchen Mitteln und Strategien dieser rechtsextreme Zwei-Fronten-Kampf auf den Straßen und in den Parlamenten – nicht nur in Sachsen – genau betrieben wird, sollte sehr aufmerksam beobachtet werden. Aktivitäten von Nazis in sächsischen Parlamenten werden beispielsweise seit einiger Zeit in einer kritischen Online-Dokumentation zusammengefasst dargestellt.

Im gerade erschienenen Brockhaus-Jahrbuch 2004 ist zur NPD unter anderem Folgendes veröffentlicht:

Beflügelt vom Scheitern des Verbotsantrags beim Bundesverfassungsgericht im Jahr 2003 und ihren Wahlerfolgen, öffnete sich die NPD wieder verstärkt gewaltbereiten Neonazis. Der Parteitag Ende Oktober (…) wählte eine einschlägig vorbestrafte, einflussreiche Führungsriege in den Vorstand und stellte die Weichen für die Bildung einer ’Volksfront von rechts’.

[Dieser Artikel wurde am 12. Mai 2005 – bebildert – bei Telepolis veröffentlicht.]

Nur eine Landtagssitzung in Sachsen?

Während einer Aktuellen Stunde redet die NPD Klartext. Nur politisch Naive dürften sich jetzt verwundert die Augen reiben

Der neu gewählte Sächsische Landtag ist gut 100 Tage in Amt und Würden und hat in dieser Zeit schon mehrfach für Aufsehen weit über seine eigentlichen Ländergrenzen hinaus gesorgt (Demokratische Vertrauenswürdigkeit steht auf dem Spiel). Und die Sitzung vom 21. Januar 2005 dürfte vorläufig einen weiteren Tiefpunkt in der vormals demokratischen Geschichte des Hohen Hauses markieren.

Während einer anberaumten Schweigeminute für alle Opfer des Nationalsozialismus – “gleichviel durch welche Willkür- und Gewaltmaßnahmen sie zu Schaden gekommen sind“ – verließen die 12 Abgeordneten der NPD das Plenum. Die NPD-Fraktion wolle allein der Opfer der Bombardierungen deutscher Städte durch die Luftangriffe der Alliierten gedenken, wurde erklärt.

In seinem nachfolgenden Redebeitrag erklärte der NPD-Abgeordnete Jürgen W. Gansel: “Mit dem heutigen Tag haben wir auch in diesem Parlament den politischen Kampf gegen die Schuldknechtschaft des deutschen Volkes und für die historische Wahrhaftigkeit aufgenommen.“ Gansel bezeichnete die Bombardierung Dresdens am 13. Februar 1945 als “Bomben-Holocaust“.

Der Alterspräsident des sächsischen Landtags, Cornelius Weiss (SPD), sagte in seiner Rede zur geschichtlichen Verantwortung Deutschlands im Zweiten Weltkrieg den NPD-Beiträgen entgegenhaltend unter anderem:

Am Ende kehrte das Feuer in das Land der Brandstifter zurück. Wie sagte Heinrich Heine in hellseherischer Voraussicht: “Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen.“ Eine deutsche Stadt nach der anderen fiel den alliierten Bombenangriffen zum Opfer. Keine drei Monate vor Kriegsende traf dieses Schicksal auf besonders furchtbare Weise die Kunst- und Kulturstadt Dresden. So wichtig es ist, diese schrecklichen Ereignisse unserer gemeinsamen Geschichte in Erinnerung zu bewahren, so sinnlos, ja gefährlich ist es, sie gegeneinander aufzurechnen … Zur Erinnerung: Erst wollte der “größte Führer aller Zeit“ Österreich, dann das Sudetenland, dann Rest-Tschechien, dann den “Korridor“, dann ganz Polen und schließlich die ganze Welt. Ein Ver-Führer – ein ver-führtes Volk, das am Ende die Zeche zahlen musste. … Sorgen wir gemeinsam dafür, dass sich Geschichte nicht wiederholt. Das und nichts anderes ist das Vermächtnis von Dresden, die Lehre aus jener furchtbaren Nacht vor 60 Jahren.

Weiss betonte weiter: “Wir dürfen das Dresdner Inferno niemals vergessen, wir dürfen aber auch nicht vergessen, wie es dazu kam.“ Hier nannte er beispielsweise die Machtergreifung Hitlers 1933, die Verfolgung der Juden, den Massenmord in Konzentrationslagern, die deutschen Bombardements auf das spanische Guernica und das englische Coventry. An die Demokraten im Parlament richtete der Alterpräsident seinen Appell, “mit aller Entschiedenheit jenen in den Arm zu fallen, die schon wieder nach der Brandfackel greifen“. Von der Zuschauertribüne des Landtags wurde die Rede von Cornelius Weiss aus einer Gruppe sehr zahlreich anwesender Rechtsextremisten heraus mit “alter Jude“ kommentiert.

Gansel wiederum sagte im Hinblick auf die Ausführungen des Alterspräsidenten, dass moralische Betroffenheit keine historischen Fakten ersetze. Die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und PDS verließen daraufhin vollständig, die von SPD, CDU und F.D.P. teilweise den Plenarsaal. Gansel wörtlich: “Der Bomben-Holocaust von Dresden steht ursächlich weder im Zusammenhang mit dem 1. September 1939 noch mit dem 30. Januar 1933.“

Der NPD-Fraktionsvorsitzende Holger Apfel titulierte – “mit Schaum vor dem Mund und in Goebbelscher Manier“ (Weiss) – den 8. Mai 1945 als den “Tag der vermeintlichen Befreiung Deutschlands“ und sprach des weiteren davon, die “gleichen Massenmörder“, die Dresden am 13. Februar ausgelöscht hätten, seien “heute drauf und dran, neue Kriege vom Felde zu ziehen“.

Die Staatsanwaltschaft Dresden prüft gegenwärtig rechtliche Schritte. Die Vorgänge und Aussagen in der Landtagssitzung vom 21. Januar sollen wegen des Verdachtes auf Volksverhetzung “genauer ausgewertet“ werden.

Die NPD-Fraktion hat mittlerweile eine Kundgebung zum “Gedenken an die Opfer des anglo-amerikanischen Terrorangriffs auf Dresden vor 60 Jahren für den 13. Februar 2005“ vor dem Landtagsgebäude in Dresden angemeldet. Die Schirmherrschaft über den abendlichen so genannten Trauermarsch der Jungen Landsmannschaft Ostpreußen hat “auf Beschluss der Fraktion“ Holger Apfel übernommen. Die Ordnungsbehörde der Stadt Dresden rechnet für diesen Tag mit 5.000 Rechtsextremisten.

[Dieser Artikel wurde am 22. Januar 2005 bei Telepolis veröffentlicht.]