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MedienScreen # 266 [Maradona in Retrospect]

[Fundstück] Lars Quadfasel, “Nachspielzeit“, konkret, 1/2021 –

Wenn einer der Großen das Zeitliche segnet, ist Nostalgie angesagt: Berühmte Tore werden noch einmal gezeigt, berühmte Siege noch einmal gefeiert, und die Älteren erklären wissend, dass das damals noch echter Fußball war, nicht wie heute, wo Götze Mammon regiert. Das ist selbstverständlich Blödsinn, schon allein, weil das Gleiche auch vor vierzig Jahren schon im “Kicker“ stand. Wer sich die Mühe macht, einmal ein ganzes Maradona-Spiel anzuschauen, wird vor allem vom Eindruck der Trostlosigkeit überwältigt: Was für ein Geholze und Gestochere das in Wirklichkeit doch war; wie oft die Bälle verspringen oder planlos nach vorne gedroschen werden und wie schwer zu entscheiden ist, ob es sich bei den zahllosen Tritten von hinten in die Hacken um zynisches Kalkül handelt oder schlicht um Unvermögen. Umso stärker die Erleichterung über den kleinen stämmigen Wuschelkopf, der als einziger wirklich etwas mit dem Ball anzufangen weiß (…)

Ob Maradona nun wirklich “der Größte“ war oder nicht, ist eine eher müßige Frage. Was er mit Sicherheit war, war mehr als nur das (…)

Der spanische Autor Manuel Vázquez Montalbán schrieb einmal, Maradona symbolisiere das Versprechen des Lumpenproletariats auf Emanzipation. Da ist sicherlich etwas dran; erst recht, weil Maradonas Auftreten nach seiner aktiven Karriere – fettleibig, von Alkohol- und Drogenexzessen gezeichnet, auf der Flucht vor der Steuer, der Mafia und den Unterhaltszahlungen – die Assoziation noch einmal verstärkt. Aber darin allein geht dessen Bild nicht auf (…)

Im aufgeklärten Fußball ist für die Parusie, die Wiederkehr des Messias, kein Ort mehr vorgesehen. Was einerseits natürlich ein wenig traurig stimmt, andererseits aber nur heißen kann, dass sie dann wohl woanders stattfinden muss.

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