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Staatsschutz-“Joker“ beim “Sturm 34“

Dresden. Am zweiten Prozesstag gegen fünf führende Kader der rechtsextremistisch-militanten Kameradschaft outete sich einer der Angeklagten nun auch öffentlich als Informant des polizeilichen Staatsschutzes – es bleiben weiter offene Fragen.

Bislang wurde eher orakelt, ob überhaupt und wenn, für welche Behörde – Polizei, Staatsschutz oder LKA – der als “Joker“ titulierte Angeklagte tätig gewesen sein könnte. “Aus den Akten ergebe sich nichts. Was vermuten lässt, dass sie unvollständig sind“ (Dresdner Morgenpost). Der 40-jährige hatte sich vor kurzem an den Petitionsausschuss des sächsischen Landtages gewandt, weil ihm die angeblich als Informant zugesicherte Straffreiheit nicht realisiert wurde. Der Vorsitzende Richter Martin Schultze-Griebler nannte es zu Beginn des zweiten Prozesstages einen “ausgesprochen schlechten Stil“, dass der Angeklagte in einer Zeitung detaillierte Angaben zu seiner vermeintlichen Tätigkeit für den Staatsschutz der Chemnitzer Polizei gemacht hatte, bevor er sich im Prozess dazu geäußert habe.

Nach seiner heutigen Darstellung hatte der “Joker“ bereits mehrere Monate vor Gründung des “Sturm 34“ regelmäßige Kontakte zum Staatsschutz gehabt. So habe er per SMS Hinweise über Aktivitäten der Kameradschaft an Mitarbeiter der Staatsschutzabteilung bei der Chemnitzer Polizei gesendet, zudem auch Fotos übergeben. Im Gegenzug habe er Handykarten und etwa 1.000 Euro erhalten. Außerdem bestätigte der Angeklagte Vorwürfe aus der Anklageschrift. Der “Sturm 34“ sei gegründet worden, um in der Region Mittweida eine “national befreite Zone“ zu schaffen. “Der Staatsschutz war über die Gründung informiert“, betonte er. Im bisherigen Prozessverlauf hatte die Staatsanwaltschaft angegeben, Matthias R. sei erst nach der Gründung der Kameradschaft auf die Ermittler zugegangen. Bei der Gründung des “Sturm 34“ Anfang März 2005 wäre er, so der Angeklagte, aber dabei gewesen.

In gewisser Weise merkwürdig ist es allerdings wiederum schon, dass in der –  redok vorliegenden – Verfügung zum Verbot der Kameradschaft durch den sächsischen Innenministers Albrecht Buttolo (CDU) vom 23. April 2007 bei den detaillierten Schilderungen der “Sturm 34“-Gründung besagter Informant nicht namentlich erwähnt wird.

Unterdessen verlangt die Abgeordnete Kerstin Köditz (Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag) von Minister Buttolo Antworten darauf, warum durch das Innenministerium über Jahre und auch nach dem Verbot von “Sturm 34“ die Existenz der Vorläuferorganisation “Division Sächsischer Sturm“ verschwiegen und zudem nicht darüber informiert wurde, dass ein erheblicher Teil der Tatverdächtigen des “Sturm 34“ nicht aus dem Kreis Mittweida, sondern aus dem Kreis Stollberg beziehungsweise aus Chemnitz stammt. Zudem sollen durch die Staatsregierung Erkenntnisse über die “enge Verflechtung zwischen dem gewalttätigen ’Sturm 34’ und der NPD“ offen gelegt werden. So seien nach einem Bericht der Polizeidirektion Chemnitz-Erzgebirge aus dem Mai 2006 die meisten Angehörigen des “Sturm 34“ ausdrücklich dem NPD-Kreisverband Mittweida zugeordnet worden. Zudem gebe es Berichte, dass der “Sturm 34“ – wie vormals ebenso die Skinheads Sächsische Schweiz – den Saalschutz bei NPD-Veranstaltungen gestellt habe.

Der Vorsitzende Richter vor dem Landgericht Dresden machte schon am ersten Prozesstag deutlich: “Das Gericht wird nicht zögern, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen, auch wenn das für einige Behörden unangenehm ist“. Gleichfalls hatte Schultze-Griebler klar gestellt, dass das Verfahren platzt, wenn eine Mitwirkung des Staatsschutzes an der Gründung der Kameradschaft offenkundig wird.

[Dieser Artikel wurde am 11. April 2008 bei redok veröffentlicht.]

“Sturm 34“ – ein politisch missglückter Koitus interruptus?

Dresden/Mittweida. Der sächsische Innenminister hatte für die durch ihn letztendlich plakativ verbotene rechtsextrem-militante Kameradschaft wohl nicht alle Facetten im Blick – zur mittlerweile bekannt gewordenen augenscheinlichen Vorgängerorganisation “Division Sächsischer Sturm“ schweigt er bisher.

Die Freie Presse berichtet aktuell – “Wie aus der ’Division Sächsischer Sturm’ in Mittweida der ’Sturm 34’ wurde“ – nach offenbar neu gesichteten Materialien, dass “die gewalttätigen Aktivitäten von Mitgliedern der Gruppe nicht erst im Jahr 2005, sondern bereits im Jahr 2003“ begonnen hätten.

So zitiert die Zeitung beispielsweise einen Sachstandsbericht der Staatsschutzabteilung der Polizeidirektion Chemnitz-Erzgebirge vom 15. Mai 2006: “Der Großteil dieser Personen [’Sturm 34’] ist als Gruppe schon seit mehreren Jahren unter dem Namen ’Division Sächsischer Sturm’ zusammen, wo sie bereits gemeinsam Straftaten aus politischer Motivation heraus begangen haben.“

Am 21. Mai 2007 formulierte Sachsens Innenminister Albrecht Buttolo (CDU): “Im Zusammenhang mit der verbotenen rechtsextremistischen Kameradschaft ’Sturm 34’ wird von organisierten Übergriffen ausgegangen, die im Jahr 2006 im Landkreis Mittweida durch Mitglieder der Kameradschaft veranlasst und begangen wurden. Da verschiedene Angehörige dieses Personenzusammenschlusses bereits im Jahr 2005 als gemeinsame Tatverdächtige bei rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten ermittelt wurden, ist jedoch nicht auszuschließen, dass auch diese Taten gezielt begangen worden sind.“

Ein wenig merkwürdig erscheinen Buttolos dahingehende Äußerungen schon, wenn man sie – wie es die Freie Presse getan hat – mit der von ihm selber unterzeichneten Verbotsverfügung gegen den “Sturm 34“ vom April 2007 vergleicht: “In der Nacht vom 04.03. zum 05.03. wurde die Kameradschaft ’Sturm 34’ gegründet. Sie setzt sich im wesentlichen aus Mitgliedern der ehemaligen ’Division Sächsischer Sturm’ zusammen, die sich aus der rechtsextremistischen Szene Mittweida heraus bildete.“ Laut Angaben der Freien Presse habe ein Insider aus der Szene berichtet, “dass ’Sturm 34’ wohl nur gegründet wurde, um ein Verbot der Division ’Sächsischer Sturm’ zu umgehen“.

In den öffentlich zugänglichen Dokumenten des sächsischen Verfassungsschutzes (LfV) findet sich – so die Freie Presse – nur ein einziger Hinweis auf die “Division Sächsischer Sturm“ – und zwar “in einer Aufzählung über rechtsextremistische Bands“. Nach Recherchen spielte der mutmaßliche Rädelsführer von “Sturm 34“ in einer gleichnamigen Band sowie auch in der Vorgänger-Band mit dem Namen “Division Sächsischer Sturm“ – ebenso wie ein weiteres Mitglied des vor einem Jahr offiziell verbotenen “Sturm 34“.

Allein schon das Text-Repertoire der Bands zeige “die wahren Absichten der Truppe“ (Freie Presse):

“Das Dritte Reich muss wieder auferstehn. Die schwarz-weiß-rote Flagge wird wieder wehen.“

“Marschier für deine Sache, stell die Bonner an die Wand. Wir werden uns organisieren, Skinheads werden die Welt regieren.“

Bedeutend schwerer als diese Liedzeilen wiegen wohl allerdings die Straftaten aus dem Umkreis der “Division Sächsischer Sturm“ sowie nachfolgend des “Sturm 34“, die zudem noch nach der augenscheinlichen Enttarnung eines V-Mannes – mittlerweile “Joker“ genannt – und der ersten großen Razzia im Juli 2006 gegen die Kameradschaftsstrukturen weiter verübt worden sind. Das offizielle Verbot des “Sturm 34“ erfolgte im April 2007. Allerdings sei augenscheinlich “die Skinhead-Kameradschaft bereits seit 2003 aktiv [gewesen] und nicht erst ab 2005, wie Behörden und Staatsregierung bislang erklärten“ (ddp).

Zu Fragen “wieso nicht schon die Gründung von ’Sturm 34’ verhindert [wurde], wo doch bekannt war, dass ein Großteil der späteren ’Sturm-34’-Mitglieder bereits in der ’Division Sächsischer Sturm’ aktiv an politisch motivierten Straftaten beteiligt waren“ (Freie Presse), lehnt Sachsens Innenminister Buttolo bislang jede Stellungnahme ab.

[Dieser Artikel wurde am 8. April 2008 bei redok veröffentlicht.]

Treffen des “Sturm 34“ verhindert

Mittweida. Nur mit einem Großaufgebot der Polizei konnte in der westsächsischen Stadt am gestrigen Abend ein größeres Treffen der rechtsextremen Szene unterbunden werden. Mitglieder der verbotenen Neonazi-Kameradschaft “Sturm 34“ wurden in Gewahrsam genommen.

So hatten Polizeikräfte an den Zufahrtstraßen zur Stadt Kontrollpunkte eingerichtet sowie zusätzliche Streifen im Stadtgebiet eingesetzt. Im Laufe des Abends wurden 13 mutmaßliche Mitglieder der verbotenen rechtsextremen Kameradschaft “Sturm 34“ wegen Verstoßes gegen das Vereinigungsverbot in Gewahrsam genommen. Darüber hinaus erhielten weitere 59 Personen an den Kontrollstellen und in der Stadt Platzverweise. Der “Sturm 34“ war im April vom sächsischen Innenminister verboten worden.

Im Einsatz waren Beamte der Polizeidirektion Chemnitz-Erzgebirge sowie der Bereitschaftspolizeien Sachsens und des Nachbarlandes Thüringen. Nach einem indymedia-Bericht sind bei der Aktion mindestens zwei Polizeihundertschaften beteiligt gewesen. Abseits der Polizeipräsenz habe es Übergriffe seitens der Rechtsextremisten gegeben, “die gezielt auf der Jagd nach Alternativen und Linken waren“. Das Polizeirevier Mittweida wollte sich gegenüber redok dazu nicht äußern, die Polizeidirektion Chemnitz verwies auf die Berichterstattung des MDR.

Erst am 8. Dezember erfolgte in Mittweida durch rund 150 Rechtsextremisten ein brauner Adventsauftritt. Kurz danach resümierte auch das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) eine “neue Qualität bei der Vernetzung rechtsextremistischer Szenen im Freistaat Sachsen“. Laut indymedia waren die Rechtsextremisten gestern Abend koordiniert unter anderem aus Chemnitz sowie den Regionen Döbeln und Zittau nach Mittweida angereist.

[Dieser Artikel wurde am 22. Dezember 2007 bei redok veröffentlicht.]

Justiz und “Sturm 34“ – neverending story?

Chemnitz. Nach mehreren Ungereimtheiten in den prozessualen Verfahren gegen die eigentlich verbotene militant-rechtsextremistische Kameradschaft aus Westsachsen räumt die Polizei mittlerweile auch offiziell Ermittlungspannen ein. Gegen einen tatverdächtigen Rechtsextremisten wurde eineinhalb Jahre lang nicht ermittelt, weil er als Zeuge behandelt wurde.

Wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet, hat die Polizei im Prozess vor dem Amtsgericht Chemnitz gegen den mutmaßlichen Rädelsführer der Kameradschaft Sturm 34 Ermittlungspannen zugegeben. Ein weiterer tatverdächtiger Rechtsextremist sei im Ermittlungsverfahren nicht als Beschuldigter, sondern lediglich als Zeuge behandelt worden, sagte der Leiter des Staatsschutzdezernates der Polizeidirektion Chemnitz-Erzgebirge heute in der Verhandlung. Und nicht erst seit gestern steht das Verfahren gegen die bereits vor Monaten vom sächsischen Innenminister verbotene Kameradschaft wiederholt öffentlich in der Kritik. In der Region scheint sich zumal auch nach dem ministeriellen Verbot grundlegend nicht allzuviel geändert zu haben.

Opfer einer der aktuell vor Gericht verhandelten rechtsextremistischen Attacke aus dem Aktionsfeld des Sturm 34 hatten neben dem ursprünglich allein angeklagten Tom Woost “zumindest einen weiteren Neonazi, der wegen eines anderen Delikts bereits zu einer Bewährungsstrafe verurteilt ist, identifiziert“ (dpa). Gegen jenen sei allerdings gut anderthalb Jahre nicht ermittelt worden, weil er lediglich als Zeuge im Verfahren geführt wurde. “Das ist ein unerklärliches Versäumnis“, räumte der Chemnitzer Staatsschutzleiter heute in der Verhandlung ein. Mittlerweile hat die Staatsanwaltschaft auch gegen den zweiten Verdächtigen – den bisherigen Zeugen – ein Verfahren eingeleitet.

Weiterhin gab der Polizei-Dezernatsleiter vor Gericht zu Protokoll, dass im laufenden Verfahren “die Erstellung der Vernehmungsprotokolle offenbar nicht sauber“ praktiziert wurde. So sei beispielsweise eine Lichtbildvorlage gleich mehreren Zeugen vorgelegt und nicht wie vorgeschrieben an die jeweiligen Protokolle geheftet worden – aus “ökonomischen Gründen“, zitiert dpa den Beamten. Die durchaus als dilettantisch zu bezeichnende Zusammenstellung der dem Gericht offenbar so vorliegenden Fotos ist ein Hauptkritikpunkt der Verteidigung. Laut dpa bemühte sich die Staatsanwaltschaft unterdessen, “den Vorwurf, dass die Bilder einseitig ausgewählt wurden, zu entkräften“.

Mitte November hatte das Chemnitzer Amtsgericht auf Antrag der Verteidigung drei Anklagepunkte an das Landgericht Dresden verwiesen, doch erst vor wenigen Tagen erklärte sich die Staatsschutzkammer beim Landgericht Dresden dafür nicht zuständig und schickte diese Anklagepunkte nach Chemnitz zurück. Dabei geht es um Überfälle auf einen Kameruner in Mittweida und ein Café in Döbeln in diesem Jahr. Nun muss das Oberlandesgericht Dresden über die Zuständigkeit entscheiden. Die Fortsetzung des Prozesses ist gegenwärtig auf den 7. Januar 2008 terminiert.

[Dieser Artikel wurde am 17. Dezember 2007 bei redok veröffentlicht.]

Messerattacke in Westsachsen

Meerane/Chemnitzer Land. In den Abendstunden des 28. November wurde kurz nach 22 Uhr am Schützenplatz ein 24-jähriger Mann von augenscheinlichen Rechtsextremisten überfallen und mit einem Messer niedergestochen. Wie die Chemnitzer Morgenpost berichtet, schwebe das Opfer seitdem in Lebensgefahr und wird in einem Zwickauer Krankenhaus ärztlich versorgt. Nach einer umgehend durchgeführten Not-Operation bangten die Ärzte um das Leben des jungen Mannes.

Nach weiteren Berichten sind die mutmaßlichen Rechtsextremisten – die sich nach Angaben von Augenzeugen ständig abends und nachts vor einem Supermarkt am Meeraner Schützenplatz aufhalten sollen – unvermittelt von hinten auf ihr Opfer losgestürmt. Danach nahmen sie den jungen Mann in den Schwitzkasten, rammten ihm schließlich auch noch ein Messer in die Brust und ließen ihn anschließend blutend liegen. Bei der Attacke wurden Lunge und Milz des Angegriffenen in Mitleidenschaft gezogen. So schwer verletzt soll sich der 24-Jährige zu Freunden gerettet haben, die dann einen Notarzt verständigten.

Unterdessen erklärte die Polizeidirektion Chemnitz-Erzgebirge, es gebe im bisherigen Verlauf der Ermittlungen “keine Erkenntnisse, dass ’Skinheads’ diese Straftat“ begangen hätten. Für den Angegriffenen habe “zu keinem Zeitpunkt Lebensgefahr“ bestanden. Die Polizeidirektion verwies “hinsichtlich der Wahrnehmungen des Geschädigten zum Tatverlauf“ darauf, dass “der 24-jährige Geschädigte zum Zeitpunkt der Attacke auf ihn unter Alkoholeinwirkung“ gestanden habe, da er nach eigenen Angaben im Vorfeld der Ereignisse “mehrere Flaschen Bier getrunken“ hatte. “Einzelheiten zum Verlauf des Geschehens und eine Täterbeschreibung“ waren laut Polizeidarstellung durch den Geschädigten nicht näher verifizierbar.

Fast gleichzeitig wurde von AMAL Sachsen allerdings dieser Vorfall in die laufende Chronik rechter Aktivitäten in sächsischen Landkreisen und kreisfreien Städten aufgenommen.

Im Oktober 2006 berichtete das Internet-Magazin Telepolis unter der Überschrift “Rechtsradikaler Terror vertreibt Politiker“ über den polizeilichen Umgang mit Rechtsextremisten anlässlich einer diesbezüglichen linksgerichteten Solidaritätsversammlung vor Ort: “Am Abend dieser Kundgebung in Meerane wussten die dann anrückenden Einsatzkräfte allerdings ziemlich genau um die Prioritäten ihres dortigen Einsatzes. Nach Augenzeugenberichten wurden die rund 40 Gegendemonstranten aus dem rechtsextremistischen Spektrum am Rand der Veranstaltung von der Polizei kaum beachtet – im Gegensatz zu den Versammlungsteilnehmern …“.

[Dieser Artikel wurde am 30. November 2006 bei redok veröffentlicht.]