Schlagwort-Archive: Pyrotechnik ist kein Verbrechen

Dresdner K-Block. Pyro-Böller am Allerwertesten.

Abendlich ins Rudolf-Harbig-Stadion geschaut. Nur mal so. Zum aktuell Tabellenletzten der zweiten bundesdeutschen Liga, anlässlich des 13. Spieltages einer wie auch immer laufenden Saison. In die erste Halbzeit der rasenballsportlichen Begegnung gegen SV Wehen Wiesbaden. Oder darüber hinaus?

 

 

 

 

 

(@ Twitter, 8. November 2019, 19:17 Uhr)

 

 

 

Die Partie zwischen Dynamo Dresden und SV Wehen Wiesbaden endete dann schlussendlich 1:0, auf dem Rasen.

(Screenshots Twitter: O.M.)

Pyrotechnik ist kein Verbrechen – War da was?

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– Nachschiebsel –

(…) die Partie stand kurz vor dem Abbruch.

Auch auf den Rängen wurde es unruhig. Offensichtlich wollte sich der Böllerwerfer in den benachbarten J-Block absetzen und dort verstecken, was misslang, weil ihn Anhänger der aktiven Fan-Szene verfolgten und stellten. Ein Selbstreinigungsprozess also, was bemerkenswert wie löblich ist.

Allerdings soll der Verdächtige dabei leichte Verletzungen davongetragen haben. Ob es sich tatsächlich genauso abgespielt hat, ist jedoch nicht ganz klar (…)

Mit dem Böllerwurf sei eine Grenze überschritten wurden, erklärte [Dynamo-Pressesprecher] Buschmann und sprach von einem Einzeltäter. Bedenklich ist jedoch, dass nach längerer Zeit wieder im Heimbereich des Rudolf-Harbig-Stadion Bengalos außerhalb einer Choreografie abgebrannt wurden – und das auch schon bei der Erwärmung der Mannschaften vor dem Spiel (…)

[Daniel Klein, “Die Folgen nach dem großen Knall“, Sächsische Zeitung (Print-Ausgabe), 11. November 2019]

– Nachnachschiebsel –

(…) Unmittelbar nach dem Vorfall, noch während des Spiels, hatten Dynamo-Fans einen 23-Jährigen an den Sicherheitsdienst übergeben, der einen Böller im Block zur Explosion gebracht hatte (…) [dynamo-dresden.de, 28. November 2019].

(…) Eigentlich hatten die Dynamo-Fans direkt nach der Aktion einen Mann ausfindig gemacht. Sie übergaben den 23-Jährigen der Security. Doch der hatte mit der Tat offenbar nichts zu tun. Denn wie die Polizei am Donnerstag [28. November] mitteilte, wurde in Zusammenarbeit mit dem Verein ein 18-Jähriger als Tatverdächtiger identifiziert (…) [Dresdner Morgenpost, tag24.de, 28. November 2019].

Ennobled by n-tv: Pyro is not a crime

Der Fußballsport und die Begeisterung seiner Anhänger jeder Provenienz – unendliche Weiten. Wir haben Dinge gesehen … Mitunter rauchblinkend von den Stadionrängen beleuchtet. So vor sich hin fackelnd von einigen verteufelt. Und nicht nur monetär geahndet durch den Deutschen Fußball-Bund (DFB). Vormals.

Bis es sich begab, die Augen geöffnet zu bekommen, die Anmut des Augenblicks erkennend.

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Kein Gelaber mehr. Emotionen sprechen. Endlich Tatsachen. Nachdrücklich. Mit Macht des Bildes.

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(Screenshots n-tv: O.M.)

Es ist an der Zeit. Auch nt-tv Der Nachrichtensender kämpft. Für die Freiheit der Stadionkurven? Was sonst?

Doppelmoral, die

Wortart: Substantiv, feminin

Worttrennung: Dop|pell|mo|ral

Bedeutungsübersicht: verschiedene Grundsätze gelten lassende, zweierlei Maßstäbe anlegende Moral

[aus: duden.de]

Werte Kolleginnen und Kollegen von nt-tv, sollten wir reden?

MedienScreen # 148 [Pyrotechnik ist …]

[Fundstück] Elke Schmitter, “Pyromania Germaniae“, DER SPIEGEL, 7. Januar 2017 –

(…) Aufgrund seiner hohen Wirksamkeit, die sich ohne Training oder Fachkenntnisse erzielen lässt – Knall, Schreck und bunter Regen für kleines Geld -, empfiehlt sich das pyromanische Haushaltsset naturgemäß für die Begrüßung des neuen Jahres (…) und weil die Kinder nicht bis Mitternacht warten sollen, fängt das säkulare Opferfest schon lange vorher an. Es steigert sich kontinuierlich, bis in der Notaufnahme die Alkoholversehrten mit den Brandverletzten um Aufmerksamkeit konkurrieren (…) Eine höhere Steuerbelastung taugt nicht zur Eindämmung des Phänomens, denn schon heute werden die billigen Feuerwerkskörper übers Netz aus Ländern geordert, denen TÜV und DIN böhmische Dörfer sind, weshalb der eine und andere Finger den sparsamsten Pyrotechnikern zum neuen Jahr nun fehlt.

Man soll diese Volksseelensache ja nicht überstrapazieren, aber dass sich in Deutschland ein paramilitärischer Ritus durchgesetzt hat, der auf Krach, Schock und Überwältigung zielt, ist doch immerhin bedauerlich (…)

MedienScreen # 106 [Pyro Spotlight: Coca-Cola feat. UEFA EURO 2016]

[Fundstück] Marco Bertram, “’Euer Team braucht Euch!’ – Und angefeuert wird mit Rauch und Bengalen“, turus.net, 30. Mai 2016 –

Zugegeben, Werbespots von Coca-Cola interessieren mich nicht das viel zitierte Böhnchen. Als mir im Netz jedoch ein Bericht eines Kollegen “über den Weg“ huschte, wurde ich neugierig. Mal wieder ein Werbespot eines allseits bekannten Weltkonzerns, in dem – weil es so hübsch aussieht – Pyrotechnik zum Einsatz kommt. Und wahrlich, das Mitte April dieses Jahres ins Netz gestellte 30-sekündige Filmchen hat es in sich. Wow! In Sekunde 25 heißt es: “Euer Team braucht Euch!“ und zu sehen ist ein prall gefülltes Stadion. “Deutschland!“ ist Weiß auf Rot in Form einer großen Zettel-Choreo zu lesen. Links und rechts in den Kurven brutzeln dazu die Bengalen. Zwei rote nicht zu übersehende Brandherde. Einmal Unterrang, einmal Oberrang. Und nicht am Zaun, sondern hübsch mittendrin. Richtig Old School. Sieht ja auch besser aus. Einfach runterbrennen lassen die Teile und dann sorgsam unter einen Sitz gelegt. Aber vielleicht kommt ja auch ein netter Ordner mit einem Sandeimer vorbei. Keine Ahnung, was sich die Werbestrategen bei diesem Werbeclip gedacht haben, aber eine Frage stellt sich da schon: Wird solch eine Werbekampagne nicht mit den Verbänden abgesprochen? Immerhin ist Coca-Cola einer der wichtigsten Werbepartner der Fußballgroßveranstaltungen. Oder wurde einfach in Guerilla-Marketing-Manier der Clip ins Netz gehauen? (…)

Wie in einem Kino-Film (Jason Bourne lässt grüßen) gibt es zu Beginn eine Luftaufnahme von Berlin inklusive Telespargel. Ja, die ganze City Ost als Panorama! Meine Fresse, das ganze ZK der SED tanzt bei diesem Anblick in der Gruft. “Ooh, das sieht nicht gut aus. Die deutsche Mannschaft braucht jetzt die Unterstützung der Fans …“ hört man im Hintergrund eine Kommentatorenstimme. Jetzt aber. Wir alle! Gemeinsam! Zusammen packen wir das! Auferstanden aus Ruinen! Aufbau Ost, äh, Aufbau deutsche Nationalmannschaft, äh Mannschaft! Was auch immer! Runter von den Kissen, rauf auf die Straße! Jetzt! Angesprochen werden im Spot “nicht nur Fußballfans“, nein, “alle“ sollen helfen. Dabei sein. Anfeuern. Aus dem Büro direkt zum Stadion. Sogar vom Laufsteg. Und ja, auch die Mütter mit Kinderwagen werden aufgerufen. Und sogar vom Pflegeheim aus soll es direkt zum Ort des Geschehens gehen.

Und plötzlich befinden sich alle auf der Straße. Arme hoch. Deutschlandfahnen wehen. Und im Hintergrund – schön indirekt angeleuchtet (vielleicht legten paar Fans auch ein paar “Breslauer“ hin) – steigt der Rauch auf. Doch bevor es im Dunkeln zur Massenversammlung kommt, ist eine der Sequenzen davor auch bemerkenswert. Eine Nahaufnahme von ein paar Männern, die sich mit den Cola-Flaschen in der Hand auf den Weg machen. Betrachtet man das Ganze mal als Standbild, erkennt man, dass ein paar kernige Kerlchen dabei sind. Voila! Der in der ersten Reihe ganz rechts erscheint fast wie aus “Football Factory!“. Lächelnd zum nächsten Fight. Und die drei Typen im Hintergrund ganz rechts sehen auch aus wie Jungs von der dritten Halbzeit. Bei Sekunde 18 können sich auch zwei, drei Männer in der erstem Reihe sehen lassen. Na geht doch! Da hat die Casting-Abteilung doch mal recht ordentlich gearbeitet. Keine Typen mit bemalten Gesichtern und albernen schwarz-rot-goldenen Perücken. Nein, richtige Kerle! Bereit zu allem!

Vom Weichgespülten mal wieder zurück zu etwas mehr Kernigkeit? Was die Mütter mit Kinderwagen beim Aufmarsch sollen, ist dann jedoch die große Frage. Bei solch hitziger Atmosphäre sollte ein Baby nun vielleicht wirklich nicht mit dabei sein. Sein “Baby“ auf den Schultern hat indes am Ende des Spots einer der charismatischen Typen. Der Mob feiert, die sexy Lady auf den Schultern des Raspelkurzhaarigen schwingt die Arme wie auf einem Konzert, und im Hintergrund wurde wieder fröhlich gezündet. Roter und weißer Rauch wabert – als wäre es das Normalste der Welt – durch die Lüfte.

Schön anzuschauen? Na klar, kann sich sehen lassen. Wäre doch mal was, wenn solch ein Ausleben der Emotionen im realen Fußballleben wieder erlaubt, ja geradezu erwünscht ist. Solange aber im Ligaalltag mit medialen Keulen und verbandstechnischen Knüppeln auf jegliches Ausleben in den Fankurven eingeschlagen wird, ist solch ein Werbespot einfach nur eine reine Farce (…)

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Mit Dank & Gruß an Marco Bertram.