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MedienScreen # 102 [Danke, Red Bull, Danke]

[Fundstück] “Bundesliga im Osten. Wie haben wir dich vermisst!“, spuckelch.wordpress.com, 17. Mai 2016 –

In Leipzig wurde 1989 die Einheit Deutschlands ins Rollen gebracht. Und wie der Lauf der Geschichte es will, wurde sie in der Heldenstadt auch zum krönenden Abschluss gebracht. Nach ausreichend Spaßbädern und Gewerbeflächen verfügt der Osten nun auch über das höchste sportliche materielle Gut: Die Fußball-Bundesliga. Wir hier drüben sind jetzt alle glücklich und zufrieden. Gibt es etwas Schöneres? Gibt es etwas Wichtigeres? Jetzt können die in den Westen abgewanderten Ossis wieder heimkehren und hier Bundesliga schauen. Die Medien sind sich einig: Das hat der Osten verdient. Wir gehören endlich dazu, und ermöglicht hat uns das ein Österreicher. Natürlich! Die wissen ja, wie es sich anfühlt, nicht dazu zu gehören.

Jahrelang mussten wir unseren zu irgendwelchen Vereinen in den unteren Ligen quälen. Die nichts hatten, außer Tradition. Aber was nutzt die, so ganz ohne Bundesliga? So lässt sie sich ja nicht mal mit einem knackigen Werbeslogan vermarkten. Wir haben zugesehen, wie es Energie Cottbus nach oben schaffte und dabei ganz unprofessionell auf eigene Kraft und Kreativität setzte. Mussten ja wieder abstürzten. Und in Dresden, Berlin, Rostock, Blau-Gelb und Grün-Weiß – Leipzig, Magdeburg, Aue, Chemnitz, Babelsberg, Erfurt, Jena, Halle quälten wir uns mangels Alternativen Woche für Woche zum bundesligafreien Fußball ins Stadion und durften zum Dank auch noch unsere Choreos selber bezahlen, beim Stadionausbau mitackern, die Vereine vor Insolvenzen retten! Schön war das nicht!

Wir mussten jahrelang auf zerrissene Anstoßzeiten, überhöhte Kartenpreise und Sky-Abos verzichten. Viele von uns haben noch nie FIFA-Soccer mit der eigenen Mannschaft spielen können! Statt eines teuren Stars mit eigenem Sportwagenfuhrpark wurden wir mit dessen Abziehbild, der sich gerade mal einen Q5 leisten konnte, abgespeist. Unsere sexy Spielerfrauen schafften es in keinen Modelkalender. Wir harrten unter uns im Stadion aus, ohne dass uns ein Maskottchen zuwinkte. Wo andere seit Jahren klatschpappten taten uns noch die Hände vom selber machen weh. Aber diese grauen Jahre sind Gott sei Dank vorbei. Wir Ossis naschen nun auch am Hochglanzkuchen Bundesliga. Endlich brauchen wir uns im Stadion nicht mehr mit hingeschluderten Werbeblöcken von Provinzunternehmen nerven lassen, sondern bekommen eine Bundesligashow mit High-End-Reklame von Weltkonzernen! Halleluja!

Danke Leipzig!

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Mit Dank & Gruß an den Spuckelch und dortselbst im Original.

MoPo beleidigt einige Ost-Vereine. Aber nur fast.

“Silly beleidigt Leipzig-Fans“ titelt die Dresdner Morgenpost vom Tage zum “Eklat bei RB-Aufstiegsfeier“ am zurückliegenden Pfingsmontag. Als Erklärung auf der Frontseite der Zeitung –

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(Titelseite Dresdner Morgenpost, 17. Mai 2016, Ausschnitt – O.M.)

Doch titelseitig gesehen ist das eben nur ein Teil der Wahrheit. Und ausgerechnet allein Dynamo Dresden muss dafür herhalten. Genauer betrachtet war der Auftritt von Silly in Leipzig doch viel bunter. Und hätte sich so auch als Aufmacher nicht übel gemacht.

Schließlich trat Sängerin Anna Loos in einer Obertrikotage vom 1. FC Union Berlin auf. Keyboarder Ritchie Barton war mit einem Leibchen des 1. FC Magdeburg bekleidet. Gitarrist Uwe Hassbecker hatte ein Dress vom FC Hansa Rostock übergestreift. Und, ja, Bassist Jäcki Reznicek stand in einem Trikot von Dynamo Dresden auf der Bühne. Last but not least saß Ronny Dehn im Rote-Bullen-Shirt am Schlagzeug.

Angemerkt sei, dass der Dresdner Morgenpost dann im Innenteil die Ausgewogenheit in aller Bandbreite der mannschaftsfarblichen Darstellung über RasenBallsport Leipzig hinaus gelingt. Zitatenreich garniert –

“Wir sind ja für den Fußball im Osten. Und dafür, dass die Menschen jeden Tag kämpfen. Manche Mannschaften müssen ein bisschen mehr kämpfen und haben weniger Geld. Für all die sind wir hier“, erklärte Loos nach dem Auftritt im MDR.

Für die Pfiffe hatte sie kein Verständnis: “Wir dachten, wir spielen hier für die ostdeutschen Fußballmannschaften. Jetzt ist das eine Aufstiegsfeier von RB Leipzig. Wenn die keinen Spaß verstehen, dann sind sie selber Schuld.“ (Dresdner Morgenpost, 17. Mai 2016)

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(Online vorab differenzierter. MoPo24.de, 16. Mai 2016 – Screenshot: O.M.)

Und übrigens nicht nur nebenbei: Chapeau!, Silly.

Sächsischer “Phänomenbereich Sport und Gewalt“

Nach offiziellen Darstellungen waren mit Stichtag 30. April 2013 Informationen über 13.033 Personen in der Verbunddatei “Gewalttäter Sport“ beim Bundeskriminalamt erfasst.

In den letzten Wochen und Monaten wurden beispielsweise in Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Berlin und Sachsen-Anhalt mehr und mehr bundesländerspezifische Datensammlungen über Fußballanhänger aller Couleur bekannt. Nun ebenso in Sachsen. Überraschung? Die Rechtmäßigkeit solcher Dateien steht nicht erst seit gestern in der Kritik.

Nach aktuellen Medienberichten sammelt auch Sachsens Polizei seit Jahren Informationen über die fußballtangierende Fanszene. Laut Antworten von Innenministers Markus Ulbig (CDU) auf Anfragen des bündnisgrünen Abgeordneten Valentin Lippmann (Drucksache 6/4224) sind datensatzmäßig in Sachsen derzeit 594 Hooligans erfasst. Dabei wurden 328 Personen von der Polizeidirektion Dresden, 102 durch die Polizeidirektion Leipzig und 164 von der Polizeidirektion Zwickau gespeichert.

Bei einer bezüglichen Aufschlüsselung durch die Freie Presse hinsichtlich sächsischer Vereine “entfallen die mit Abstand meisten Fälle auf den Drittligisten Dynamo Dresden (328). Auf Platz zwei rangiert Viertligist FSV Zwickau (154), gefolgt von den Leipziger Vereinen Lok (72) und Chemie (19). Dem Umfeld des Drittligisten Erzgebirge Aue wird kein einziger Datensatz zugeordnet, RB Leipzig genauso wie dem VfB Auerbach nur jeweils einer, dem Chemnitzer FC vier und dem VFC Plauen immerhin neun“.

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(Ressentiments – Foto: O.M.)

“Warum es neben der datenschutzrechtlich höchst umstrittenen vom Bundeskriminalamt geführten bundesweiten Datei ’Gewalttäter Sport’ eine weitere sächsische Datei braucht, ist nicht nachvollziehbar. Zumal in der sächsischen Datei offensichtlich mehr Personen aus Sachsen gespeichert werden als in der bundesweiten. Während 2015 in der BKA-Datei ’Gewalttäter Sport’ 480 Personen gespeichert wurden, sind es in der sächsischen Datei immerhin über 100 Personen mehr”, so Valentin Lippmann.

Das für den “Phänomenbereich Sport und Gewalt“ angewandte “ermittlungsunterstützende Fallanalysesystem Sachsen“ (eFAS) sei nach Ministeriumsangaben “keine Auskunftsdatei im klassischen Sinn, sondern ein ’Arbeitsinstrument’ für die Ermittlungen in Strafverfahren“.

“Eine regelmäßige selektive Datenübermittlung erfolgt anlassbezogen an das Bundeskriminalamt … Für personenbezogene Daten ist in eFAS eine Aussonderungsprüffrist von zwei Jahren vorzugeben. Eine automatisierte Routine prüft das Aussonderungsdatum. Mit Erreichung des Aussonderungsdatums entscheidet der Sacharbeiter über eine Löschung oder im begründeten Einzelfall über eine rechtlich zulässige Verlängerung der Speicherung.“

Seit Jahren schon steht mehr als deutlich am Raum, dass allein schon derjenige, “wessen Personalien … einmal im Rahmen der ’Gefahrenabwehr’ kontrolliert worden sind, Eingang in die Datei ’Gewalttäter Sport’ [findet] und sich strafrechtlicher und zivilrechtlicher Anfeindung ausgesetzt [sieht]“ – “Schlimmer geht es nimmer! Dieses System lässt jedem Datenschützer die Haare zu Berge stehen!“ (anwalt.de, 29. Februar 2012).

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– Update –

(…) Nachdem mittlerweile in elf Bundesländern öffentlich wurde, dass die Polizei Datenbanken oder Dateien über Fußballfans angelegt hat, fordert die Arbeitsgemeinschaft Fananwälte nun die Löschung all dieser Dateien (…) [Faszination Fankurve, 15. April 2016]

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Faustrecht des Ostens?

Fast augenblicklich – nachdem ein Nazi-Mob seine Spur durch Connewitz gezogen hatte – verlautbarte inmitten Leipziger Allerlei-Ansagen die zuständige Polizeidirektion, hernach am 11. Januar dieses Jahres Festgesetzte des rechten Spektrums seien “aufgrund mitgeführter Utensilien dem Fußballfanklientel zuzuordnen“. Aus der kürzlich erfolgten Antwort von Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) auf eine Kleine Anfrage (Drucksache 6/3840) der Linken-Landtagsabgeordneten Kerstin Köditz geht hervor, dass 147 Personen – und damit ein Großteil der insgesamt 215 Beschuldigten – keinen erkennbaren Fußballbezug haben.

Mithin befänden sich unter den Verdächtigen vier mutmaßliche Fans des FC Rot-Weiß Erfurt, zwei vom FC Carl Zeiss Jena sowie jeweils einer des Halleschen FC, Chemnitzer FC und von RasenBallsport Leipzig. Den Hauptteil mit 41 Beschuldigten rechnet das Innenministerium der Fanszene des 1. FC Lok Leipzig zu. Sechs davon sollen der als aufgelöst geltenden Gruppierung Scenario Lok angehören. Dem Umfeld von Dynamo Dresden werden 16 Verdächtige zugeordnet, darunter sechs von der Faust des Ostens. Gegen alle Beschuldigten wird wegen schweren Landfriedensbruchs ermittelt.

Nach letzten behördlichen Angaben umfasste vor gut einem Jahr die Faust des Ostens rund 40 Mitglieder. Im Mai 2013 bezifferte Oberstaatsanwalt Jürgen Schär noch mehr als 100 Beschuldigte im Verfahren gegen die Gruppierung aus dem Umfeld des amtierenden Drittligisten Dynamo Dresden.

Die Sächsische Zeitung stellt nunmehr aktuell fest, Mitglieder der Faust des Ostens “konnten sich möglicherweise nur deshalb an den Ausschreitungen vom 11. Januar in Leipzig-Connewitz beteiligen, weil sie noch nicht verurteilt sind“.

Nach Recherchen der Zeitung liegt seit 19. Juli 2013 eine Anklage gegen fünf mutmaßliche Faust des Ostens-Rädelsführer bei der Staatsschutzkammer am Landgericht Dresden. “Bisher wurden nur einige wenige Mitglieder der Vereinigung als Einzeltäter bestraft. Mehrere Verfahren wurden an die Generalstaatsanwaltschaft abgegeben. Was aus ihnen wurde, konnte am Freitagnachmittag [12. Februar] in der Behörde nicht geklärt werden“ (Sächsische Zeitung, 15. Februar).

Dieser Sachverhalt lässt Reporter Thomas Schade resümieren: “Wäre es in allen Verfahren zu Verurteilungen gekommen, stünden die meisten Hooligans unter Bewährung und müssten möglicherweise in Haft, wenn sie weiterer Straftaten überführt würden.“

Staatsanwaltlich offiziell wird gegen die Faust des Ostens seit Juni 2012 ermittelt.

MedienScreen # 63 [Red Bull Leipzig, DFL, DFB, Ralf Rangnick]

[Fundstück] Ralf Rangnick, als Sportdirektor und Trainer bei RasenBallsport Leipzig interviewt in 11Freunde, # 168, November 2015 –

(…) ich kann mir kaum vorstellen, dass DFL oder DFB uns die Lizenz gegeben hätten, wenn wir Regeln gebrochen und bis auf Äußerste gebeugt hätten (…)

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