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Rechtsradikaler Terror vertreibt Politiker

Uwe Adamczyk (Linkspartei.PDS) legt nach vier auf ihn verübten Anschlägen seine politischen Mandate in Sachsen nieder und verlässt den Ort des Geschehens

Es ist ein Vorgang, der in der jüngeren politischen Geschichte der Bundesrepublik ohnegleichen sein dürfte. Ein Politiker sieht als letzte Konsequenz aus wiederholten rechtsradikalen Angriffen auf sein Hab und Gut – und nicht zuletzt sein Leben – nur noch die Aufgabe seiner politischen Ämter sowie einen Ortswechsel als Lösung.

Bereits zum vierten Mal in nur gut einem Jahr erfolgte vor wenigen Tagen auf das Haus von Uwe Adamczyk in Meerane wiederholt ein Brandanschlag. Der durch Körperbehinderungen auf den Rollstuhl angewiesene Adamczyk selbst konnte sich “nur mit Müh und Not“ in Sicherheit bringen. Die Polizei konstatierte “Brandstiftung“. Der Staatsschutz ermittelt in dieser – offensichtlich gegen den Politiker gerichteten – “Anschlagsreihe“.

Uwe Adamczyk war von 1994 bis 2004 Abgeordneter des Sächsischen Landtages. Bekanntheit erlangte er vor allem durch seine Arbeit als antifaschistischer Sprecher vormaliger PDS-Fraktionen. Innerfraktionell schien er allerdings dort zuweilen ob seines Engagements mehr gelitten und geduldet, als hilfreich unterstützt gewesen zu sein. Nach seinem Ausscheiden aus dem Landtag erwarb Adamczyk den Gebäudekomplex in Meerane zur längerfristigen eigenen Existenzsicherung mit geplanter gastronomischer Einrichtung, Internet-Cafe, Billard sowie Wohnungen und Büroräumen in Funktion als alternatives Begegnungszentrum. “Von Anfang an war jedoch klar und auch gewollt, dass rechtsorientierte Personen für diese Räumlichkeiten keinen Zutritt erhalten.“ Noch nach den Anschlägen im Dezember 2005 erklärte Adamczyk: “Ich selbst aber auch die Jugendlichen hier im Gebäude lassen uns von diesen Rechten nicht einschüchtern.“

Nach dem vierten Anschlag im September 2006 legt Uwe Adamczyk nunmehr seine politischen Mandate als Stadtrat in Meerane und Kreistagsabgeordneter im Chemnitzer Land nieder und wird sich geografisch verändern. “Ich gebe auf. Auch wenn meine Feinde damit erreicht haben, was sie wollten“, sagte er Medien gegenüber. Das rechtsextremistische Störtebeker-Netz stellte noch im Nachgang kaum misszuverstehende Drohungen in den virtuellen Raum: “Und bevor er friedliche Menschen in anderen Regionen belästigt, sollte er nicht nur die Gabel abgeben!“

Am 4. Oktober demonstrierten gut 150 Menschen im sächsischen Meerane unter der Losung “Courage zeigen – Nazis widerstehen – Solidarität mit Uwe Adamczyk!“ Vorab erklärte die Linkspartei.PDS: “Die Konsequenzen, die Uwe Adamczyk nun zieht, sind für uns bitter, wenngleich auch sehr nachvollziehbar.“ Politikerinnen und Politiker aus anderen Parteien übten sich gleichfalls in verbaler Betroffenheit. Am Abend dieser Kundgebung in Meerane wussten die dann anrückenden Einsatzkräfte allerdings ziemlich genau um die Prioritäten ihres dortigen Einsatzes. Nach Augenzeugenberichten wurden die rund 40 Gegendemonstranten aus dem rechtsextremistischen Spektrum am Rand der Veranstaltung von der Polizei kaum beachtet – im Gegensatz zu den Versammlungsteilnehmern auf dem Meeraner Teichplatz. Man wolle “den Rechten in Meerane nicht das Feld überlassen“, verlautbarte jedenfalls der Vorsitzende des Kreisverbandes der Linkspartei.PDS im Chemnitzer Land. Warum nur klingt dies merkwürdigerweise ein wenig wie Pfeifen im dunklen Wald?

[Dieser Artikel wurde am 6. Oktober 2006 bei Telepolis veröffentlicht.]

Wenn die Pressefreiheit elbabwärts treibt

Der Lauschangriff auf einen Dresdner Journalisten ist nicht nur ein politischer Skandal

Der Artikel 5 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland enthält die durchaus bekannte Aussage, dass jeder das Recht hat, “seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu informieren“.

Auf eben jenem Artikel des Grundgesetzes beruht der dann so bezeichnete Informantenschutz von Journalistinnen und Journalisten. In der Konsequenz bedeutet dies eigentlich, dass die jeweilige journalistische Quelle geschützt ist. Ein Journalist hat also – wie auch Anwälte und Abgeordnete – dahingehend einen gesetzlich verbrieften Anspruch auf Zeugnisverweigerungsrecht nach Paragraf 53 der Strafprozessordnung. In der Strafprozessordnung ist des weiteren festgeschrieben, dass beispielsweise die Abfrage von Telefonverbindungsdaten nur unter definierten Voraussetzungen gestattet ist. So weit zur rechtlichen Theorie – Was aber, wenn ein Journalist ein wenig mehr zu wissen scheint als andere, zudem noch durchaus brisante Informationen?

Am 24. Mai 2005 fand eine Durchsuchung der Immobilie des ehemaligen sächsischen Wirtschaftsministers Kajo Schommer (CDU) statt. Ausschlaggebend hierfür waren bis dato stattgefundene Ermittlungen der sachseneigenen Antikorruptionseinheit “Ines“ gegen Schommer. Allerdings waren damals die Ermittler nicht die ersten vor Ort auf besagtem Anwesen: Ronny Klein, ein Journalist der Dresdner Morgenpost, berichtete – auch mit Fotos des Ex-Ministers während der Aktion regional relativ Aufsehen erregend – von der Durchsuchung. Unmittelbar danach beginnen bei der zuständigen Generalstaatsanwaltschaft Untersuchungen zur Ermittlung der “undichten Stelle“ – wie mittlerweile bekannt mit entsprechender Information an das Sächsische Justizministerium. Der Vorwurf lautet “Verrat von Dienstgeheimnissen“, ermittelt wird gegen “Unbekannt“.

Lauschangriff auf das Diensttelefon

Was folgt ist, dass das hernach zuständige Amtsgericht Chemnitz die von der Staatsanwaltschaft Chemnitz beabsichtigten Daten-Abfragen bezüglich von 29 LKA-Beamten, 19 Staatsanwälten und “Ines“-Mitarbeitern ablehnt, aus Rechtsgründen wie betont wird. Hinsichtlich des Journalisten wird allerdings anders verfahren: Zurückreichend ab dem 15. April werden alle Handy-Telefonate von Klein aufgelistet und entsprechend der erfolgten Kontakte ausgewertet.

Eine Datenerfassung der jeweiligen Geo-Koordinaten des Journalisten wird seitens der ermittelnden Behörde abgestritten, liegt aber – unterstellt – nach Stand der Abhörtechnik allerdings durchaus im Bereich des Möglichen. Der Lauschangriff auf das Diensttelefon von Klein wird wegen des technischen Aufwandes – das Dresdner Druck- und Verlagshaus beherbergt neben der Dresdner Morgenpost auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sächsischen Zeitung – nicht realisiert. Allerdings, so berichtete die Sächsische Zeitung, habe die Telekom sinngemäß angeboten, man könne die Daten aller Telefonate, die über die zentrale Einwahl gehen, bereit stellen, da eine Abfrage von Kleins Dienstapparat separat nicht möglich sei.

Im Zuge des Lauschangriffes auf Klein wird ein Telefon-Kontakt mit “Ines“-Staatsanwalt Andreas Ball dokumentiert, woraufhin dessen dienstliche sowie auch die private Telefonnummer in den Fokus der Überwacher genommen werden. Mittlerweile sind seine Telefon- und auch Kontoverhältnisse aktenkundig erfasst. Das angeblich anvisierte Ermittlungsziel ist, den Tippgeber für die Dresdner Morgenpost zu enttarnen. Und die Pressefreiheit treibt derweil von Dresden aus ganz langsam elbabwärts durch die Republik. Sollen so etwa Spitzelattacken auf Journalisten hoffähig gemacht werden – gar ein sächsischer Testballon vielleicht mit sich andeutend absehbarer bundesweiter Relevanz? Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) stellte in einer Pressemitteilung fest, dass er in den zu Tage getretenen sächsischen Verhältnissen “eine massive Verletzung der Pressefreiheit“ sieht und zudem eine Gefährdung der journalistisch-investigativen Recherche befürchtet.

Die Vorgänge um den Lauschangriff gegen den Journalisten Ronny Klein haben – abgesehen davon, dass der Skandal längst jenseits der Ländergrenzen Aufsehen erregt – mittlerweile zu einem parlamentarischen Nachspiel im Sächsischen Landtag geführt, welches durchaus politisch interessant ist. Immerhin regieren in Sachsen CDU und SPD gemeinsam – der verantwortliche Justizminister, Geert Mackenroth, wird von der CDU gestellt. Mackenroth vertrat im Vorfeld der Landtagssitzung die Auffassung, die Datenabfrage bezüglich des ausgespähten Journalisten sei “rechtens“ gewesen. Die Kritik der politischen Opposition war heftig, und auch aus den Reihen von CDU und SPD gab es durchaus kritische Stimmen. Nun bestehen CDU und SPD quasi in der Konsequenz jeweils von sich als Regierung selbst auf einem ausführlichen Bericht über die erfolgte Journalisten-Bespitzelung.

Bei der ersten parlamentarischen Behandlung in der Sache erklärte der sächsische Justizminister, er bedauere es, dass die Pressefreiheit “tangiert werden musste“ und bezeichnete diesen Vorgang als einmaligen “Einzelfall“. Zumindest war es Mackenroth stets wichtig zu betonen, Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) sei “zu keinem Zeitpunkt“ über die Einzelheiten des Lauschangriffs informiert gewesen. Cornelius Weiss, Alterspräsident des Landtages und SPD-Fraktionsvorsitzender, betonte im Verlauf der ersten Informationen bezüglich der Abhöraktion unmissverständlich, die Pressefreiheit sei “eine wichtige Säule der Demokratie, die darf man nicht absägen“. Generalstaatsanwalt Jörg Schwalm erklärte derweil, dieser Fall sei “der bisher erste in Sachsen, bei dem die Staatsanwaltschaft einen Beschluss zur Abfrage von Telefondaten eines Journalisten erwirkt“ habe.

[Dieser Artikel wurde am 8. September 2005 bei Telepolis veröffentlicht.]

Offensive für drei braune Bundestagsdirektmandate

Mit einer nicht nur verbalen “Wortergreifungsstrategie“ forciert die NPD von Sachsen aus einen öffentlichkeitswirksamen Bundestagswahlkampf der rechtsextremen Kräfte

Der sich abzeichnende Kampf um Abgeordnetenmandate im Deutschen Bundestag bei einer eventuell vorgezogenen Wahl wird für die NPD schwerpunktmäßig wohl in Sachsen betrieben werden. Eigentlich sollten nach dem dortigen Wahlerfolg im Herbst 2004 (Rechter Aufbau Ost – NPD im Sächsischen Landtag) erfolgversprechende Strukturen bis zum turnusmäßigen Termin der Bundestagswahl 2006 entsprechend Schritt für Schritt auf- und ausgebaut werden. Nunmehr drängt die Zeit und es offenbarten sich zwischenzeitlich einige Probleme auf Rechtsaußen.

Die seit Jahresbeginn propagierte “Volksfront“ zwischen NPD und DVU wurde mittlerweile bundesweit erstmalig bei der Wahl der sächsischen Kandidatenliste praktiziert. So steht beispielsweise auf der aus dem NPD-Wahlparteitag vom 25. Juni in Chemnitz resultierenden Landesliste hinter Holger Apfel (NPD) auf Platz 2 der von der DVU nominierte Harald Neubauer (parteilos, vormalig Generalsekretär und Europaabgeordneter der ’Republikaner’). Weiterhin folgt – nach Winfried Petzold (NPD-Landesvorsitzender Sachsen) und Uwe Leichsenring (Parlamentarischer Geschäftsführer der NPD-Fraktion) – auf dem fünften Listenplatz Hans-Otto Weidenbach als Bundesvorstandsmitglied der DVU. Die weiteren fünfzehn Kandidatenplätze sind, bis auf eine Ausnahme, personell durchweg mit NPD-Mitgliedern beziehungsweise einem Kader der Nachwuchsorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) besetzt.

Auf dem Chemnitzer Parteitag, der teilweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt fand, bekräftigte der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt vor Vertretern aus DVU, Deutscher Partei und DSU den Grundkonsens dieser Volksfront vom äußersten rechten Rand: “Die Zeit des ewigen Gegeneinander ist endgültig vorbei, nun gilt es gemeinsam zu handeln, damit in Deutschland endlich wieder Politik für Deutsche gemacht wird!“

Gegenwärtig werden die Erfolgsaussichten für die Rechtsextremisten, als bundesweite “Volksfront“ die nötige Fünf-Prozent-Hürde in den Berliner Reichstag zu überwinden, als nur marginal eingeschätzt. Kampfbereit beabsichtigt die NPD allerdings, die wahlrechtlichen Möglichkeiten von drei erreichten Direktmandaten für sich zu nutzen. Hierfür sieht Peter Marx (NPD-Fraktionsgeschäftsführer im Sächsischen Landtag) als NPD-Bundestagswahlkampfleiter durchaus Chancen im brandenburgischen Spreewald, im vorpommerschen Anklam – und in Sachsen.

In Sachsen sollen alle 17 Wahlkreise mit entsprechenden Kandidaten besetzt werden. Hierbei liegen die Hauptschwerpunkte offensichtlich im Wahlkreis 156 (Großenhain, Kamenz, Hoyerswerda) bei Holger Apfel als Landtags-Fraktionsvorsitzender sowie bei dem unter anderem als Mäzen der Skinheads Sächsische Schweiz (SSS) geltenden Uwe Leichsenring (Trotz Verbot nach wie vor aktiv) im Wahlgebiet Sächsische Schweiz/Weißeritzkreis.

Die Chance auf – für einen Einzug in den Deutschen Bundestag nötige – drei erfolgreich erwählte “Volksfront“-Direktwahlkreise wird unterschiedlich gesehen. Während Marx (NPD) in Verlautbarungen natürlich auf siegreiche Direktkandidaten setzt, schätzt das Sächsische Landesamt für Verfassungsschutz ein: “Insgesamt sind die Erfolgsaussichten der Direktkandidaten eher als gering einzuschätzen.“ Hamburger Verfassungsschützer attestierten in diesem Zusammenhang, die NPD wäre gegenwärtig kaum mehr in der Lage, sich “organisatorisch so aufstellen“, dass sie wahlbezüglich Erfolg erreichen könnte.

Um einem eventuell weiteren Wahl-Misserfolg – nach den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen sowie auch bei den Oberbürgermeister-Wahlen in Leipzig und Görlitz – entgegen zu wirken, praktizieren Rechtsextremisten in ihrer geographischen Hauptkampflinie zunehmend eine vom Präsidenten des Sächsischen Verfassungsschutzes, Rainer Stock, so bezeichnete “Wortergreifungsstrategie“. Hierbei handelt es sich nicht allein nur um klientelbezogenes – aber generell bewusst provozierendes – Auftreten von regional oder überregional bekannten Rechtsextremisten im öffentlichen Raum und auf öffentlichen politischen Veranstaltungen. Das Ziel besteht letztendlich darin, die jeweilige Veranstaltung – wenn nicht schon zu dominieren – wenigstens entsprechend beeinflussen zu können. Dabei agieren NPD-Landtagsabgeordnete und deren Mitarbeiter, Partei-Kader, Vertreter der SSS sowie der so genannten Freien Kräfte Sachsen (FKS) eng miteinander.

Exemplarisch scheint diesbezüglich, dass NPD-MdL Klaus-Jürgen Menzel in letzter Zeit eine durchaus im wahrsten Sinne des Wortes aktive außerparlamentarische Arbeit zu betreiben scheint. Menzel postulierte vor nicht all zu langer Zeit seine geopolitischen Ansprüche eindeutig: “Unser Land geht von den blauen Bergen der Vogesen bis zu der Mühle von Tauroggen. Von der Königsau in Nordschleswig bis nach Brixen in Südtirol. Und keinen Quadratmeter weniger!“

Bereits am 12. Juni versuchten rund 30 bekannte Rechtsextremisten eine Veranstaltung des Projektes Tolerantes Dresden zur Kunstaktion 100 Tote zu stören. Im Veranstaltungsraum versuchte sich Menzel rhetorisch ins rechte Öffentlichkeitslicht zu setzen, gleichfalls Peter Naumann, verurteilter Terrorist und gegenwärtig Mitarbeiter von Menzel. Zudem waren FKS- und SSS-Mitglieder vor Ort.

Zu einer weiteren Veranstaltung von Tolerantes Dresden nur wenige Tage später am 16. Juni versammelte sich wiederum ein rechtsextremes Konglomerat, erneut mit Menzel und Naumann, um allem Anschein nach die Veranstaltungslokalität in der Dresdner Neustadt nicht nur verbal zu besetzen. Daran wurden die Rechtsextremisten von einer Gruppe Antifaschisten gehindert, woraufhin die Lage eskalierte.

Die Sächsische Zeitung berichtete in diesem Zusammenhang: “… Bei den Ausschreitungen zwischen Linken und Rechten mit vier Verletzten … in der Dresdner Neustadt wurde auch der NPD-Landtagsabgeordnete Klaus-Jürgen Menzel gesichtet. Ein Sprecher der Polizeidirektion Dresden bestätigte einen entsprechenden Zeitungsbericht. Offen sei, ob Menzel selbst – wie in antifaschistischen Internetseiten behauptet – handgreiflich wurde …“ Und weiterhin wird mitgeteilt, Menzel “habe aber bestritten, unmittelbar in die Schlägerei eingegriffen zu haben“.

Immerhin war Menzel (“Ein Karat härter als der Feind, das bringt den Sieg!“) an diesem Tag offensichtlich nicht gerade inaktiv inmitten einer Gruppe von Rechtsextremisten unterwegs, die in ihrer personellen Zusammensetzung nicht gerade für militante Zurückhaltung gegenüber Andersdenkenden bekannt ist. So wurde Menzel – neben Mitgliedern der eigentlich verbotenen SSS – unter anderem erneut von einschlägig gerichtsbekannten FKS-Kadern eskortiert. Dabei trat in wiederholter Führungsfunktion Sven Hagendorf in Erscheinung. Hagendorf war 2002 Bundestagsdirektkandidat für die NPD sowie 2004 Spitzenkandidat für das so genannte Nationale Bündnis zur Kommunalwahl und ist Betreiber des einschlägigen “Club 14“ in Dresden. Anmerkenswert zu allein diesem personellen Menzel-Umfeld scheint durchaus, dass Hagendorf nach einer NPD-Demonstration am 13. August 2001 in Dresden öffentlich mit einer Pistole im Hosenbund posierte – und am Wahlabend zum Sächsischen Landtag am 19. September 2004 als Bodyguard für NPD-Vertreter im Landtagsgebäude agierte.

Zum Tag der Offenen Tür in der Landeszentrale für politische Bildung am 30. Juni wiederum versuchten die NPD-Abgeordneten Klaus-Jürgen Menzel, Jürgen W. Gansel (Bundestagsdirektkandidat für Riesa, Torgau-Oschatz, Delitzsch-Eilenburg) und Gitta Schüßler eine Podiumsdiskussion in den Räumen der Einrichtung inhaltlich für sich zu vereinnahmen. Als Ansatzpunkt bedienten sie sich dabei der polemischen Forderungsfrage nach der Abschaffung des Verfassungsschutzes. Leider waren die Rechtsextremisten, als bei dieser Veranstaltung in Landeszentrale später um Ethik, Normen und Werte diskutiert wurde, dann schon nicht mehr anwesend.

So zeichnet sich seitens der “Volksfront“ von Rechts ein offensiv-aggressiver Bundestagswahlkampf um jedes einzelne Wählerprozent in den aus ihrer Sicht möglichen Hochburgen ab. Organisiert und geleitet wird dieser Wahlkampf bezeichnenderweise von der Geschäftsstelle der Sachsen-NPD im Dresdner Lockwitzgrund aus. Ihren Wahletat beziffert die NPD selbst auf “derzeit rund 500.000 Euro“. Dabei wird – unschwer vorauszusagen – wiederum und erneuert eine enge Zusammenarbeit mit den so genannten Freien Kameradschaften zu registrieren sein (Braun-nationaler “Tsunami“ als verlängerter parlamentarischer Arm?). Wie weit dieses rechtsextreme diesjährige Aktionsbündnis, über Plakate Kleben, Infomaterial und “Schulhof“-CD Verteilen letztendlich hinaus reicht, wird aufmerksam zu beobachten sein. Besondere Beachtung verdient hierbei die offensichtlich militante Drohung des NPD-Bundestagswahlkampfleiters, wenn für NPD-Stände im Wahlkampf seitens der Ordnungsbehörden nicht entsprechender Schutz erfolge, “werden wir uns zur Wehr setzen“.

[Dieser Artikel wurde am 8. Juli 2005 bei Telepolis veröffentlicht.]

Rechter Aufbau Ost – NPD im Sächsischen Landtag

Zwei Wochen staatlicher Antifa-Bemühungen reichen nicht, den ersten Einzug der NPD nach 36 Jahren in ein Länderparlament zu verhindern – der politische Rechtsruck in Sachsen kommt allerdings auch nicht überraschend

Es war 1998, als ein noch relativ unbekannter Fahrlehrer aus der Sächsischen Schweiz im Zuge seiner damaligen Bundestagsdirektkandidatur verlautbarte: “… es geht auch darum, Strukturen aufzubauen, um bereit zu sein, wenn es mal zum Aufstand Ost kommt“. Gut ein Jahr zuvor forderte ein damals fast ebenso Unbekannter in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift EINHEIT & KAMPF den Friedensnobelpreis für Rudolf Heß, “Märtyrer des Friedens!“. Der eine heißt Uwe Leichsenring – mittlerweile nicht nur in seiner Heimatstadt Königstein bekannt durch sehr gute Kontakte zur verbotenen rechtsradikalen Schlägertruppe Skinheads Sächsische Schweiz (SSS), der andere ist Holger Apfel, Geschäftsführer des “Deutsche Stimme“-Verlags in Riesa. Beide sind Mitglieder der NPD und beide sind nunmehr auch Abgeordnete des Sächsischen Landtages.

Die letzten Tage vor der Landtagswahl in Sachsen erinnerten Beobachter durchaus an den staatlichen “Schickeria-Antifa-Sommer“ des Jahres 2000. Plötzlich öffneten Prominente und Wählerinitiativen – durchaus erschrocken über vorab prognostizierte Wahlchancen der NPD – ihr bis dato halb geschlossenes politisches rechtes Auge und riefen zu Wahlbeteiligung und Stimmabgabe für demokratische Parteien auf.

Die Studie des Bundesamtes für Verfassungsschutz “Ein Jahrzehnt rechtsextremistischer Politik“, in der eine sich mehr und mehr etablierende “organisationsübergreifende gemeinsame Front des völkisch-revolutionären Rechtsextremismus“ beschrieben wird, ist allerdings bereits spätestens seit Dezember 2001 jedem zugänglich. Selbst nach den diesjährigen Ergebnissen zur Europa- und Kommunalwahl herrschte im bürgerlich politischen Sachsen eher betreten beschwichtigendes Schweigen denn aktive Parteinahme gegen rechtsextremistische Parolen. Bezeichnenderweise sagte die bündnisgrüne Spitzenkandidatin Antje Hermenau dann am Landtags-Wahlabend: “Es ist Zeit, dass wir uns mit der NPD politisch auseinander setzen“.

Der Verlust der absoluten Mehrheit für die CDU, die erneuten Stimmrückgänge für die SPD, die auf einen weiteren historischen Tiefstand gesunken ist, der Wiedereinzug von Bündnis 90/Die Grünen und der F.D.P. in den Sächsischen Landtag – all das wird in den Berichterstattungen überlagert vom Stimmergebnis für die NPD. Es war an diesem Wahlsonntag genau 18.36 Uhr, als vor dem gläsernen Landtagsbau in Dresden das Medieninteresse nur noch ein Ziel kannte: die Spitzenkandidaten und die Parteispitze der NPD.

In Siegerpose, umschirmt von Bodyguards, schritt Holger Apfel – bereits auch Stadtrat für das so genannte “Nationale Bündnis“ in Dresden – mit seinem Gefolge die breite Freitreppe empor. Später musste dann selbst der amtierende Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) leicht genervt minutenlang im Vorbereich des MDR-Wahlstudios ausharren, weil dort erst einmal Apfel interviewt wurde. Mit kurzzeitig ausgestrecktem rechten Arm und an der Seite des NPD-Vorsitzenden Udo Voigt, im Hintergrund die NPD-Fahne, verkündete Apfel im Statement-Bereich des Landtages einen “großartigen Tag für alle Deutschen, die noch Deutsche sein wollen“. Begleitet wurde sein Auftritt allerdings von lautstarken Unmutsbekundungen und “Nazis raus!“-Rufen. Auch vor dem Sächsischen Landtag demonstrierten an diesem Abend rund 300 Menschen gegen den Einzug der NPD.

Bereits wie bei den Europa- und Kommunalwahlen (Die Mitte der Gesellschaft?) erreichte die NPD örtliche Spitzenwerte: Reinhardtsdorf-Schöna 23,1 Prozent; Hohnstein 18,3 Prozent; Kreba-Neudorf 16,8 Prozent; Sebnitz 15,8 Prozent. Und im Wahlkreis 22 – Mittweida 2 – konnte die NPD beispielsweise mit 18,1 Prozent hinter der CDU die zweit meisten Direktstimmen auf sich verbuchen.

Wenn Politikwissenschaftler nach dieser Sachsen-Wahl eine mittlere Kurzlebigkeit des NPD-Erfolges prognostizieren und – wie Parteienvertreter ebenso – auf eine “Entzauberung“ im Parlament und Selbstbeschäftigung der Rechtsextremen mit sich selbst setzen, dann lassen sie – auch im Vergleich mit Sachsen-Anhalt und Brandenburg – die durchaus straffe personelle Organisation sowie eine mittlerweile erfolgte Verankerung der NPD in der Mitte der Gesellschaft unbeachtet. Der sächsische Verfassungsschutz beispielsweise befürchtet – so berichtet die Tageszeitung “Rheinpfalz“ unter Berufung auf eine entsprechende Notiz – nach der Wahl steigende Mitgliederzahlen bei der NPD. Die finanziellen Mittel und die Logistik für die längst ins Auge gefassten Strukturen werden der NPD nun auch staatlicherseits zur Verfügung gestellt – mit garantierter Wirkung über Sachsen und den Osten der Bundesrepublik hinaus.

Wie formulierte der eingangs bereits zitierte Leichsenring schon vor Jahren: “Natürlich sind wir verfassungsfeindlich. Wir wollen eine andere Gesellschaftsordnung“. Sachsen hatte die Wahl.

[Dieser Artikel wurde am 20. September 2004 bei Telepolis veröffentlicht.]

NPD im Sächsischen Landtag?

In Sachsen wird der NPD zur Landtagswahl mittlerweile ein zweistelliges Ergebnis prognostiziert – Hartz IV allein kann dafür allerdings kaum der Grund sein

Am 13. Juni errangen Rechtsextremisten bei den Kommunalwahlen in Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und Sachsen sowie bei den Landtagswahlen in Thüringen und den Europawahlen eine längst nicht mehr zu übersehende Anzahl an Parlamentssitzen. Allein in Sachsen erhielten Rechtsextremisten 53 Kommunalmandate (Die Mitte der Gesellschaft?). Dabei blieb in der Hochburg der braunen Wahlerfolge, Reinhardtsdorf-Schöna, sogar noch ein rechtsextremes Mandat unbesetzt – der erzielte Wählerzuspruch reichte über die aufgestellte NPD-Kandidaten-Liste hinaus.

Im Nachgang zu den rechtsextremen Wahlerfolgen empfahl der Dresdner Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt (CDU) seiner Partei einen deutlichen politischen Rechtsruck, um rechte Wähler “aufzusaugen“:

Die CDU kann und muss auch nationale Rhetorik bedienen – aber kultiviert und im demokratischen Kontext.

Der Bürgermeister von Reinhardtsdorf-Schöna, Arno Suddars (CDU), erwartete mit den zwei neu gewählten NPD-Abgeordneten eine “leichtere“ Ratsarbeit als mit den Mandatsträgern von der PDS. Der Landrat des Kreises Sächsische Schweiz, Michael Geisler (CDU), will die NPD-Ratsmitglieder im Kreistag “an ihrer Sacharbeit messen“. Der Oberbürgermeister von Freital, Klaus Mättig (CDU), äußerte sich “anerkennend“ über die “Sacharbeit“ des Republikaner-Mandatsträgers im Kommunalparlament und der Meißner Landrat Arndt Steinbach (CDU) befürwortete die Zusammenarbeit mit “allen demokratisch gewählten Parteien“, auch mit der NPD. Bei einer Abstimmung in der ersten Sitzung des Kreistages Sächsischen Schweiz – Erklärung gegen Rechtsextremismus und jede Form von Hass, Gewalt und Rassismus – enthielten sich neben den fünf NPD-Abgeordneten auch vier CDU-Kreisräte.

Der soeben – völlig verspätet – veröffentlichte aktuelle Verfassungsschutzbericht für den Freistaat Sachsen stellt beispielsweise fest:

Die NPD strebt dieses “Deutsche Reich“ als “Schutz- und Trutzbündnis des Deutschen Volkes“ an (…) erklärte der Parteivorsitzende Udo VOIGT, dass der “Kampf um Deutschland“ begonnen habe. Ziel sei “das Reich“ (…) der stellvertretende Bundesvorsitzende Holger APFEL [Neu-Stadtrat in Dresden für das “Nationale Bündnis“, d.A.] bekannte sich zu einem Deutschland “von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt“ (…) und dass “die Teilnahme am Gedenkmarsch zu Ehren von Rudolf Hess Ehrensache“ für ihn sei.

Weiter bilanziert der sächsische Verfassungsschutz:

Das Menschenbild des Grundgesetzes verkehrt die NPD ins Gegenteil. Sie lehnt den im Artikel 3 des Grundgesetzes verankerten Gleichheitsgrundsatz ab. (…) Nach Auffassung der NPD sind deutsche Politiker keine demokratisch legitimierten und frei handelnden Entscheidungsträger.

Mittlerweile wirft die Wahl zum Sächsischen Landtag am 19. September bereits deutliche Schatten – begleitet von den gegenwärtigen Protesten gegen Hartz IV. Und jegliche Aktionen gegen Hartz IV bieten – nicht nur in Sachsen – auch Instrumentalisierungsmöglichkeiten für Rechtsextremisten, meistens im Protestumfeld geduldet oder sogar akzeptiert. So stellte Angelo Lucifero, Landesleiter der Gewerkschaft hbv in ver.di Thüringen, fest:

Die RECHTE nutzt die soziale Demontage, um immer mehr mit nationalsozialistischen Losungen auf die Straße zu gehen. Außer ein paar, meistens Jugendlichen, die von der Mehrheit der Politik als gewaltbereite Linksextremisten denunziert werden, schaut die Mehrheit weg, wenn die Basis der Rechten sich ausweitet, sie sogar nah daran sind in Landtage einzuziehen und ungestört Minderheiten diskriminieren und sogar totschlagen können. Man schaut offensichtlich auch weg, wenn Rechte mit nationalistischen, rassistischen und antisemitischen Losungen sich an den Montagsdemos beteiligen.

Weitere rechtsextremistische Wahlerfolge allein mit den sich ausbreitenden Hartz IV-Protesten unter Neonazibeteiligung begründen zu wollen, greift allerdings zu kurz. So attestierte beispielsweise der sächsische Verfassungsschutz im Zusammenhang mit den Wahlresultaten vom 13. Juni eine zunehmende Verankerung nationalistischer Anschauungen in der Mitte der Gesellschaft. Und diese Verankerung tröpfelt nicht einfach so unvermittelt aus einem politisch verhartzten Himmel über Sachsen.

Die nationalistischen “Protestwähler“ zu bündeln, war schon immer das Ziel für die Rechtsextremisten in Sachsen, Ziel ist der Landtag in Dresden. Zudem bestätigten Beobachter der Szene immer wieder, dass gerade Sachsens rechtsextremistische Parteien und Strukturen aller Couleur gut miteinander können. Im Vorfeld der Wahllisteneinreichungen zogen so die sächsischen Republikaner ihre Kandidatur zugunsten der NPD zurück – weil damit “in Sachsen das rechte Gegeneinander aufhört“. Schon zuvor hatten NPD und DVU in einer gemeinsamen Erklärung ihrer Vorsitzenden, “den nationalen Wählern“ empfohlen, “in Brandenburg der DVU und in Sachsen der NPD ihre Stimme zu geben“. Zugelassen zur Landtagswahl in Sachsen – so die Landeswahlleiterin Prof. Dr. Irene Schneider-Böttcher – sind amtlich nunmehr 13 Parteien.

Eine solche Fokussierung des entsprechenden Wählerpotentials allein auf die NPD – daneben treten vom Rechtsaußen-Rand vor sich hin dümpelnd lediglich die Deutsche Soziale Union sowie die Bürgerrechtsbewegung Solidarität an – spiegelt sich auch in den Umfragen zur sächsischen Wahl. Wurde der NPD im Frühjahr des Jahres noch ein Wert um die 5 Prozent bescheinigt (Infratest-dimap), stiegen die Voraussagen nachher auf rund 9 Prozent (Infratest-dimap) und mittlerweile – nach dem alleinigen Antreten der NPD – prognostizieren Wahlforscher den Rechtsextremisten bis zu 14 Prozent der sächsischen Wählerstimmen.

Somit gelänge der NPD erstmals seit 1968 wieder der Einzug in ein Länderparlament. “Sachsen kann der Beginn der Veränderung der politischen Landschaft in Deutschland sein“, so die NPD auf ihrer Homepage. Heim ins Reich?

[Dieser Artikel wurde am 17. August 2004 bei Telepolis veröffentlicht.]