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Lehrer-Fortbildung auf der Games Convention

Pädagogen konnten einen Besuch auf Europas größter Messe für Computer- und Videospiele als Fortbildung geltend machen – nur wissen mussten sie es

Unter den über 100.000 Besucherinnen und Besuchern auf der diesjährigen Games Convention (GC) in Leipzig waren – neben den überwiegend jugendlichen Daddlern – vermutlich auch der eine oder andere schulische Betreuer der vorwiegenden Messe-Zielgruppe. Und so vereinte beide – Jugendliche und Lehrer – die Erkundung nach Neuerungen in der Szene für ein paar Stunden unter dem gläsernen Dach der Leipziger Messehallen.

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Am Donnerstag – dem Eröffnungstag der GC – vermeldeten die Abendnachrichten des ZDF, dass nunmehr das für Sachsen zuständige Kultusministerium beschlossen habe, Lehrerinnen und Lehrern einen Besuch der GC als berufliche Fortbildung anzurechnen. Ob und wen von der pädagogischen Zielgruppe diese staatsministerliche Mitteilung erreicht hat, wird schwer festzustellen sein. Sicher feststellbar war dagegen, dass bei Start und auch während des gesamten Verlaufs der GC auf den offiziellen Websites des Ministeriums keineswegs auf diese mögliche Lehrerfortbildung hingewiesen wurde – keine “Aktuelle Informationen“ auf dem Sächsischen Bildungsserver, keine “Blitzmeldung“ auf dessen Pädagogischer Plattform und ebenso Schweigen beim Staatsminister selbst. Auch auf dem Deutschen Bildungsserver herrschte dahingehend Stille. Ein geneigt Weitersuchender konnte aber immerhin beim Regionalschulamt der Messestadt wenigstens entsprechende Veranstaltungshinweise zur GC ausfindig machen.

Für trotz alledem Informierte der pädagogischen Zielgruppe bestand auf der GC dann die wohl schwierigste Aufgabe im orientierungsmäßigen Bewältigen des Fortbildungsparcours. So waren in Halle 2 die Stände von FWU – Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht, Brockhaus AG, bhv Software GmbH, USK – Unterhaltungssoftware SelbtKontrolle, BPjM – Bundesprüfstelle für jugengefährdende Medien, Deutsches Kinderhilfswerk e.V. und der Bundeszentrale für politische Bildung aufzusuchen. An den jeweiligen Ständen wurde den Pädagogen eine individuelle Vor-Ort-Fortbildung zuteil und deren Absolvierung auf einem so bezeichneten Lehrer-Pass bestätigt. Anschließend konnte am Stand der Universität Leipzig das offizielle Fortbildungszertifikat entgegen genommen werden.

Warum allerdings das Sächsische Kultusministerium diese Fortbildungsmöglichkeit eher verschwiegen als publiziert hat, wird wohl ein weiteres Geheimnis der Schulbehörde bleiben. Jedenfalls steht das diesbezüglich quasi nichtöffentliche Agieren des Ministeriums im völligen Gegensatz zu Anliegen und Inhalt dieser Lehrer-Fortbildung auf der Games Convention. Und das ist nicht gut so – für das Sächsische Kultusministerium.

[Dieser Artikel wurde am 23. August 2004 bei Telepolis veröffentlicht.]

Droht der Untergang des Abendlandes?

In Sachsen wurde gerade der christliche Bildungsauftrag im Schulgesetz verankert. Die schon immer mit Vehemenz geführte Diskussion um die Neutralität der Schulen erhält dadurch neue Wallungen

Die politische Debatte wurde ausführlich und kontrovers geführt. Letztendlich war aber die Beschlussfassung im von der CDU dominierten Landtag von Dresden dann bei den dort vorherrschenden politischen Mehrheiten fast nur noch eine Formsache. Sachsen hat nun seit einigen Tagen ein neues, modifiziertes Schulgesetz. Nach über zwölf Jahren mit dem vorher geltenden Gesetz eigentlich nicht unbedingt ein herausragendes Ereignis in der Bildungsgesetzeslandschaft der Bundesrepublik. Der Beschluss zum neuen Schulgesetz zeigt allerdings schon jetzt nachhaltige Wirkung, auch über die Freistaatsgrenzen hinaus. Dabei ging es in der Landtagsdebatte nicht hauptsächlich um die Inhalte des neuen Schulgesetzes, beziehungsweise lag darüber allgegenwärtig der Schatten einer schon vorab heftigen Diskussion um den umstrittenen Grundsatzparagrafen.

So heißt es zum Bildungsauftrag der sächsischen Schulen nunmehr im Gesetzestext:

(…) Diesen Auftrag erfüllt die Schule, indem sie den Schülern insbesondere anknüpfend an die christliche Tradition im europäischen Kulturkreis Werte wie Ehrfurcht vor allem Lebendigen, Nächstenliebe, Frieden und Erhaltung der Umwelt, Heimatliebe, sittliches und politisches Verantwortungsbewusstsein, Gerechtigkeit und Achtung vor der Überzeugung des anderen, berufliches Können, soziales Handeln und freiheitliche demokratische Haltung vermittelt, die zur Lebensorientierung und Persönlichkeitsentwicklung sinnstiftend beitragen und sie zur selbstbestimmten und verantwortungsbewussten Anwendung von Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten führt und die Freude an einem lebenslangen Lernen weckt. (…)

Die so allein auf Werte-Grundsätze der christlichen Tradition gesetzlich festgeschriebene Ausrichtung des wahrlich nicht erst seit der Pisa-Studie sensiblen Bildungsbereiches rückt die Neutralitätsfrage für Schule und Bildung erneut in den Focus der Aufmerksamkeit. Es kann in diesem Zusammenhang durchaus erwähnt werden, dass schon mit dem Grundgesetz entschieden wurde, staatliches Schulwesen und Kirche grundsätzlich zu trennen. Unstrittig, wohl auch in Sachsen, steht nach Artikel 7, Absatz 1 Grundgesetz, das gesamte Schulwesen unter Aufsicht des Staates. Zudem wurde diesbezüglich den Kirchen kein Recht auf Bestimmung der Ziele und Inhalte von Unterricht und Erziehung eingeräumt. Abgesehen davon, welche Kirche oder welche Religion das auch immer sein sollte.

Der Streit um die vorgeblich so christlichen Werte des sächsischen Abendlandes erfüllt zumindest einen politischen Zweck. Wirklich dringende Fragen – um beispielsweise Schullandschaftsstrukturen und Klassenstärken sowie um den in Sachsen bereits nach dem vierten Grundschuljahr erfolgenden Wechsel in Mittelschule, für den Hauptschul- oder Realschulabschluss, oder Gymnasium – bleiben weiterhin nach wie vor im bildungspolitischen Hintergrund.

Derweil werfen sich SPD- sowie PDS-Opposition und CDU-Regierung lieber gegenseitig vor, die Pisa-Studie jeweils nicht verstanden zu haben. Schlagworte wie “Missionsauftrag der Schule“ und “Zwangschristianisierung der Schüler“ beherrschen seitens der PDS den sächsischen Bildungsbereich. Eine durch die SPD-Fraktion initiierte Umfrage ergab, dass 81 Prozent der Interviewten eine weltanschaulich neutrale Schule, und 16 Prozent eine Schule auf Basis christlicher Weltanschauungen favorisieren würden. Die PDS-Fraktion hat zudem bereits eine Verfassungsklage gegen das neue Schulgesetz angekündigt, der die CDU wiederum “erhobenen Hauptes“ entgegen sieht. Hätte es im neuen sächsischen Schulgesetz der Bezug auf allgemeingültige humanistische Traditionen nicht auch getan?

Die nun zu diesem Zeitpunkt aus Sachsen heraus beflügelte Diskussion um die religiöse – sowie in diesem Zusammenhang auch politische – Neutralität von Schule und Bildung wird, wie schon so oft, holzschnittartige Ergüsse mit sich bringen. Der als Bürgerrechtler bekannt gewordene Theologe Friedrich Schorlemmer diagnostizierte in diesem Zusammenhang bereits “Pawlowsche Reflexe einer tief sitzenden Antikirchlichkeit und jahrzehntelanger Atheismus-Propaganda“. Und die Schüler? Die Lehrerinnen und Lehrer? Wem soll dieser sächsische Freilandversuch letztendlich nützen? Wohin geht die so politisch instrumentalisierte religiöse Bildungsreise für bundesdeutsche Schulen?

[Dieser Artikel wurde am 23. Januar 2004 bei Telepolis veröffentlicht.]