Schlagwort-Archive: spiegel.de

MedienScreen # 240 [Praecox-News]

[Fundstück] Sascha Lobo, “Diagnose: Vorzeitiger Nachrichtenerguss“, SPIEGEL ONLINE, 8. Januar 2020 –

(…) In sozialen Medien ist schon kurze Zeit nach einem beliebigen Großereignis jede Position und Gegenposition eingenommen, jeder Gag und jede Trollerei gemacht, jede noch so fernliegende Einordnung unternommen und jede Metaebene erklommen worden. Die Öffentlichkeit dürstet dann nach dem Gefühl neuer Fakten oder neuen Entwicklungen, und alles beginnt fast wieder von vorn (…)

MedienScreen # 239 [Venceremos! Virtuell? And so on?]

[Fundstück] Margarete Stokowski, “Hass-Stürme im Netz – Solidarität muss bedingungslos sein“, SPIEGEL ONLINE, 31. Dezember 2019 –

(…) das Internet ist kein verwunschener Wald. Die Dinge, die hier passieren, folgen bestimmten Regeln, nur dass die Regeln vielen nicht bekannt sind. Nazis sind nicht so kreativ, ihre Einschüchterungsversuche haben immer wieder dieselbe Dynamik. Und doch stehen einzelne Menschen, Redaktionen, ArbeitgeberInnen oft völlig gelähmt vor dem Spektakel, wenn erneut jemand betroffen ist (…)

(…) Hass im Netz ist keine Magie, aber selbst wer sie für ein mystisches Spektakel hält, sollte wissen, dass es eine Art Gegenzauber gibt: bedingungslose Solidarität und aktive Unterstützung der vom Hass Betroffenen (…)

MedienScreen # 236 [Bernd Höcke. Helau?]

[Fundstück] Thomas Fischer, “Wo nicht die Banane, sondern die Republik matschig ist“, SPIEGEL ONLINE, 5. Dezember 2019 –

(…) Geschichte wiederholt sich nicht. Deshalb ist es auch ziemlich egal, ob man Herrn Höcke “Faschist“ nennen darf, was jetzt manche Antifaschisten gerne tun, vor allem im Fernsehen, in der kindlichen Hoffnung, dann würden “die Menschen“ sagen: Ja wenn das so ist!, und wieder SPD wählen oder wenigstens AKK. Dabei übersehen sie, dass Herr Höcke nicht gewählt wird, obwohl er Faschist ist, sondern weil er es ist. Und dass Herr Höcke sich nicht wie Rumpelstilzchen in der Luft zerreißt, wenn man seinen geheimen Namen herausgefunden hat. Die heutige Jugend jeden Alters glaubt leider an Zauberwörter und denkt, “Faschismus“ sei, wenn man Juden hasst, albern spricht und Antifaschisten zusammenschlägt. Das täuscht (…)

– Nachschiebsel –

“Der Mann heißt Bernd, ich weiß das aus der ’heute-show’“ [Hans-Ulrich Rülke (FDP), Landtag von Baden-Württemberg, Oktober 2017].

Digital gesehen …

… gibt es bundesrepublikanische Funklöcher? Wirklich? Immer noch? Ach ja?

“(…) Das Kabinett hatte am Montag im Gästehaus der Bundesregierung in Meseberg seine Klausurtagung zum Ausbau des Mobilfunknetzes und der Digitalstruktur fortgesetzt (…)“ [spiegel.de, 18. November 2019]

(Screenshot Twitter: O.M.)

 

… Realsatire in Reinkultur?

Non omnia possumus omnes.

MedienScreen # 230 [Döner Heroes]

[Fundstück] Ferda Ataman, “Donnerstag muss Dönerstag werden“, SPIEGEL ONLINE, 17. Oktober 2019 –

(…) Dönerbetreiber sind wirklich mutige Menschen. Egal wie abgelegen das Dorf ist, egal wie viele Glatzen rummarschieren, immer findet sich ein tapferer Dönerci, der sich vor Ort niederlässt. National befreite Zone? Ideal für den Dönerabsatz! Deutschland ist flächendeckend von Kebapbuden besiedelt und wäre ohne sie aufgeschmissen. In vielen Gegenden sind sie die einzigen Läden, die nachts noch offen haben und das Volk versorgen. Nichtnüchterne, nichtpazifistische Kunden gehören dabei leider zum Alltag (…)

(…) auch ohne amtliche Statistik wissen anatolische Imbissbetreiber um die Gefahr ihrer Arbeit. Woher nehmen sie bloß den Mut, in abgelegenen Orten Kebap zu verkaufen?

Vermutlich verlassen sie sich auf einen unausgesprochenen Kodex zwischen Döner-Dealern und Neonazis: Letztere hassen zwar Türken, lieben aber – wie alle Deutschen – Döner. Sie wissen: Wer Kebap will, muss McMustafa am Leben lassen. Das Dilemma am Nazi-Döner-Kodex ist, dass sich viele Möchtegern-Arier für ihren Verrat schämen, während sie die orientalische Verführung schlemmen. Weil sie insgeheim fürchten, dass der Imbissbetreiber ein Vorbote der Umvolkung ist: Erst kommt einer, der Fleisch vom Spieß säbelt, dann kommen Tausende mit Säbeln und rücken nicht nur der Bratwurst auf die Pelle.

So gesehen ist der Döner ein Lackmustest der deutschen Demokratie. Wer ihn isst, ohne sich zu schämen oder um sich zu ballern, ist angekommen in der Moderne (…)

(…) Wer aber in eine Dönerbude stürmt, um Kanaken zu terrorisieren, hat eine Sache nicht kapiert: Da sitzen meist gar keine Anatolier. Da essen Deutsche (…)

“Döner Kebap“ ist türkisch und heißt so viel wie “drehender Spießbraten“. So wie wir ihn kennen – mit Grünzeug, Kraut und rotweißen Soßen – wurde er in den Siebzigerjahren in Berlin erfunden. Echte Türken essen den Spießbraten ganz anders. Döner ist also ein deutsches Nationalgericht. In Anbetracht des enormen Kebapkonsums (…) kann man sogar sagen: Er ist ein Stück deutsche Leitkultur (…)

Damit Döneressen künftig nicht zur Mutprobe wird, schlage ich Folgendes vor: Bis die Bundesregierung einen umfassenden Masterplan gegen Rechtsextremismus vorlegt, könnten wir einen neuen Protest-Tag in der Woche einführen. Da Montag und Freitag schon vergeben sind, plädiere ich für Donnerstag, den Dönerstag für Diversität. Einmal die Woche sollen alle Menschen, die für eine offene Gesellschaft sind, symbolisch einen Döner essen. Wer auf Fleisch verzichtet, nimmt Dürüm mit Feta oder gebratenes Gemüse. Natürlich gelten auch Falafel, Schawarma und Gyros. Es geht ja ums Symbol.