Fachwissen à la NPD

Eine U-Bahn für Zwickau – so legt ein sächsischer Abgeordneter der rechtsextremen Partei bereitwillig offen, wie genau er sich im eigenen Wahlkreis auskennt

Das westsächsische Städtchen Zwickau hat durchaus einiges zu bieten. Bekannt geworden ist es wohl vor allem als vormals volkseigene Entwicklungs- und Produktionsstätte für den Trabant. Denn noch immer tuckert dieses ursprüngliche Ost-Gefährt schier unverwüstlich über die Straßen der längst wiedervereinigten Bundesrepublik und ist dabei für den nachfolgenden Verkehr – neben dem unverwechselbaren Motorgeräusch – nach wie vor an einem ganz eigenen Geruch mehr als nur zu erahnen. Gleichwohl ist die viertgrößte menschliche Ansiedlung im Freistaat Sachsen nach Selbstdarstellung als Automobil- und Robert-Schumann-Stadt “ein Mekka für alle, die es historisch mögen – gleich in mehrfacher Hinsicht: ob als Musik- oder Theaterfreunde, als Automobil-Freaks, als Museumsgänger oder aber als Liebhaber besonders gut erhaltener Bausubstanz aus Gründerzeit und Jugendstil“.

Zudem kann Zwickau auf ein relativ gut ausgebautes Nahverkehrssystem mit beispielsweise mehreren Straßenbahn- und Buslinien verweisen. Und klickt man gar auf die Homepage des FSV Zwickau – der ehemaligen BSG Sachsenring mit unvergessenen DDR-Pokal-Siegen und Europa-Cup-Auftritten – schallt einem trotz der gegenwärtigen Fußball-Unterklassigkeit ein fröhliches “… FSV – was kann es bess’res geben …“ entgegen. Die Zwickauer sind, so scheint es, auch ein lustiges Völkchen. Aber zurück zum Öffentlichen Personen- und Nahverkehr, denn nichts ist – auch in der Zwickauer Region – schon so gut, dass es nicht noch besser werden könnte.

Es kam schließlich der Tag, der Zwickau einen richtig leibhaftigen kerndeutschen Landtagsabgeordneten bescherte. Nicht, dass die Region bis dahin landespolitisch dramatisch unterversorgt gewesen wäre, aber es war ja schließlich auch nicht irgendein Landtagsabgeordneter, sondern Peter Klose – ein ausgewiesener Kämpfer für das deutsche Volk mit seinem ihm von den Nazis unterstellten Herrenrechten. Seine so genannte Bürgerbüro-Eröffnung in Zwickau – Vermieterin ist Literaturprofessorin und Unternehmensberaterin Gertrud Höhler, die deswegen unter Kritik geriet – feierte Klose nach einer Intervention des sächsischen NPD-Fraktionsvorsitzenden Holger Apfel dann doch nicht am 20. April. Aber zum diesjährigen – in rechtsextremen Szene-Kreisen ja nach wie vor gehuldigten – “Führer-Geburtstag“ beflaggte er wenigstens sein Wohnzimmerfenster durch “eine Fahne des Deutschen Reiches“, wie die Chemnitzer Zeitung berichtete. Sein Zwickauer Büro eröffnete Klose dann am 8. Mai, einem auch nicht gerade geschichtsunträchtigen Datum.

Nachdem der umtriebige Neu-Abgeordnete Klose erste parlamentarische Einarbeitungshürden gemeistert hatte und sich scheinbar in der NPD-Fraktion in Dresden heimisch zu fühlen begann, erinnerte er sich seines Wählerauftrages und des politischen Ziels seiner rechtsextremen Gesinnungskameraden. Natürlich konnte eine Idee aus seiner Heimatregion dem Abgeordneten Klose nicht verborgen bleiben. Es hat allerdings ein paar Monate gedauert, bis er, wahrscheinlich nur ein klein wenig durch gründliche Recherchen und vertrauensvolle Sondierungsgespräche aufgehalten, die ganze Brisanz des Vorgangs dann endlich öffentlich machten konnte – für die Region, für die Partei, für die Sache, und bestimmt auch ein klein wenig als nachträgliches Geburtstagsgeschenk. So konfrontierte der nationaldemokratische Held von Zwickau am 20. Juni die Sächsische Staatsregierung mit einer Kleinen Anfrage, deren Aussicht auf Beantwortung den Regierenden den kalten Angstschweiß auf die Stirn treiben dürfte. Denn so sollte es garantiert nicht öffentlich werden – noch dazu durch einen sächsischen NPD-Abgeordneten, quasi also aus der Mitte der Gesellschaft.

Schonungslos fragt Peter Klose also in der Landtagsdrucksache 4/9150 unter der Überschrift “U-Bahn in Zwickau“ unter anderem:

“Wann wurde mit den Baumaßnahmen begonnen?“
“Wann wird mit einer Fertigstellung der Anlage gerechnet?“
“Zu welchen Einschränkungen kommt es durch die Baumaßnahmen?“
“Welche Fahrpreise erwarten den späteren Nutzer?“

Vorangestellt ist der Kleinen Anfrage die Feststellung Kloses “Wie berichtet wurde, soll in absehbarer Zeit eine U-Bahn-Linie in Zwickau errichtet werden.“

Am 10. November 2006 berichtete der Lokalrundfunk tatsächlich unter der Headline “Stadtmanager präsentieren unglaubliche U-Bahn-Pläne“, dass angeblich eine U-Bahn geplant sei. Allerdings – so vorausschauend und extra auf den nachfolgenden 11.11. hinweisend – “gehe es erst einmal darum, die Zwickauer nach ihrer Meinung zu fragen.“ – Helau!

Die Fakten: Die Stadt Zwickau mit nicht ganz 100.000 Einwohnern unterhält, so Wikipedia, unter anderem “im städtischen Verkehr drei Straßenbahn-, 14 Omnibus- und zwei in den Nächten vor Sonnabenden, Sonn- und Feiertagen verkehrende Nachtbuslinien der Städtischen Verkehrsbetriebe Zwickau GmbH“. Der sächsische NPD-Landtagsabgeordnete Klose betreibt seit einiger Zeit ein so genanntes Bürgerbüro in seiner Heimatregion Zwickau. Adolf Hitler wurde am 20. April 1889 geboren. Der 8. Mai 1945 gilt als offizielles Ende des 2. Weltkrieges und besiegelte das Ende des damaligen Nazi-Deutschlands. Der 20. Juni 2007 ist ein – relativ – unverfängliches Datum, um als Landtagsabgeordneter eine offenbar völlig untergrundlose “U-Bahn“-Anfrage an eine zuständige Staatsregierung zu stellen. Der Landtagsabgeordnete Klose agiert seit 1995 als Kreisvorsitzender der NPD in Zwickau und darüber hinaus seit Jahren im sächsischen Landesvorstand der Partei.

Welche Grund-Qualifikation benötigt eigentlich generell ein Landtagsabgeordneter? Bekommt wirklich jedes Wahlvolk die Abgeordneten, die es verdient? Fragen über Fragen – und so ist es schon ein wenig bedauerlich für den aufgeklärt lustigen Teil des Zwickauer Völkchens. Aber von irgendwem ist Peter Klose ja schließlich gewählt worden, aus der Mitte der Gesellschaft – Helau?

[Dieser Artikel wurde am 9. Juli 2007 bei Telepolis veröffentlicht.]