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Willmann knirscht mit den Zähnen – Wen juckt’s?

Frank Willmann zeichnet nicht nur für Bücher wie Stadionpartisanen – Fans und Hooligans in der DDR und ZONENFUSSBALL verantwortlich. Er kolumnet ebenso gelegentlich hier und da, beispielsweise auch beim “Magazin für Fußballkultur“ 11Freunde.

In der dem diesjährigen Weihnachtsfest nächstgelegenen 11Freunde-Dienstagskolumne bricht nun scheinbar lang angestautes unvermittelt aus Herrn Willmann fast übersprudelnd hervor – die Welt ist eine Glaskugel und zudem noch ungerecht. Froher die Glöckchen nie klangen. Kolumnen-Schreiber sind ja fast vogelfrei mit sich selbst bei ihren Verlautbarungen, Buch-Autoren wird zuweilen noch eine gewisse Seriosität unterstellt.

Frank Willmann fällt in besagter Kolumne unaufgefordert fast sogleich quasi scheinbar selbstverordnet “in pränatales Siechtum“, sieht irgendwo “blonde deutsche Maiden mit dicken Knarren hasten auf Brettern durch den Schwarzwald“, bemerkt wie nebenbei aus den Augenwinkeln ein imaginär laufendes TV-Gerät, “beherrscht von zufriedenen urbayerischen Weiberlein. Mit dicken Pullis an. Sie glotzen blöd und dauerfidel aus dem Heimkino und palavern Unverständliches“ – und zwischenbenennt das Ganze bis dahin “W-I-N-T-E-R-P-A-U-S-E – heißt das Unwort des distinguierten Fußballfreundes“. So weit so schlecht, wer die bemühte Ironie oder den noch bemühteren Sarkasmus herauszulesen vermag.

Aber eigentlich firmiert besagte Kolumne von Herrn Willmann unter der Headline “Begnadigt Dynamo!“. Ja, da bleibt – um mit des Kolumnisten Worten zu sprechen – schließlich “uns galanten Hengsten des Fußballsports … nur der Blick in die Glaskugel“.

“(…) Und was sagt uns Beutegermanen mit der Impertinenz des falschen Geburtsorts das Kügelchen? Eins ist sicher: es wird auch 2012 so weiter gehen. Die Bundesliga bleibt Ostfußballbefreite Zone. Die Fans zwischen Saßnitz und Suhl sind im einundzwanzigsten Jahr nach der Wende vom großen Fußball abgeschnitten (…)

(…) der Rest der ostdeutschen Gemeinde? Nichts als zweit- bis drittklassige Trübsal. Einige der ruhmreichen Vereine, die vierzig Jahre den Fußball im Osten prägten und groß machten, sind komplett aus der kunterbunten Fußballwelt verschwunden. Brotkörbe und Wasserkrüge statt Sekt und Kaviar.

Und wenn dann heute mal einer in Dresden, Rostock oder Leipzig austickt, kommen die Paten des Mammons sofort mit der chemischen Keule. Als hätten DFB und DFL nicht genug vom Ostfußball profitiert (…)

Ihr rüstigen Rentner des DFB samt politisch interessierter Freundeschar! Merkt Ihr nicht, dass Ihr den Ostpöbel mit Euer Politik der neunschwänzigen Katze direkt in die Arme des Gegners treibt? Wenn einer immer nur die letzte Laterne in die Hand gedrückt bekommt, ist nur noch Fasching im Gehirn (…)

Zeigt endlich Köpfchen und begnadigt Dynamo Dresden. Setzt Zeichen der Vernunft, haut Euch mit den hervorragend arbeitenden Fanprojekten und anderen Profis der Fanarbeit und Fanforschung an einen Tisch und lasst die Politiker zu Hause (…)

Jetzt geht’s um Schadensbegrenzung größeren Ausmaßes. Theo, am Wochenende ist Pogo unterm Weihnachtsbaum. Zieh eine milde Gabe für Dynamo aus dem Sack und dann ab hinter die Kulissen mit Dir!“

Ach – und dann doch noch plötzlich bissel mehr nachgeknirscht, Frank Willmann? Kolumne ist halt eben Kolumne, whatever.

Ach ja – aber wen interessiert so etwas schon in Frankfurt am Main, im Westen der Bundesrepublik, beim DFB, bei der DFL und überhaupt? Knirschen wir eben ruhig oder lauter mit den Zähnen vor uns hin, juckt’s wen?

[Dieser Artikel wurde am 21. Dezember 2011 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]