Schlagwort-Archive: Meerane

Messerattacke in Westsachsen

Meerane/Chemnitzer Land. In den Abendstunden des 28. November wurde kurz nach 22 Uhr am Schützenplatz ein 24-jähriger Mann von augenscheinlichen Rechtsextremisten überfallen und mit einem Messer niedergestochen. Wie die Chemnitzer Morgenpost berichtet, schwebe das Opfer seitdem in Lebensgefahr und wird in einem Zwickauer Krankenhaus ärztlich versorgt. Nach einer umgehend durchgeführten Not-Operation bangten die Ärzte um das Leben des jungen Mannes.

Nach weiteren Berichten sind die mutmaßlichen Rechtsextremisten – die sich nach Angaben von Augenzeugen ständig abends und nachts vor einem Supermarkt am Meeraner Schützenplatz aufhalten sollen – unvermittelt von hinten auf ihr Opfer losgestürmt. Danach nahmen sie den jungen Mann in den Schwitzkasten, rammten ihm schließlich auch noch ein Messer in die Brust und ließen ihn anschließend blutend liegen. Bei der Attacke wurden Lunge und Milz des Angegriffenen in Mitleidenschaft gezogen. So schwer verletzt soll sich der 24-Jährige zu Freunden gerettet haben, die dann einen Notarzt verständigten.

Unterdessen erklärte die Polizeidirektion Chemnitz-Erzgebirge, es gebe im bisherigen Verlauf der Ermittlungen “keine Erkenntnisse, dass ’Skinheads’ diese Straftat“ begangen hätten. Für den Angegriffenen habe “zu keinem Zeitpunkt Lebensgefahr“ bestanden. Die Polizeidirektion verwies “hinsichtlich der Wahrnehmungen des Geschädigten zum Tatverlauf“ darauf, dass “der 24-jährige Geschädigte zum Zeitpunkt der Attacke auf ihn unter Alkoholeinwirkung“ gestanden habe, da er nach eigenen Angaben im Vorfeld der Ereignisse “mehrere Flaschen Bier getrunken“ hatte. “Einzelheiten zum Verlauf des Geschehens und eine Täterbeschreibung“ waren laut Polizeidarstellung durch den Geschädigten nicht näher verifizierbar.

Fast gleichzeitig wurde von AMAL Sachsen allerdings dieser Vorfall in die laufende Chronik rechter Aktivitäten in sächsischen Landkreisen und kreisfreien Städten aufgenommen.

Im Oktober 2006 berichtete das Internet-Magazin Telepolis unter der Überschrift “Rechtsradikaler Terror vertreibt Politiker“ über den polizeilichen Umgang mit Rechtsextremisten anlässlich einer diesbezüglichen linksgerichteten Solidaritätsversammlung vor Ort: “Am Abend dieser Kundgebung in Meerane wussten die dann anrückenden Einsatzkräfte allerdings ziemlich genau um die Prioritäten ihres dortigen Einsatzes. Nach Augenzeugenberichten wurden die rund 40 Gegendemonstranten aus dem rechtsextremistischen Spektrum am Rand der Veranstaltung von der Polizei kaum beachtet – im Gegensatz zu den Versammlungsteilnehmern …“.

[Dieser Artikel wurde am 30. November 2006 bei redok veröffentlicht.]

Rechtsradikaler Terror vertreibt Politiker

Uwe Adamczyk (Linkspartei.PDS) legt nach vier auf ihn verübten Anschlägen seine politischen Mandate in Sachsen nieder und verlässt den Ort des Geschehens

Es ist ein Vorgang, der in der jüngeren politischen Geschichte der Bundesrepublik ohnegleichen sein dürfte. Ein Politiker sieht als letzte Konsequenz aus wiederholten rechtsradikalen Angriffen auf sein Hab und Gut – und nicht zuletzt sein Leben – nur noch die Aufgabe seiner politischen Ämter sowie einen Ortswechsel als Lösung.

Bereits zum vierten Mal in nur gut einem Jahr erfolgte vor wenigen Tagen auf das Haus von Uwe Adamczyk in Meerane wiederholt ein Brandanschlag. Der durch Körperbehinderungen auf den Rollstuhl angewiesene Adamczyk selbst konnte sich “nur mit Müh und Not“ in Sicherheit bringen. Die Polizei konstatierte “Brandstiftung“. Der Staatsschutz ermittelt in dieser – offensichtlich gegen den Politiker gerichteten – “Anschlagsreihe“.

Uwe Adamczyk war von 1994 bis 2004 Abgeordneter des Sächsischen Landtages. Bekanntheit erlangte er vor allem durch seine Arbeit als antifaschistischer Sprecher vormaliger PDS-Fraktionen. Innerfraktionell schien er allerdings dort zuweilen ob seines Engagements mehr gelitten und geduldet, als hilfreich unterstützt gewesen zu sein. Nach seinem Ausscheiden aus dem Landtag erwarb Adamczyk den Gebäudekomplex in Meerane zur längerfristigen eigenen Existenzsicherung mit geplanter gastronomischer Einrichtung, Internet-Cafe, Billard sowie Wohnungen und Büroräumen in Funktion als alternatives Begegnungszentrum. “Von Anfang an war jedoch klar und auch gewollt, dass rechtsorientierte Personen für diese Räumlichkeiten keinen Zutritt erhalten.“ Noch nach den Anschlägen im Dezember 2005 erklärte Adamczyk: “Ich selbst aber auch die Jugendlichen hier im Gebäude lassen uns von diesen Rechten nicht einschüchtern.“

Nach dem vierten Anschlag im September 2006 legt Uwe Adamczyk nunmehr seine politischen Mandate als Stadtrat in Meerane und Kreistagsabgeordneter im Chemnitzer Land nieder und wird sich geografisch verändern. “Ich gebe auf. Auch wenn meine Feinde damit erreicht haben, was sie wollten“, sagte er Medien gegenüber. Das rechtsextremistische Störtebeker-Netz stellte noch im Nachgang kaum misszuverstehende Drohungen in den virtuellen Raum: “Und bevor er friedliche Menschen in anderen Regionen belästigt, sollte er nicht nur die Gabel abgeben!“

Am 4. Oktober demonstrierten gut 150 Menschen im sächsischen Meerane unter der Losung “Courage zeigen – Nazis widerstehen – Solidarität mit Uwe Adamczyk!“ Vorab erklärte die Linkspartei.PDS: “Die Konsequenzen, die Uwe Adamczyk nun zieht, sind für uns bitter, wenngleich auch sehr nachvollziehbar.“ Politikerinnen und Politiker aus anderen Parteien übten sich gleichfalls in verbaler Betroffenheit. Am Abend dieser Kundgebung in Meerane wussten die dann anrückenden Einsatzkräfte allerdings ziemlich genau um die Prioritäten ihres dortigen Einsatzes. Nach Augenzeugenberichten wurden die rund 40 Gegendemonstranten aus dem rechtsextremistischen Spektrum am Rand der Veranstaltung von der Polizei kaum beachtet – im Gegensatz zu den Versammlungsteilnehmern auf dem Meeraner Teichplatz. Man wolle “den Rechten in Meerane nicht das Feld überlassen“, verlautbarte jedenfalls der Vorsitzende des Kreisverbandes der Linkspartei.PDS im Chemnitzer Land. Warum nur klingt dies merkwürdigerweise ein wenig wie Pfeifen im dunklen Wald?

[Dieser Artikel wurde am 6. Oktober 2006 bei Telepolis veröffentlicht.]