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Neues braunes Jugendprojekt

Mit einer bundesweiten Schülerzeitung wollen Neonazis gezielt neue Klientel ansprechen. Die Finanzierung dafür soll aus der braunen Szene selbst kommen

Der geplante Überraschungscoup rechtsextremer Protagonisten dürfte gründlich daneben gegangen sein. Seit einiger Zeit kursiert ein Probeentwurf für eine bundesweite Schülerzeitung mit sehr deutlich rechtsextremistischem Touch, der mittlerweile öffentlich geworden ist. Dabei wurde im Anschreiben unter der Rubrik “information“ unmissverständlich die nationalsozialistische Geheimhaltungsstufe vorgegeben. Originalton: “Diese Epost geht ausschließlich an nationale Versände, Personen und Gruppen die uns bekannt sind und zu denen wir Vertrauen haben!“ Weiter weist die nationale Projekttruppe darauf hin: “Es gilt das Vertrauensprinzip! Keine Veröffentlichungen in öffentlichen Foren oder Informationsseiten!“ – um gleichzeitig aufzufordern: “Wer weitere Versände, Personen oder Gruppen kennt, der kann diese Mitteilung gern weiterversenden!“

Worum geht es bei dieser mit beabsichtigter Geheimhaltung versehenen internen Vorab-Information für so bezeichnete national Gesinnte? “Independent – unabhängige Schüler- & Jugendzeitung. kritisch – kreativ – zukunftsweisend“ heißt relativ harmlos daherkommend die Headline des Projekts. Die endgültige Print-Form soll im Format A5 erscheinen und als Minimum 16 Seiten umfassen. “Je nach dem was an Mitteln zusammenkommt, kann die Zahl beliebig vergrößert werden!“ Der erste Independent wird für das 2. Quartal 2005 avisiert und soll danach aller Vierteljahre erscheinen. Beabsichtigt ist Schwarz-weiß-Druck oder “2-farbig (je nach dem, was an Geld zusammenkommt!)“. Die Macher von Independent sehen ihre Zielgruppe so, dass die Verteilung “an Jugendliche … und nicht an Szeneleute“ beabsichtigt ist. Dementsprechend wird auch um “Werbung, Annoncen oder Mitteilungen … in ordentlicher Form“ gebeten. Gleichfalls wird die rechtsextreme Schulhof-Website eine “Extraseite für die Schülerzeitung“ erhalten.

independent

Bei den mittlerweile ebenfalls publik gewordenen Texten – “In diesem Probeexemplar sind nur kurz Anrisse von Texten beinhaltet, dass ihr seht, wie und vor allem was geschrieben wird“ – wird beispielsweise “die medienlüge“ pseudokritisch hintergefragt: “Sind wir nur das Mittel, damit Medienchefs noch mehr verdienen?“ Unter “umweltschutz“ folgt “ein kurzes resume“: “Jeder kann ohne großen Zeit- und Kostenaufwand etwas für die Umwelt tun.“

Das Layout des Telepolis vorliegenden Probeexemplars von Independent ist eher laienhaft erstellt und soll wohl lediglich andeutungsweise dazu dienen, “euch zu informieren, wie die bundesweite ’Unabhängige Schülerzeitung [independent]’ aussehen soll“. Mithin werden allerdings bereits vordergründig unverfänglich scheinende “Themengebiete“ in Independent “von der Umweltproblematik über Musik bis hin zum sozialkritischen Gebiet“ angekündigt.

Allein die Vereinnahmung einer Comic-Kult-Figur für die Probe-Titelseite von Independent sorgte im WorldWideWeb bereits für – allerdings eher unpolitische – Aktionsankündigungen. Die linke Spaßguerilla meint: “Bernd das Brot wurde von den Faschoschweinen entführt und gezwungen auf dem Cover einer Nazizeitung zu posieren“ und “deshalb fordern wir alle fortschrittlichen Kräfte auf: Befreit Bernd das Brot! Alle Mittel müssen eingesetzt, alle Kräfte mobilisiert werden“. Die verbalradikale Steigerung liest sich nicht weniger unpolitisch dramatisch: “Wir werden für die Freiheit von Bernd das Brot kämpfen und uns nicht scheuen, Waffen und Sprengstoff einzusetzen!!!!“

Aber zurück zum Eigentlichen. Woher kommt das Geld für Independent? Finanziert werden soll “diese große Sache durch Konzerte“ sowie “durch eigene Aufwendungen und (hoffentlich) durch Versände, Läden, Labels und Kameradschaften unserer Szene“. Und vielleicht auch durch NPD-Landtagsabgeordnete? Als Kontakt fungiert ein “Pressearchiv“ unter einem Postfach in Dresden. Online erreichbar ist die derzeitige Redaktion von Independent über den Free-Mailer hotmail.com. Als Unterstützer werden die so genannten Freien Kräfte Sachsen (“HI MOM! Ich habe die Neonazis gehackt“), Bound For Nature sowie Underground Music (AryenMusic – Aryen88 and Underground-Music) angegeben.

Als einer der Unterzeichner des Vorab-Independent-Rundschreibens gilt Karsten Scholz, Herausgeber der “Rufe ins Reich“. Gleichfalls involviert ist der “Nationale Bote“. Die Freien Kräfte Sachsen beabsichtigen übrigens dieser Tage, unter dem Motto “Linken Terror dort bekämpfen, wo er entsteht“ durch die Dresdner Neustadt zu marschieren. “Verwirklicht“ wird Independent über den NMV-Medienbetrieb – “NMV. Propaganda aller Art. Der Versand für Nationale Sozialisten!“.

[Dieser Artikel wurde am 17. März 2005 bei Telepolis veröffentlicht.]