Archiv der Kategorie: MedienScreen

MedienScreen # 2 [Dresden: Glücksgas-Arena oder Stuka-Stadion?]

[Fundstück] “Sanitär-Stadion, Panzerkampf-Arena, oder was?“, Sächsische Zeitung (sz-online.de), 8. Dezember 2010 –

(…) Das Nachrichtenmagazin “Der Spiegel“ hat Humor, jedenfalls in seiner Online-Variante. Unter der Rubrik “Spam“ haben die Macher von “spiegel.de“ eine Umfrage gestartet, die das Dresdner Stadion ins Visier nimmt. Sie greifen die Debatte um den bayerischen Sponsor auf, der den Neubau “Glücksgas-Arena“ nennen will.

“Klingt komisch“, befinden die Autoren und geben dann sieben Alternativen für ein Online-Voting vor, die es in sich haben. “Stuka-Stadion“ ist eine der martialischen Varianten. “U-Boot Typ VII B-Kampfbahn“ die zweite. Die Vorschläge unterstellen, dass Dynamo ein in Teilen recht vergangenheitsfixiertes Publikum hat. Etwa bei: “V2-Sportplatz“. Man kann es ahnen, die folgenden Vorschläge lauten: “Selbstladepistole Haenel-Schmeisser M1 1920-Spielfeld“, “Phosgen Wettkampfplatz“ sowie “Panzerkampfwagen 6 Tiger-Arena“. Als letzte Vorgabe nennt die Abstimmung: “lieber was Regionales wie: Fa.-Adrian-Schmidt-Heizung-und-Sanitär-Stadion“. Bis zum späten Dienstagnachmittag [7. Dezember] klickten fast 4.000 Nutzer bei der nicht repräsentativen Umfrage mit.

Fast jeder zweite (knapp 47 Prozent) favorisierte einen lokalen Sanitärsponsor als Namensgeber. Die kriegerischen Offerten waren weit abgeschlagen, der “V2-Sportplatz“ schaffte nicht einmal zehn Prozent. Das legt nahe: Dynamo-Fans sind besser als ihr Ruf (…)

[Dieser Beitrag wurde am 9. Dezember 2010 bei Ostfussball.com publiziert.]

Abenteuer Fußball im Osten: Stuttgart, Chemnitz und retour

Bekanntermaßen hat es in der 2. Hauptrunde um den diessaisonalen DFB-Pokal für den Chemnitzer FC gegen den VfB Stuttgart am 27. Oktober 2010 trotz eines großartigen Auftritts letztendlich nicht gereicht – aus ostneutraler Sicht betrachtet mit den Anmerkung: leider. Nach dem “Pokal-Aus mit Applaus“ resümierte CFC-Präsident Matthias Hänel: “Die Mannschaft hat unseren Verein deutschlandweit würdig vertreten. Dafür gebührt ihr ein großes Dankeschön“ (Dresdner Morgenpost, 30. Oktober).

Vom deutschlandweiten Applaus für den CFC ist der Natur der Sache nach die Anhängerschaft des VfB Stuttgart als Partie-Rivale de facto fast logischerweise ausgenommen, zumal einige Stuttgarter sowieso ihre ganz eigene Sicht zur Pokal-Begegnung auf der Chemnitzer Fischerwiese hatten und diese auch postulierten.

So gibt es im Online-Forum der Stuttgarter Nachrichten einen VfB-Stuttgart-Thread, in dem sich, unter zwischenzeitlich geänderter Headline (Original: “Wer ist heute Abend in der DDR dabei?“), gut zwanzig Jahre nach dem Wegfall der vormaligen Zonenrandförderung einige durchaus bemerkenswerte Auffassungen zur Pokal-Begegnung in Chemnitz widerspiegeln.

Der Eröffnungsbeitrag besagten Threads beginnt mit der durchaus prosaischen Frage an die VfB-Fangemeinde –

Wer von Euch traut sich denn heute Abend in den wilden Osten zum Spiel in der Stadt mit 3 Oh’s: Gorl-Morx-Stodt

– um gleichzeitig fürsorglich warnend anzufügen –

Wie man hört, sollte man gute Laufschuhe mitnehmen.

Gar aufklärerisch geht es aber weiter –

Ich kann nur jeden ermutigen mal hinzufahren und sich die “DDR“ mal anzuschauen, vielleicht hört das Ost-West-Karl-Marx-Stadt-Klischee-Gequatsche dann mal auf, wenn man feststellt, dass man echt mit der Lupe suchen muss, um andere Unterschiede als die Dialekte zu finden.

Einige folgende Beiträge reflektieren dann eher die Formalia der Einreisemodalitäten in die Ost-Zone –

Ich hoffe, ihr habt alle daran gedacht ein Visum zu beantragen!!!!!!!! (…) Begrüßungsgeld für die Brüder und Schwestern nicht vergessen (…) Wo fahret ihr über die Grenze? (…) Hoffentlich sind die Wartezeiten am Grenzübergang nicht zu lang und alle VfB-Fans kommen rechtzeitig in Gorl-Morgs-Stodt an (…)

Und wie nebenbei wird auch noch ein wenig pseudopolitisch vor sich hingepostet –

Hätte es bloß nie die Wiedervereinigung gegeben (…) Den Soli zahlen wir wohl noch bis zum St. Nimmerleinstag, warum zahlen den eigentlich alle, sollen doch nur die zahlen, die mit den Ossis solidarisch sind, ich bins jedenfalls nicht (…) Sächsisch ist der beschissenste Dialekt der jemals erfunden worden ist (…) Baut die Mauer wieder auf, diesmal aber richtig und alle Ossis wieder zurück!!! (…)

Nach einigen sexistischen Beiträgen über die Ossi-Frau als solche, à la –

Da kenn ich mindestens drei bildschöne junge Frauen, die geburtsmäßig aus den neuen Bundesländern kommen und die in dem Fall dringend hier bleiben sollten und gern auch bei mir Asyl beantragen könnten! (…) So eine Ossi-Maus nehme ich auch (…) die können einen Tennisball durch einen Gartenschlauch saugen (…)

– folgt dann unvermittelt ein völlig überalteter und zudem nur vorgegebener Link zum Chemnitzer Fight Club mit der Anmerkung –

Dann heute Abend noch 1000 VfB-Fans der Kategorien B & C

Einige Posts später wird in scheinbar lauter Vorab-Aufregung sogar noch ein älterer Ostfussball.comArtikel verlinkt, zudem flankierend garniert mit der gar mehr als bange klingenden Frage –

(…) Amole schaue wie viele von denne 1000 VfB’ler wieder hoimkommet heit Nacht.

Wobei da schon fast alles über den Osten als solchen weniger als mehr gesagt scheint –

Schbinnsch denn du, mir gehn doch ned in die Zone (…) Ich wäre gerne zum Spiel gefahren, aber die Bilder aus Bratislava haben davon abgehalten (…)

Ob Bratislava oder Chemnitz, was soll’s? Alles Osten halt, Sachsen-Slowakei-Sibirien-Gulag gewissermaßen oder wenigstens Protektorat –

So, angekommen! 1000 Leute für ein Spiel in der tiefsten Ossiprovinz unter der Woche ist doch gar nicht so schlecht! War grad mal vorsichtig ums Stadion laufen, sieht für unsere Spassfraktion gut aus! (…) Die ersten Cottbuser sind auch gerade eingetroffen! (…) So? Batscht man sich heut noch bissle? (…) Obacht vor diesen Nazi-Kämpfern (…) Leider wurden zirka 200 VfB-Fans zumeist grundlos von der Polizei einkassiert. Die sitzen jetzt auf dem Revier in Chemnitz und werden bis nach dem Spiel fest gehalten, also in Sippenhaft genommen. Grund sei, dass es angeblich Pyro-Vorfälle gegeben habe. Die meisten sitzen dort garantiert GRUNDLOS. So eine Schweinerei! (…) Ein Freund, der vor Ort war, hat von 200 Verhaftungen gesprochen (4 Busse Kategorie C)? (…) Im Stadion NULL Support, sieht aus als sei das CC auch nie in Karl-Marx-Stadt angekommen? (…) Im VfB-Block einige Cottbusser und Freunde aus Dresden (…) Der VfB-Block war als solcher mit dem Auge nicht auszumachen, sah aus, als wären 50 Mann aus Stuttgart angereist? (…) Geile Choreographie der Klasse 3 b der Ernst-Thälmann-Schule Chemnitz im Block der CFC-Fans (…) Da haben sich die Kinder wirklich Mühe gegeben. Herrlich! (…) Für ihre Verhältnisse haben die es ganz gut hingekriegt! Respekt! (…) Ein wahrer Hexenkessel das Stadion in Chemnitz (…) Da ist in Ditzingen mehr los (…) Genau so viel wie in Degerloch (…) Degerlocher Entwicklungshilfe für die DDR (…) Ich kann nicht glauben, dass da nur ein VfB-Fan im Stadion war. Stimmung wie in einer Gruft umschreibt ganz gut, was man da im TV nicht gesehen hat (…) Das Commando Bieberle ist wohl zu Hause geblieben, war denen sicher zu gefährlich in den Osten zu fahren (…) Man muss leider sagen, dass ohne die Stimmung der Ultras überhaupt nix los ist. Kein Support, der Gästeblock als solcher war nicht zu erkennen und nicht zu hören. Das hatte 5.-Liga-Niveau. Dass knapp 150 Stuttgarter-Kategorie-C-Hools verhaftet wurden ist schade, denn außer ein paar Böllern ist ja nix passiert (…) Es war tatsächlich wie auf dem Zentralfriedhof. Enttäuscht war ich auch von den Chemnitzern. Für das Spiel des Jahres waren außer Tribüne links C, rechts F und Mitte C Geschrei auch nicht viel zu hören (…) War super, tolles Stadion, super packendes Spiel. Stuttgart leider ziemlich schwach, aber egal, dadurch wurde es umso interessanter. Die Gerüchtelage war sehr diffus, scheinbar waren einige Kat Cler unterwegs, anscheinend auch ein paar K’lauterer dabei. Die wollten sich wohl mit den Chemnitzern anlegen, ein paar Ultras waren wohl auch dabei. Naja, die haben dann erstmal die Grünen attackiert und die haben sich das nicht lang angeschaut und gleich alle weggeschlossen. So gab es keine Stimmung (…) da niemand da war, der die Initiative übernehmen hätte können, und (…) wohl auch per Stimmungs-Boykott gegen die Festnahmen protestiert werden sollte.  Naja, auf Chemnitzer Seite war da auch eine extrem schlechte Stimmung. 200 Leute hinterm Tor supporten aktiv, der Rest leider großteils still. Naja, sonst keine großen Vorfälle, auch nach dem Spiel alles soweit ruhig. Ein paar Pöbeleien und so durfte man sich mit dem roten Schal schon anhören, aber unterm Strich gabs damit keine Probleme (…)

Und dann ward es Licht am Ende des Thread-Tunnels –

(…) Wieder im Ländle.

Ob nun besagtes VfB-Forum unter der Ägide der Stuttgarter Nachrichten etwa nur ein Spam-Modul ist, sei dahingestellt. Mithin verbringen einige Leute Zeit damit, sich dort zu artikulieren, wie auch immer. Und aus diesem gegebenen Anlass sollte freundlich darauf hingewiesen sein, dass Soljanka beileibe kein Brauchtumsritual oder gar Paarungstanz und Goldbroiler genau so wenig eine Währungseinheit ist – Helau.

Alle angeführten Zitate stammen übrigens, hier und da lediglich entsprechend leicht modifizierend redigiert, aus dem VfB-Stuttgart-Forum beim Online-Angebot der Stuttgarter Nachrichten.

[Dieser Artikel wurde am 30. Oktober 2010 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

MedienScreen # 1 [Fußball-WM und sowieso, Autofähnchen schießen keine Tore]

[Fundstück] politplatschquatsch.com, 24. Juni 2010 –

“Erst wenn der letzte Abstoß geschlagen, die letzte Flanke weggefangen und der letzte Strafstoß vergeben ist, werdet ihr merken, dass Autofähnchen keine Tore schießen.“

***

Mit Dank & Gruß an PPQ und dortselbst im Original.

[Dieser Beitrag wurde am 26. Juni 2010 bei Ostfussball.com publiziert.]

The Great Dresden Swindle

Nicht nur eine Propagandalüge von Goebbels überdauert Jahrzehnte

Dieses Werk hat Gunnar Schubert, durchaus bekannt als KONKRET-Autor, lange umgetrieben. Es ist dem Foliant anzumerken, positiv wohlgemerkt. Denn “was ist zu Dresden nicht schon alles geklöppelt, gebatikt und gelyrikt worden“?, fragt Schubert unter der gewagten Kapitel-Überschrift “Der poetische Bombenholocaust“. Und nun – so im Geleit der Publikation – “noch ein Buch über die Bombardierung im Februar 1945 auf Dresden? Noch ein Plädoyer für oder wider die Befreiung der Welt von den Deutschen? Noch eine Berechnung der Totenzahlen, der Bombenabwurfmenge, des unermesslichen Leids derer, die es nicht gewesen sind?“.

Nach der Lektüre von Schuberts Buch lautet die Antwort: Es ist keineswegs lediglich ’noch ein Buch’ zu Dresden, ein beliebiges schon gar nicht. Denn der Autor nimmt sich detailliert und kenntnisreich vieler der zahlreichen Legenden um die Bombardierung Dresdens an – und widerlegt sie mit dem ihm eigenen schriftstellerischen System Stück um Stück. Letztendlich lässt Schubert nicht viel übrig von den Mythen deutscher Opfer der mittlerweile wieder gern so betitelten “alliierten Terrorangriffe“. Übrig bleiben allerdings historische Tatsachen, die einige so vielleicht nicht gern zur Kenntnis nehmen werden wollen. Bedauerlicherweise sind dem Buch indes weder ein Personen-, noch ein Sachregister ergänzend beigefügt worden.

Über 22 Kapitel, untersetzt mit 180 Literaturverweisen und Anmerkungen, spannt Schubert seinen mitunter sprachlich brillanten historischen Bogen. Wobei garantiert nicht alles thematisch Relevante letztlich wohl auch einbezogen werden konnte. Beginnend mit den “Lügen der Zeitzeugen“ führt der Autor dabei die Leserin und den Leser über die “Lüge von der unschuldigen Stadt“ hin zu den “Lügen der Aufrechner“ und lässt dabei die “Tieffliegerlüge“ nicht rechts liegen. Über die “Phosphorlüge“, die “Atombombenlüge“, die “Lüge von der Kunst- und Kulturstadt“, die “Lüge von den Mitwissern“ sowie die “Totalitarismuslüge“ findet der Verfasser schließlich “kein gutes Ende“ im “Tal der Erbarmungslosen“.

Denn, so Schubert an dieser Stelle: “Wer versucht die Einzelteile des Great Dresden Swindle zu sortieren, gerät in einen tiefen Sumpf von Hörensagen, Behauptungen, Oral History und der Ventilierung dieses schier undurchdringlichen Lügenkonstrukts durch Negationisten, Revisionisten und staatsideologische Propaganda. (…) Inferno, Hölle, der Tod von Dresden. So schreit und heult eine Volksgemeinschaft, zusammengehalten aus der Abwehr von Realität und Argument. Denn es mangelt ihnen, den einzigen, den wahren Opfern, nicht nur an Schamgefühl, sondern auch an Schuldverständnis (…) Die Bombardierungen, das kann nicht oft genug gesagt werden, waren nicht Ursache, sondern lediglich die vorhersehbare Wirkung, dessen, was die Deutschen wissentlich und willentlich verbrochen hatten. Mit der von der Nazi-Propaganda in die Welt gesetzten Lüge von der ’Sinnlosigkeit der Angriffe’ verhöhnen Leute wie der Ministerpräsident Georg Milbradt oder der Negationist Andreas Brie die wenigen, die tatsächlich unschuldig starben“.

Der Autor betreibt, dies sei keineswegs verschwiegen, in seinem Werk darüber hinaus unter anderem auch einen kleinen Exkurs “Was vom Antifaschismus in der DDR übrigblieb“ und betrachtet den gesamtdeutschen 13. Februar in einer “Chronologie von der Wiedervereinigung bis heute“ – so zusammengefasst von aufmerksamen Beobachtern Dresdner Ereignisse allerdings für inhaltlich noch ergänzenswert gehalten. Die Lektorin Schuberts, Marit Hofmann – von ihm ironisch als “langjährige Führungsoffizierin“ vorgestellt – steuert dem Werk einen unbedingt nicht zu vernachlässigenden Gastbeitrag “Der Tod ist ein Meister aus Dunkeldeutschland – Denkmalpflege auf sächsisch“ bei.

“Weder will der Autor eine neue religiöse Sonderbewegung initiieren, noch hofft er, den Unbelehrbaren, den Menschenfeinden innerhalb und außerhalb der Stadt, zu Einsichten zu verhelfen. Es ist in seiner Unvollständigkeit der Versuch, ’Dresden’ aus der isolationistischen Sicht herauszuholen und für ein wenig Gedankenfreiheit zu sorgen“, so das postulierte Credo des Autoren. Bei diesem durchaus als gelungen zu resümierenden Versuch überlässt es Schubert zudem auch keinen Mutmaßungen, seine eigenen politischen Ambitionen betreffend: “Erst wenn man der Lüge von der unschuldigen Stadt ein Ende bereitet, wird man denen gerecht, die wirklich unschuldig umkamen: Verfolgte des Naziregimes, Kriegsgefangene, Kinder“.

Gunnar Schubert lebt schon viele Jahre in besagter Stadt an der Elbe – mithin “in der weltlichen Vorhölle, dem Sendegebiet des MDR“ – und beweist sich mit diesem Werk als profunder Kenner der ’Dresden’-Materie. Sein Buch widmet er “denen, die gegen Deutschland und diese Deutschen, die es ihnen nie vergessen werden, gekämpft haben“. Eine Veröffentlichung, die weit über Dresden hinaus berechtigte Aufmerksamkeit erregen dürfte.

  • Gunnar Schubert. Die kollektive Unschuld – Wie der Dresden-Schwindel zum nationalen Opfermythos wurde. Konkret Literatur Verlag. Hamburg. 2006.

[Dieser Artikel wurde im April 2006 bei IDGR veröffentlicht. Nachpublizierung u.a. bei hagalil.com, 30. April 2006]