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“Das war’s mit Judas …“ – Ben Becker in der Martin-Luther-Kirche zu Dresden

Worte, die nachhallen im Kirchenschiff. Bewegend. Worte, die hernach im Beifall des Publikums enden. Stehender Applaus. Nachdem Ben Becker seine Zelebrierung von “Ich, Judas – ’Einer unter euch wird mich verraten’“ ausklingen lassen hat. Nur Worte? Aber was für Worte, und wie dargebracht …

Gibt es eine Steigerung von grandios? Subjektiv betrachtet – in diesem Fall mit vorvorvorjährigem Bühnenvergleich.

Becker selbst war sichtlich bewegt. Von sich. Von seinem Schauspiel. Vom Auditorium. Vom Abend. Seinen Kostümumhang immer wieder wedelnd, die Faust mehrmals auf den stilisierten Altartisch schlagend, feierte er diesen – mit seinen Worten – wirklich schönen Auftritt, da sei er ganz uneitel. Eins mit sich und seinem Publikum. Was spräche dagegen, es nicht für bare Münze nehmen zu wollen, einfach so? Ein wahrliches Erlebnis.

Die Martin-Luther-Kirche, übrigens mit bester Veranstaltungsstruktur, war in Dresden für das Becker’sche “Ich, Judas – ’Einer unter euch wird mich verraten’“ bereits die dritte sakrale Bühne, nach zuerst der Lukaskirche sowie später dann in der Kreuzkirche. Der Vorstand, oder wer auch immer, der kreuzkirchlichen Gemeinde – so persiflierte Becker im Anschluss seines Auftritts  – habe ihm, warum auch immer, beschieden, solcherart Worte wie die seinen, nicht in ihren Räumlichkeiten hören zu wollen. Und Becker resümierte für sich, und zur Erheiterung des Publikums, dann sei er eben jetzt hier bei Luther in der Kirche, obwohl der ja auch ganz schön “auf’s Maul“ kriege.

(Sah Schatten ich am Ufer eines Stromes … à la Dante Alighieri – Foto: O.M.)

Was bleibt? “Das war’s mit Judas“, so Ben Becker an diesem Abend in der Dresdner Luther-Kirche. Was kommt? Wer weiß …

Eines allerdings möge, wie quasi nochmals in die Tastatur gehauen, definitiv stehen bleiben – “Es gibt nicht viele wie ihn.“

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(…) vielen Dank für [die Kenntnisgabe] Ihrer wunderbaren Rezension von Ben Beckers Auftritt mit Ich, Judas in Dresden! (…)

[die LAUTsprecherin, PR- und Presse für Kultur, 15. April 2019]

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Ben Becker in der Dresdner Lukaskirche: Irgendwer hat ihn verraten

Es geht viel um Verrat an diesem Abend. Geschichte spielt eine Rolle. Religion sowieso. Der Aufführungsort scheint gut gewählt. Als Bühne ist das Gotteshaus am Lukasplatz in Dresden bereitet. Die Titelung des Programms provoziert – “Ich, Judas – ’Einer unter euch wird mich verraten’“. Erwartung. Der Künstler ist nicht irgendwer. Ben Becker. Ein Typ für entweder oder. Es gibt nicht viele wie ihn.

Und die Erwartungen werden erfüllt. Von Becker. Vielleicht sogar übertroffen. Für jene, die ihn uneingeschränkt genießen können.

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(Die ihr eintretet … à la Dante Alighieri – Foto: O.M.)

Denn es begab sich, dass Plätze der ersten Preiskategorie nicht etwa vorn an der Bühne des Theatergeschehens, sondern auf den Seitenemporen der Kirche zu finden waren. Und diese Emporen konnte augenscheinlich erklimmen wer wollte. Woraufhin sich Kulturbürgerinnen und Kulturbürger auf Plätzen fläzten, die der Himmel ihnen geboten hatte. Oder war es der Platzanweiser? Eben jener, der den dann Nachgekommenen zwei, drei, vier Stühlchen anbot? Im toten Winkel zur Bühne. Aus dem später Kulturmenschen ihre Leiber auf und fast über die steinerne Balustrade schoben, um einen Blick vom künstlerischen Geschehen erhaschen zu können. Der Platzanweiser hat Schuld? Eben jener, der Treppenstufen freihalten sollte? Solche mit Bühnenblick, die dann von quasi sitzplatzlosen Gesellinnen und Gesellen zwangsokkupiert wurden? Armer Platzanweiser.

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(Die Botschaft hör ich wohl … à la Goethe – Foto: O.M.)

Verräter? Ja, irgendwer war nicht in der Lage, Plätze entsprechend zu kennzeichnen, nummerierend etwa noch dazu. Ja, irgendwer hat fleißig auch Karten für Sitzplätze hinter herrlich blickdichten Steinsäulen verkauft. Monumental. Das System ist der Verräter? Fuck the system. Wenigstens ist die Akkustik in der Dresdner Lukaskirche nicht die schlechteste. Danke dafür, Georg Weidenbach.

Und Ben Becker? Trifft es grandios? Furios? Subjektiv formuliert, ohne anderweitige Bühnenvergleiche. Objektiv verglichen mit Auftritten im Film und Fernsehen. Es gibt nicht mehr viele wie ihn.

Weiß gewandet begibt sich Becker auf seine Reise. Vom Matthäus-Evangelium über Amos Oz’ Roman “Judas“ hin zur “Verteidigungsrede des Judas Ischariot“ von Walter Jens. Ohne die Judastat – im Auftrag Gottes? – keine Kreuzigung, keine Auferstehung, kein Christentum, keine Pogrome, keine Lager, kein Gas? Weltfrieden?

“Beckers Idee, Judas nicht als Bösewicht, sondern als intellektuellen Zweifler oder wahren Liebenden darzustellen, ist allerdings kein neues Motiv“, resümierte Gunda Bartels am 21. November 2015 auf der Online-Präsenz vom Tagesspiegel nach einer Becker’schen “Sakralrezitation“ im Berliner Dom.

Aber wie Ben Becker diese versuchte Rehabilitation des so betitelten größten Verräters der Weltgeschichte zelebriert – Chapeau! Subjektiv betrachtet. Oder besser: Mehr gehört als gesehen. In der Lukaskirche zu Dresden.

Ständig mit seiner markanten Stimme spielend, bleibt Becker zu Beginn gestenarm. Liest. Um sich dann später, frei deklamierend, als Judas regelrecht in Rage zu steigern. Stimmlich und schauspielerisch. Vom Boden der Kirchenbühne auf einen dargestellten Altartisch. Himself furiosus.

Applaus. Stehend. Auch von jenen, die zuvor genusssehend sitzen konnten. Ebenso von Kulturbürgerinnen und Kulturbürgern, die – auf vom Himmel gegebenen Plätzen fläzend – trotz Hinweisen sich nicht zu blöd waren, ihre Smartphones dokumentieren zu lassen. Fast wie im K-Block bei Dynamo. Whatever.

Applaus. Und ein ergriffener Becker. Den Ovationen gerührt dankend. Großes Schauspiel. Oder mehr. Gäbe es noch lange einen wie ihn.

Was bleibt? Erhobene Daumen für Ben Becker. Empor gestreckter Mittelfinger für das Verräterlein im Kartensystem. Und die Feststellung: Wer an einem Montagabend in Dresden zu Ben Becker geht, geht nicht zu Pegida. Venceremos!

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