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Der Weihnachtsosterhase

Eine ungewöhnliche Jahresendkartenaktion mit dem landeseigenen Ministerpräsidenten soll Aufsehen erregend für Sachsen werben

Zur Zeit kann man dem sächsischen Ministerpräsidenten, Georg Milbradt (CDU), kaum entgehen, obwohl die politische Weihnachtszeit auch in Sachsen fast schon angebrochen ist. Vielleicht liegt es aber am relativ bescheidenen Bekanntheitsgrad des CDU-Politikers Milbradt, dass die eine oder andere mit seinem Gesicht nicht unbedingt sofort einen Zusammenhang herstellen kann. Im Gegensatz jedenfalls zu seinem Vorgänger, Kurt Biedenkopf (CDU), der ja bekanntlich seiner Titulierung als “Landesvater“ gar geschmeichelt und gar nicht ablehnend gegenüberstand.

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(Faksimile: O.M.)

Nun steht, liegt oder hängt in vielen Gaststätten, Kinos und weiter derart prädestinierten Orten der sonst kaum so omnipräsente aktuelle sächsische Ministerpräsident, quasi als “Landespappi in immer noch Lauerstellung“. Damit aus dem “Landespappi“ vielleicht auch mal ein “Landesvater“ werden kann, wurden garantiert schlaue Taktiken in Erwägung gezogen, wieder verworfen, um dann durch noch geschicktere PR-Kampagnen den eher dürftigen politischen Inhalt schönend unters Wahlvolk zu bringen. Und mit so einem PR-Produkt werden nun beispielsweise unschuldige Kneipenbesucher und Kinogänger wie aus heiterem Weihnachtshimmel, sagen wir, konfrontiert, um die Worte “erschreckt“ oder “irritiert“ an dieser Stelle tunlichst doch zu vermeiden.

Sie sehen einen etwas krampfhaft grinsenden Ministerpräsidenten unter dem Weihnachtsbaum, der ihnen ein “Frohes Fest“ wünscht. So weit, so noch ganz gut. Für den vielleicht, der diese als City-Card angelegte propagandistische Fest-Botschaft per Post an die lieben Verwanden ins nicht CDU-regierte Ausland zu versenden beabsichtigt. Doch etwas mag den Betrachter, auch im CDU-regierten Sachsen, dann doch leicht stutzig machen: Im Arm des sächsischen Ministerpräsidenten kuschelt sich, unterm Weihnachtsbaum, ein Osterhase. Was will uns Herr Milbradt, was will uns die sächsische Union damit sagen?

Politische Geschenke vielleicht, zu jeder Zeit fürs Wahlvolk, ob Weihnachten oder Ostern? Die diese Karte zudem zierende Botschaft “Sachsen – wieder einen Schritt voraus“, macht eine treffende Erklärung auch nicht unbedingt einfacher. Aufhellende Auskunft erfährt der politinteressierte Weihnachtsosterforscher dann über die Website der CDU Sachsen. Die so genannte “WOster-Karte“, selbstredend online als “originell“ bezeichnet, “soll zeigen, dass Sachsen ein besonders innovatives und vorausschauendes Völkchen ist“.

[Dieser Artikel wurde am 24. Dezember 2003 bei Telepolis veröffentlicht.]

Die Fahne hoch!

Auch der “Jungen Freiheit“ gab der Bundestagsabgeordnete Henry Nitzsche mit deutlichen Worten Auskunft

“Wer ist Herr Nitzsche?“, soll CSU-Fraktionsgeschäftsführer Peter Ramsauer nach dem Bekanntwerden rassistischer Äußerungen gegenüber Muslimen des Bundestagsabgeordneten Henry Nitzsche (CDU) gefragt haben. Nitzsche hatte gesagt, in Deutschland könne “der letzte Ali aus der letzten Moschee Zuflucht nehmen“. Im DS-Magazin meinte er, dass einem Muslim eher “die Hand abfaulen“ werde, als dass er die CDU wählt. Für die möglicherweise missverständliche “Wortwahl“ hat sich der Bundestagsabgeordnete mittlerweile entschuldigt. Vielleicht kennt Ramsauer den sächsischen Hinterbänkler wirklich nicht, bei dessen Affinität zur bayrischen CSU allerdings schwer vorstellbar.

Bekannter ist Nitzsche da schon bei der rechtsextremen Zeitschrift “Junge Freiheit“. Im März 2003 gab er als “CDU-Bundestagsabgeordneter“ und “Mitbegründer des Demokratischen Aufbruch“ dem rechten Periodikum unter dem Titel “Die deutsche Fahne schwenken“ ein Interview. Das Gespräch in der rechtsextremen Postille firmierte unter der Headline “Der CDU-Bundestagsabgeordnete Henry Nitzsche widersetzt sich in der Irak-Frage seiner Fraktion und fordert nationales Selbstbewußtsein statt ’Dank für die Befreiung’“.

Angesprochen auf seine bekannte Haltung zum Mangel an deutscher Souveränität, antwortete Nitzsche, “dass viele Menschen in den alten Bundesländern offenbar vergessen haben, wie die deutsche Fahne aussieht!“ Er weiß es und habe sie natürlich auch geschwenkt, betont Nitzsche, und zwar “nicht nur für die Einheit unseres Vaterlandes, sondern auch für die Freiheit und den ’aufrechten Gang’“. Seine Begründung für Schwarz-Rot-Gold ist so simpel wie politisch eindeutig:

“Für viele Deutsche hier war sie ein Zeichen, endlich das sagen zu dürfen, was man denkt und seinem Gewissen folgen zu können, statt tun zu müssen, was man uns im Namen der angeblichen ’Lehren aus der Vergangenheit’, – damals war das der Antifaschismus, heute ist es die ’Vergangenheitsbewältigung’ und der ’Dank für die Befreiung’ – aufzwingen will.“

Zudem sieht das Ex-DSU-Mitglied Nitzsche die deutsche Vergangenheit in für ihn ganz eigenem Licht:

“Wir sollten nicht vergessen, dass weder Amerika noch die ’Vergangenheitsbewältigung’ unser Souverän ist, sondern das deutsche Volk.“

Ein frei gewählter CDU-Bundestagsabgeordneter ist Nitzsche also, der nach 1989 nun endlich sagen darf, was er denkt. Ein Politiker, der Vergangenheitsbewältigung auf ganz eigene Art betreibt.

Nitzsche führt in der “Jungen Freiheit“ außerdem an, er habe seinen damaligen “Protest“ gegen den Irak-Krieg satzungsgemäß der Fraktionsführung vorher informativ zur Kenntnis gegeben. Kann man also davon ausgehen, die CDU/CSU-Fraktionsspitze sei nicht unbedingt so uniformiert über Nitzsches aktuelle rassistische Ausfälle gewesen?

Ebenfalls in der “Jungen Freiheit“ versuchte Nitzsche bereits im November 2002 mit einer politischen Verbal-Attacke über die von “Rot-Grüne angestrebte Zuwanderung und damit Veränderung des Deutschen Volkes“ braun punkten zu wollen. Der Ort solcher Veröffentlichungen spricht, wie Nitzsche selbst, eine deutliche Sprache.

Nitzsche wurde im Wahlkreis Kamenz-Hoyerswerda direkt in den Bundestag gewählt. Bei der geografischen Heimat sei zumindest die Nachfrage erlaubt, wo Herr Nitzsche, vormals auch Abgeordneter des Sächsischen Landtages, eigentlich im September 1991 während des rund einwöchigen Pogroms gegen vietnamesische und mosambikanische Arbeiter und ein Flüchtlingswohnheim in Hoyerswerda war? Aber vielleicht ist das ja alles, auch Nitzsches ausländer- und demokratiefeindlich zu interpretierenden Ausführungen vor der Dresdner Burschenschaft Cheruscia, nur “eine Erfindung des Jusos“, wie ein CSU-Mann die “Nitzsche-Affäre“ gegenüber den Medien einstufte.

Auf der Homepage von Nitzsche sind derzeit, aus welchen Gründen auch immer, Gästebuch und Linksammlung nicht auffindbar. Immerhin erreicht man Nitzsches Website noch unter power-cdu. Wem das nicht Kraft für Taten gibt?

[Dieser Artikel wurde am 9. November 2003 – bebildert – bei Telepolis veröffentlicht.]