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Provinzielles Dresdner Neben-GehDenken

Während die europäische Rechte für den Februar 2009 in die sächsische Landeshauptstadt mobilisiert, gefällt sich die Oberbürgermeisterin der Stadt in spaltender Attitüde zum Widerstand gegen die Rechtsextremisten.

Die von Gesinnungsnazis aller Couleur jährlich zunehmend missbrauchten Gedenkfeierlichkeiten um den 13. Februar anlässlich der Bombardierung der sächsischen Elbmetropole im Jahr 1945 gibt es nicht erst seit gestern (vgl. Dresden – wieder Zentrum der rechtsextremen ’Bewegung’?). Schließlich hat nicht zuletzt auch das Buch “Die kollektive Unschuld“ von Gunnar Schubert die Thematik – mithin weit bis in das so genannte bürgerliche Lager reichend – über die regionalen Grenzen hinaus thematisiert.

Im Jahr 2009 sollte nun der Widerstand gegen die rechtsextremistischen Februar-Aktivitäten um einiges anders, vereinter, werden (vgl. Wenn es wieder Februar wird in Dresden). Europas größten Naziaufmarsch gelte es zu stoppen – “friedlich und entschlossen!“, so die von Dresden ausgehende Initiative GehDenken.

Allerdings krankten zwischenzeitlich Teile des öffentlichkeitsheischend angefragten Unterstützer-Umfelds der Initiative ob ihres Engagements, beziehungsweise besannen sich auf ihre Partei-Räson. Denn just um den Zeitpunkt des Starts von GehDenken köchelte auch in Sachsen die Frage: Wie hältst du es mit der Partei DIE LINKE in Bezug auf die NPD? – Als ob der Belzebub mit dem Teufel verwandt wäre.

Der ehemalige Ministerpräsident Sachsens, Kurt Biedenkopf (CDU), zog Anfang November seine damals hochgejubelte Unterstützung für GehDenken mit der Begründung zurück, die Initiative könnte als Wahlkampfplattform missbraucht werden (vgl. Hinkendes GehDenken in Dresden?). Etwa gar inspiriert vom Schreiben eines regionalen CDU-Funktionärs an mehrere ausgewählte Unterstützerinnen und Unterstützer des GehDenken-Aufrufes, sie mögen ihr diesbezügliches Engagement doch bitte noch einmal gründlich überdenken?

Nunmehr hat die Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) ihre vorgeblich bereits seit längerem geplanten Aktivitäten für die Dresdner Februar-Tage 2009 öffentlich gemacht, nach dem auch sie die Initiative GehDenken eher warten ließ, statt mit ihr gemeinsam zu agieren. Helma Orosz legt zwar großen Wert darauf, dass ihre Initiative keine Gegenaktion zu GehDenken sei. “Wie Frau Orosz es tut, wird es aber das, und das ist provinziell und gefährlich!“, resümierte sogar die Dresdner Morgenpost. Frau Orosz mag – so wird die Oberbürgermeisterin zitiert – keine politische Bundesprominenz zu so einem Anlass zum Auftakt des als Super-Wahljahr geltenden Jahres in ihrer Stadt. Demokratie lebe von Vielfalt, so Orosz jüngst gegenüber der Sächsischen Zeitung. Die Dresdner Oberbürgermeisterin verwies darauf, dass in den Februartagen 2009 das öffentliche Tragen einer weißen Rose als übergreifendes, verbindendes Symbol der Versöhnung dienen solle. Ist eine – an dieser Stelle durchaus herbeizitierte – Gleichstellung vom heutzutage gar anmutig öffentlichen Tragen einer Rose (vgl. Weiße Rosen in Dresden) und dem des damaligen Judensterns auch nur ansatzweise vergleichbar?

Nazis aller Couleur, deutschland- und europaweit, die jährlich im Februar vereint nach Dresden pilgern, werden wohl auch 2009 über den neu ausgerufenen staatlich-provinziellen Pseudo-Widerstand lediglich grinsen – Und wie immer marschieren?

[Dieser Artikel wurde am 21. Dezember 2008 bei Telepolis veröffentlicht.]

Hinkendes GehDenken in Dresden?

Im Vorfeld der Februar-Gedenkfeierlichkeiten scheinen im demokratischen Spektrum derzeit plakative Äußerungen tonangebend zu sein.

Weit über 100 Unterstützerinnen und Unterstützer haben bislang den Aufruf “Europas größten Naziaufmarsch stoppen – friedlich und entschlossen!“ von GehDenken unterzeichnet. Zwischenzeitlich – Wenn es wieder Februar wird in Dresden – erregte eine als generell angekündigte CDU-Verweigerung des Ansinnens der Kampagne die Öffentlichkeit. Altbundespräsident Richard von Weizsäcker erschien, deutlich öffentlich beleuchtet, im Unterstützerkreis von GehDenken. Gleichwohl wurde über einen Passus in der über von Weizsäcker bei wikipedia nachzulesenden Biografie – “Mit der Annahme der Wahl zum Bundespräsidenten ließ er die Mitgliedschaft in der CDU ruhen und nahm sie auch nach dem Ende seiner Amtszeit nicht wieder auf“ – mehr oder weniger parteipolitisch argumentiert.

Richard von Weizsäcker blieb ob seines Dresdner Engagements nachfolgend eher schweigsam. Nicht so der Kreisverbandsvorsitzende der Dresdner CDU, Lars Rohwer, der von Weizsäcker in einem Interview mit der Sächsischen Zeitung bescheinigte, dieser habe “den Aufruf möglicherweise gutgläubig unterschrieben“, um gleichzeitig mehr feststellend als fragend zu formulieren: “Ich hinterfrage, ob er sich umfassend mit den Initiatoren auseinandergesetzt hat“. Rohwer, auch Mitglied des Sächsischen Landtags, hat sich jedenfalls auseinandergesetzt und schlussfolgerte in besagtem Interview – nach dem er einen Teil des GehDenken-Aufrufes als “aggressiven Inhalt“ einstufte: “Mit der Gegendemonstration macht man folgende Fehler: Man geht auf die Argumentation der Neonazis ein, indem man sagt: Es gab Opfer im Ausland durch die Angriffsmaschinerie der Nazis. Und deshalb waren Opfer in Dresden nur logisch. Das ist eine gefährliche Richtung, die nicht für Versöhnung steht …“. Patrick Gensing schrieb im Zusammenhang diesen Interviews hernach vom “Extremismus der Mitte“.

Nun verkündete GehDenken, es habe sich “der Ministerpräsident a.D. des Freistaates Sachsen, Kurt Biedenkopf, dem Aufruf GEH DENKEN zum 13./14. Februar 2009 in Dresden angeschlossen“. Und endstation-rechts fragte: “Biedenkopf auch gutgläubig?“. Kurt Biedenkopf (CDU) äußerte sich bislang zu seinem Engagement selbst nicht. Als amtierender sächsischer Landesvater hatte Biedenkopf noch im November 2000 – also weit nach dem Tod von Jorge Joao Gomondai Ende März 1991 in Dresden und des im September 1991 stattgefundenen Pogroms von Hoyerswerda – festgestellt: “In Sachsen haben noch keine Häuser gebrannt, es ist auch noch niemand umgekommen … Und die sächsische Bevölkerung hat sich als völlig immun erwiesen gegenüber rechtsradikalen Versuchungen. In Sachsen gibt es keinen Grund, auf der Grundlage des Wahlverhaltens der Bevölkerung von einer Gefahr von rechts zu reden“. Sei’s drum, GehDenken?

Nachtrag vom 7. November 2008

Am gestrigen 6. November bestätigte das Büro von Kurt Biedenkopf, dieser habe in einem Brief an die Amadeu-Antonio-Stiftung seine weitere Unterstützung für GehDenken verweigert. Biedenkopf äußerte sich persönlich nicht. Bekannt wurde lediglich, dass der frühere sächsische Ministerpräsident als Begründung für seinen Rückzug die Befürchtung geltend gemacht habe, die Initiative von GehDenken könnte als Wahlkampfplattform missbraucht werden.

[Dieser Artikel wurde – zuerst ohne Nachtrag – am 1. November 2008 bei Telepolis veröffentlicht.]

CDU-Provinz-Wahlkampf von Rechtsaußen

Der sächsische Bundestagsabgeordnete Henry Nitzsche gefällt sich nicht zum ersten Mal in deutlicher Rechts-Pose

Gerade in Zeiten kurzer Wahlkämpfe gilt es wohl, punktuiert Aufmerksamkeit zu erheischen, für manche Politiker scheinbar auch um fast jeden Preis. Bereits seit einiger Zeit prangt so das Wahlkampfmotto “Arbeit, Familie, Vaterland“ auf der Homepage des CDU-Bundestagsabgeordneten Henry Nitzsche. Dieses scheinbar frei gewählte Motto für Nitzsches Bundestagswahlkampf scheint bei etwas näherer Betrachtung allerdings nicht mehr unbedingt ganz so frei und zufällig.

Allein dagegen stehen frühere pseudo-demokratische Äußerungen Nitzsches (vgl. Die Fahne hoch!), so seine nach wie vor herausragend rassistische Ansage: “(…) Eher wird einem Moslem die Hand abfaulen, als dass er bei der Christlich-Demokratischen Union sein Kreuz auf den Wahlzettel macht.“

Die Parole “Arbeit, Familie, Vaterland“ erhielt ihre ursprüngliche politische Bedeutung unter dem von 1940 bis 1944 mit Nazi-Deutschland kollaborierenden französischen Vichy-Regime. Gut ein halbes Jahrhundert später zog die rechtsextreme Front National unter Führung von Jean-Marie Le Pen 2002 mit “Travail, Famille, Patrie“ in den französischen Wahlkampf. Und das will Nitzsche, der bisher “jeden Bezug zu rechtsextremem Gedankengut zurückgewiesen“ hat (Sächsische Zeitung), bei der Auswahl seines Wahlkampfslogans als gelernter deutscher Politiker nicht gewusst haben?

Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) übrigens hielt ihren so betitelten 30. Ordentlichen Bundesparteitag Ende Oktober 2004 im thüringischen Leinefelde ab – unter dem Motto “Arbeit, Familie, Vaterland“. Bereits im Bundestagswahlkampf 2002 hatte die NPD während einer so genannten Hessenfahrt mehrere Veranstaltungen unter der Überschrift “Wir haben eine Zukunftsvision Arbeit – Familie – Vaterland“ angekündigt. Und so verwundert es dann auch nicht weiter, dass sich Holger Apfel (NPD), wie Nitzsche aktueller Bundestagskandidat im Wahlkreis Kamenz – Hoyerswerda – Großenhain, “erfreut“ dazu äußerte, “dass nun sogar unser Parteitagsmotto übernommen wird“.

Trotz mehrerer Anfragen an seine Büros war Henry Nitzsche für eine Stellungnahme gegenüber Telepolis nicht erreichbar. Wie einen willfährig gereicht bekommenen Schutzschild präsentiert er statt dessen mittlerweile auf seiner Website einen Interviewausschnitt der Leipziger Volkszeitung mit dem vormaligen Ministerpräsidenten Sachsens zum eigenen Wahlkampfmotto:

“Was ist daran schlecht? Wer die Verwendung des Wortes Vaterland kritisiert, den kann ich nur bedauern. Hier kommt eine gewisse Deformation des Denkens zum Ausdruck, die den nationalsozialistischen Missbrauch solcher Worte signalisiert. Aber wir müssen uns doch nicht über Generationen hinweg diesen Missbrauch vorhalten lassen.“ (Kurt Biedenkopf)

Für Falk Neubert, Abgeordneter der Linkspartei.PDS im Sächsischen Landtag, ist es “politisch pikant“, wenn Nitzsche nun ausgerechnet Biedenkopf als Kronzeugen für seine “wohl bewusst so gewählte rechtsextrem behaftete Parole“ präsentiert. Schließlich habe Biedenkopf dahingehend nicht immer mit auch nur ansatzweise fundiertem Wissen geglänzt. Neubert bezog sich gegenüber Telepolis dabei auf eine Äußerung von Biedenkopf vom November 2000 als damals amtierender Ministerpräsident:

“In Sachsen haben noch keine Häuser gebrannt, es ist auch noch niemand umgekommen (…) Und die sächsische Bevölkerung hat sich als völlig immun erwiesen gegenüber rechtsradikalen Versuchungen. In Sachsen gibt es keinen Grund, auf der Grundlage des Wahlverhaltens der Bevölkerung von einer Gefahr von Rechts zu reden.“

Neubert betonte im Telepolis-Gespräch weiter: “Herr Nitzsche muss sich in der Summe seiner gemachten Äußerungen schon sehr deutlich fragen lassen, ob er seine politische Heimat eigentlich selbst noch im demokratischen Spektrum sieht.“

“Warum bin ich Mitglied in der NPD?“, fragte übrigens bereits seit 1980 Günter Deckert in seiner “Handreichung für die Medien- und Öffentlichkeitsarbeit“, um “als Nationalist“ gleich auch selbst zu antworten:

“(…) Weil die NPD die grundlegenden Werte des Gemeinschaftslebens wie Arbeit, Familie, Vaterland als verbindend wie verpflichtend für alle Deutschen ansieht. (…)“

[Dieser Artikel wurde am 25. August 2005 bei Telepolis veröffentlicht.]

Dresden – wieder Zentrum der rechtsextremen ’Bewegung’?

Dresdner Bombenopfer als Anlass für pervertiertes Gedenken

Schon längere Zeit nutzen Rechtsextremisten aller Couleur den Jahrestag der Bombardierung Dresdens als Aufmarschplatz – und jährlich werden es immer mehr. Rückt Dresden so künftig wieder verstärkt in den braunen Brennpunkt der ’Bewegung’?

Am 13. Februar 1945 versank die ehemalige sächsische Residenz-Stadt Dresden durch Bombenangriffe der westlichen Alliierten in Schutt und Asche. Der durch Deutschland entfesselte mörderische Weltkrieg schlug vernichtend auf Deutschland zurück. Seither ranken sich Diskussionen um die militärische Sinnhaftigkeit des Angriffs auf Dresden. Seither werden damalige Opferzahlen zum Teil wie Ramschware gehandelt. Seither tauchen immer wieder einmal neue Mythen zu den Ereignissen um den 13. Februar 1945 in Dresden auf, egal, ob historisch belegbar oder nicht. Seither gedenken die Dresdner Bevölkerung sowie Angehörige und Überlebende im Februar eines jeden Jahres der Opfer. Zu DDR-Zeiten war der 13. Februar in Dresden vorerst ein eher stiller Gedenktag. In den Endjahren des real existierenden Sozialismus wurde dieser Tag dann auch eine Zeit für mehr als nur zu erahnende – sichtbare – Opposition gegen die Zustände im Lande.

Wo es um Opfer, um Opfermythen Deutschlands im damaligen Weltkrieg geht, sind Geschichtsrevisionisten meistens nicht weit. Und deren eigene ’Thesen’ von Krieg, Kriegsverbrechen, Schuld und Unschuld werden nur zu gern von Rechtsextremisten jeglicher Couleur weiter verfolgt und entsprechend bedient. So auch in Dresden zum 13. Februar. Die Zunahme einer dahingehend versuchten nationalsozialistischen Geschichtsklittung – und das sei wohlweislich angemerkt – ist allerdings nicht zwingend durch den endgültigen Zerfall der DDR bedingt oder mit diesem obligatorisch verkoppelt. Für einen Deutschnationalismus in seinem negativ besetzten historischen Kontext war schließlich auch der so genannte antifaschistische Schutzwall beidseitig zu keiner Zeit eine trennende Grenze.

Seit gut zehn Jahren haben die Dresdner sowie auch die sächsischen Medien ein Problem mit der Berichterstattung zum 13. Februar aus der Landeshauptstadt. Überregionale Medien thematisierten in dieser Zeit durchaus schon den wachsenden Zustrom von ’trauernden Rechtsextremisten’ unter die an diesem Tag in der Stadt Anwesenden. Den sächsischen Medien war ihre allein bürgerliche Trauerruhe dafür lange Zeit erste Bürgerpflicht: Den Rechtsextremisten keine wie auch immer geartete mediale Plattform bieten, lautete die Parole. Und über Gegenaktivitäten linker Gruppen zu den deutschnationalen Extremisten brauchte da auch gleich nicht mit berichtet werden, geschweige denn über die historischen Hintergründe und Bezüge.

Dabei spielte es keine Rolle, dass die Teilnehmerzahl des letztjährlich von der “Jungen Landsmannschaft Ostpreußen“ organisierten Aufmarschs von Alt- und Neonazis durch Dresdens Straßen von anfangs einigen wenigen zu Beginn der 90er Jahre, über mehrere Hundert in den Folgejahren, bis hin zu rund 1.000 im Vorjahr und nach Augenzeugenberichten auf gut 2.000 Rechtsextremisten am hiesigen 14. Februar 2004 angestiegen ist. Beobachter der Szene gehen mittlerweile davon aus, dass sich der jährliche Aufmarsch von vorgeblich um deutsche Bombenopfer des II. Weltkriegs trauernder Rechtsextremisten um den 13. Februar herum in Dresden zu den größten bundesweiten und zudem regelmäßigen Nazi-Aufmärschen etablieren könnte. Dresden als erneuter Aufmarsch-Schwerpunkt der “braunen Bewegung“ – und das nicht nur zum 13. Februar?

Schon einmal wurde Dresden als heimliche “Hauptstadt der Bewegung“ tituliert. In seinem Buch “Auferstanden aus Ruinen … Rechtsextremismus in der DDR“ (Verlag Klaus Bittermann, 1991) beschreibt Bernd Siegler das damalige Neonazi-Rekrutierungs-, Ausdehnungs- und Aufmarschgebiet östlich der Elbe als “Der wilde Osten“. Noch heute bemerkenswert liest sich das Versprechen des damaligen Oberbürgermeisters von Dresden, Herbert Wagner (CDU), zum Neujahrsempfang 1991 gegenüber dem israelischen Botschaftsrat Aviv Shir, er werde “nie wieder in Dresden eine Kundgebung der Neonazis zulassen“.

Vorausgegangen waren dem damals beispielsweise Auftritte des Nazi-Historikers und Auschwitz-Leugners David Irving in städtischen Sälen. Genau so bemerkenswert ist, dass “der im Amtsblatt vom 1. Oktober 1990 veröffentlichte ’Beschluss gegen neonazistische Tendenzen der Stadt Dresden’ und das Versprechen von Oberbürgermeister Wagner an Neujahr 1991“ reine Makulatur geblieben sind. Dresden, mitten in Sachsen. Dessen vormaliger Ministerpräsident, Kurt Biedenkopf (CDU), eben genau im November 2000 für sich feststellte:

In Sachsen haben noch keine Häuser gebrannt, es ist auch noch niemand umgekommen … Und die sächsische Bevölkerung hat sich als völlig immun erwiesen gegenüber rechtsradikalen Versuchungen. In Sachsen gibt es keinen Grund, auf der Grundlage des Wahlverhaltens der Bevölkerung von einer Gefahr von rechts zu reden.

Am 31. März 1991 wurde in Dresden Jorge Joao Gomondai von Neonazis aus einer Straßenbahn geprügelt und verstarb an den Folgen dieses Überfalls.

Allein im Jahr 2000, zugegeben bis dato ein ’Zähl-Höhepunkt’, fanden mehr als zehn rechtsextremistische Aufmärsche in Dresden statt. Die “Süddeutsche Zeitung“ zitierte in ihrem Magazin vom 6. Oktober 2000 in der Rubrik “Fremdenverkehr“ – unter der Überschrift “Deutschland, peinlich Vaterland“ – internationale Reiseveranstalter, die vor einem Besuch bestimmter Regionen in der Bundesrepublik auf Grund des dort vorherrschenden Gewaltklimas gegenüber Nicht-Deutschen warnen. So schrieb beispielsweise “Frommer’s 2000 Germany“ über Dresden:

Leider ist die Stadt ein Zentrum neonazistischer Skinheads geworden. Seien Sie besonders vorsichtig, wenn Sie nachts durch die Straßen gehen. Die Gegend nördlich der Elbe gilt als die gewalttätigste.

Durch die ständig wachsenden Teilnehmerzahlen der rechtsextremen Aufmärsche in Dresden zum 13. Februar – und auch der linken Gegenaktivitäten – konnten in 2004 die ansässigen Medien erstmals nicht umhin, überhaupt und doch etwas ausführlicher über die immer mehr rechtsradikale Besetzung dieses Dresdner Gedenktages zu berichten. Allerdings stellte man noch eher die Behinderung der Verkehrsteilnehmer durch die Demonstrationen (“Mit zahlreichen Störungen muss gerechnet werden“) in den Mittelpunkt der Berichterstattungen, als politische Hintergründe des Auftretens der Rechtsextremisten. Auch die durchaus allseits beliebte Gleichsetzung von lechts und rinks dufte im Vorfeld nicht fehlen:

In einem sind sich linke und rechte Extremisten einig: Sie wollen die Dresdner nicht in Ruhe um ihre Toten trauern lassen. Die Nazis versuchen, das Gedenken … auf billige Weise zu missbrauchen. … Nicht zuletzt durch die schon traditionellen Stör-Rituale linksextremistischer Gruppen könnte das irgendwann klappen. Trauer kategorisch in Revisionismus umzudeuten ist eben nicht nur verbohrt, sondern gefährlich … [Sächsische Zeitung]

Nun nutzte allerdings, bei all der anderen auch anwesenden regionalen und überregionalen Neonazi-Polit-Prominenz, in diesem Jahr auch das vor gut einem halben Jahr gegründete “Nationale Bündnis Dresden“ (NBD) den diesjährigen 13./14. Februar als öffentlichen Wahlkampfauftakt für sich. Und völlig überrascht registrierten einige Medien sogar, dass da eine Mischung aus NPD, DVU und REPs “mit einem Zeichen für Deutschland“ versucht, bei den anstehenden Kommunalwahlen Stadtratssitze in Dresden zu besetzen. Ein Zeichen?

Immerhin hat die “Sächsische Zeitung“ bezüglich des 13. Februar auf ihrer Kulturseite auch einen längeren Artikel zur “Unterwanderten Erinnerung“ veröffentlicht. Dort darf dann der sächsische Vertreter der Böll-Stiftung, Jens Hommel, den Widerstand von linken Gruppen gegen die rechtsextremistischen Aktivitäten zum 13. Februar in Dresden aus seiner Sicht allein prosaisch mit “Dass sie gegen Rechte stänkern, ist in Ordnung“ abtun. Immerhin informierte die “Sächsische Zeitung“ ebenso über eine Demonstration von “Dresden gegen Rechts“ an diesem Neonazi-Aufmarschtag. Zudem konnte man, wer denn wollte, sich in diesem Jahr – schon fast historisch zu nennen – über die “Sächsische Zeitung“ hinaus auch tiefgründiger um den 13. Februar informieren: “Das informativste Web-Portal ist jedoch das der Dresdner Antifa (venceremos.antifa.net). Es gibt detailliert Auskunft über geplante Aktionen, Köpfe und Teilnehmer rechtsextremer Umtriebe.“

[Dieser Artikel wurde am 16. Februar 2004 bei Telepolis veröffentlicht.]