Heß-Gedenken vor Bundesverwaltungsgericht

Wunsiedel/Leipzig. Am 25. Juni geht das Tauziehen um das Verbot von Kundgebungen zum vorgeblichen Gedenken an den früheren Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß in eine neue juristische Runde. Erstmals befasst sich dann das Bundesverwaltungsgericht mit einem jahrelangen Rechtsstreit, dem ein Verbot des Landratsamtes Wunsiedel gegen die rechtsextremen Zelebrierungen vorangegangen ist.

Das Landratsamt Wunsiedel hatte einen für den 20. August 2005 geplanten rechtsextremistischen Aufmarsch anlässlich des Todestages von Rudolf Heß verboten. Die sterblichen Überreste des vormaligen Hitler-Stellvertreters haben in dem oberfränkischen Ort ihre letzte Ruhestätte gefunden und sind – in zeitlicher Nähe zum Heß-Todestag – seit Jahren Anlass für nicht gerade unerhebliche Aufmärsche der rechtsextremen Szene geworden.

Besagtes Versammlungsverbot wurde durch das Bundesverfassungsgericht bislang zweimal bestätigt – allerdings jeweils in Eilverfahren. Eine letztendliche Entscheidung in der Hauptsache steht bis dato aus. Infolge der bisherigen juristischen Verfahren sahen das Verwaltungsgericht Bayreuth und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof das verhängte Versammlungsverbot seitens des Landratsamtes Wunsiedel durch eine 2005 in Kraft getretene Strafrechtsverschärfung bezüglich Neonazi-Veranstaltungen gedeckt. Nach dieser Vorschrift macht sich strafbar, wer in einer öffentlichen Versammlung die Würde der NS-Opfer verletzt sowie nationalsozialistische Gewalt und Willkürherrschaft billigt (dpa). Laut dem diesbezüglichen Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs stört demnach ein Neonazi-Aufmarsch den öffentlichen Frieden.

Im vorigen Jahr waren eine angekündigte Heß-Mahnwache in München verboten, anderweitige diesbezügliche rechtsextreme Aufmärsche allerdings teilweise zugelassen worden. Ein Aufmarsch in Wunsiedel wurde durch das Karlsruher Bundesverfassungsgericht untersagt.

In gut drei Monaten müssen nun die Bundesrichter – unter Beachtung von verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten – prüfen, ob die bisherige Beurteilung staatsrechtlich korrekt ist.

[Dieser Artikel wurde am 24. März 2008 bei redok veröffentlicht.]

Fremdenfeindliche Attacke in Sachsen-Anhalt

Sangerhausen. Eine 29-jährige Vietnamesin ist auf dem Bahnhof der nahe an der thüringischen Grenze gelegenen Stadt von drei unbekannten jungen Männern rassistisch beleidigt, bespuckt und körperlich angegriffen worden.

Der Vorfall ereignete sich bereits am 14. März, wurde von der Polizei in Halle allerdings erst am heutigen Tag bekannt gegeben.

Wie die Nachrichtenagentur ddp berichtet, sei die junge Studentin an besagtem Freitag während ihrer Durchreise auf dem Sangerhausener Bahnhof “aus einer Gruppe von drei unbekannten jungen Männern heraus rassistisch beschimpft und angespuckt“ worden. Zudem hätte ein etwa 21- bis 25-jähriger Mann die Vietnamesin “in Richtung eines einfahrenden Zuges gestoßen, getreten und ins Gesicht geschlagen“.

Die junge Frau habe bei dem Übergriff Prellungen erlitten, konnte sich aber Berichten zufolge selbstständig in einen Zug Richtung Nordhausen retten. Die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt-Süd hat Ermittlungen aufgenommen.

[Dieser Artikel wurde am 18. März 2008 bei redok veröffentlicht.]

Nazi-Schmierereien in Westsachsen

Hainichen/Mittweida. Innerhalb weniger Stunden wurden mehrere öffentliche Einrichtungen mit rechtsextremen Parolen verunziert. Die Täter schmierten NS-Symbole und Losungen des verbotenen “Sturm 34“.

Am frühen Abend des 14. März seien am Amtsgericht Hainichen verfassungsfeindliche Symbole entdeckt worden, so die Nachrichtenagentur ddp. Die Polizei geht von einem Tatzeitpunkt zwischen 19 und 21 Uhr aus. Kurz vor Mitternacht wiederum sei dann das Mittweidaer Rathaus Opfer von weiteren Nazi-Schmierereien geworden.

Die Dresdner Morgenpost am Sonntag berichtet dahingehend über gesprayte “Hakenkreuze, SS-Runen, Sturm-34-Schriftzüge und antijüdische Symbole“. Zudem sei Mittweidas Bürgermeister, Matthias Damm (CDU), “im miesesten Nazi-Jargon“ beleidigt worden. Die Parolen reichten – so die Dresdner MoPo – von “Sieg Heil“ über “Mittweida bleibt braun“ hin zu “Freiheit für Tom W.“ und “Damm verrecke Du Jude“. Allerdings schienen die rechtsextremen Aktivisten der deutschen Schriftsprache nicht übermäßig mächtig zu sein, denn “ihre Beleidigungen strotzten vor Rechtschreibfehlern“, wird der Mittweidaer Bürgermeister zitiert, der sich von der Aktion jedoch nicht einschüchtern lassen will.

Unmittelbar nach der Beweissicherung wurden die rechtsextremen Losungen entfernt beziehungsweise notdürftig übermalt. Die Staatsschutz-Abteilung der Kriminalpolizei ermittelt im einschlägig bekannten rechtsextremen Milieu, vermutet wird “an beiden Orten die selbe Tätergruppe“.

[Dieser Artikel wurde am 16. März 2008 bei redok veröffentlicht.]

Übergriffe im Landkreis Mecklenburg-Strelitz

Neustrelitz. In der Kreisstadt des Landkreises Mecklenburg-Strelitz wurde am Wochenende erst ein Asylbewerber aus dem Libanon tätlich angegriffen und später dann der örtliche jüdische Friedhof geschändet.

Wie mehrere Nachrichtenagenturen berichten, hat im – nach Eigenwerbung inmitten der Mecklenburgischen Seenplatte, eingebettet in eine verträumte Seenlandschaft und weiten, stillen Wäldern liegenden – mecklenburg-vorpommerschen Neustrelitz am Abend des 15. März ein tätlicher Angriff auf einen libanesischen Asylbewerber “von mutmaßlich rechtsextremen Jugendlichen“ (dpa) stattgefunden.

Die augenscheinlich der rechten Szene angehörenden Täter hätten dabei grundlos auf den 30-Jährigen eingeschlagen und ihn beschimpft. Als der Angegriffene vor der Attacke flüchtete, seien Steine und Bierflaschen hinter ihm her geworfen worden, während von den Angreifern dabei immer wieder “Ausländer raus“ intoniert wurde. Der bei dem Angriff ohne nennenswerte Verletzungen gebliebene Libanese sei in der Lage gewesen, die Polizei zu verständigen, welche die drei Tatverdächtigen im Alter von 14, 16 und 18 Jahren nach relativ kurzer Fahndung im Stadtgebiet von Neustrelitz stellen konnte (AP).

In der darauffolgenden Nacht zum Sonntag wurden Teile des jüdischen Friedhofs in Neustrelitz geschändet. So hätten laut Polizeiangaben bisher Unbekannte das schmiedeeiserne Tor des Friedhofes aus den Angeln gerissen und auf dem Friedhofsgelände Grabsteine umgestoßen.

Die Kriminalpolizei Neubrandenburg hat Ermittlungen wegen des Verdachtes auf Störung der Totenruhe und der gemeinschädlichen Sachbeschädigung aufgenommen. Zudem werde im Zuge der laufenden Ermittlungen geprüft, ob ein Zusammenhang zwischen beiden Taten besteht.

[Dieser Artikel wurde am 16. März 2008 bei redok veröffentlicht.]

Fußball-Nazis – neu entdeckt

Thüringen. Nicht erst seit gestern buhlen ausgewiesene Rechtsextremisten, ob in West oder Ost, um die Sympathie von Teilen der Fanszene im Umfeld von Fußballvereinen – ein exemplarischer Blick nach Hildburghausen offenbart einiges.

Oft und immer wieder wird aus dem thüringischen Schleusingen die Begebenheit kolportiert, als sich vor einiger Zeit der dortige Bürgermeister, Klaus Brodtführer (CDU), im falschen Film wähnte: Eines Tages stand in seinem Büro ein damals noch minderjähriger Neonazi und teilte ihm mit, er werde ihn in naher Zukunft aus dem bürgermeisterlichen Rathaussessel verdrängen. Der Bürgermeister hielt diese Ansage für naiv, woraufhin der auftretende NPD-Nachwuchskader Tommy Frenck ankündigte, schon bald wolle er in die Freiwillige Feuerwehr des Ortes eintreten und seine Gefolgsleute in den städtischen Sportvereinen wirksam werden lassen. Frencks Eintritt in die Feuerwehr konnte verhindert werden, weil alle anderen Mitglieder für diesen Fall ihren Austritt ankündigten. Im städtischen Sportverein “seien die Neonazis so isoliert gewesen, dass sie schnell das Weite gesucht hätten“ (ddp, 21. Januar 2008).

Im Thüringer Innenministerium gibt es keine statistischen Erkenntnisse zur Unterwanderung von Organisationen. Wenn Rechtsextreme sich in Vereinen engagierten, sei das zwar ärgerlich, aber noch keine Straftat, und tauche deshalb nicht in der Kriminalstatistik auf (ddp, 21. Januar 2008).

Anfang September 2007 berichtete eine sich selbst so bezeichnende Antifaschistische Gruppe Südthüringen zu Hildburghausen und “Sport und Spaß ganz Rechts“. Zuvor bilanzierte Der Rechte Rand, dass Thüringer Neonazis den Sport als Einfallstor zur Verbreitung ihrer Ideologie zu nutzen versuchen.

Bereits Ende August 2007 publizierte sport inside vom Westdeutschen Rundfunk (WDR): Die rechtsextreme Partei [NPD] nutze den Massensport für ihre ideologischen Zwecke. “Sie [die NPD] hat [allerdings] erkannt, ’dass die Bundesliga kein Feld für ihre politische Agitation ist’. ’Was sollen wir auf Schalke? Bei deren Fanarbeit bekommen wir ohnehin kein Bein auf den Boden’, sagt Klaus Beier (…). Dennoch will sie [die NPD] den Fußball – die liebste Freizeitbeschäftigung der Deutschen – nutzen, um in die ’Mitte der Gesellschaft’ einzusickern.“ Das funktioniere vor allem in Ostdeutschland, bei kleineren Clubs und im Amateurfußball, so die damalige WDR-Dokumentation.

Pseudoaktuell bemüht sich nunmehr der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) – “Die Sportsendung des MDR macht auch vor brisanten Themen nicht halt“ – darüber zu berichten, dass “Rechtsextremisten ein Hintertürchen gefunden [haben], um unter dem Deckmäntelchen eines Vereins aktiv in den Sport eingreifen zu können“. Durchaus zweifelhaften Ruhm hat der MDR übrigens in der näheren Vergangenheit beispielsweise durch undifferenzierte Berichte über angebliche Pistolenschüsse sowie ebenso herbei zitierte körperliche Übergriffe gegen Vereinsspieler auf dem Gelände der SG Dynamo Dresden erlangt. Auch die antisemitisch ausufernde Plakatierung von so genannten Fußball-Fans im Vorfeld eines Spieles in der Sachsenliga Ende Oktober 2007 schien dazumal – allerdings nicht nur – am MDR vorbei gegangen zu sein.

Frenck übrigens ist in das nahe gelegene thüringische Hildburghausen verzogen und hat dort mittlerweile schon vor einiger Zeit den so betitelten Fußballverein SV Germania Hildburghausen gegründet; zudem agiert er als Kreisvorsitzender und Verantwortlicher der Internetpräsenz des örtlichen NPD-Kreisverbandes. “Manche Neonazis ’spielen einfach nur gerne Fußball’“ (Frankfurter Rundschau).

Der MDR lässt derweilen Tommy Frenck unkommentiert verlautbaren: “Der Verein wird weiter wachsen – wir beabsichtigen auch Volleyball und Handball zu spielen“.

[Dieser Artikel wurde am 6. März 2008 bei redok veröffentlicht.]