Wenn es wieder Februar wird in Dresden

Mit einer bundesweit koordinierten Aktion soll der seit Jahren stattfindende Aufzug von Rechtsextremisten anlässlich der Bombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg im nächsten Jahr friedlich gestoppt werden

Die Historie der rechtsextremistischen Aktivitäten um den alljährlichen 13. Februar in der sächsischen Landeshauptstadt hat ihre Anfänge beileibe nicht erst seit den letzten Jahren, in denen dann auch die sächsische Politik- und Medienöffentlichkeit die Thematik nicht länger verschwieg – oder nicht länger verschweigen konnte.

Bereits Anfang 2004 gab es schon damals kaum noch zu negierende Anzeichen dafür, “dass sich der jährliche Aufmarsch von vorgeblich um deutsche Bombenopfer des II. Weltkriegs trauernder Rechtsextremisten um den 13. Februar herum in Dresden zu den größten bundesweiten und zudem regelmäßigen Nazi-Aufmärschen etablieren könnte“ (Dresden – wieder Zentrum der rechtsextremen ’Bewegung’?).

Sich außerhalb des eher bürgerlich zurückhaltenden Spektrums verortende Aktivitäten gegen rechtsextremistische Umtriebe in Dresden gab es allerdings schon weit vor dem plakativen Erwachen abseits der von den jeher aktiven Kreisen titulierten “Zivilgesellschaft“.

Nachfolgend rückte die sächsische Landeshauptstadt im Februar doch deutlich häufiger in den Fokus (Weiße Rosen in Dresden) der vordem eher bürgerlich zurückhaltenden Aufmerksamkeit. Durchaus kontrovers diskutiert erschien in der Zwischenzeit ein Buch über “Die kollektive Unschuld – Wie der Dresden-Schwindel zum nationalen Opfermythos wurde“. Die Teilnehmerzahlen an den rechtsextremistischen Februar-Aktivitäten in Dresden wurden derweil – trotz interner Querelen zwischen NPD und so genannten Freien Kräften um den wahrhaftigen Demo-Termin – nicht geringer, im Gegenteil. Kaum weniger verstetigte sich zudem auch die Verankerung der NPD in der Mitte der Gesellschaft nach deren Einzug in den Sächsischen Landtag.

Nach den diesjährigen “Aktivitäten von Extremisten anlässlich des Jahrestages der Zerstörung Dresdens im Zweiten Weltkrieg“ bilanzierte das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV), die sächsische rechtsextremistische Szene habe “dieses Datum als eine der zentralen Veranstaltungen mit bundesweiter Bedeutung [bestätigt]. Die Beteiligung ausländischer Rechtsextremisten verdeutlicht den Stellenwert dieses Datums innerhalb der Szene weit über die deutschen Grenzen hinaus“. Wer die rechtsextremistischen Dresdner Februar-Aktivitäten bislang allein auf “Deutschland Nah-Ost“ (Uwe Steimle) fokussierte, wurde vielleicht doch eines anderen belehrt – oder hat nun nur beide Augen geöffnet.

Für den Februar 2009 mobilisiert nunmehr eine bundesweite Aktion gegen die rechtsextremistischen Aufmärsche in Dresden. Zu den Erstunterzeichnern eines publizierten Aufrufes (“Rechtsextreme nicht ungehindert durch Dresden marschieren lassen“) für eine friedliche, bürgerliche Demonstration – GehDenken – gehören unter anderen Altbundespräsident Richard von Weizsäcker; Schauspielerin Iris Berben; die Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch; der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering; Gregor Gysi (DIE LINKE); Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen). Vertreter der CDU wird man auf der Unterstützerliste dagegen wohl lange suchen müssen. “Zur Unterstützung eingeladen sind alle, die den Nazi-Aufmarsch friedlich und entschlossen stoppen wollen“, so der sächsische DGB-Gewerkschaftsfunktionär und Mitorganisator Ralf Hron gegenüber der Sächsischen Zeitung.

Während der vorab medial plakativ groß angekündigte Online-Auftritt von GehDenken gerade erst seit kurzem erreichbar ist, plakatieren beispielsweise die so genannten Freien Kräfte Sachsen – als “Aktionsbündnis gegen das Vergessen“ – derweil bereits schon seit Wochen in Hinsicht auf den Februar nächsten Jahres unter der Headline “Nacht zieht über Dresden“: “Wir sind uns klar darüber, dass der Fall Dresdens durchaus ein Politikum darstellt.“

So holzschnittartig herbeizitiert in diesem Zusammenhang ein Resümee auch anmuten mag: Schon allein das fast quasi jahrzehntelange Nicht-Verhalten der sich als bürgerlich-demokratisch bezeichnenden Kräfte hinsichtlich der schon seit Jahren auch international neonazistischer Umtriebe in Dresden ist ein Politikum – Gewesen?

[Dieser Artikel wurde am 24. Oktober 2008 bei Telepolis veröffentlicht.]

Sächsische Vorausschau

Knapp ein Jahr vor den nächsten Landtagswahlen werden zum Teil enorme Verschiebungen im Parlamentslager prognostiziert. Fragen nach der Zuverlässigkeit von Wählerbefragungen bleiben allerdings.

Sächsische Medien berichten in Auswertung einer aktuell offiziellen Umfrage, es gäbe – wäre die Landtagswahl nicht erst in elf Monaten – zum jetzigen Zeitpunkt “ein großes Stühlerücken im Parlament“ (Dresdner Morgenpost).

Laut der Umfrage würde die CDU 42 Prozent erreichen, und demnach das Wahlergebnis vom September 2004 (41,1 Prozent) stabilisieren. Die derzeit in der schwarz-roten Koalition mitregierende SPD wiederum käme auf 19,5 Prozent und könnte damit ihre eigentlich desaströsen 9,8 Prozent von 2004 fast verdoppeln.

Gleichzeitig werden leichte Verluste für Die Linke vorausgesagt. Deren Resultat von vor vier Jahren (23,6 Prozent) würde sich der Umfrage nach gegenwärtig bei 21 Prozent einpegeln. Bündnis 90/Die Grünen bräuchten nicht so lange wie in die 2004er Wahlnacht (5,1 Prozent) hinein zittern, sondern scheinen mit 7 Prozent relativ sicher im neuen Landesparlament vertreten. Ein ebenso eher geruhsamer Wahlabend wäre der FDP beschert, die sich von vormals 5,9 auf 6,8 Prozent verbessert. Die 5-Prozent-Hürde würde dagegen die NPD – in Sachsen seit 2004 mit 9,2 Prozent erstmals seit 36 Jahren wieder in einem bundesdeutschen Landesparlament vertreten (Rechter Aufbau Ost) – mit 2,8 Prozent mehr als nur deutlich verfehlen. Eine Botschaft hat wohl jede veröffentlichte politische Umfrage, wenn auch vielleicht nur im Ansatz.

In Auftrag gegeben wurde diese aktuelle Befragung von angegeben 1.011 Bürgerinnen und Bürgern von der sächsischen Staatsregierung, so verlautbarte jedenfalls die Dresdner Morgenpost. Durchgeführt hat sie aproxima, eine Agentur für Marktforschung und Sozialforschung Weimar, Thüringen. Das Institut aproxima wirbt auf der eigenen Webseite: “Wir sind dran – an aktuellen gesellschaftlichen Problemen!“ Dieser Slogan stammt von Mitte Juli diesen Jahres. Die Ergebnisse, ebenso das praktizierte Verfahren und die entsprechenden Auswertungsmodalitäten der aktuellen Umfrage sind auf der Website von aproxima auch nach mehrmaligem Klicken und Scrollen nicht auffindbar. Dagegen wird im aproxima-Veranstaltungsplan für 2008 permanent um “noch etwas Geduld“ gebeten, schließlich plane man “im Moment … unsere Themenabende für dieses Jahr“ und werde diese “demnächst hier veröffentlichen“. Unter Referenzen listet aproxima in der Rubrik “Politikforschung“ als letzten Eintrag übrigens die Aufarbeitung eines studentischen Kongresses aus dem Frühjahr 2003 – Thema: “Zukunft der politischen Kommunikation in Deutschland“.

Eine Botschaft hat wohl jeder Internet-Auftritt, gerade von Firmen oder Instituten, wenn vielleicht auch nur im Ansatz. Staatsregierungen mögen zudem mitunter Botschaften vermitteln wollen. Fragt sich nur, wie seriös, mit welchen eventuellen Hintergedanken und zu welchem Preis? Oder gäbe es da unter Umständen noch weitere offene Fragen?

[Dieser Artikel wurde am 10. Oktober 2008 bei Telepolis veröffentlicht.]