Der Mauergewinner oder ein Wessi des Ostens erzählt

Ganz taufrisch ist das Werk “Mauergewinner oder ein Wessi des Ostens: 30 vergnügliche Geschichten aus dem Alltag der DDR“ von Mark Scheppert nicht mehr. Das Buch erschien nach Angaben von amazon.de beim Verlag Books on Demand im Dezember 2009 immerhin schon in der zweiten Auflage.

Stöbert man ein wenig im weltweit virtuellen Netz, finden sich zu Schepperts Gesamtwerk vielerlei Rezensionen beziehungsweise Kommentare, wie beispielsweise –

(…) Mark Scheppert erzählt in rasantem Schreibstil vom ganz normalen Leben in der ehemaligen DDR. Unterhaltsam und kurzweilig zeichnet er sein Bild vom Heranwachsen in einem verschwundenen Land – nicht im sozialistischen Staat. Es geht ihm ums Menschliche, Persönliche, das er vollkommen ideologiefrei erzählt. Nicht larmoyant, nicht ostalgisch, und mit viel Humor (…) [@ amazon.de, 15. Juli 2009]

Spiegel.de hat kürzlich in seiner Rubrik einestages eine Leseprobe (Ausfahrt ins Feindesland) aus “Mauergewinner oder ein Wessi des Ostens“ publiziert. Allein die darin von Scheppert beschriebenen Erlebnisse rund um das Uefa-Cup-Halbfinale am 19. April 1989 zwischen Dynamo Dresden und dem VfB Stuttgart sind es schon wert, der Nachwelt erhalten zu bleiben.

(…) Für die Dresdner ging es dabei um viel. Sie vertraten den Osten gegen den Westen, DDR gegen Bundesrepublik und gleichzeitig inoffiziell die immerwährende Schlacht der Sachsen gegen den Stasi-Verein BFC aus der Hauptstadt. Hier wurde vor aller Augen und den ARD-Kameras ein Exempel statuiert, das zeigen sollte, dass Dynamo Dresden nicht nur die beste Mannschaft der DDR war, sondern auch das Team mit den fantastischsten Fans der ganzen Republik (…)

Besonders die in der DDR wohl einzigartige Gestaltung eines Rahmenprogramms wie im Dresdner Rudolf-Harbig-Stadion ist dem 1989 gerade 17-jährigen Mark Scheppert scheinbar nachhaltig im Gedächtnis geblieben.

(…) Als wir um 17.30 Uhr vor dem Stadion ankamen, wunderten wir uns noch, weshalb hier so wenig los war. Doch als wir die Gänge ins Innere betraten, sahen wir, dass die Ränge bereits randvoll gefüllt waren. Wie in fast allen Meisterschaftsspielen auch, waren die Dynamos bis auf den letzten Platz ausverkauft. Das heutige Spiel sollte um 20 Uhr beginnen und schon jetzt, zweieinhalb Stunden vorher, waren 36.000 heißblütige Sachsen im Stadion! (…)

Um 19 Uhr begann ein Vorprogramm, wie ich es noch nie im DDR-Fußball erlebt hatte. Die Leute erhoben sich, als der Stadionsprecher mit dem Glücksschwein Eschi ins Stadion einfuhr. Unter Jubel wurde ein Tandemrennen ehemaliger DDR-Sportler angekündigt. Plötzlich fuhren Jens Weißflog, Olaf Ludwig und Kristin Otto an uns vorbei – natürlich in Begleitung zweier lauter Dixielandgruppen. Altbekannte Größen des DDR-Fußballs brachten große Blumensträuße für die möglichen Dresdner Torschützen und spielten danach Fußball-Tennis hinter den Toren.

Ich konnte gar nicht glauben, was hier abging, und als der Stadionsprecher das Sachsenlied ankündigte, verstanden wir unser eigenes Wort nicht mehr. Aus fast 36.000, jetzt schon heiseren Kehlen, erklang das berühmte: “Sing, mein Sachse, sing“. Die beiden Mannschaften versanken beim Einlaufen im schwarz-gelben Fahnenmeer (…)

Die so zurückblickenden Darstellungen von Scheppert leben zudem von einer nicht gerade unlebendigen Sprache.

(…) Neben mir brüllten die Fans aufgeregt unverständliches, sächsisches Zeug. Zum ersten Mal verstand ich, was mit einem “Hexenkessel“ gemeint war. Ich stand in unserem Block D mittendrin. “Obseids!“ (Abseits) verstand ich, als Guido Buchwald den Ball ins Aus schlug. Der Schiri schüttelte den Kopf, und ich brüllte zusammen mit Tausenden anderen Menschen “Nuklear, Obseids!“ ins Stadionrund. Das Spiel war aufregend, es ging hin und her. Am Ende bedeutete das 1:1 jedoch, dass Dynamo Dresden ausgeschieden war (…)

“Der Autor hat alles vorzüglich beobachtet. Selbst die Stimmung, die zum damals legendären Spiel herrschte, ist vortrefflich wiedergegeben“ [Diskussionsbeitrag @ einestages.spiegel.de, 29. Juli 2010, 13:13]

Außer, dass es nach wie vor die kolportierten Todesfall-Gerüchte beim damaligen Kartenvorverkauf gibt. Und viele echte Fans aus Gründen der Schwarzmarkt-Preise für eine Eintrittskarte zu dieser Begegnung das Spiel dann im eher privaten Kreis vor dem TV-Gerät sahen.

Ansonsten dürfte den – sprachlich durchaus emotionalen – Schilderungen von Mark Scheppert selbsterinnerlich kaum etwas hinzu zu fügen sein. Und das ist ja auch schon mal was.

[Dieser Artikel wurde am 29. Juli 2010 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

Dynamo Dresden: Stadionblock sponsored by Sparkasse – Update: e-Payment

Das Rudolf-Harbig-Stadion (RHS), durchaus bekannt als Heimstätte der SG Dynamo Dresden (SGD), trägt auch kurz vor dem Beginn der neuen Saison in der 3. Liga nach wie vor seinen Namen und firmiert bislang keineswegs etwa beispielsweise unter Bunte-Murmel-Arena (BMA). Nicht erst in jüngerer Vergangenheit, aber besonders im Umfeld der Inbetriebnahme des Stadionneubaus vor gut einem Jahr, gab es schließlich immer wieder Diskussionen über eine eventuell neue Stadion-Titulierung.

Für und Wider in dieser Diskussion waren hauptsächlich von Emotionen aus der Historie sowie Bedenken vor weiter voran schreitender Kommerzialisierung, einem drohenden Ausverkauf der Tradition, geprägt – und von der Tatsache der notorisch leeren Kassen bei der SGD. Einer wie auch immer gearteten Kommerzialisierung bei Teilnahme am Spielbetrieb in der dritthöchsten bundesdeutschen Spielklasse das Wort reden zu wollen, kann indessen mehr als Augenwischerei gesehen werden. Der so genannte, allerdings bislang eher kleinliche, BILD-Block im RHS vegetiert per exemplum auch nicht gerade erst seit gestern vor sich hin – gab es Proteste unangepasster Fans, der Ultras, dagegen? Nach einer überlieferten Maxime von Volkmar Köster sei Dresden anders …

Ein wenig sommerlochbeschwert scheint ebenso der vor wenigen Tagen bekannt gegebene erste offizielle Block-’Verkauf’ des RHS untergegangen zu sein.

(…) Dynamo Dresden wird in der Saison 2010/11 erstmals einen separaten Bereich des Rudolf-Harbig-Stadions ausdrücklich für Familien bereit halten: Gemeinsam mit der Ostsächsischen Sparkasse Dresden lädt der Verein zu seinen Heimspielen in der 3. Liga ab sofort in den “Sparkassen-Familienblock“ ein. Dynamos langjähriger Partner hat seine Unterstützung für die Schwarz-Gelben damit erneut wesentlich aufgestockt und verleiht dem Block zukünftig sowohl den Namen als auch ein unverkennbares Äußeres (…) [SGD, 16. Juli 2010, 13:59]

Es lässt sich nun am sommerlichen Lagerfeuer nächtelang ausgiebigst trefflich diskutieren, über die so offerierte “Tribüne (…), auf der das Rauchen verboten“ sein wird und auf welcher “im Laufe der Saison diverse Aktionen und Unterhaltungsangebote für Kinder und Familien gestartet“ werden sollen – Nein, Kommerzialisierung ist die so postulierte Familienfreundlichkeit in einem Fußball-Stadion nun wirklich mitnichten. Schließlich hat die Ostsächsische Sparkasse lediglich die Blöcke D1 bis D4 im RHS gekauft und wird diesen – wie auch immer – “zukünftig sowohl den Namen als auch ein unverkennbares Äußeres“ geben; vielleicht ja sogar als farbiger Block im RHS beim auch in dieser Saison wieder anstehenden Auswärtspunktspiel des FC Rot-Weiß Erfurt (“Thüringen ist Rot-Weiß“) in der 3. Liga?

(…) damit ist der erste Block wohl “verkauft“? (…) Mal sehen, welche Tribüne als Nächstes “weggeht“ (…) [forum.dynamo-dresden.de, 16. Juli 2010, 19:13]

Nun mag diese fragende Dahinstellung vielleicht Kaffeesatz-Leserei vom Feinsten sein, wer weiß? Vielleicht sind die kolportierten Beobachtungen ja auch nur flachpsychologisch unverarbeitete Nachwehen einer erst kurz zurückliegenden Sommer-Phase, in der man unter anderem an einer urlaublich tangierten Tankstelle auf die erforderliche Kraftstoffbezahlung der Nachfrage “Alles? Noch was zu Trinken? Essen? Eine Fahne fürs Auto?“ [Autofähnchen schießen keine Tore] mit einem verneinenden Kopfschütteln begegnete – woraufhin sogleich insistierend zurück gefragt wurde: “Sie interessieren sich nicht für Fußball?“ Es ist wohl an der Zeit, dass sich genau um diesen wieder etwas zu drehen beginnt.

In einer Mitteilung vom 24. Juli gab die SGD bekannt, dass ab “31. Juli 2010, mit dem ersten Heimspiel der Drittliga-Saison 2010/2011 gegen Carl Zeiss Jena, (…) von der Stadion Dresden Projektgesellschaft (…) ein stadioneigenes bargeldloses Bezahlmedium eingeführt“ wird. Dadurch ist zukünftig im Rudolf-Harbig-Stadion – außer im Fanshop, an den Fanartikel-Ständen und beim Kartenerwerb – keinerlei Kauf mit Bargeld mehr möglich. Chip-Chip-Hurra?

[Dieser Artikel wurde am 22. Juli 2010 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]