Abenteuer Fußball im Osten: Stuttgart, Chemnitz und retour

Bekanntermaßen hat es in der 2. Hauptrunde um den diessaisonalen DFB-Pokal für den Chemnitzer FC gegen den VfB Stuttgart am 27. Oktober 2010 trotz eines großartigen Auftritts letztendlich nicht gereicht – aus ostneutraler Sicht betrachtet mit den Anmerkung: leider. Nach dem “Pokal-Aus mit Applaus“ resümierte CFC-Präsident Matthias Hänel: “Die Mannschaft hat unseren Verein deutschlandweit würdig vertreten. Dafür gebührt ihr ein großes Dankeschön“ (Dresdner Morgenpost, 30. Oktober).

Vom deutschlandweiten Applaus für den CFC ist der Natur der Sache nach die Anhängerschaft des VfB Stuttgart als Partie-Rivale de facto fast logischerweise ausgenommen, zumal einige Stuttgarter sowieso ihre ganz eigene Sicht zur Pokal-Begegnung auf der Chemnitzer Fischerwiese hatten und diese auch postulierten.

So gibt es im Online-Forum der Stuttgarter Nachrichten einen VfB-Stuttgart-Thread, in dem sich, unter zwischenzeitlich geänderter Headline (Original: “Wer ist heute Abend in der DDR dabei?“), gut zwanzig Jahre nach dem Wegfall der vormaligen Zonenrandförderung einige durchaus bemerkenswerte Auffassungen zur Pokal-Begegnung in Chemnitz widerspiegeln.

Der Eröffnungsbeitrag besagten Threads beginnt mit der durchaus prosaischen Frage an die VfB-Fangemeinde –

Wer von Euch traut sich denn heute Abend in den wilden Osten zum Spiel in der Stadt mit 3 Oh’s: Gorl-Morx-Stodt

– um gleichzeitig fürsorglich warnend anzufügen –

Wie man hört, sollte man gute Laufschuhe mitnehmen.

Gar aufklärerisch geht es aber weiter –

Ich kann nur jeden ermutigen mal hinzufahren und sich die “DDR“ mal anzuschauen, vielleicht hört das Ost-West-Karl-Marx-Stadt-Klischee-Gequatsche dann mal auf, wenn man feststellt, dass man echt mit der Lupe suchen muss, um andere Unterschiede als die Dialekte zu finden.

Einige folgende Beiträge reflektieren dann eher die Formalia der Einreisemodalitäten in die Ost-Zone –

Ich hoffe, ihr habt alle daran gedacht ein Visum zu beantragen!!!!!!!! (…) Begrüßungsgeld für die Brüder und Schwestern nicht vergessen (…) Wo fahret ihr über die Grenze? (…) Hoffentlich sind die Wartezeiten am Grenzübergang nicht zu lang und alle VfB-Fans kommen rechtzeitig in Gorl-Morgs-Stodt an (…)

Und wie nebenbei wird auch noch ein wenig pseudopolitisch vor sich hingepostet –

Hätte es bloß nie die Wiedervereinigung gegeben (…) Den Soli zahlen wir wohl noch bis zum St. Nimmerleinstag, warum zahlen den eigentlich alle, sollen doch nur die zahlen, die mit den Ossis solidarisch sind, ich bins jedenfalls nicht (…) Sächsisch ist der beschissenste Dialekt der jemals erfunden worden ist (…) Baut die Mauer wieder auf, diesmal aber richtig und alle Ossis wieder zurück!!! (…)

Nach einigen sexistischen Beiträgen über die Ossi-Frau als solche, à la –

Da kenn ich mindestens drei bildschöne junge Frauen, die geburtsmäßig aus den neuen Bundesländern kommen und die in dem Fall dringend hier bleiben sollten und gern auch bei mir Asyl beantragen könnten! (…) So eine Ossi-Maus nehme ich auch (…) die können einen Tennisball durch einen Gartenschlauch saugen (…)

– folgt dann unvermittelt ein völlig überalteter und zudem nur vorgegebener Link zum Chemnitzer Fight Club mit der Anmerkung –

Dann heute Abend noch 1000 VfB-Fans der Kategorien B & C

Einige Posts später wird in scheinbar lauter Vorab-Aufregung sogar noch ein älterer Ostfussball.comArtikel verlinkt, zudem flankierend garniert mit der gar mehr als bange klingenden Frage –

(…) Amole schaue wie viele von denne 1000 VfB’ler wieder hoimkommet heit Nacht.

Wobei da schon fast alles über den Osten als solchen weniger als mehr gesagt scheint –

Schbinnsch denn du, mir gehn doch ned in die Zone (…) Ich wäre gerne zum Spiel gefahren, aber die Bilder aus Bratislava haben davon abgehalten (…)

Ob Bratislava oder Chemnitz, was soll’s? Alles Osten halt, Sachsen-Slowakei-Sibirien-Gulag gewissermaßen oder wenigstens Protektorat –

So, angekommen! 1000 Leute für ein Spiel in der tiefsten Ossiprovinz unter der Woche ist doch gar nicht so schlecht! War grad mal vorsichtig ums Stadion laufen, sieht für unsere Spassfraktion gut aus! (…) Die ersten Cottbuser sind auch gerade eingetroffen! (…) So? Batscht man sich heut noch bissle? (…) Obacht vor diesen Nazi-Kämpfern (…) Leider wurden zirka 200 VfB-Fans zumeist grundlos von der Polizei einkassiert. Die sitzen jetzt auf dem Revier in Chemnitz und werden bis nach dem Spiel fest gehalten, also in Sippenhaft genommen. Grund sei, dass es angeblich Pyro-Vorfälle gegeben habe. Die meisten sitzen dort garantiert GRUNDLOS. So eine Schweinerei! (…) Ein Freund, der vor Ort war, hat von 200 Verhaftungen gesprochen (4 Busse Kategorie C)? (…) Im Stadion NULL Support, sieht aus als sei das CC auch nie in Karl-Marx-Stadt angekommen? (…) Im VfB-Block einige Cottbusser und Freunde aus Dresden (…) Der VfB-Block war als solcher mit dem Auge nicht auszumachen, sah aus, als wären 50 Mann aus Stuttgart angereist? (…) Geile Choreographie der Klasse 3 b der Ernst-Thälmann-Schule Chemnitz im Block der CFC-Fans (…) Da haben sich die Kinder wirklich Mühe gegeben. Herrlich! (…) Für ihre Verhältnisse haben die es ganz gut hingekriegt! Respekt! (…) Ein wahrer Hexenkessel das Stadion in Chemnitz (…) Da ist in Ditzingen mehr los (…) Genau so viel wie in Degerloch (…) Degerlocher Entwicklungshilfe für die DDR (…) Ich kann nicht glauben, dass da nur ein VfB-Fan im Stadion war. Stimmung wie in einer Gruft umschreibt ganz gut, was man da im TV nicht gesehen hat (…) Das Commando Bieberle ist wohl zu Hause geblieben, war denen sicher zu gefährlich in den Osten zu fahren (…) Man muss leider sagen, dass ohne die Stimmung der Ultras überhaupt nix los ist. Kein Support, der Gästeblock als solcher war nicht zu erkennen und nicht zu hören. Das hatte 5.-Liga-Niveau. Dass knapp 150 Stuttgarter-Kategorie-C-Hools verhaftet wurden ist schade, denn außer ein paar Böllern ist ja nix passiert (…) Es war tatsächlich wie auf dem Zentralfriedhof. Enttäuscht war ich auch von den Chemnitzern. Für das Spiel des Jahres waren außer Tribüne links C, rechts F und Mitte C Geschrei auch nicht viel zu hören (…) War super, tolles Stadion, super packendes Spiel. Stuttgart leider ziemlich schwach, aber egal, dadurch wurde es umso interessanter. Die Gerüchtelage war sehr diffus, scheinbar waren einige Kat Cler unterwegs, anscheinend auch ein paar K’lauterer dabei. Die wollten sich wohl mit den Chemnitzern anlegen, ein paar Ultras waren wohl auch dabei. Naja, die haben dann erstmal die Grünen attackiert und die haben sich das nicht lang angeschaut und gleich alle weggeschlossen. So gab es keine Stimmung (…) da niemand da war, der die Initiative übernehmen hätte können, und (…) wohl auch per Stimmungs-Boykott gegen die Festnahmen protestiert werden sollte.  Naja, auf Chemnitzer Seite war da auch eine extrem schlechte Stimmung. 200 Leute hinterm Tor supporten aktiv, der Rest leider großteils still. Naja, sonst keine großen Vorfälle, auch nach dem Spiel alles soweit ruhig. Ein paar Pöbeleien und so durfte man sich mit dem roten Schal schon anhören, aber unterm Strich gabs damit keine Probleme (…)

Und dann ward es Licht am Ende des Thread-Tunnels –

(…) Wieder im Ländle.

Ob nun besagtes VfB-Forum unter der Ägide der Stuttgarter Nachrichten etwa nur ein Spam-Modul ist, sei dahingestellt. Mithin verbringen einige Leute Zeit damit, sich dort zu artikulieren, wie auch immer. Und aus diesem gegebenen Anlass sollte freundlich darauf hingewiesen sein, dass Soljanka beileibe kein Brauchtumsritual oder gar Paarungstanz und Goldbroiler genau so wenig eine Währungseinheit ist – Helau.

Alle angeführten Zitate stammen übrigens, hier und da lediglich entsprechend leicht modifizierend redigiert, aus dem VfB-Stuttgart-Forum beim Online-Angebot der Stuttgarter Nachrichten.

[Dieser Artikel wurde am 30. Oktober 2010 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

Derbytime: Dynamo Dresden gegen Hansa Rostock

Das Aufeinandertreffen der SG Dynamo Dresden und des FC Hansa Rostock zum 13. Spieltag in der 3. Liga am 23. Oktober 2010 wirft schon seit Wochen seine Schatten voraus. Im Vorverkauf waren nach nur 55 Stunden alle Karten für diese Partie vergriffen und das neue Rudolf-Harbig-Stadion somit zum zweiten Mal nach seiner Inbetriebnahme in einem Pflichtspiel ausverkauft.

Ein vom Rostocker Anhang selbstverwalteter Sonderzug wird rund 1.400 Hansa-Fans nach Dresden bringen. Der Zug soll nach Verlautbarungen aber zumindest von einem Polizeihubschrauber begleitet werden. Das offizielle Kartenkontingent für die Rostocker Anhänger im Dresdner Stadion wird mit 2.370 Plätzen angegeben. Seitens des gastgebenden Vereins wird ausdrücklich darauf hingewiesen, “dass Fans des FC Hansa Rostock am Spieltag keinen Zutritt zum Heimbereich erhalten. Sollten Rostocker Anhänger Karten für den Heimbereich haben, ist ein Umsetzen in den Gästebereich aus Kapazitätsgründen nicht möglich. Die Karten verlieren ihre Gültigkeit, eine Kostenrückerstattung ist nicht möglich!“.

Im Rudolf-Harbig-Stadion werden 350 Security-Mitarbeiter vor Ort sein, um die Partie abzusichern. Zudem begleiten 14 professionelle Ordner und vier Fan-Betreuer die anreisenden Hansa-Fans. Von einem umfassenden Polizeiaufgebot am Hauptbahnhof sowie an neuralgischen Punkten und ebenso rings um das Stadion ist an diesem Tag in Dresden auszugehen. Details zum geplanten Polizeieinsatz wurden bislang nicht öffentlich. “Wir werden mehrere hundert Beamte aus ganz Sachsen im Einsatz haben“, kündigte jedenfalls Dresdens Polizeisprecher Thomas Geithner bereits an. Die Stadiontore öffnen am Spieltag bereits schon 12 Uhr. Für die Live-Übertragung im MDR wurde der Anstoß auf 14.05 Uhr verlegt.

Wie fast immer vor solchen durchaus brisanten Derbys kursieren auf diversen Video-Plattformen Clips zur Mobilisierung, es wird gesprayt und plakatiert, das Internet provozierend für die eigenen Ziele genutzt – letztendlich die unterschiedlichsten Informationskanäle aktivierend bedient. Gleichwohl wabern gewisse Parolen und Gerüchte durch die wie auch immer geartete Fan-Szene. Dessen vorerst ungeachtet plätschert derweil die Ostsee friedlich vor sich hin und es fließt ruhig Wasser die Elbe hinab.

Nach offizieller Leseart habe die derzeitige Mobilisierung – speziell innerhalb der Dresdner Fan-Szene – längst nicht die Ausmaße erreicht, wie beispielsweise noch im Oktober 2007, als es nach der damaligen Partie in der Sachsenliga zwischen der zweiten Mannschaft von Dynamo Dresden und dem 1. FC Lok Leipzig in der sächsischen Landeshauptstadt zu schweren Ausschreitungen gekommen war (Die “Freiheit“ der 5. Liga). Pilgert man derzeit ein wenig durch Dresden, kann sich dahingehend aber auch sehr wohl ein anderweitiger Eindruck offenbaren. Und Parolen und Gerüchte wabern …

Unterdessen publizierten Vertreter beider Vereine einen gemeinsamen Aufruf –

Liebe Dynamo-, liebe Hansa-Fans,

wenn am Sonnabend die Partie zwischen Dynamo Dresden und dem F.C. Hansa Rostock angepfiffen wird, beginnt für beide Vereine der emotionalste und stimmungsvollste Höhepunkt der laufenden Saison. Ein wochenlanges Warten auf den Spieltag und das Hoffen auf zusätzlich frei werdende Kartenkontingente für dieses Ausnahmespiel finden mit dem Anpfiff ein jähes Ende.

Stimmungstechnisch auf den Rängen wird die Partie ein Duell auf Augenhöhe, beide Fanlager sorgen stimmgewaltig für den Support ihrer Mannschaften, sei es auf fremden Plätzen oder im heimischen Stadion. Seit Jahrzehnten ist die Begegnung beider Klubs eine besondere, hart umkämpfte und immer spannende Angelegenheit.

Dynamo Dresden und Hansa Rostock waren stets harte Konkurrenten. Manchmal hatten die Dynamos die Nase vorn, manchmal die Hanseaten. Geschenkt haben wir uns jedenfalls nichts. Und auch die Fans lagen sich nicht in den Armen. Das erwartet auch am Sonnabend keiner.

Beide Fanlager haben gezeigt, dass Partien mit DDR-Oberliga-Charakter friedlich ablaufen können. Man hat sich zahlreich und mächtig, aber auch friedlich organisieren können und positiv am Ruf der Mannschaften arbeiten können.

Gefühlsausbrüche, freche Sprüche und Gesänge, ordentlicher Lärm auf den Rängen – das gehört zu unserem Fußball. Randale, Gewalt und Zündeleien aber brauchen wir nicht! Der Ost-Fußball und die Ost-Fans stehen da unter besonderer Beobachtung. Lasst Euch also nicht provozieren. Die Verlierer wären am Ende unsere Vereine – und die haben nun wirklich kein Geld für DFB-Strafen übrig.

Auf ein tolles Spiel, tolle Stimmung und darauf, dass zweimal 3 Punkte vergeben werden können: für die Besten auf dem Platz und die Besten auf den Rängen.

[Dieter Riedel, Gerd Kische, Thomas Hübener, Sebastian Pelzer, Dixie Dörner, Stefan Beinlich, Reiner Calmund, Juri Schlünz, Hauke Haensel, Bernd Hofmann]

Es gab übrigens früher, für die jetzigen Jüngelchen der Sonnenbrillen-Jogginghosen-Fraktionen aller Couleur wohl nicht mehr nachvollziehbar, schon auch zu DDR-Zeiten so etwas wie eine gewisse Fan-Freundschaft zwischen Dynamo Dresden und Hansa Rostock, von niemandem verordnet, eben einfach so erlebt und gelebt. Und nun? Jogginghose, Sonnenbrille und Handschuhe an? Basecap ab dafür? Wohin soll denn die Reise gehen?

[Dieser Artikel wurde am 21. Oktober 2010 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

Rot-Weiß Erfurt gegen Dynamo Dresden: Ost-Klassiker geht anders

Gerade einmal offiziell 8.858 Zuschauer wollten am 16. Oktober 2010 die Begegnung des 12. Spieltages in der 3. Liga zwischen dem FC Rot-Weiß Erfurt und der SG Dynamo Dresden im altehrwürdigen Steigerwaldstadion miterleben, mithin eine Partie, die durchaus in der Rubrik Ost-Derby firmiert. Im Vorfeld des Aufeinandertreffens beider Mannschaften hatten die Ultras Dynamo aufgrund der Erfurter Preispolitik bei den Eintrittskarten zu einem Boykott des Dresdner Auswärtsspiels aufgerufen, dem sich zahlreiche Fan-Gruppierungen anschlossen. Während am Rand der Begegnung die Zahl der letztendlich angereisten Dynamo-Anhänger auf 1.800 beziffert wurde, schrieb einen Tag später die Morgenpost von “1.500 Dresdner Fans, die trotz Boykotts nach Erfurt gekommen waren“.

(…) Natürlich hätte man sich weniger gewünscht, aber in den letzten vier Spielzeiten hat Dynamo immer zwischen 3.000 und 4.000 Fans nach Erfurt mitgebracht, obwohl da auch Freitagsspiele dabei waren. Von daher ist das schon im Rahmen der Erwartungen (…) [ultras.ws-Forum, 16. Oktober, 16:40]

In der Anfangsphase der Partie war der Dresdner Anhang dann durchaus noch im Steigerwaldstadion zu vernehmen. Allerdings kann dies auch daran gelegen haben, dass die Erfordia Ultras bis zur exakt 30. Spielminute einen fast durchgehenden akustischen Stimmungsboykott vollzogen, optisch artikuliert durch lediglich zusammengerollte oder verkehrt herum hängende Flaggen am Zaun und beispielsweise ein Banner mit der Aufschrift “Nischelmann sei Dank bleibt die Choreo heut im Schrank!“.

Aber auch nach dem “Jetzt gehts los!“ und danach im Erfurter Block auftauchenden Doppelhaltern und Schwenkfahnen entzündete sich keine wirkliche Derby-Stimmung im weiten Rund, allein einige umstrittene Entscheidungen von Schiedsrichter Deniz Aytekin sorgten kurz vor dem Pausenpfiff temporär ansatzweise für hochkochende Emotionen auf den Rängen. Da allerdings war im Dresdner Zuschauerbereich schon so gut wie nichts mehr an Fan-Aktivitäten auszumachen. Den stimmungsvollen Charakter eines Ost-Klassikers hatte diese Begegnung jedenfalls nicht. Was, abgesehen der Begleitumstände vorab um die jeweiligen Fanszenen – wie im Nachhinein trefflich diskutierbar ist – einerseits auch am schmuddeligen Oktoberwetter, andererseits am klaren Spielverlauf gelegen haben kann. Aus dem Dresdner und Erfurter Fanbereich wurde während des Spiels übrigens jeweils ein Böller in den Stadioninnenraum geworfen. Herr Mohren (“Die DFB-Strafen durch Böller und Co. muss der Verein tragen. Durch den Aufschlag kassieren wir das Geld dafür vorher von den Fans.“) – übernehmen Sie!

Letztendlich fertigte der FC Rot-Weiß Erfurt die Dresdner Dynamos, besonders in der zweiten Halbzeit, auf dem Rasen klar und deutlich ab. Die Tore für die Erfurter erzielten Rudolf Zedi (20.), Thomas Ströhl (56.) und Tino Semmer (62.). Eine Gegenwehr eines Großteils der Dresdner Spieler hielt sich dabei in sehr überschaubaren Größenordnungen und auch der Dresdner Anhang war schließlich nur noch körperlich anwesend. Ob nach dem Abpfiff die auf die Kurve zulaufende Mannschaft von den angereisten schwarz-gelben Fans zurück gebuht wurde oder ob die Spieler schon weit vor Erreichen des Zauns freiwillig wieder umkehrten, spielte dann schon fast keine Rolle mehr.

Selbstverständlich feierte man im anderen Teil des Steigerwaldstadions den Sieg ausgiebig und ließ die gesamte Erfurter Mannschaft mehrfach hochleben. Trotzdem bleibt der Eindruck: Ein so genanntes Ost-Derby geht auch anders.

Während Rot-Weiß-Trainer Stefan Emmerlich seinen Spielern “ein sehr gutes Spiel“ attestierte, kritisierte sein Dresdner Amtskollege Matthias Maucksch auf der anschließenden Pressekonferenz, ein Großteil der Dynamos sei aufgetreten “wie eine Jugendmannschaft, die ein bisschen Fußball spielen will“. Das Tischtuch zwischen Trainer und zumindest einigen Mannschaftsteilen scheint in Dresden mittlerweile mehr als nur ein wenig verrutscht zu sein. Man darf also auf die weitere Entwicklung durchaus gespannt sein, schließlich tritt nun bereits am 23. Oktober der FC Hansa Rostock zum nächsten Derby im Dresdner Rudolf-Harbig-Stadion an.

[Dieser Artikel wurde am 17. Oktober 2010 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

Erfurter Preispolitik offenbart Generalverdacht gegen Fußballfans

Für das Punktspiel in der 3. Liga am 16. Oktober 2010 zwischen dem FC Rot-Weiß Erfurt und der SG Dynamo Dresden haben die Ultras Dynamo zu einem Boykott aufgerufen.

“(…) Die Entscheidung fiel uns bei weitem nicht leicht, denn gerade im sportlichen Aufschwung, in dem sich die Mannschaft derzeit befindet, fällt es uns besonders schwer, das Spiel nicht live zu verfolgen. Doch ist es in unseren Augen an der Zeit, den Finger gegen die Preistreiberei zu erheben! Reden wir heute über 13 Euro, sind es in einem Jahr vielleicht schon 20 Euro! Wann, wenn nicht heute, wollen wir dann auf die Machenschaften der Verantwortlichen aufmerksam machen? (…)“ [Ultras Dynamo, 7. Oktober]

Die Resonanz für den Boykott des Ost-Derbys in Erfurt scheint mittlerweile durchaus beachtlich. Mit Stand vom 14. Oktober (14:00 Uhr) haben sich bislang 40 Fan-Gruppierungen dem Aufruf der Ultras Dynamo unterstützend angeschlossen.

Unterdessen lieferte Wilfried Mohren, seines Zeichens amtierender Pressesprecher des FC Rot-Weiß Erfurt, eine fast schon verblüffend offenherzige Erklärung für das Zustandekommen exorbitant erhöhter Kartenpreise im Steigerwaldstadion.

“Erst die Partie gegen Jena hat gezeigt, dass bei solchen Klassikern die Emotionen der Fans hochschlagen. Die DFB-Strafen durch Böller und Co. muss der Verein tragen. Durch den Aufschlag kassieren wir das Geld dafür vorher von den Fans.“ [Dresdner Morgenpost, 14. Oktober]

Wenn dieses so praktizierte Beispiel des Generalverdachtes wirklich weiter Schule macht, könnten sich in Zukunft bisher vielleicht völlig ungeahnte Türchen zu verschieden angelegten, aber durchaus generell anwendbaren,  Szenarien im Umgang mit Fußballfans aller Couleur noch weiter öffnen. Irgendwie werden ja auch die unangepassten Auswärtsfahrer eines Fußballvereins zur Räson zu bringen sein – und letztendlich nicht nur die.

Ach ja, Herr Mohren, gibt es eigentlich den Preis-Aufschlag zurück erstattet, wenn die von Ihnen beschworenen “Böller und Co.“ dann gar nicht stattgefunden haben?

Post Scriptum: Es kursiert übrigens noch eine weitere Erklärung um die besagten Eintrittspreise für das Stadion in der thüringischen Landeshauptstadt. “Bei der Sicherheitsberatung hieß es, dass Erfurt die Stadionmiete angehoben hat und man jetzt gezwungen sei, dies auf Spitzenspiele umzulegen“, wird Jan Männig, Fanbeauftragter der SGD, dahingehend zitiert. Da kämen ja Auswärtsfans jeder Provenienz in nicht zu verachtender Größenordnung scheinbar gerade rechtzeitig, wenn sie denn auch alle kommen würden.

[Dieser Artikel wurde am 14. Oktober 2010 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

Bambule um den Pokal in Brandenburg

Das Spiel in der zweiten Runde um den diessaisonalen brandenburgischen Landespokal zwischen dem FC Stahl Brandenburg und dem SV Babelsberg 03 vom 9. Oktober 2010 hinterlässt, ob seiner Begleiterscheinungen, wohl eher einen schalen Nachgeschmack statt ungetrübter Freude über ein emotionales Pokal-Derby.

Schon vor dem Spiel kam es, offenbar aufgrund unkoordinierter Polizeikräfte und eines wohl lückenhaften Sicherheitskonzeptes, zu mehreren unschönen Begegnungen beider Fan-Gruppierungen, wobei auf der Seite von Stahl Brandenburg augenscheinlich auch Anhänger des BFC Dynamo agierten.

Nach offizieller Medien-Darstellung begann der Pokal-Nachmittag allerdings erst “mit einem Auftritt einer größeren Gruppe Babelsberger Chaoten, die kurz vor Spielbeginn den Kassenbereich am Gästeeingang ignorierten und sich somit freien Eintritt verschafften“. Das wiederum, so meint jedenfalls havelstadt.de, “wäre sicherlich zu vermeiden gewesen, hätte der Gästetrainer, Dietmar Demuth, auf Anfragen vom FC Stahl einem späteren Spielbeginn zugestimmt. Polizei und Schiedsrichter hatten die Bereitschaft dazu signalisiert“.

“Die sollen pünktlich kommen!“ (Dietmar Demuth)

Später im Stadion dann haben Babelsberg-Fans “bengalische Feuer gezündet, die Schäden auf der Tartanbahn anrichteten“ (maerkischeallgemeine.de) und rissen noch ein Zaunfeld nieder, “was aber wohl eher mit dem Spielverlauf in Verbindung stand“ (havelstadt.de).

Offiziell werden die Geschehnisse nach diesem Pokal-Spiel (2:4 n.V.) beispielsweise so dargestellt –

“Ausnahmezustand in der Brandenburger Innenstadt” (Headline zum Polizeibericht, 9. Oktober, 18:58)

Gleichwohl, so berichtete maerkischeallgemeine.de später, habe die Polizei nach dem Derby eine positive Bilanz gezogen –

“Die im Vorfeld intensiv geführten Gespräche zwischen Polizei, Landesverband und Vereinen mündeten in einem friedlichen, weitestgehend störungsfreien Ablauf des Fußballspiels.“

Unterdessen werden allerdings, beispielsweise im Forum von ultras.ws, die Tagesgeschehnisse um den 9. Oktober 2010 in der Stadt Brandenburg nicht nur ein wenig näher beleuchtet …

[Dieser Artikel wurde am 12. Oktober 2010 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]