Archiv der Kategorie: BallScene

MedienScreen # 19 [Red Bull, Gefahr für den Fußball]

[Fundstück] “Die Dose der Pandora“, 11freunde.de, 27. April 2012 –

(…) Eigentlich dürfte es diesen Klub gar nicht geben. Jedenfalls dann nicht, wenn sich die Fußballverbände an ihre Regeln halten würden. Als RB Leipzig am 8. August 2009 zum ersten Spiel seiner Vereinsgeschichte gegen die zweite Mannschaft von Carl Zeiss Jena antrat, war das noch so. Damals hatte der Sächsische Fußball-Verband (SFV) alle Entwürfe für das Vereinsemblem abgelehnt, weil es dem Markenzeichen des Konzerns zu ähnlich war. Denn genau das verbietet die Satzung des Verbandes, in § 12 heißt es: “Änderungen, Ergänzungen oder Neugebung von Vereinsnamen und Vereinszeichen zum Zwecke der Werbung sind unzulässig.“ Das gilt nicht nur in Sachsen, sondern im gesamten deutschen Fußball. § 15 der Satzung des Deutschen Fußball-Bundes benutzt die exakt gleiche Formulierung, und auch für die Deutsche Fußball Liga ist sie verbindlich.

Ausnahmen von der Regel gibt es nur dort, wo Klubs als Betriebssportgemeinschaften gegründet wurden und daher Unternehmensnamen bzw. dessen Logo im Vereinsemblem tragen, wie etwa bei Bayer Leverkusen oder Carl Zeiss Jena. In den Siebzigern hatte es in der zweiten Liga noch zwei Fälle gegeben, bei denen Sponsoren Klubs umbenannten. Der SV Waldhof hieß damals nach einem Chipshersteller SV Chio Waldhof Mannheim, und ein Geldgeber brachte beim SC Westfalia Herne zwischenzeitlich den Namen seiner Tankstellenkette unter: Westfalia Goldin Herne. Ende der siebziger Jahre untersagte der DFB solche Umbenennungen.

Der Trick, das Verbot zu umgehen, wurde aber nicht in Leipzig erfunden, sondern in der westfälischen Provinz. Als der TuS Ahlen und Blau-Weiß Ahlen 1996 fusionierten, hieß der neue Verein verblüffend umständlich Leichtathletik und Rasensport Ahlen. Die Abkürzung LR stand wie zufällig auch für das Unternehmen des Sponsors Helmut Spikkers: LR International. Das Verbot, mit dem Vereinsnamen zu werben, unterläuft RB Leipzig jedoch viel konsequenter, als es LR Ahlen getan hat. Offiziell steht das Kürzel zwar für RasenBallsport, doch der Klub benutzt den Namen fast nirgends. Auf den Plakaten in der Stadt, der Stadionzeitung oder Homepage ist konsequent von den “Roten Bullen“ die Rede, als sei das ein Traditionsname wie “Die Roten Teufel“ oder “Die Knappen“. Einer besonderen Transferleistung von Roten Bullen zu Red Bull bedarf es da nicht mehr.

Doch wie konnte es passieren, dass der Sächsische Fußball-Verband so gegen Wort und Geist seiner Satzung verstoßen hat? Für Stephan Oberholz, als Vizepräsident für Rechtsfragen zuständig, stellt sich die Frage nicht. Das aktuelle Motiv habe “für alle Beteiligten ausgereicht“, sagt er. Eine hübsche Formulierung ist das, die nach Hinterzimmerabsprache klingt: Mach noch ein paar Striche dran, dann winken wir das durch. Im Mai 2010 wurde das heutige Emblem durch einen Präsidiumsbeschluss des SFV akzeptiert (…)

[Dieser Beitrag wurde am 2. Mai 2012 bei Ostfussball.com publiziert.]

FC Hansa Rostock: Abstieg? Insolvenz? Wie weiter?

Sportlich stehen die Hanseaten bekanntlich mit einem Fußballschuh bereits in der Flügeltür zur Drittklassigkeit. Das anstehende Sonntagsspiel auswärts beim 1. FC Union Berlin wird zeigen, ob noch Hoffnung besteht – sportliche Hoffnung. Denn nicht allein die aktuelle Tabellensituation des FC Hansa ist prekär.

Der Finanzausschuss der Stadt Rostock lehnte am 24. Mai mit deutlicher Mehrheit einen fiskalischen ’Rettungsschirm’ für den derzeitigen Zweitligisten ab. Gleichfalls will auch das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern “dem hochverschuldeten Verein zumindest nicht direkt unter die Arme greifen“ (Dresdner Morgenpost). Verschiedenen Medienberichten zufolge ist der FC Hansa Rostock unter den derzeitigen Umständen in wenigen Wochen zahlungsunfähig. Ein verordneter Zwangsabstieg in die Regionalliga wäre die unausweichliche Folge, “schlimmstenfalls sogar in die Oberliga“ (eurosport.com).

Der dem Rostocker Finanzausschuss vorgeschlagene Maßnahmenkatalog sieht vor, dem klammen Verein mit einer Finanzierungsspritze von 750.000 Euro und einem Teilerlass der 4,5 Millionen Euro Schulden behilflich zu sein. Am 9. Mai beschließt nunmehr die Rostocker Bürgerschaft endgültig in der Ratssitzung und ist dabei der vorherigen Entscheidung des Finanzausschusses nicht zwangsweise folgend gebunden. Einem etwaigen Teilerlass der Schulden müssten zudem allerdings noch alle Gläubiger zustimmen. “Der Verein werde das laufende Geschäftsjahr trotz der sportlichen Misere mit einem Plus von rund 200.000 Euro abschließen, sagte Hansas Finanzvorstand Sigrid Keler“ (transfermarkt.de).

“Wenn der Schuldenerlass nicht zustande kommt, können wir nicht überleben“, zitiert der Sport-Informations-Dienst (SID) Hansas Vorstandsvorsitzenden Bernd Hofmann. Nach Darstellung des SID habe der Verein insgesamt Verbindlichkeiten von knapp 16 Millionen Euro.

suptras_stadt_verein_zu_9_5_12
(Screenshot – suptras.de)

Unterdessen initiieren die Rostocker Fans unter dem Motto ’Ja zum FCH’ bereits “mehrere Solidaritätsaktionen, darunter eine Demonstration vor dem letzten Saisonspiel gegen den Aufsteiger SpVgg Greuther Fürth am 6. Mai. Zusätzlich ist drei Tage später ebenfalls eine Kundgebung geplant, dann entscheidet die Rostocker Bürgerschaft über einen Maßnahmenkatalog zur Rettung des finanziell angeschlagenen Traditionsvereins“ (derwesten.de). Allerdings – “Es gibt keinen Plan B“, so jedenfalls äußerte sich Bernd Hofmann (svz.de). Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

[Dieser Artikel wurde am 27. April 2012 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

MedienScreen # 18 [Kanonenrohre vs. Ultras]

[Fundstück] “Vortrag – ’Sind das alles Vollidioten?’ – Fanforscher Gabler in Osnabrück über das Image der Ultras“, noz.de, 24. April 2012 –

(…) “Manchmal müssen sich die Ultras vorkommen wie ein Kaninchen, das gleichzeitig in zehn Kanonenrohre schaut.“ Diesen drastischen Vergleich zog Fanforscher Jonas Gabler (…)

Gabler kam durch persönliche Erfahrungen in deutschen und italienischen Stadien auf die Idee, sein Studium der Politikwissenschaft mit einer Diplomarbeit über rechtsradikale Tendenzen in der Fanszene im Ländervergleich abzuschließen. Die Stigmatisierung der Ultras in der öffentlichen Wahrnehmung schilderte der 30-jähriger Berliner nicht, um sich Freunde (…) zu verschaffen. Sondern er begründete diese Brandmarkung – durchaus überzeugend – mit zusammenlaufenden historischen Entwicklungslinien in der Fan- und Jugendsubkultur, gepaart mit Druck vonseiten der Polizei und den Medien.

Gerade die letzten beiden Akteure würden oft ein Bild erzeugen, dass die Gewalt in den Stadien so ausgeprägt sei wie nie – was in der Tat vielen statistischen Erhebungen zu diesem Thema widerspricht. Gabler wies darauf hin, dass in den 70er und 80er Jahren gewaltbereite Hooligans den Fußball als Bühne missbraucht hatten: zu einer Zeit, als der Stadionbesuch Männerdomäne war. “Wenn sich Fans daneben benommen haben, hat man das abgehakt und gesagt: Das sind halt Vollidioten“, erklärte Gabler plastisch die Vorurteile, die über Fans seinerzeit entstanden: “laut, betrunken, aggressiv, im Zweifel rechts.“

“Mit der Kommerzialisierung des Fußballs durch Verbände, Vereine und Freizeitindustrie und dem Einzug der Familien ins Stadion wurden diese bis dato unbeachteten Verhaltensweisen tabuisiert“, erklärte Gabler. Weil sich Ende der 90er Jahre, die Hooligan-Szene auflöste und in den Blöcken gleichzeitig als neuer, dominant auftretender Akteur die Ultras auf den Plan traten, seien diese von Außenstehenden einfach mit den alten Vorurteilen über Fans überzogen worden.

Dies steht im krassen Widerspruch zur Selbstwahrnehmung dieser Fangruppierung als Stimmungsträger in den Kurven, als gegenüber der Dominanz des Geldes im Fußball kritisch eingestellte Fraktion, die auch in den Vereinen um Mitsprache und für ihre Belange kämpft. Gabler bezeichnete die Ultra-Bewegung als derzeit attraktivste Jugendsubkultur. In diesem Zusammenhang kritisierte er die Aussage von Fanforscher Gunter A. Pilz, dass einige Ultras sich in Richtung “Hooltras“ entwickeln würden: Einer Jugendsubkultur sei es schon immer inhärent gewesen, ab und an mal über die Strenge zu schlagen. Dies sei nicht neu, nicht speziell auf die Ultras zu reduzieren.

“Eine Unterscheidung zwischen guten Ultras mit den schönen Choreografien und bösen Schläger-Ultras ist unzulässig“, erklärte Gabler, da die Grenzen fließend seien. Stattdessen müsse die Gesellschaft lernen, die Potenziale der Ultras zu erkennen (…) Und vor allem: In der Tatsache, dass sich innerhalb der Bewegung klare Regeln des Zusammenlebens herausgebildet hätten, liege die Chance auf “einen Prozess der Zivilisierung der Szene – aber nur, wenn man sich mit ihr auseinandersetzt und anerkennt, dass sie immer eine Subkultur bleiben wird.“

[Dieser Beitrag wurde am 25. April 2012 bei Ostfussball.com publiziert.]

Erzgebirge Aue vs. Dynamo Dresden: Kleine Derby-Vorschau

Am 32. Spieltag der diessaisonalen 2. Bundesliga kommt es am 21. April zur Begegnung zwischen dem FC Erzgebirge Aue und der SG Dynamo Dresden. Der offizielle Anpfiff zu dieser Partie erfolgt 13 Uhr auf dem Rasen im Erzgebirgsstadion. Doch angepfiffen ist eigentlich längst. Die Tabellensituation und deren aktuelle Interpretation für die noch offenen Spiele – besonders aus der Sicht der Erzgebirgler – ist bekannt. Und nicht zuletzt geht es auch um die inoffizielle Sachsen-Meisterschaft zwischen zwei Vereinen, die seit fast schon Ewigkeiten in abgrundtiefer Fan-Fehde verbunden sind. Das Hinspiel in der Zweitligasaison 2011/12 gewannen die “Veilchen“ am 15. Spieltag mit 2:1 im Dresdner Rudolf-Harbig-Stadion.

sgd_fce_20_11_11_ud
(Aue in Dresden, 20. November 2011 – Foto: ultras-dynamo.de)

Während Dynamo Dresden am 31. Spieltag zuhause einen 2:1-Sieg gegen Fortuna Düsseldorf verbuchen konnte, wurde Erzgebirge Aue in Frankfurt von der Eintracht mit 4:0 quasi an die Wand gespielt. Ronny König, der diesen Auftritt einem Abschlachten gleichsetzte, glaubt allerdings fest an eine Leistungssteigerung gegenüber der Partie in der Mainmetropole. “Das Sachsenderby am Sonnabend gegen Dresden wird ein völlig anderes Spiel. Wir werden als Sieger vom Platz gehen“, so der Auer Stürmer.

In der Woche vor dem anstehenden Duell auf dem Rasen war eigentlich die Neu-Auflage eines nicht ganz ernsten Kochduells von Vertretern beider sächsischer Zweitligateams in der geografischen Mitte zwischen den Städten geplant, am Herd einer gastronomischen Einrichtung in Großwaltersdorf – wie die Dresdner Morgenpost berichtete, “damit beide Mannschaften sich mal ganz anders auf die heißen 90 Minuten einstimmen können“. Doch die Auer sagten kurzfristig ab und ihr Sportdirektor Steffen Heidrich nannte den Grund: “In unserer jetzigen Situation können wir uns doch nicht auf so ein Zeug einlassen. Was sollen denn da unsere Fans denken?“.

Gleichfalls denkt Dresdens Mittelfeldakteur Filip Trojan zurück und voraus – und sagte es so der Dresdner Morgenpost: “Wir haben hier damals ein schlechtes Spiel gemacht. Und Aue hat gefeiert, als hätten sie die Champions League gewonnen. Jetzt wollen wir dort gewinnen und zeigen, das sie zurecht hinter uns stehen“. Dynamos Urgestein Reinhard Häfner wiederum postulierte in seiner Morgenpost-Kolumne, gegen Aue erhoffe er sich, “dass die Maßstäbe im Ostfußball wieder geradegerückt werden“, denn auch er habe “nicht vergessen, wie ausgelassen die Veilchen in unserem Stadion gefeiert haben“.

Nun dann, es ist angerichtet …

[Dieser Artikel wurde am 18. April 2012 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

Datei “Gewalttäter Sport“ – Update

Wie erst Anfang März dieses Jahres beleuchtet, ranken sich um die so genannte Datei “Gewalttäter Sport“ nach wie vor justiz-politische, juristisch-anwaltliche und sonstige Ungereimtheiten, nicht zuletzt persönlichkeitsrechtliche Sphären einzelner Menschen auf die eine oder andere Weise mehr als weniger betreffend (Datei “Gewalttäter Sport” – Datenspiele).

Bereits im April 2010 wurde durch das Verwaltungsgericht Karlsruhe eine fehlende rechtliche Grundlage des – inoffiziell auch “Hooligan-Datei“ genannten – Datenpools festgestellt. Zum damaligen Zeitpunkt soll die dahingehend bemäntelte Informationszusammenstellung zirka 11.000 Einträge beinhaltet haben. In gewissen Online-Foren kursierte im Februar 2011 dann die Information, dass in besagter Verbunddatei “Gewalttäter Sport“ nunmehr bundesweit Datensätze über insgesamt 12.800 Personen gespeichert seien.

13.032 Personen in Deutschland sind in der Datei “Gewalttäter Sport“ des Bundeskriminalamts erfasst. Sie gelten damit als potentiell gefährlich. 2.318 von ihnen sind mit einem bundesweiten Stadionverbot belegt. (’Zahl der Woche’ in: DER SPIEGEL, 26. März 2012)

Vormals war durch den Bundesrat in seiner Plenarsitzung am 4. Juni 2010 dem Entwurf für eine Verordnung des Bundesinnenministeriums zugestimmt worden, mit dem die umstrittene Datensammlung “Gewalttäter Sport“ des Bundeskriminalamts auf eine rechtliche Grundlage gestellt werden sollte (heise.de).

“Aber man muss nicht unbedingt Hooligan sein, um in die Datei aufgenommen zu werden“ – denn, “wessen Personalien … einmal im Rahmen der ’Gefahrenabwehr’ kontrolliert worden sind, findet Eingang in die Datei ’Gewalttäter Sport’ und sieht sich strafrechtlicher und zivilrechtlicher Anfeindung ausgesetzt“ – “Schlimmer geht es nimmer! Dieses System lässt jedem Datenschützer die Haare zu Berge stehen!“ (anwalt.de).

[Dieser Artikel wurde am 6. April 2012 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]