Marco Bertram – Gespräch zwischen den Welten

Seit einigen Tagen nun ist die Publikation “Zwischen den Welten“ von Marco Bertram auf dem Büchermarkt. Karsten Höft merkte in einer der ersten und in seiner zugegeben ’subjektiven Rezension’ zu der Veröffentlichung unter anderem an: “Das Buch mixt amüsant und spannend die persönliche Entwicklung einer ganzen (Fan-)Generation locker mit fußballerischen Fakten. Für mich steht das Buch als Synonym für die Entstehungsgeschichte von turus.net und warum Marco und ich das hier eigentlich machen: die Liebe zum Spiel mit all seinen Facetten auf und neben dem Platz. Als ’fettes Teil’ würde Marco sein Werk selber bezeichnen und das ist es wahrlich: 1.322 Gramm, 368 Seiten, 300 Fotos komplett in Farbe sprechen eine eindeutige Sprache“ (turus.net, 8. Oktober 2014).

Noch ein Fußball-Buch mehr also? Nur ein Fußball-Buch mehr also?

ef_dom
(Foto: O.M.)

Aus gegebenem Anlass der Buchveröffentlichung sprach Stephan Trosien (NOFB Shop) mit dem Autor von “Zwischen den Welten“.

Nachfolgend wird dieses Gespräch auszugsweise dokumentiert –

[S.T.] Moin Marco, die vergangenen Monate haben wir hart an Deinem Erstlingswerk ‘Zwischen den Welten’ gearbeitet. Wie zufrieden bist Du mit dem Ergebnis und hast Du bereits erste Reaktionen bekommen?

[M.B.] Ein fröhliches ‘Moin’ zurück. Ich bin überaus zufrieden. Vor einem Jahr hätte ich es nicht erwartet, dass mein erstes Fußballbuch solch ein aufwändig gestalteter Brocken mit dermaßen vielen Fotos wird (…) Das Buch in gedruckter Form in den Händen zu halten, war ein herrliches Gefühl. Das letzte Jahr war wirklich hart. Ich stand – glaube ich – kurz vor dem totalen Burnout. Es ging ja nicht nur ums Schreiben – das tue ich jeden Tag auf turus.net -, sondern vielmehr schlauchte es, so tief in manche Dinge aus der Vergangenheit einzusteigen. Im Buch steckt quasi fast mein ganzes Leben (…) Und die ersten Reaktionen? Überaus erfreulich. Mein Umfeld zeigt sich sehr erfreut über die Tatsache, dass turus-Marco – in manchen Foren noch als Sambamarco bekannt – endlich was auf Papier gebracht hat.

[…]

[S.T.] Wie hast Du eigentlich die Veränderungen in den Fankurven in den vergangenen 24 Jahren wahrgenommen?

[M.B.] Mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Schnell spricht man von der ‘guten alten Zeit’, doch Anfang der 90er war es nicht nur geil. Es gab auch viel Tristesse, halbvolle Stadien, verdammt ungemütliche Kurven an einem regnerischen Novemberabend. Die Fans waren meist unorganisiert. Solche knackige Märsche wie in der Gegenwart hätte ich mir damals gern gewünscht. Der Mob rannte damals ins Stadion, trank etliche Pilsetten, pöbelte auf Teufel komm raus. Klar, es war auf eine Art herrlich und unbeschwerlich (…) Fußballfans hatten keine Lobby, galten meist nur als Assis und Proleten. Die junge Generation ist heutzutage gut strukturiert. Da kann man teilweise nur den Hut ziehen. Sie mischen sich ein in die Vereinspolitik, kämpfen für ihre Rechte, für alte Vereinsembleme, kämpfen an gegen Unrecht und verschaffen sich Gehör. Was allerdings den Sicherheitswahn und die kommerziellen Auswüchse betrifft – da wird mir manchmal einfach nur schlecht. Kein Wunder, dass ich mich in den unteren Ligen wohler fühle.

[…]

[S.T.] Wenn Du etwas am heutigen Fußball ändern könntest, was wäre das?

[M.B.] Da gibt es einige Dinge. Stopp des Neubaus von gesichtslosen 0815-Stadien. Manch ein Gästeblock in der ersten und zweiten Bundesliga ist auch ein reiner Witz. So wie in der Alten Försterei – so muss das sein. Gäste sollen sich als Gäste fühlen – und nicht als notwendiges Übel, das man in einen Käfig in der äußersten Ecke oder auf den dritten Oberrang verfrachtet. Und ja, weniger Polizei! Klingt platt, ist es aber nicht. Was für sinnlose Aktionen ich sehen durfte in all den Jahren! Tausende Polizisten bei einem Fußballspiel. Ein totaler Irrsinn (…) Der Fußball wird nie ohne Polizei auskommen, doch das überaus martialische – und teilweise auch provokante – Auftreten manch einer Einheit muss nun wirklich nicht sein. Ich könnte mich jetzt in einen Rausch schreiben. Doch stopp, das ist ein weiteres Buch wert. Ich ergänze an dieser Stelle nur noch: Eintrittspreise im Fußballoberhaus runter! Erhalt der eingetragenen Vereine – echtes Mitspracherecht für Mitglieder beziehungsweise Fans! Solchen Konstrukten wie RasenBallsport Leipzig Einhalt gebieten. Mit einem vernünftigen Vereinsnamen und einem echten Logo, hätte man halbwegs mit leben können. Doch in dieser Form, ist es schwer, ein Befürworter solcher Vereine zu werden …

[S.T.] Gibt es eigentlich Stadien und Regionen, die Du unbedingt noch bereisen möchtest?

[M.B.] Schnell kristallisierte sich in den 90ern heraus, dass ich mich auf den Britischen Inseln, in Brasilien, auf dem Balkan und in Polen am wohlsten fühle. Die eine oder andere zukünftige Fußballtour darf mich gern in diese Gegenden führen. Untere Ligen in England – ein Projekt für die nahe Zukunft. Aber eines ist klar: Ich bin offen für manch eine Tour, doch tagelang in Nachtzügen zu pennen, die Nächte in Ruinen, in Parkanlagen und gammeligen Bahnhöfen zu überbrücken – aus diesem Alter bin ich raus. Ich hatte reisetechnisch so ziemlich alles ausprobiert – und ich hatte manches Mal mehr Glück als Verstand gehabt. Einige Touren waren nicht ohne – Kusshand nach oben, dass ich hier noch heil dasitzen darf und euch diese Zeilen schreiben darf.

[nofb-shop.de, 10. Oktober 2014]

Post Scriptum: Chapeau, Marco Bertram!

[Dieser Beitrag wurde am 10. Oktober 2014 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

* Trailer zum Buch “Zwischen den Welten – Adrenalin pur: Fußball von 1990 bis 2014″ von Marco Bertram (YouTube, 23. September 2014)