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Anti-Antifa, Behörden und Rechtsstaat

Nürnberg/Dresden. Staatliche Behörden nutzen offenbar bei ihren Ermittlungen auch gern schon mal von der Anti-Antifa veröffentlichte Porträtaufnahmen. In Nürnberg bedienten sich Polizisten bei einer Neonazi-Internetseite, auf der Fotos von Nazigegnern veröffentlicht worden waren.

“Die bayerische Polizei nutzt Internetseiten von Neonazis für Ermittlungen gegen Personen aus dem linken Milieu“, berichtete die Süddeutsche Zeitung (SZ). Dieses eher ungewöhnliche und so nicht vordergründig zu vermutende Vorgehen einer Behörde ist am 12. Dezember von einem Sprecher des Polizeipräsidiums Nürnberg gegenüber der SZ bestätigt worden.

Dem vorausgehend hatten zwei Polizeibeamte bei einem Verfahren vor dem Nürnberger Amtsgericht angegeben, einer älteren Frau zwecks einer angestrebten Täterermittlung mehrere Fotos vorgelegt zu haben, die sie sich von einer rechtsextremen Internetseite besorgt hatten. Die Frau hatte zwei Studenten bei einer in Nürnberg angemeldeten Demonstration gegen den Weltwirtschaftsgipfel fotografiert und gefilmt.

Beide wurden von der 60-jährigen auf Grund einer angeblichen Rangelei wegen Nötigung beschuldigt. In Folge der Fotoschau im braunen Dämmerlicht wurden von der Rentnerin dann zwei Personen angezeigt, die – so die zu Hilfe genommene Anti-Antifa-Darstellung – an Demonstrationen gegen Rechtsextremisten teilgenommen hatten und dabei offenbar von jenen fotografiert worden waren. Die zwei wegen Nötigung Beschuldigten wurden mittlerweile von dem zuständigen Amtsgericht freigesprochen.

Im Nachgang räumte die so agierende Polizeibehörde – in diesem Fall die Nürnberger Polizeiinspektion West – immerhin ein, dass die verwendeten Bilder “’vermutlich illegal’ auf den von Rechtsextremisten publizierten Seiten veröffentlicht wurden“. Allerdings sei eine Verwendung auch solcher Fotos “im Einzelfall“ durchaus gängige Praxis.

Nach Darstellung der SZ rechtfertigten Polizei und Innenministerium das so praktizierte Vorgehen. Schließlich seien Ermittler laut Strafprozessordnung dazu verpflichtet, öffentlich zugängliche Quellen zu nutzen, wolle man sich nicht dem Vorwurf der Strafvereitelung aussetzen.

Vielleicht hätten die staatlichen Organe gut daran getan, sich zumindest ansatzweise darüber zu informieren, wessen “Informationen“ sie sich da in durchaus gängiger Praxis zu bedienen scheinen. Die “Anti-Antifa“ sieht sich als “nationaler Informationsdienst“, der “Infos über linke Gruppen, Personen und antinationale Zusammenhänge“ beschafft und veröffentlicht. Dabei gehen die Macher der Denunziations-Webseiten anonym vor:

“Aus den staatlichen Repressalien/Divergenzen entspringt für uns eine weitere Notwendigkeit, die Notwendigkeit zur Anonymität. Da wir ständig mit der Gefahr leben müssen, dass unsere – von staatlicher Seite eigentlich zu leistende aber meist unterlassene – Arbeit kriminalisiert wird, ist es in den meisten Fällen unserer Aktivitäten versagt, offen aufzutreten. Anti-Antifa-Arbeit ’mit offenem Visier’ wäre in diesem System dümmlich und selbstmörderisch.“

Wer dabei als “linke Gruppen“ oder “antinationale Zusammenhänge“ behandelt wird, hängt allein vom Feindbild und der Definition der Neonazis ab:

“Angriffspunkte sehen wir grundsätzlich überall dort, wo national denkende Personen ausgegrenzt, benachteiligt oder angegriffen werden.“

Auf besagter Internetpräsenz der Anti-Antifa wird übrigens auch beispielsweise der Abgeordnete des Sächsischen Landtages Johannes Lichdi (Bündnis 90/Die Grünen) porträtiert – als “Grüner Linksextremist“. Seit fast einem Jahr bereits ist die Dresdner Anti-Antifa-Akte ein brisantes Thema – geografisch zwar ein wenig fern von Nürnberg, aber doch irgendwie so nah.

[Dieser Artikel wurde am 13. Dezember 2007 bei redok veröffentlicht.]

Hakenkreuz in menschlicher Haut

Mittweida. Die Kameradschaft Sturm 34 lässt offenbar nach wie vor grüßen. Eine 17-jährige Frau, die einer bedrängten sechsjährigen Spätaussiedlerin beistehen wollte, wurde von vier augenscheinlichen Rechtsextremisten schwer misshandelt.

Der Übergriff fand bereits am 3. November statt, wurde nach Polizeiangaben jedoch erst am 12. November angezeigt. Vorausgehend sei eine sechsjährige Spätaussiedlerin von den Rechtsextremisten herumgeschubst worden und habe laut geweint. Daraufhin kam die junge Frau dem kleinen Mädchen zu Hilfe. Berichten zufolge wurde die 17-jährige dann von drei Männern festgehalten, während ihr der Vierte mit einem skalpellähnlichen Gegenstand ein Hakenkreuz in die Haut ritzte. Der weitere Versuch, der 17-jährigen zudem noch ein SS-Zeichen in die Wange zu ritzen, scheiterte an der Gegenwehr des Opfers. Die junge Frau habe eine fünf Zentimeter große Schnittverletzung im Hüftbereich davon getragen. Tatbeteiligte seien vier glatzköpfige Männer gewesen, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit.

Wie die Nachrichtenagentur AFP berichtet, müssten eigentlich zahlreiche Menschen, die sich zum Tatzeitpunkt auf Balkons umliegender Häuser aufhielten, den Überfall bemerkt haben. Die Polizei hat allerdings bisher nach eigenen Angaben noch keine weiteren Zeugen ermitteln können. Das sechsjährige Mädchen habe den Hergang bestätigt, sagte ein Polizeisprecher. Rechtsmediziner hätten ausgeschlossen, dass sich die junge Frau die Verletzung selbst zufügte.

Mittlerweile gibt es einen Verdächtigen aus dem Raum Burgstädt, ein Haftbefehl wurde durch das Amtsgericht Chemnitz wegen nicht ausreichendem Tatverdacht allerdings abgelehnt. Der Beschuldigte sei nicht eindeutig identifiziert worden und habe Alibi-Zeugen gehabt (AFP). Bei einer Durchsuchung seines Zimmers in der Wohnung der Eltern wurden mit Sand gefüllte Lederhandschuhe und ein Abzeichen der rechtsextremen Kameradschaft Sturm 34 sicher gestellt.

Der Sturm 34 wurde Ende April 2007 vom sächsischen Innenminister nach dem Vereinsrecht als kriminelle Vereinigung verboten. Die staatliche Verbotsverfügung scheint die Strukturen dieser Kameradschaft jedoch nicht sehr nachhaltig beeinträchtigt zu haben, wie auch nach dem April 2007 wiederholt erfolgte rechtsextremistische Aktivitäten aus dem Umfeld des Sturm 34 in der westsächsischen Region zeigen.

Andererseits wurde Mitte November diesen Jahres die Verurteilung zu neun Monaten Haft auf Bewährung eines der führenden Köpfe des Sturm 34, Tom Woost, vor dem Landgericht Chemnitz rechtskräftig. Woost muss sich zudem noch vor dem Amtsgericht Chemnitz wegen gefährlicher Körperverletzung in mehreren Fällen, Nötigungen, Beleidigungen und dem Tragen von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen verantworten. Das Amtsgericht erklärte sich jedoch am Dienstag für einige der Anklagepunkte als nicht zuständig und verwies sie an die beim Landgericht Dresden angesiedelte Staatsschutzkammer, wo bereits gegen zehn Sturm 34-Mitglieder Verfahren anhängig sind.

Der bündnisgrüne Landtagsabgeordnete Johannes Lichdi wirft unterdessen Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) vor, diesem sei “es offenbar nicht gelungen, für Sicherheit in Mittweida zu sorgen“.

[Dieser Artikel wurde am 23. November 2007 bei redok veröffentlicht.]

Holger Apfel auf Kurs der NSDAP

Dresden. Innerhalb von drei Tagen beweist der NPD-Fraktionsvorsitzende im Sächsischen Landtag wiederholt, in wessen Geistes Gefolgschaft er sich und seine Kameraden sieht.

Erst am 9. Mai hatte Holger Apfel im Dresdner Landesparlament die Feststellung, dass unter scheinbarer Ägide von “überfremdungspolitischen Ungeheuerlichkeiten der schwarz-rot-gelb-grünen Volksabwickler“ das Ziel verfolgt werde, eine “entwurzelte Masse ethnokultureller Kastraten … schaffen“ zu wollen, auf das rechtsextrem-populistische Schild seiner Partei gehoben. Dabei führte der “’Wohlstandsnazi’ Apfel“ (Telepolis) unter anderem aus:

“… Wer nur noch – völlig unterschiedslos – ’Menschen’, aber keine Deutschen mehr kennt, den kann es auch nicht empören, wenn er in westdeutschen Großstädten verarmte deutsche Rentner in Mülleimern nach Pfandflaschen angeln sieht, während hinter ihnen staatsalimentierte orientalische Großfamilien oder arrogante Wohlstands-Neger daherstolzieren! Für wen das alles nur unterschiedslos ’Menschen’ sind, der vermag das schreiende Unrecht dieser Alltagsszene aus der ’Bunten Republik Deutschland’ nicht mehr zu erkennen …“

In der heutigen Landtagssitzung folgte nunmehr durch Holger Apfel eine “Verhöhnung von Gegnern der Nazi-Diktatur“ (n-tv). Der NPD-Fraktionsvorsitzende befand das 1933 stattgefundene Eintreten der damaligen SPD gegen das so genannte NSDAP-Ermächtigungsgesetz als “peinlich“. Zudem habe der Abgeordnete Otto Wels die Folgen dieses Gesetzes damals lediglich – so Apfel – als “larmoyant bejammert“. In besagter Rede gegen das NSDAP-Ermächtigungsgesetz hatte Wels seinerzeit unter anderem betont:

“… Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht … Wir Sozialdemokraten wissen, dass man machtpolitische Tatsachen durch bloße Rechtsverwahrungen nicht beseitigen kann … Aber auch das Rechtsbewusstsein des Volkes ist eine politische Macht, und wir werden nicht aufhören, an dieses Rechtsbewusstsein zu appellieren … Wir deutschen Sozialdemokraten bekennen uns in dieser geschichtlichen Stunde feierlich zu den Grundsätzen der Menschlichkeit und der Gerechtigkeit, der Freiheit und des Sozialismus. Kein Ermächtigungsgesetz gibt Ihnen die Macht, Ideen, die ewig und unzerstörbar sind, zu vernichten …“

In einer ersten Reaktion auf den erneuten Eklat-Auftritt von Apfel stellte der Abgeordnete Johannes Lichdi (Bündnis 90/Die Grünen) fest, die NPD-Fraktion “hat sich in der heutigen Landtagssitzung offen zu ihren nationalsozialistischen Wurzeln bekannt“. Der bündnisgrüne Parlamentarier betonte, die Rede von Otto Wels erinnere stets an die Verpflichtung, “die neuen Nationalsozialisten auf das Härteste zu bekämpfen“. Dagegen schlössen “die zynischen Bemerkungen Apfels unmittelbar an die Häme Adolf Hitlers in derselben Reichstagssitzung an. Offenbar identifiziert er sich mit den damaligen Nationalsozialisten“, so Lichdi.

[Dieser Artikel wurde am 11. Mai 2007 bei redok veröffentlicht.]