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Die Reihen licht geschlossen

War die fünfjährige Präsenz der NPD im Sächsischen Landtag nur ein Intermezzo?

Als die NPD im September 2004 nach 36 Jahren wieder in ein bundesdeutsches Landesparlament einzog, stellte dies für die Einen das logische Resultat durch “die durchaus straffe personelle Organisation sowie eine mittlerweile erfolgte Verankerung der NPD in der Mitte der Gesellschaft“ dar. Andere prognostizierten “eine mittlere Kurzlebigkeit“ dieses Wahl-Erfolges und hofften “auf eine ’Entzauberung’ im Parlament und Selbstbeschäftigung der Rechtsextremen mit sich selbst“ (Rechter Aufbau Ost – NPD im Sächsischen Landtag). Schaut man nun kurz vor der Landtagswahl in Sachsen auf die letzten fünf Jahre zurück, sind für beide Ansätze exemplarische Beispiele zu finden.

Nachdem sich besonders bei den so genannten Freien Kameraden die erste Aufregung um die Anschaffung von zwei Mercedes-Limousinen der E-Klasse als Fraktionsdienstwagen etwas gelegt hatte, konnte die NPD im November 2004 ihren ersten öffentlichkeitswirksamen Coup im Landtagsgeschäft landen. Zur Wahl des Ministerpräsidenten stellte die Fraktion mit Uwe Leichsenring, dem Mäzen der verbotenen Skinheads Sächsische Schweiz (Trotz Verbot nach wie vor aktiv), einen eigenen Kandidaten.

In beiden zur Wahl des Ministerpräsidenten notwendigen geheimen Abstimmungen erhielt Leichsenring jeweils zwei Stimmen aus anderen Fraktionen des Landtages (Niemand will es gewesen sein). Das Procedere wiederholte sich kurz danach, als auch bei der Wahl zum Ausländerbeauftragten der als “Ausländerrückkehrbeauftragte“ aufgestellte Kandidat der NPD, Mirko Schmidt, erneut zwei zusätzliche Stimmen erhielt (Das Spiel mit zwei Unbekannten geht weiter).

Im Januar 2005 fabrizierte die NPD-Fraktion dann einen offenbar wohlkalkulierten Eklat, als während einer anberaumten Schweigeminute für alle Opfer des Nationalsozialismus die gesamte damalige Fraktion den Plenarsaal des Landtages verließ. Darüber hinaus titulierte Jürgen W. Gansel zu jenem Zeitpunkt die Bombardierung Dresdens am 13. Februar 1945 als “Bomben-Holocaust“ (Nur eine Landtagssitzung in Sachsen?). Im Januar 2006 noch erklärte die NPD-Fraktion – erneut öffentlichkeitsheischend – “Warum wir nicht nach Auschwitz fahren“ (Auschwitz als demokratische Falle?). Da allerdings hatte sich das Abgeordnetenkarussell schon zu drehen begonnen.

Bereits Ende des Jahres 2005 waren alle Bemühungen um die bis dato offiziell gezeigte Geschlossenheit nur noch Schall und Rauch. Zuerst verließen Mirko Schmidt und Klaus Baier die deutsch-nationale “Denkfabrik“ im Landtag (Update: Die sächsische NPD-Fraktion bröckelt). Kurz darauf folgte ihnen Jürgen Schön. Schmidt beispielsweise wurde im Zusammenhang seines Fraktionsaustrittes mit der Aussage zitiert: “Wenn die NPD die Macht hätte, würde ich Deutschland verlassen.“ Alle drei waren danach weiter als Abgeordnete im Landtag tätig. Ihre politischen Neuorientierungen sind eher als bedeutungslos einzuschätzen.

Im August 2006 verunglückte dann der damalige Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion bei einem Autounfall mit überhöhter Geschwindigkeit tödlich (Ian Stuart Leichsenring). Im November 2006 wurde öffentlich, dass wegen des Verdachtes auf Besitz kinderpornografischer Schriften gegen Matthias Paul ermittelt wird. Paul legte daraufhin sämtliche Fraktions- und Parteiämter nieder und verließ die Fraktion. Über einen Ausschluss aus der Partei wurde nichts bekannt.

Wenige Tage vor Pauls Rücktritten wurde Klaus-Jürgen Menzel nach einem geheim durchgeführten Votum einstimmig aus der NPD-Fraktion ausgeschlossen, nach offizieller Darstellung wegen “finanzieller Unregelmäßigkeiten“. Menzel verblieb als fraktions- und parteiloser Abgeordneter im Landtag.

Während innerhalb der Legislaturperiode gegen einige der NPD-Landtagsabgeordneten “mehrere Dutzend Strafanzeigen“ (Dresdner Morgenpost) anhängig wurden, ragten allein die bizarren Gepflogenheiten Menzels unter dem Abgeordneten-Deckmantel heraus. So hatte Menzel beispielsweise im Dezember 2006 einen Revolver in den Sächsischen Landtag schmuggeln lassen, legte später Patronen auf das Rednerpult im Plenarsaal und wurde zudem unter anderem wegen uneidlicher Falschaussage sowie versuchter Strafvereitelung verurteilt und handelte sich mehrere Ordnungsrufe, Hausverbot und den Ausschluss von Landtagssitzungen ein. Nichts desto trotz war Menzel in diesem Jahr beim vorabendlichen Aufmarsch zum 13. Februar (Fast wie immer im Februar in Dresden) als quasi einziger Landtagsvertreter im Spektrum der freien Kameradschaften mit entsprechender Beachtung zu sehen.

Mit zwölf Abgeordneten ist die NPD im September 2004 in den Landtag eingezogen. Nach den wie auch immer bedingten Wechseln verblieben ihr zum Ende der Wahlperiode lediglich noch acht Mandate (Braune Schwindsucht an der Elbe). Zudem war unterdessen die Landesliste mit dem für Matthias Paul nachgerückten Peter Klose personell ausgeschöpft. Weder die in der Legislatur versuchte Belebung einer so genannten “Dresdner Schule“ durch Jürgen W. Gansel, noch die Verbal-Ausfälle von Holger Apfel konnten über die rechtsextreme Leere der Mitte hinwegtäuschen. Die konnte auch Anfang 2009 durch die plakative Entsendung von Frank Rennicke als Sachverständiger in den Landtagsausschuss für Wissenschaft und Hochschule, Kultur und Medien nicht mehr übertüncht werden. Nicht zuletzt waren beispielsweise nachrückende Abgeordnete mit ihrem Fachwissen à la NPD kaum in der Lage die Lücke zu füllen, die zugebener Maßen der Unfalltod eines Uwe Leichsenring hinterlassen hatte.

Die 2006 ausgerufene länderübergreifende Achse Dresden-Schwerin (Die braune Achse Dresden-Schwerin) scheint mittlerweile nur noch auf dem Papier zu existieren oder äußerst konspirativ im Untergrund tätig zu sein. Auch das vormals mit viel Fraktionsprominenz zelebrierte “Pressefest“ der Deutschen Stimme (Im braunen Schlamm bei Pappritz) sowie der nachfolgende “Sachsentag“ der Jungen Nationaldemokraten (Wo man singt …) verloren zunehmend an Bedeutung, insbesondere hinsichtlich der Binnenwirkung für die zuweilen mit Brot-und-Spielen versuchsweise zu befriedende freie Kameradschaftsszene. Nicht zufällig endete der ausgefallene “Sachsentag“ 2008 mit Körperverletzungen und Ausschreitungen durch Rechtsextremisten in der Dresdner Innenstadt.

Hinderten NPD-Fraktionsmitglieder noch 2005 ihren damaligen Abgeordneten Menzel gewaltsam daran, an das Rednerpult im Plenarsaal treten zu können, erreichte diese Streitkultur zum Ende der Legislaturperiode auch den Mitarbeiterstab. Ursprünglich war dieser in seiner Personalvielfalt unter anderem zur Errichtung einer so genannten “Denkfabrik“ in den Landtag nach Dresden rekrutiert worden. Stattdessen ging im November 2008 während einer Auseinandersetzung der Abgeordnete Jürgen W. Gansel “nach einem Faustschlag“ durch den damaligen Fraktionsmitarbeiter Peter Naumann “zu Boden“ (Dresdner Morgenpost).

Trotz aller Querelen in der Bundespartei, den Länderstrukturen, in Bezug auf die Freien Kameradschaften nach Auflösung des so genannten Deutschlandpaktes innerhalb der rechtsextremen Partei-Szene, schätzt der Verfassungsschutz die NPD aktuell nach wie vor als “kampagnenfähig“ ein. Unter anderem mit einem ausrangierten und entsprechend ausstaffiertem Feuerwehrauto auf Wahlkampf-Tour, stellte das die NPD in der sächsischen Landeshauptstadt deutlich unter Beweis. So wurde zur im Stadtgebiet nicht gerade spärlich vorhandenen rechtsextremen Wahlwerbung am Wochenende vor den Landtagswahlen eine der vierspurigen Einfallstraßen mit zusätzlichen NPD-Plakatierungen regelrecht zugepflastert.

Ob und in welcher Stärke die Nationaldemokratische Partei Deutschlands im 5. Sächsischen Landtag vertreten sein wird, werden die Stimmauszählungen am Abend des 30. August zeigen. Die Forschungsgruppe Wahlen veröffentlichte am 21. August in ihrer bis dato letzten Projektion 6 Prozent Stimmanteil für die NPD. Sachsen hat die Wahl.

[Dieser Artikel wurde am 27. August 2009 bei Telepolis veröffentlicht.]

Offensive für drei braune Bundestagsdirektmandate

Mit einer nicht nur verbalen “Wortergreifungsstrategie“ forciert die NPD von Sachsen aus einen öffentlichkeitswirksamen Bundestagswahlkampf der rechtsextremen Kräfte

Der sich abzeichnende Kampf um Abgeordnetenmandate im Deutschen Bundestag bei einer eventuell vorgezogenen Wahl wird für die NPD schwerpunktmäßig wohl in Sachsen betrieben werden. Eigentlich sollten nach dem dortigen Wahlerfolg im Herbst 2004 (Rechter Aufbau Ost – NPD im Sächsischen Landtag) erfolgversprechende Strukturen bis zum turnusmäßigen Termin der Bundestagswahl 2006 entsprechend Schritt für Schritt auf- und ausgebaut werden. Nunmehr drängt die Zeit und es offenbarten sich zwischenzeitlich einige Probleme auf Rechtsaußen.

Die seit Jahresbeginn propagierte “Volksfront“ zwischen NPD und DVU wurde mittlerweile bundesweit erstmalig bei der Wahl der sächsischen Kandidatenliste praktiziert. So steht beispielsweise auf der aus dem NPD-Wahlparteitag vom 25. Juni in Chemnitz resultierenden Landesliste hinter Holger Apfel (NPD) auf Platz 2 der von der DVU nominierte Harald Neubauer (parteilos, vormalig Generalsekretär und Europaabgeordneter der ’Republikaner’). Weiterhin folgt – nach Winfried Petzold (NPD-Landesvorsitzender Sachsen) und Uwe Leichsenring (Parlamentarischer Geschäftsführer der NPD-Fraktion) – auf dem fünften Listenplatz Hans-Otto Weidenbach als Bundesvorstandsmitglied der DVU. Die weiteren fünfzehn Kandidatenplätze sind, bis auf eine Ausnahme, personell durchweg mit NPD-Mitgliedern beziehungsweise einem Kader der Nachwuchsorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) besetzt.

Auf dem Chemnitzer Parteitag, der teilweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt fand, bekräftigte der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt vor Vertretern aus DVU, Deutscher Partei und DSU den Grundkonsens dieser Volksfront vom äußersten rechten Rand: “Die Zeit des ewigen Gegeneinander ist endgültig vorbei, nun gilt es gemeinsam zu handeln, damit in Deutschland endlich wieder Politik für Deutsche gemacht wird!“

Gegenwärtig werden die Erfolgsaussichten für die Rechtsextremisten, als bundesweite “Volksfront“ die nötige Fünf-Prozent-Hürde in den Berliner Reichstag zu überwinden, als nur marginal eingeschätzt. Kampfbereit beabsichtigt die NPD allerdings, die wahlrechtlichen Möglichkeiten von drei erreichten Direktmandaten für sich zu nutzen. Hierfür sieht Peter Marx (NPD-Fraktionsgeschäftsführer im Sächsischen Landtag) als NPD-Bundestagswahlkampfleiter durchaus Chancen im brandenburgischen Spreewald, im vorpommerschen Anklam – und in Sachsen.

In Sachsen sollen alle 17 Wahlkreise mit entsprechenden Kandidaten besetzt werden. Hierbei liegen die Hauptschwerpunkte offensichtlich im Wahlkreis 156 (Großenhain, Kamenz, Hoyerswerda) bei Holger Apfel als Landtags-Fraktionsvorsitzender sowie bei dem unter anderem als Mäzen der Skinheads Sächsische Schweiz (SSS) geltenden Uwe Leichsenring (Trotz Verbot nach wie vor aktiv) im Wahlgebiet Sächsische Schweiz/Weißeritzkreis.

Die Chance auf – für einen Einzug in den Deutschen Bundestag nötige – drei erfolgreich erwählte “Volksfront“-Direktwahlkreise wird unterschiedlich gesehen. Während Marx (NPD) in Verlautbarungen natürlich auf siegreiche Direktkandidaten setzt, schätzt das Sächsische Landesamt für Verfassungsschutz ein: “Insgesamt sind die Erfolgsaussichten der Direktkandidaten eher als gering einzuschätzen.“ Hamburger Verfassungsschützer attestierten in diesem Zusammenhang, die NPD wäre gegenwärtig kaum mehr in der Lage, sich “organisatorisch so aufstellen“, dass sie wahlbezüglich Erfolg erreichen könnte.

Um einem eventuell weiteren Wahl-Misserfolg – nach den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen sowie auch bei den Oberbürgermeister-Wahlen in Leipzig und Görlitz – entgegen zu wirken, praktizieren Rechtsextremisten in ihrer geographischen Hauptkampflinie zunehmend eine vom Präsidenten des Sächsischen Verfassungsschutzes, Rainer Stock, so bezeichnete “Wortergreifungsstrategie“. Hierbei handelt es sich nicht allein nur um klientelbezogenes – aber generell bewusst provozierendes – Auftreten von regional oder überregional bekannten Rechtsextremisten im öffentlichen Raum und auf öffentlichen politischen Veranstaltungen. Das Ziel besteht letztendlich darin, die jeweilige Veranstaltung – wenn nicht schon zu dominieren – wenigstens entsprechend beeinflussen zu können. Dabei agieren NPD-Landtagsabgeordnete und deren Mitarbeiter, Partei-Kader, Vertreter der SSS sowie der so genannten Freien Kräfte Sachsen (FKS) eng miteinander.

Exemplarisch scheint diesbezüglich, dass NPD-MdL Klaus-Jürgen Menzel in letzter Zeit eine durchaus im wahrsten Sinne des Wortes aktive außerparlamentarische Arbeit zu betreiben scheint. Menzel postulierte vor nicht all zu langer Zeit seine geopolitischen Ansprüche eindeutig: “Unser Land geht von den blauen Bergen der Vogesen bis zu der Mühle von Tauroggen. Von der Königsau in Nordschleswig bis nach Brixen in Südtirol. Und keinen Quadratmeter weniger!“

Bereits am 12. Juni versuchten rund 30 bekannte Rechtsextremisten eine Veranstaltung des Projektes Tolerantes Dresden zur Kunstaktion 100 Tote zu stören. Im Veranstaltungsraum versuchte sich Menzel rhetorisch ins rechte Öffentlichkeitslicht zu setzen, gleichfalls Peter Naumann, verurteilter Terrorist und gegenwärtig Mitarbeiter von Menzel. Zudem waren FKS- und SSS-Mitglieder vor Ort.

Zu einer weiteren Veranstaltung von Tolerantes Dresden nur wenige Tage später am 16. Juni versammelte sich wiederum ein rechtsextremes Konglomerat, erneut mit Menzel und Naumann, um allem Anschein nach die Veranstaltungslokalität in der Dresdner Neustadt nicht nur verbal zu besetzen. Daran wurden die Rechtsextremisten von einer Gruppe Antifaschisten gehindert, woraufhin die Lage eskalierte.

Die Sächsische Zeitung berichtete in diesem Zusammenhang: “… Bei den Ausschreitungen zwischen Linken und Rechten mit vier Verletzten … in der Dresdner Neustadt wurde auch der NPD-Landtagsabgeordnete Klaus-Jürgen Menzel gesichtet. Ein Sprecher der Polizeidirektion Dresden bestätigte einen entsprechenden Zeitungsbericht. Offen sei, ob Menzel selbst – wie in antifaschistischen Internetseiten behauptet – handgreiflich wurde …“ Und weiterhin wird mitgeteilt, Menzel “habe aber bestritten, unmittelbar in die Schlägerei eingegriffen zu haben“.

Immerhin war Menzel (“Ein Karat härter als der Feind, das bringt den Sieg!“) an diesem Tag offensichtlich nicht gerade inaktiv inmitten einer Gruppe von Rechtsextremisten unterwegs, die in ihrer personellen Zusammensetzung nicht gerade für militante Zurückhaltung gegenüber Andersdenkenden bekannt ist. So wurde Menzel – neben Mitgliedern der eigentlich verbotenen SSS – unter anderem erneut von einschlägig gerichtsbekannten FKS-Kadern eskortiert. Dabei trat in wiederholter Führungsfunktion Sven Hagendorf in Erscheinung. Hagendorf war 2002 Bundestagsdirektkandidat für die NPD sowie 2004 Spitzenkandidat für das so genannte Nationale Bündnis zur Kommunalwahl und ist Betreiber des einschlägigen “Club 14“ in Dresden. Anmerkenswert zu allein diesem personellen Menzel-Umfeld scheint durchaus, dass Hagendorf nach einer NPD-Demonstration am 13. August 2001 in Dresden öffentlich mit einer Pistole im Hosenbund posierte – und am Wahlabend zum Sächsischen Landtag am 19. September 2004 als Bodyguard für NPD-Vertreter im Landtagsgebäude agierte.

Zum Tag der Offenen Tür in der Landeszentrale für politische Bildung am 30. Juni wiederum versuchten die NPD-Abgeordneten Klaus-Jürgen Menzel, Jürgen W. Gansel (Bundestagsdirektkandidat für Riesa, Torgau-Oschatz, Delitzsch-Eilenburg) und Gitta Schüßler eine Podiumsdiskussion in den Räumen der Einrichtung inhaltlich für sich zu vereinnahmen. Als Ansatzpunkt bedienten sie sich dabei der polemischen Forderungsfrage nach der Abschaffung des Verfassungsschutzes. Leider waren die Rechtsextremisten, als bei dieser Veranstaltung in Landeszentrale später um Ethik, Normen und Werte diskutiert wurde, dann schon nicht mehr anwesend.

So zeichnet sich seitens der “Volksfront“ von Rechts ein offensiv-aggressiver Bundestagswahlkampf um jedes einzelne Wählerprozent in den aus ihrer Sicht möglichen Hochburgen ab. Organisiert und geleitet wird dieser Wahlkampf bezeichnenderweise von der Geschäftsstelle der Sachsen-NPD im Dresdner Lockwitzgrund aus. Ihren Wahletat beziffert die NPD selbst auf “derzeit rund 500.000 Euro“. Dabei wird – unschwer vorauszusagen – wiederum und erneuert eine enge Zusammenarbeit mit den so genannten Freien Kameradschaften zu registrieren sein (Braun-nationaler “Tsunami“ als verlängerter parlamentarischer Arm?). Wie weit dieses rechtsextreme diesjährige Aktionsbündnis, über Plakate Kleben, Infomaterial und “Schulhof“-CD Verteilen letztendlich hinaus reicht, wird aufmerksam zu beobachten sein. Besondere Beachtung verdient hierbei die offensichtlich militante Drohung des NPD-Bundestagswahlkampfleiters, wenn für NPD-Stände im Wahlkampf seitens der Ordnungsbehörden nicht entsprechender Schutz erfolge, “werden wir uns zur Wehr setzen“.

[Dieser Artikel wurde am 8. Juli 2005 bei Telepolis veröffentlicht.]

Braun-nationaler “Tsunami“ als verlängerter parlamentarischer Arm?

Während sich die sächsische NPD-Landtagsfraktion hinsichtlich der Parlamentsinstrumente immer lernfähiger zeigt, scheint der Schulterschluss zwischen Partei und Kameradschaftsszene wieder zu bröckeln

In den vergangenen Monaten seit dem Einzug der NPD in den Sächsischen Landtag hat sich der Fokus der Aufmerksamkeit durchaus ein wenig in den Weiten der tagtäglichen parlamentarischen Arbeit verloren. Der Ernst der politischen Arbeit ist eingezogen. Längst hat die “tageszeitung“ ihre tägliche Glosse über den “Sachsen-Hitler“ Holger Apfel eingestellt und auch die wöchentlichen NPD-Witzchen der “Dresdner Morgenpost“ nach dem Duktus “Noch so ein Ding – Leichsenring“ gibt es nicht mehr. Kolportagen, dass NPD-Abgeordnete das Hohe Haus am Elbufer nur heimlich durch die Tiefgarage verlassen oder sich ängstlich nicht alleine auf die Parlamentstoilette trauen würden, wurden gleichfalls immer spärlicher und mit der Zeit gänzlich ad acta gelegt.

Natürlich erhielt die NPD-Fraktion die von ihr erhoffte mediale Aufmerksamkeit wegen der nötigen Wiederholungswahlgänge mit rechtsextremen Leihstimmen aus anderen Fraktionen bei der Wahl des Ministerpräsidenten (Niemand will es gewesen sein) und der Ausländerbeauftragten (Das Spiel mit zwei Unbekannten geht weiter) sowie zum Jugendhilfeausschuss des Landtages. Zielgerichtet und auf die entsprechende Klientel gemünzt, wurde von der NPD-Fraktion die geschichtsrevisionistische Titulierung “Bomben-Holocaust“ (Nur eine Landtagssitzung in Sachsen?) gleichfalls als kostengünstige politische Public Relation genutzt. Dass der NPD-Landtagsabgeordnete Matthias Paul als Vorsitzender des Umweltausschusses agiert, war dann wohl allerdings fast nur der Fraktion selbst eine Mitteilung wert.

Neben dem im so bezeichneten Drei-Säulen-Konzept propagierten “Kampf um die Straße“ und dem “Kampf um die Köpfe“ soll der in Sachsen erfolgreiche “Kampf um den Einzug in die Parlamente“ lediglich ein Etappenziel darstellen. Und gewählt von einem guten Teil aus der Mitte der Gesellschaft scheint die rechtsextreme sächsische Parlamentsvertretung im Dresdner Hohen Haus auch angekommen zu sein. Die Fraktion ist seit langem arbeitsfähig, Mitarbeiter sind eingestellt und die ersten Regionalbüros im Freistaat wurden eröffnet. Zudem soll nun auch der NPD-Landesvorstand nach Dresden umsiedeln, um effektiver Wirkung erzielen zu können.

Nach dem Wahlerfolg im September 2004 herrschte bis in weite Kreise auch der so genannten Freien Kameradschaften hinein eine regelrechte nationale Euphorie. Wie ist es aber eigentlich um die Wirkung der NPD-Fraktion bestellt? Mit wem sollte diese Fraktion hinsichtlich ihrer Arbeit im Parlament verglichen werden? Mit der Brandenburger DVU-Fraktion sicherlich nicht. Die NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag lernt das Nutzen der parlamentarischen Mittel mehr und mehr und wendet diese auch entsprechend an, wie allein das Einreichen gleich mehrerer Dutzend Kleiner Anfragen durch Uwe Leichsenring innerhalb kürzester Zeit exemplarisch zeigen mag.

Dass man es in Sachsen mit einer rechtsextremen Fraktion zu tun hätte, die sich innerhalb vielleicht nur weniger Monate durch sich selbst erledigen würde, konnten höchstens völlig über die sächsischen Zusammenhänge Uninformierte annehmen. Welche Arbeit in dieser NPD-Fraktion investiert wird, verfehlt allerdings scheinbar die gewünschte Außenwirkung, besonders in das doch durchaus für die NPD wichtige Spektrum der Freien Kameradschaften. Wen interessieren dort die 95 Änderungsanträge der NPD-Fraktion zum Haushaltsentwurf? Wen beeindruckt dort das sich umfangreich angeeignete – und die anderen Fraktion durchaus verblüffende – Hintergrundwissen über die Affäre um die Sächsische Landesbank? Sollen die braunen Mädels und Jungs auf der Straße mit dem NPD-nahen “Bildungswerk für Heimat und nationale Identität“ oder der von NPD-MdL Jürgen W. Gansel initiierten “Dresdner Schule“ erreicht und auf nationalem Kurs gehalten werden? Eher diesbezüglich Klientel-tauglich schien dann schon wiederum die NPD-Nichtteilnahme an der Feierstunde am 8. Mai im Sächsischen Landtag.

Allein in der finanziellen Ausstattung der Fraktion deuten sich für die nächste Zeit durchaus umfangreiche und offensive politische Arbeitsmöglichkeiten an. Dahingehend listete das Antifaschistische Infoblatt kürzlich auf:

Neben der Wahlkampfkostenrückerstattung gibt es noch mehr staatliche Töpfe, die angezapft werden können. Im Haushalt des Freistaates sind 770.000 Euro im Jahr für politische Stiftungen eingeplant. 100.000 Euro will die NPD davon jährlich für eine parteinahe Stiftung beantragen. (…) Selbst für den Fall, dass die NPD bei der nächsten Landtagswahl nicht wieder über die 5%-Hürde käme, die Stiftung müsste auch noch eine weitere Legislatur, bis 2009, aus Landesmitteln finanziert werden.

Braucht aber die NPD – also auch ihre sächsische Parlamentssektion – die Freien Kameradschaften eigentlich noch? Wählerzuspruch jedenfalls erhalten die Rechtsextremisten ja mittlerweile weit jenseits ihres militanten Straßenkämpfermilieus. Und sind mittlerweile die NPD-Abgeordneten nicht in einer anderen – freikameradschaftlich durchaus als parlamentarisch-korrupt gesehenen – politischen Sphäre und haben sich abgewendet vom “Kampf um die Straße“? Denn obwohl sich die NPD durchaus um die Freien Kameradschaften müht, die Kritik aus deren Reihen wird immer lauter – und besonders nach der unvermittelten Absage des geplanten NPD-Aufzuges am 8. Mai in Berlin.

Am 1. Mai in Leipzig – eine Demonstration von rund 850 Freien Kräften unter der Führung von Christian Worch kam auf Grund umfangreichen antifaschistischen Widerstandes und eines daraufhin verhängten polizeilichen Notstandes über die Stadt nur einige hundert Meter weit – hatte das noch anders geklungen. Der kürzlich auch als symbolisch handreichendes Zeichen für das nationale Kameradschaftsspektrum in den NPD-Bundesvorstand gewählte Thorsten Heise überbrachte ausdrückliche Grüße des Parteigremiums an die Kameradinnen und Kameraden auf der Straße und betonte in seiner Ansprache, dass der Freie Widerstand und die Freien Kameradschaften zur NPD gehören würden.

Zuvor hatte Axel W. Reitz “aus Liebe zum Vaterland“ bereits einen revolutionär-nationalen Kampf angekündigt, “bis der Letzte von uns untergegangen ist – oder bis zum Sieg“. Und der gleichfalls einschlägig vorbestrafte Neonazi Dieter Riefling – “Ich werde euch die Wahrheit ins Gehirn schreien“ – beschwor gar einen “nationalen Tsunami“, der “die Ghettos dieses Landes reinigen“ werde.

Trotz des aktuellen “Verrat“-Vorwurfs aus den Freien Kameradschaften besonders gegenüber der NPD-Parteileitung gibt es natürlich nach wie vor teilweise sehr enges Zusammenwirken dieser rechtsextremen Kräfte. So fungierten beispielsweise am Wahlabend des 19. September 2004 Teile der so genannten Freien Kräfte Sachsen (FKS) als Personenschutz für die NPD-Prominenz im Landtag. Auf einer FKS-Demonstration am 19. März 2005 durch die Dresdner Neustadt wiederum spielte Peter Naumann, Mitarbeiter von NPD-MdL Klaus-Jürgen Menzel, eine tragende organisatorische Rolle und durfte eine längere Ansprache halten.

Bei allen gegenwärtigen Schuldzuweisungen wird die Symbiose zwischen NPD und Kameradschaften auch weiter bestehen. Zudem wird der parlamentarische Arm des “nationalen Tsunami“ bemüht sein, Stimmpotentiale in der Mitte der Gesellschaft zu erhalten und sich darüber hinaus weitere zu erschließen. Mit welchen Mitteln und Strategien dieser rechtsextreme Zwei-Fronten-Kampf auf den Straßen und in den Parlamenten – nicht nur in Sachsen – genau betrieben wird, sollte sehr aufmerksam beobachtet werden. Aktivitäten von Nazis in sächsischen Parlamenten werden beispielsweise seit einiger Zeit in einer kritischen Online-Dokumentation zusammengefasst dargestellt.

Im gerade erschienenen Brockhaus-Jahrbuch 2004 ist zur NPD unter anderem Folgendes veröffentlicht:

Beflügelt vom Scheitern des Verbotsantrags beim Bundesverfassungsgericht im Jahr 2003 und ihren Wahlerfolgen, öffnete sich die NPD wieder verstärkt gewaltbereiten Neonazis. Der Parteitag Ende Oktober (…) wählte eine einschlägig vorbestrafte, einflussreiche Führungsriege in den Vorstand und stellte die Weichen für die Bildung einer ’Volksfront von rechts’.

[Dieser Artikel wurde am 12. Mai 2005 – bebildert – bei Telepolis veröffentlicht.]