Am vergangenen 26. Oktober haben in Köln “rund 1500 bis 2500 Fußball-Hooligans“ (spiegel.de) unter dem Label ’Hooligans gegen Salafisten’ (HoGeSa) demonstriert. “Das war keine Fußball-Demo, sondern eine rechtsgerichtete politische Kundgebung. Hier haben sich gewalttätige Schläger unter dem Deckmantel des Feindbildes des IS öffentlichkeitswirksam in Szene gesetzt“, erklärte DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig hernach am 28. Oktober (zeit.de). “Es ist eine ganz große gesellschaftliche Herausforderung, was da passiert ist: nämlich, dass Hooligans, für die Gewalt nicht fremd ist, offen eine rechte politische Agenda verfolgen“, wird Michael Gabriel, Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS), zitiert.
Bereits am 27. Oktober hatte die sächsische LINKE darüber informiert, auf Bildmaterial sei deutlich zu erkennen, “dass auch Hooligans aus Sachsen, vor allem Gruppen, die sich selbst dem Umfeld von Dynamo Dresden zurechnen, in Köln dabei waren“.
Der Verfassungsschutz Sachsen (LfV) bestätigte unterdessen nach Darstellung der Dresdner Morgenpost, “dass einzelne sächsische Rechtsextremisten zur Teilnahme an der Kölner Demonstration gegen Salafisten aufgerufen hatten“. Wie viele weniger oder mehr einschlägig bekannte Sachsen indes in Köln vor Ort waren, konnte das Landesamt für Verfassungsschutz bislang nicht näher verifizieren.
[Dieser Artikel wurde am 28. Oktober 2014 bei Ostfussball.comveröffentlicht.]
Seit einigen Tagen nun ist die Publikation “Zwischen den Welten“ von Marco Bertram auf dem Büchermarkt. Karsten Höft merkte in einer der ersten und in seiner zugegeben ’subjektiven Rezension’ zu der Veröffentlichung unter anderem an: “Das Buch mixt amüsant und spannend die persönliche Entwicklung einer ganzen (Fan-)Generation locker mit fußballerischen Fakten. Für mich steht das Buch als Synonym für die Entstehungsgeschichte von turus.net und warum Marco und ich das hier eigentlich machen: die Liebe zum Spiel mit all seinen Facetten auf und neben dem Platz. Als ’fettes Teil’ würde Marco sein Werk selber bezeichnen und das ist es wahrlich: 1.322 Gramm, 368 Seiten, 300 Fotos komplett in Farbe sprechen eine eindeutige Sprache“ (turus.net, 8. Oktober 2014).
Noch ein Fußball-Buch mehr also? Nur ein Fußball-Buch mehr also?
Aus gegebenem Anlass der Buchveröffentlichung sprach Stephan Trosien (NOFB Shop) mit dem Autor von “Zwischen den Welten“.
Nachfolgend wird dieses Gespräch auszugsweise dokumentiert –
[S.T.] Moin Marco, die vergangenen Monate haben wir hart an Deinem Erstlingswerk ‘Zwischen den Welten’ gearbeitet. Wie zufrieden bist Du mit dem Ergebnis und hast Du bereits erste Reaktionen bekommen?
[M.B.] Ein fröhliches ‘Moin’ zurück. Ich bin überaus zufrieden. Vor einem Jahr hätte ich es nicht erwartet, dass mein erstes Fußballbuch solch ein aufwändig gestalteter Brocken mit dermaßen vielen Fotos wird (…) Das Buch in gedruckter Form in den Händen zu halten, war ein herrliches Gefühl. Das letzte Jahr war wirklich hart. Ich stand – glaube ich – kurz vor dem totalen Burnout. Es ging ja nicht nur ums Schreiben – das tue ich jeden Tag auf turus.net -, sondern vielmehr schlauchte es, so tief in manche Dinge aus der Vergangenheit einzusteigen. Im Buch steckt quasi fast mein ganzes Leben (…) Und die ersten Reaktionen? Überaus erfreulich. Mein Umfeld zeigt sich sehr erfreut über die Tatsache, dass turus-Marco – in manchen Foren noch als Sambamarco bekannt – endlich was auf Papier gebracht hat.
[…]
[S.T.] Wie hast Du eigentlich die Veränderungen in den Fankurven in den vergangenen 24 Jahren wahrgenommen?
[M.B.] Mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Schnell spricht man von der ‘guten alten Zeit’, doch Anfang der 90er war es nicht nur geil. Es gab auch viel Tristesse, halbvolle Stadien, verdammt ungemütliche Kurven an einem regnerischen Novemberabend. Die Fans waren meist unorganisiert. Solche knackige Märsche wie in der Gegenwart hätte ich mir damals gern gewünscht. Der Mob rannte damals ins Stadion, trank etliche Pilsetten, pöbelte auf Teufel komm raus. Klar, es war auf eine Art herrlich und unbeschwerlich (…) Fußballfans hatten keine Lobby, galten meist nur als Assis und Proleten. Die junge Generation ist heutzutage gut strukturiert. Da kann man teilweise nur den Hut ziehen. Sie mischen sich ein in die Vereinspolitik, kämpfen für ihre Rechte, für alte Vereinsembleme, kämpfen an gegen Unrecht und verschaffen sich Gehör. Was allerdings den Sicherheitswahn und die kommerziellen Auswüchse betrifft – da wird mir manchmal einfach nur schlecht. Kein Wunder, dass ich mich in den unteren Ligen wohler fühle.
[…]
[S.T.] Wenn Du etwas am heutigen Fußball ändern könntest, was wäre das?
[M.B.] Da gibt es einige Dinge. Stopp des Neubaus von gesichtslosen 0815-Stadien. Manch ein Gästeblock in der ersten und zweiten Bundesliga ist auch ein reiner Witz. So wie in der Alten Försterei – so muss das sein. Gäste sollen sich als Gäste fühlen – und nicht als notwendiges Übel, das man in einen Käfig in der äußersten Ecke oder auf den dritten Oberrang verfrachtet. Und ja, weniger Polizei! Klingt platt, ist es aber nicht. Was für sinnlose Aktionen ich sehen durfte in all den Jahren! Tausende Polizisten bei einem Fußballspiel. Ein totaler Irrsinn (…) Der Fußball wird nie ohne Polizei auskommen, doch das überaus martialische – und teilweise auch provokante – Auftreten manch einer Einheit muss nun wirklich nicht sein. Ich könnte mich jetzt in einen Rausch schreiben. Doch stopp, das ist ein weiteres Buch wert. Ich ergänze an dieser Stelle nur noch: Eintrittspreise im Fußballoberhaus runter! Erhalt der eingetragenen Vereine – echtes Mitspracherecht für Mitglieder beziehungsweise Fans! Solchen Konstrukten wie RasenBallsport Leipzig Einhalt gebieten. Mit einem vernünftigen Vereinsnamen und einem echten Logo, hätte man halbwegs mit leben können. Doch in dieser Form, ist es schwer, ein Befürworter solcher Vereine zu werden …
[S.T.] Gibt es eigentlich Stadien und Regionen, die Du unbedingt noch bereisen möchtest?
[M.B.] Schnell kristallisierte sich in den 90ern heraus, dass ich mich auf den Britischen Inseln, in Brasilien, auf dem Balkan und in Polen am wohlsten fühle. Die eine oder andere zukünftige Fußballtour darf mich gern in diese Gegenden führen. Untere Ligen in England – ein Projekt für die nahe Zukunft. Aber eines ist klar: Ich bin offen für manch eine Tour, doch tagelang in Nachtzügen zu pennen, die Nächte in Ruinen, in Parkanlagen und gammeligen Bahnhöfen zu überbrücken – aus diesem Alter bin ich raus. Ich hatte reisetechnisch so ziemlich alles ausprobiert – und ich hatte manches Mal mehr Glück als Verstand gehabt. Einige Touren waren nicht ohne – Kusshand nach oben, dass ich hier noch heil dasitzen darf und euch diese Zeilen schreiben darf.
[nofb-shop.de, 10. Oktober 2014]
Post Scriptum: Chapeau, Marco Bertram!
[Dieser Beitrag wurde am 10. Oktober 2014 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]
* Trailer zum Buch “Zwischen den Welten – Adrenalin pur: Fußball von 1990 bis 2014″ von Marco Bertram (YouTube, 23. September 2014)
Zum zweiten Mal nach 2013 präsentiert sich das aktuell saisonrückblickende Heft von Blickfang Ultra (BFU) im auffälligen A4-Format – insgesamt viermalig erschien nunmehr bereits diese durchaus aufwendig gestaltete Print-Publikation.
“(…) Der Aufwand, der hinter einem solchen Projekt steckt, ist wirklich enorm und motivieren kann phasenweise einzig und allein der Blick auf das letztjährige Resultat. In der Tat war ich selten zuvor so stolz auf ein Machwerk wie dieses. Und genau aus diesem Grund verwundert es doch etwas, dass die Bereitschaft zur Mithilfe bei einigen Gruppen beständig zu sinken scheint. Waren es in der vergangenen Saison noch 46 Gruppen, so sind wir aktuell bei nur noch 41. Einige sind neu hinzugekommen, andere abgesprungen (…)“ [Mirko Otto, “Salut!“ im Heft].
Beim saisonalen 2010/11’er Rückblick präsentierten sich sieben und für die Saison 2011/12 acht Ultra-Gruppen aus dem ostdeutschen Raum in den BFU-Heften, 2012/13 gaben neun ostdeutsche Gruppierungen ihr Statement ab. Im BFU-Saisonrückblick 2013/14 kommen die folgenden zehn alphabetisch aufgelisteten Vertretungen zur Wort und Bild –
BLOCK U # 1. FC Magdeburg
“Das Gefühl, nach langer Zeit einmal wieder ernsthaft konkurrieren zu können, war Balsam für die gescholtenen Seelen der Clubfans.“
ERFORDIA ULTRAS # FC Rot-Weiß Erfurt
“Am Ende setzte die Ernüchterung ein – Platz zehn in der Liga und eine zerschmetternde Derbyniederlage im Pokalfinale warfen alles, was sich Verein und Fans das Jahr über gemeinsam aufgebaut hatten, über einen Haufen.“
HORDA AZZURO # FC Carl Zeiss Jena
“Plötzlich wurde offensichtlich, was in den Tagen seit der MV mehr oder minder verdrängt wurde. Die Stimmung in den eigenen vier Gruppenwänden war an einem Jahrhunderttief angekommen, nicht Wenigen war plötzlich zum Heulen zu Mute.“
RED KAOS 97 # FSV Zwickau
“Abgesehen von den steten Fahrten nach Berlin im gefühlten Zwei-Wochen-Takt, konnte nun endlich mal wieder in ’gute Gegner – schlechte Gegner’ unterschieden werden und so waren es vor allem die ’Bumskicks’, einstmals unsere Stärke, die jetzt für gelangweilte Gesichter und daraus resultierende Lethargie im Block sorgten.“
SAALEFRONT # Hallescher FC
“Engagement ist im Regelfall eine eher naturgegebene Sache, die die Leute selbst mitbringen müssen … früher oder später trennt sich eben doch die Spreu vom Weizen, so zeigt es uns die Erfahrung aus vielen Jahren Ultraszene.“
ULTRAS BFC # BFC Dynamo
“Das Ziel war ein gemeinsamer Block mit einer entsprechenden stimmlichen Stärke. Wir wollten gemeinsam den in unseren Augen ausbaufähigen Support bei den Heimspielen der letzten Jahre verbessern. Differenzen und Bedenken wurden aus dem Weg geräumt und der eigene Schatten übersprungen.“
ULTRAS CHEMNITZ # Chemnitzer FC
“Ja, auch die primitiven, rechtsoffenen, dauerbesoffenen und irgendwie im Jahr 2002 feststeckenden Ultras Chemnitz (sind jetzt alle Klischees angesprochen worden?) blicken wieder zurück auf die letzte Saison und während halb Ultra-Deutschland gelangweilt weiterblättert, freut sich der Rest auf die erquickenden Erlebnisse von Asi-Ronny und seinen 40 Säufern. Nun gut, den Gefallen wollen wir euch tun, also legen wir mal – wie immer – direkt mit einem Blick auf das sportliche Geschehen rund um den Chemnitzer FC los.“
ULTRAS DYNAMO # SG Dynamo Dresden
“Abgesehen von einigen Ausreißern nach oben war es eine durchwachsene Saison. Zwar behielt der K-Block bei den meisten Spielen die Oberhand in Sachen Lautstärke und Geschlossenheit, es darf aber nicht der Anspruch sein, sich am Gegner zu messen.“
ULTRAS GERA 99 # BSG Wismut Gera
“15 Jahre Ultras Gera: ein kleines, großes Jubiläum, und das (bisher) ganz ohne die gebührenden Feierlichkeiten. Was stimmt da nicht in Gera und bei UG 99?“
WUHLESYNDIKAT # 1. FC Union Berlin
“Wir werden uns in Zukunft wohl noch intensiver mit dem Thema Vereinsarbeit auseinandersetzen müssen, um die geschaffenen Werte und die Fankultur des 1. FC Union zu bewahren.“
So weit, so gut, betrachtet man die jährlich steigende Beteiligung aus ostdeutscher Sicht – plus Eins, plus Eins, plus Eins – am BFU-Projekt.
Gleichwohl wird seitens der Herausgeber, wie allerdings fast schon bei jeder Veröffentlichung der Saisonrückblicke, erneut aktuell wiederum die Frage gestellt, “ob es zukünftig überhaupt noch Sinn macht, das Projekt auch im kommenden Sommer zu stemmen. Aus derzeitiger Sicht natürlich noch gar nicht zu beantworten, mal schauen und abwarten, was die Zukunft so bringt. Jetzt aufzugeben und dem schnelllebigen Internet das Feld zu überlassen, wäre aber ja auch eigentlich doof und entspricht nicht dem Naturell eines Ultras …“ [Mirko Otto, “Salut!“ im Heft].
Blickfang Ultra Saisonrückblick 2013/14 ist zwar schon Ende Juli dieses Jahres veröffentlicht worden, ein Blick in die Publikation lohnt sich aber ganzjährig – und dokumentarisch darüber hinaus sowieso. Die aktuelle Broschüre ist bei einem Händler des eigenen Vertrauens durchaus noch erhältlich. Schade, wenn es nächstsaisonal nicht mehr so sein sollte.
[Dieser Artikel wurde am 8. Oktober 2014 bei Ostfussball.comveröffentlicht.]
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