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Realitätsverlust bei der Jungen Union

Rostock/Bad Doberan. Die CDU-Jugendorganisation wirft der Internetplattform endstation-rechts.de “eine beschämende Verknüpfung von Fußball und Rechtsextremismus“ vor.

Bei endstation-rechts.de bestehe offensichtlich ein “Mangel an Informationen“, zudem sei der objektive journalistische Anspruch parteipolitischen Zielen gewichen, erklärte am heutigen Tag der Rostocker Kreisvorsitzende der Jungen Union (JU), Mathias Kühl. So würden “besonders die Rostocker Fußballfans und unser hiesiger Verein F.C. Hansa Rostock unter der irreführenden Berichterstattung“ leiden.

Beispielsweise wären “Vorkommnisse“ bei der Zweitliga-Begegnung FC Hansa Rostock gegen FC St. Pauli am Abend des 26. September 2008 durch endstation-rechts.de einseitig und ohne Not mit dem Deckmantel des Rassismus und des Rechtsextremismus verhüllt und darüber hinaus der Rostocker Fanszene verstärkt rechtsextremes Gedankengut unterstellt worden, attestierte Marco Krüger als stellvertretender Landesvorsitzender der JU Mecklenburg-Vorpommern.

Gleichzeitig warnte die JU Rostock (“Damit Du informiert bist“) gemeinsam mit der JU Bad Doberan jetzt vor einem “üblen Imageschaden“ für den Fußball, die Stadt und das ganze Land, “wenn weiterhin eine Phantomjagd nach Rechtsradikalen“ stattfinden würde. MVregio.de übernahm die JU-Erklärung lediglich gänzlich unkommentiert im Original. Nur wenige Wochen nach den Rostocker Ausschreitungen (FC Hansa Nazi?) eine nicht wenig bezeichnende Artikulation der JU aus dem Nordosten der Bundesrepublik.

“Es ist nichts ungewöhnliches, dass Neonazis beim Fußball auftauchen, das ist nicht schön, kommt aber des Öfteren vor“, so der Journalist Patrick Gensing in einer Nachbetrachtung zu besagten Rostocker Ausschreitungen – mitnichten alle Hansa-Fans als Nazis bezeichnend. Allerdings stellt er fest: “Das Erschreckende in Rostock ist das (Nicht-)Verhalten der Masse der Zuschauer gegenüber Nazis und Schlägern, nicht einmal gab es Unmutsbekundungen über die aggressiven Pöbeleien“. Gensing sah darin durchaus Zeichen einer “volksgemeinschaftlichen Abwehrreaktion“, noch dazu im augenscheinlich praktizierten Verbund mit agierenden “rechten Hools [als] die Speerspitze und Vollstrecker des Hansa-Willens“. Botschaften, die der FC Hansa Rostock so wohl nicht sehr gerne lesen dürfte, resümierte damals telepolis.de – und die Junge Union?

[Dieser Artikel wurde am 12. Januar 2009 bei redok veröffentlicht.]

Attacke aus dem “rechten Spektrum“ gegen Linienbus

Marl. In der Neujahrsnacht griffen augenscheinliche Rechtsextremisten in der nordrhein-westfälischen Stadt einen Bus und dessen Insassen an.

Wie die Nachrichtenagentur ddp mitteilte, hätten in jener Nacht in der Stadt im Kreis Recklinghausen “vier offenbar dem rechtsextremen Spektrum zugehörige Männer einen Linienbus attackiert und eine 25 Jahre alte Frau verletzt“. Die Geschädigte wurde ambulant in einem Krankenhaus behandelt.

Zuvor hatte das Polizeipräsidium Recklinghausen vom Wurf einer “Bierflasche gegen die Scheibe des Busses, die daraufhin zersplitterte“ berichtet. “Eine weitere Person schlug mit einem Stiel auf mehrere Businsassen ein“, so die Polizei weiter. Als Tatverdächtige wären vier Marler im Alter von 19 bis 30 Jahren ermittelt worden, von denen “mehrere“ dem “rechten Spektrum“ zuzuordnen seien.

Der Hintergrund der Nazi-Attacke – so vermutete jedenfalls die Westdeutsche Allgemeine (WAZ) – liege lediglich in einer “Fehde mit der autonomen Szene“ oder – wie es noch apolitischer ein Polizeisprecher in diesem Zusammenhang ausdrückte – “zwischen Personen, die politisch ganz offensichtlich nicht auf einer Wellenlänge liegen“. Gleichzeitig zeige aber “auch der Fakt, dass der Staatsschutz die Ermittlungen übernommen hat, dass die Geschichte nicht gänzlich unpolitisch ist“ (WAZ) – Erstaunlich?

Eine Website der “Autonomen Nationalisten“ widerspricht der offiziellen Darstellung besagter Nacht-Ereignisse indes vehement – und sich selbst nicht weniger: Nach dem es “in der Silvesternacht … gegen 4.00 Uhr zu einem Angriff auf ein nationales Wohnprojekt in Marl“ gekommen sei, “… versuchten die Kameraden gegen 2.30 Uhr selbstständig die Störenfriede zu entfernen“. Die Attacke gegen den städtischen Linienbus und dessen zu diesem Zeitpunkt wohl ahnungslose Insassen erfolgte laut Polizeibericht gegen 2.50 Uhr am frühen Neujahrsmorgen.

[Dieser Artikel wurde am 3. Januar 2009 bei redok veröffentlicht.]

Sonnenwendfeier supported by Wehrsportgruppe?

Celle. Im Umfeld einer seit über 20 Jahren stattfindenden so genannten Sonnenwendfeier von Rechtsextremisten in der Lüneburger Heide wurden in diesem Jahr auch Waffen sichergestellt.

So bestätigte die Celler Polizei, dass bei umfangreichen Aktionen gegen Rechtsextremisten im Umfeld einer bereits seit Jahren um die Weihnachtsfeiertage herum auf einem Privatgrundstück in Eschede als Sonnenwendfeier deklarierten Veranstaltung zwei Objekte durchsucht wurden, wobei ein G-3-Gewehr und ein Kleinkalibergewehr konfisziert worden seien. Zudem wären bei der Polizeiaktion “zwei Männer mit einschlägig rechtsextremem Hintergrund verhaftet worden … einer der beiden Männer [sei] auch bei einer Wintersonnenwendfeier dabei gewesen … Damit dürfte die Veranstaltung auf dem Hof des Neonazis Joachim Nahtz in Eschede gemeint sein“ (Cellesche Zeitung).

“An der Sonnenwendfeier nahmen auf dem landwirtschaftlichen Anwesen 160 zum Teil amtsbekannte Personen aus ganz Norddeutschland teil. Sie verlief ohne Zwischenfälle“, bilanzierte die Celler Polizei am 21. Dezember. Einem Bericht zu Folge waren in diesem Jahr auf dem Anwesen des NPD-Mitglieds Nahtz unter anderem Thomas Wulff und Manfred Börm anwesend.

Bei den besagten Durchsuchungen – angeblich im Bereich Winsen – sei in einem Fall ein Sondereinsatzkommando der Polizei zum Einsatz gekommen. Neben den beiden Schusswaffen seien auch Munition und rechtsextremistisches Propagandamaterial beschlagnahmt worden. “Die Ermittlungen stehen erst am Anfang“, so ein Sprecher der Celler Polizei.

Wie die Cellesche Zeitung berichtete, habe die Polizei mitgeteilt, dass sich in letzter Zeit zudem “am Kalker-See zwischen Winsen und Wietze Rechtsextreme zu wehrsportlichen Übungen getroffen haben“. Bezüglich eines solchen Treffens Mitte Juli diesen Jahres ist dahingehend von “militaristischen Übungen“ die Rede. Die Anführerschaft dieser Wehrsportgruppe weise in Richtung eines 28-jährigen ehemaligen Bundeswehrsoldaten aus Winsen, der “in der Vergangenheit bereits wegen Verstößen gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz aufgefallen“ wäre. In der Region hatten bereits vor einigen Jahren die Aktivitäten des im September 1978 gegründeten NÜB (Nothilfstechnische Übungs- und Bereitschaftsstaffel e.V.), auch bekannt als Wehrsportgruppe Jürgens, für durchaus überregionales Aufsehen gesorgt.

Nach dem nicht zuletzt schon die 2007’er Sonnenwendfeier im Landkreis Celle alle Jahre wieder in den Fokus rückte, versucht die Celler Polizei nunmehr, “die Neonazi-Treffen bei Nahtz einzudämmen“ (Cellesche Zeitung). So gebe es Hinweise, dass “es sich um eine politische Veranstaltung handelt“ – “Wir werden mit dem Landkreis darüber reden“, wird der Leiter der Polizeiinspektion Celle zitiert.

[Dieser Artikel wurde am 28. Dezember 2008 bei redok veröffentlicht.]

Provinzielles Dresdner Neben-GehDenken

Während die europäische Rechte für den Februar 2009 in die sächsische Landeshauptstadt mobilisiert, gefällt sich die Oberbürgermeisterin der Stadt in spaltender Attitüde zum Widerstand gegen die Rechtsextremisten.

Die von Gesinnungsnazis aller Couleur jährlich zunehmend missbrauchten Gedenkfeierlichkeiten um den 13. Februar anlässlich der Bombardierung der sächsischen Elbmetropole im Jahr 1945 gibt es nicht erst seit gestern (vgl. Dresden – wieder Zentrum der rechtsextremen ’Bewegung’?). Schließlich hat nicht zuletzt auch das Buch “Die kollektive Unschuld“ von Gunnar Schubert die Thematik – mithin weit bis in das so genannte bürgerliche Lager reichend – über die regionalen Grenzen hinaus thematisiert.

Im Jahr 2009 sollte nun der Widerstand gegen die rechtsextremistischen Februar-Aktivitäten um einiges anders, vereinter, werden (vgl. Wenn es wieder Februar wird in Dresden). Europas größten Naziaufmarsch gelte es zu stoppen – “friedlich und entschlossen!“, so die von Dresden ausgehende Initiative GehDenken.

Allerdings krankten zwischenzeitlich Teile des öffentlichkeitsheischend angefragten Unterstützer-Umfelds der Initiative ob ihres Engagements, beziehungsweise besannen sich auf ihre Partei-Räson. Denn just um den Zeitpunkt des Starts von GehDenken köchelte auch in Sachsen die Frage: Wie hältst du es mit der Partei DIE LINKE in Bezug auf die NPD? – Als ob der Belzebub mit dem Teufel verwandt wäre.

Der ehemalige Ministerpräsident Sachsens, Kurt Biedenkopf (CDU), zog Anfang November seine damals hochgejubelte Unterstützung für GehDenken mit der Begründung zurück, die Initiative könnte als Wahlkampfplattform missbraucht werden (vgl. Hinkendes GehDenken in Dresden?). Etwa gar inspiriert vom Schreiben eines regionalen CDU-Funktionärs an mehrere ausgewählte Unterstützerinnen und Unterstützer des GehDenken-Aufrufes, sie mögen ihr diesbezügliches Engagement doch bitte noch einmal gründlich überdenken?

Nunmehr hat die Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) ihre vorgeblich bereits seit längerem geplanten Aktivitäten für die Dresdner Februar-Tage 2009 öffentlich gemacht, nach dem auch sie die Initiative GehDenken eher warten ließ, statt mit ihr gemeinsam zu agieren. Helma Orosz legt zwar großen Wert darauf, dass ihre Initiative keine Gegenaktion zu GehDenken sei. “Wie Frau Orosz es tut, wird es aber das, und das ist provinziell und gefährlich!“, resümierte sogar die Dresdner Morgenpost. Frau Orosz mag – so wird die Oberbürgermeisterin zitiert – keine politische Bundesprominenz zu so einem Anlass zum Auftakt des als Super-Wahljahr geltenden Jahres in ihrer Stadt. Demokratie lebe von Vielfalt, so Orosz jüngst gegenüber der Sächsischen Zeitung. Die Dresdner Oberbürgermeisterin verwies darauf, dass in den Februartagen 2009 das öffentliche Tragen einer weißen Rose als übergreifendes, verbindendes Symbol der Versöhnung dienen solle. Ist eine – an dieser Stelle durchaus herbeizitierte – Gleichstellung vom heutzutage gar anmutig öffentlichen Tragen einer Rose (vgl. Weiße Rosen in Dresden) und dem des damaligen Judensterns auch nur ansatzweise vergleichbar?

Nazis aller Couleur, deutschland- und europaweit, die jährlich im Februar vereint nach Dresden pilgern, werden wohl auch 2009 über den neu ausgerufenen staatlich-provinziellen Pseudo-Widerstand lediglich grinsen – Und wie immer marschieren?

[Dieser Artikel wurde am 21. Dezember 2008 bei Telepolis veröffentlicht.]

Die Würde der Fans ist antastbar

Bei den jüngsten Ereignissen um Fußball-Partien reflektiert sich das staatliche Gewaltmonopol eher in einem zwiespältigen Licht.

Werder Bremen spielte am 29. November in der Bundesliga gegen Eintracht Frankfurt. Im Vorfeld der Begegnung wurden – offiziell – 232 Frankfurter Anhänger zwischenzeitlich festgenommen und für gut sieben Stunden inhaftiert. Die Medien überschlugen sich daraufhin regelrecht – Gewalt, Randale, Brandschatzung lag in der Luft; die polizeiliche Berichterstattung tat ihr übriges.

Im Nachgang stellte ein Frankfurter Rechtsanwalt für mehrere betroffene Ultras Strafanzeige gegen den Einsatzleiter der Bremer Polizei, da diese “bar jeder Verhältnismäßigkeit vorgegangen“ sei. Die Eintracht Fußball-AG verlangte mittels Brief an das Bremer Polizeipräsidium eine Stellungnahme zu den Geschehnissen. Kolportiert wurde in dem Zusammenhang gleichfalls die Beobachtung einiger Frankfurter Fans, dass beim augenscheinlich völlig grundlosen Vorgehen der Polizei an diesem Tag zufällig ein TV-Team von Sat1 vor Ort und der Polizei-Einsatzleiter offenbar vom Sender verkabelt war. Später erklärte besagte Sendeanstalt gegenüber der Frankfurter Rundschau, es habe sich lediglich um Aufnahmen für eine langfristig geplante Reportage über Polizeieinsätze bei Bundesligaspielen gehandelt. Dem Bremer Innenausschuss wurde auch diesbezüglich ein Fragenkatalog vorgelegt (vgl. ultras.ws-Forum).

Bremens Innen-Senators Mäurer dankte hernach “allen Beamtinnen und Beamten sowie der Einsatzleitung für ihren couragierten Einsatz“. Die Zapp-Redaktion des NDR sendete am 10. Dezember – aus dem bis dato größtenteils undifferenzierten Main-Stream der Berichterstattungen ausscherend – zusammenfassend eine doch etwas andere Sicht auf die Bremer Ereignisse. Allerdings war zuvor der ’gemeine’ Fußball-Fan als solcher schon längst medien-öffentlich wieder entsprechend stigmatisiert worden.

Am 7. Dezember wurden bei der Oberliga-Nord-Begegnung Tennis Borussia gegen BFC Dynamo – in Berlin allerdings im Stadionbereich – ähnlich eher lapidare Vorgänge wie in Bremen als Grundlage für das hyperaktive Agieren der polizeilichen Einsatzkräfte nachträglich geltend gemacht. Und wie schon nach den Bremer Geschehnissen quellen die Fan-Foren quasi über von Berichten Betroffener. BFC-Präsident Uhlig warf gegenüber Spiegel-Online den mit mehreren Hundertschaften angerückten polizeilichen Einsatzkräften ein “unverhältnismäßiges Einschreiten“ vor. So sei es ihm “absolut unverständlich, wie Männer in voller Montur auf sechs- bis achtjährige Kinder und Frauen einschlagen können“. Wie in Bremen erscheint auch für Berlin die polizeiliche Berichterstattung und die darauf größtenteils unreflektiert aufbauende Medien-Öffentlichkeit nicht unbedingt differenziert – besonders erstaunlich auch, wenn beispielsweise solche Video-Dokumente von diesem Tag existieren.

Erst Mitte Mai diesen Jahres kam die Frage auf, ob das damals offenbar ohne jede Grundlage versuchte – und letztendlich auch gescheiterte – personelle Aussperren einer ganzen Fan-Gruppierung vom Stadion-Besuch “ein nur vorerst geplatzter Testballon für zukünftige Szenarien“ gewesen sei (vgl. Der Fußball-Fan als Persona non grata).

Ist das jetzt die Antwort? – Die Gewalt geht vom Staat aus? Die Fan-Szene wird nicht still halten. “Gegen Polizeiwillkür und Kinderschläger“ (ultrafans.de) ist bereits eine der Entgegnungen.

Im erst kürzlich erschienenen zweiten Band von “Schwarzer Hals und Gelbe Zähne – Fußballfans von Dynamo Dresden“ des Autors Pätzug findet sich das Zitat “Die Hooligans sind (…) aber schon längst nicht mehr das Problem. Schiss haben der Staat und die Vereine jetzt vor den Ultras. Gegen die Massen an Jugendlichen, die heute als Ultras die Kurven beleben und ansonsten im Vereinsumfeld für Bambule sorgen, hat die Polizei bis heute kein Mittel“. Zumindest ein Teil dieser These scheint überholenswert.

[Dieser Artikel wurde am 12. Dezember 2008 bei Telepolis veröffentlicht.]