Man weiß eigentlich gar nicht so richtig, wo die Erinnerungen an Dich anfangen. Man hat Dich zuerst einfach nur gesehen, Dich spielen sehen, mitunter etwas ungelenk, aber enorm erfolgreich. Man hat Dir als Jungspund nach jedem Deiner Treffer zugejubelt. Und es waren nicht nur einige Treffer in das Netz der gegnerischen Mannschaften. Keiner, der DDR-Oberliga zu Deiner Spieler-Zeit gesehen hat, wird das vergessen. Keiner, der Europa-Pokal zu DDR-Zeiten gesehen hat, wird das vergessen. Auch wird niemand Deine Auftritte in der DDR-Nationalmannschaft vergessen, obwohl das ja zu Ossis-Zeiten aus Dresdner Sicht eher irgendwie doch nicht ganz so wichtig schien. Es gab ja damals schließlich im später vielbeschriebenen ’Tal der Ahnungslosen’ Dynamo Dresden – und Dich. Besser gesagt: Auch Dich, denn wir wollen schließlich die anderen Fußball-Kämpen aus jenen Jahren bitteschön nicht unter den Teppich kehren. Aber, gab es zu Ossis-Zeiten Idole – also neben Pawel Kortschagin, den vier Panzersoldaten mit dem Hund und Pittiplatsch? Ja, es gab sie wohl, wer weiß das nicht mehr? Keine offiziell verordneten Idole, aber unsere Idole. Wobei Pittiplatsch wohl schon immer einer von uns war und Schlapperplapper später dann sowieso, allerdings streng konspirativ versteht sich. Es war halt nicht alles schlecht, der Fußball und die Szene schon gar nicht.
Die Elbe floss weiter vor sich hin. Du nahmst, aus welchen Gründen auch wirklich, Deinen Abschied als Spieler. Es gab einiges zu lesen, über Dich und auch von Dir selbst – noch später dann, als endlich jeder über jeden und auch über sich selbst so gut wie alles medial verbreitete, was eben so raus musste nach all den gefühlten Jahrhunderten in der DDR. Einiges davon war durchaus mit Erkenntnisgewinnen lesbar und interessant für weiterhin selbst denkende Menschen in Neu-Fünf-Land, aber eben nur einiges.
Noch später dann, die Elbe floss immer noch vor sich hin und Deine offiziell beschriebenen Funktionen im Fußball-Umfeld waren mal jene und mal diese, sah man Dich auch zuweilen wieder auf der Pressetribüne im alten sowie auch neuen Dresdner Rudolf-Harbig-Stadion. Wenn man Dich erkennt, anspricht, erwiderst Du freundlich die Grüße, wechselst einige Sätze. Und wer in Dresden erkennt Dich nicht, immer noch? Meistens kamst Du, wenn Du denn erschienst, allerdings später, gingst dafür eher – und irgendwann entschlüpfte Dir dann auch mal der launige Spruch, wenn Du guten Fußball sehen wölltest, würdest Du eh woanders hin gehen.
Tja – und jetzt gehst Du wohl wirklich, woher aus Deinem aktuellen Leben auch immer kommend. Wie mehrere Medien berichten, wandelst Du, lieber Hans-Jürgen ’Hansi’ Kreische, in Richtung eines Vereins namens RasenBallsport Leipzig. Wie vermeldet wird, sollst Du ab 1. April mit einem Zweijahresvertrag bei besagtem NOFV-Süd-Oberligisten als Chefscout agieren, zuständig für die Bereiche Scouting, Spielbeobachtung und Spielvorbereitung.
Du selbst, schreiben zumindest LVZ-Online und die angeblich auflagenstärkste deutschsprachige Boulevardzeitung unisono, freust Dich auf Deinen neuen Job bei RB Leipzig, bist der Meinung: “RB Leipzig tut dem Fußball im Osten und in der Region gut. Und warum sollte es kein Miteinander mit Dynamo geben …“.
Ja, werter Herr Hans-Jürgen Kreische: Man weiß eigentlich gar nicht so richtig, wo die Erinnerungen an Dich angefangen haben. Erinnerungen werden aus gewissen Sichtwinkeln später doch manchmal eher farblos und beliebig, sehr beliebig mitunter; irgendwie schade eigentlich. Und die Elbe fließt weiter.
[Dieser Artikel wurde am 2. März 2010 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]