Archiv der Kategorie: MedienScreen

Ultras: Rückblick voraus?

Vor bereits gut einem Monat veröffentlichte das Magazin Blickfang Ultra (BFU) in einer Sonderausgabe etwas so bislang noch nicht praktiziertes und präsentierte – in gewohnt hochwertiger Druckqualität – “einen einzigartigen und noch nie dagewesenen Rückblick auf die vergangene Saison“ aus der Sichtweise von 46 Ultra-Gruppierungen aus dem Bundesgebiet der Republik.

Umrahmt von zahlreichen Fotos bilanzieren die Gruppen auf insgesamt 276 Seiten in unterschiedlicher Quantität – und durchaus auch unterschiedlicher Qualität – ihre jeweilig spezifische Sicht zu Ereignissen und Entwicklungen im zurückliegenden Fußballjahr, zu Höhen und Tiefen, zu Gängelung und Repression; aber auch in Hoffnung auf Änderung der offenbar immer mehr um sich greifenden restriktiv unhaltbaren Zustände gegenüber des aktiven Fanbereiches.

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“Zustande gekommen sind ehrliche, selbstkritische, aber auch nachdenkliche und somit sehr interessante Texte“ (BFU), die letztendlich mehr als nur ein Spotlight auf und in die bundesdeutsche Fußballszene werfen. Gleichzeitig wird allerdings im Vorwort der gedruckten Ausgabe auch die Entstehungsgeschichte des Heftes ein klein wenig näher beleuchtet, die scheinbar von geprägten Abneigungen untereinander über generelle Verweigerung zur Mitarbeit bis hin zum unterstellten “Schwanzvergleich“ innerhalb eines solchen Projektes reichte. Derlei interne Querelen sind letztendlich aber dem vorliegenden Endprodukt nicht anzumerken, anzulasten ist jedenfalls die gefühlte Unvollständigkeit der Gruppen-Rückblicke den engagierten Machern des Heftes sowieso mitnichten.

Bei diesem saisonalen Rückblick kommen aus dem ostdeutschen Raum sieben Ultra-Gruppierungen zu Wort und Bild. Grund genug, auszugsweise einige deren hervorstechend dargestellten Statements gruppenalphabetisch widerzuspiegeln und gleichzeitig vielleicht auch ein wenig Lust zum ausführlicheren weiterlesen zu implizieren.

* Block U Magdeburg # 1. FC Magdeburg –

“Gepaart mit einem ’Discoverbot’ bis zum Saisonende schienen diese Ansagen zu wirken und am vorletzten Spieltag konnte der Klassenerhalt quasi sicher gemacht werden. Glückliches Ende einer selten miesen Saison! (…) Konflikte wie in anderen Städten sind bei uns undenkbar und werden nicht geduldet (…)“

* Erfordia Ultras # FC Rot-Weiß Erfurt –

“Plötzlich war jeder unbekannte Typ, der bei den Spielen im Block Platz suchte, seit Ewigkeiten ein glühender Anhänger und lebte den Ultragedanken Tag und Nacht (…) Das Dach sollte helfen, das Potential der Erfurter Fanschar unter Beweis zu stellen, doch der Kartenverkauf erfolgte über den Verein und so gesellte sich wieder Hinz und Kunz in den Stimmungskern und schmälerte das gewünschte Ziel merklich (…)“

* Horda Azzuro # FC Carl Zeiss Jena –

“Das Thema der Stadionverbote ist in Jena ungebrochen omnipräsent, auch weil wir als Gruppe nicht nachlassen, der Thematik immer und immer wieder eine zentrale Rolle in unserem Miteinander zukommen zu lassen. Allerdings entsteht durch die gesonderte und unheimlich solidarische Behandlung der Diffidati auch die Gefahr, dass der Zustand ’Stadionverbot’ für junge Ultras eine gewisse Anziehungskraft besitzt (…) Zu viel situationsbedingte und emotionale Kräfte spielten eine Rolle, als dass es Sinn macht, alles zu verteufeln oder im Gegenzug uneingeschränkt zu rechtfertigen. Fußball! (…) Die Thematik ’Massenkompatibilität vs. Kreativität’ beschäftigte uns in dieser Spielzeit ohnehin wieder häufig, wobei sich dies auch in den vergangenen Jahren lediglich in der Intensität anders darstellte. Fest steht, dass die Wahl nicht so einfach ist, da es nicht nur Schwarz und Weiß gibt und beide Vorgehensweisen auch keinesfalls immer den entsprechend erwarteten Erfolg mit sich bringen (…)“

* Red Kaos # FSV Zwickau –

“Es fällt uns auch jetzt noch schwer, das Geschehene in Worte zu verpacken, denn der Frust und die grenzenlose Enttäuschung sind immer noch nicht abgeklungen (…) Wenngleich wir selber nur darauf warteten, wann uns der Spagat zwischen Ultra und Verein das Genick brechen würde (…) Für Außenstehende wahrscheinlich schwer verständlich, haben wir eben über Jahre eine ganz besondere und vielleicht eigene Beziehung zum Spielgeschehen entwickelt, sodass oberflächig betrachtet der Eindruck entstehen könnte, wir singen stets völlig losgelöst von allen Ereignissen (…)“

* Saalefront Ultras # Hallescher FC –

“Die Saison 2010/11 stand von Anfang an unter keinem guten Stern und gehört rückblickend zum absoluten Tiefpunkt der Gruppe Saalefront und der Ultraszene Chemie Halle (…) Insgesamt gesehen war die Saison ein fast durchgängiger Tiefpunkt mit einigen kleinen Ausreißern nach oben. Das Verhältnis zwischen Vorstand und Ultras wird immer eisiger (…)“

* Ultras Chemnitz # Chemnitzer FC –

“Die Saison war geprägt von Euphorie, die man allerdings nicht wirklich nutzen konnte. Teilweise musste man zu viel Kleinkrieg untereinander ertragen, anstatt sich die Euphorie zu Nutze zu machen und einen geilen Auftritt auf’s Parkett zu legen (…) Alles wurde ausdiskutiert, statt einfach zu machen. Eine gewisse Portion Spontanität fehlt einfach zur Zeit und sorgt dafür, dass diverse Ideen eben doch nicht umgesetzt werden (…) Der Verlust einer weiteren Generation von potentiellen Ultras wäre für unsere Gruppe und die Szene fatal, das ist uns klar (…)“

* Ultras Dynamo # SG Dynamo Dresden –

“Intern durchlief die Gruppe eine Berg- und Talfahrt zwischen beinahem Zerfall der Gruppe und denkwürdiger Zehnjahresfeier (…) Klar geworden ist uns mittlerweile, dass es in Dresden nahezu unmöglich ist, eine 9.000-Personen-Tribüne zum dauerhaften Singen zu animieren. Das zu realisieren, war teils schmerzhaft und sorgte nachvollziehbar für Unmut (…) Um das medial geförderte Bild vom betrunkenen, partygeilen Idioten, für den jede Sicherheitsmaßnahme recht ist, zu bekämpfen und für eine bunte & freie Entfaltung der Fankurven zu protestieren, nahm die Dynamo-Szene ebenfalls an der Fandemo 2010 in Berlin teil. Wie bereits im BFU kommentiert, betrachten wir diese Demo als bedeutsamen und sehr konstruktiven Meilenstein in der deutschen Ultra-Bewegung (…)“

Der Vollständigkeit halber sei natürlich noch angemerkt, welche Gruppierungen der bundesdeutschen Ultra-Szene im BFU-Saisonheft 2010/11 darüber hinaus ebenfalls vertreten sind –

Boys Offenbach, Ultras Hannover, Brigade Nord 99, Commando Cannstatt, Frenetic Youth, Generation Luzifer, Kohorte Duisburg, Nordkaos Victoria Hamburg, Ultras Nürnberg, Ultraszene Mainz, Ultras Black Side, Ultras Darmstadt, Insane Ultra Trier, Karlsbande Ultras Aachen, Turnschuhcrew Siegen, Legio Augusta, Schickeria München, Ultras Essen, Horidos 1000 Fürth, Supporters Worms, Ultras Bochum, Ultras Regensburg, Weekend Brothers Wolfsburg, Commando Donnerschwee, Boys Saarbrücken, Ultra Kollektiv Lübeck, Wilde Jungs Freiburg, Amisia Ultra Meppen, Ultras Wuppertal, Wilde Horde Köln, Coloniacs, Ultras Krefeld, The Unity, Szene E Reutlingen, Ultras Mannheim, Violet Crew Osnabrück, Ultras Gelsenkirchen, Chosen Few Hamburg, Lokal Crew Bielefeld

Das 276-seitige Saisonheft 2010/11 von Blickfang Ultra ist mit fünf Euro ausgepreist und beim Händler des jeweiligen Vertrauens aktuell durchaus noch erhältlich.

[Dieser Artikel wurde am 18. August 2011 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

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Offener Brief an Dynamo Dresden

Sehr geehrte Herren und Damen bei der SG Dynamo Dresden,

Sie geruhten, Ostfussball.com bis dato eine Dauerakkreditierung für die Heimspiele der Saison 2011/12 zu verwehren. Das ist – auch formal presserechtlich gesehen – unbestritten Ihr gutes Recht. Ein Presseausweis ist lediglich ein Hilfsmittel zur Arbeitserleichterung hinsichtlich der journalistischen Tätigkeit und selbstverständlich bleibt es allen privaten und öffentlichen Stellen selbst überlassen, diese Tätigkeit zu unterstützen.

Ihre Medienabteilung geruhte die Ablehnung der Akkreditierung eines Redakteurs von Ostfussball.com lediglich mit den in der 2. Liga deutlich gestiegenen [Sicherheits?-] Anforderungen der Deutschen Fußball Liga (DFL) für eine Presseakkreditierung sowie einem begrenzten Platzangebot auf der Pressetribüne des Stadions an der Lennéstraße zu begründen. Eine Anfrage nach etwaigen Platz-Alternativen – wie bei anderen Vereinen bei ausgereiztem Kontingent im Pressebereich so durchaus gehandhabt – wurde seitens Ihrer Medienabteilung abschlägig beschieden, konkretere Versagungsgründe für eine Akkreditierung nicht dargelegt. Wie bereits erwähnt – unrecht ist es Ihrerseits nicht,  so mit Akkreditierungsersuchen zu verfahren.

Allerdings scheint es schon bemerkenswert, dass selbiger – auch für Ostfussball.com – journalistisch tätiger Autor bislang fast ein Jahrzehnt lang problemlos bei der SG Dynamo Dresden (SGD) akkreditiert worden ist. Auch bemerkenswert ist, dass die letzte bezügliche Akkreditierung zum Relegationsspiel um die jeweilige Ligazugehörigkeit gegen den VfL Osnabrück – bereits unter besagten DFL-Richtlinien – ohne weiteres akzeptiert wurde. Und bemerkenswert ist ebenso, dass bei dem als brisant eingestuften Ost-Derby in der aktuellen 2. Liga gegen den 1. FC Union Berlin auf der durchaus großzügig dimensionierten Pressetribüne in Dresden augenscheinlich rund 50 Plätze unbesetzt waren.

Gleichfalls bemerkenswert bleibt es irgendwie, dass weder die bei Ihnen, der SG Dynamo Dresden, in Verantwortung stehenden Herren Volker Oppitz, Stefan Henke, Holger Scholze, Henry Buschmann und Jan Männig bislang auch nur ansatzweise auf Anfragen reagiert haben, die bereits vor Tagen schon seitens Ostfussball.com hinsichtlich der Verweigerungsgründe einer Akkreditierung durch die SGD beziehungsweise der DFL gestellt wurden.

Keinerlei Antworten von Ihnen aus Dresden, von der Sportgemeinschaft Dynamo? Also geruht Ostfussball.com öffentlich zu fragen: Werden etwa Redakteure von Ostfussball.com neuerdings seitens der SGD oder der DFL mittlerweile als Sicherheitsrisiko eingestuft oder sind sonstweitig mit irgend einem Stigma behaftet? Fragen über Fragen, aber nachfragen dürfen wird man wohl noch mal?

Der Ball liegt, um im fußballerischen Bild zu bleiben, auf Ihrer Seite des Spielfeldes. Formal sind Sie durch nichts verpflichet, ihn zurück in unsere Hälfte zu spielen. Aber gut, dass wir darüber gesprochen haben.

Mit freundlichen Grüßen

[Dieser Beitrag wurde am 14. August 2011 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

Dynamo Dresden: Schnöder Online-Auftritt

Kalle und Kulle sind zuweilen öfter im World Wide Web unterwegs, gerade an einem trübe verregneten Wochenende. Nicht, dass die zwei keine Freundinnen oder Freunde hätten, die beiden informieren sich halt einfach gern online hier und da aktuell über etwaige Neuigkeiten – gerade an einem trübe verregneten Wochenende – zumal, wenn Freundinnen und Freunde etwas anderes vorhaben. Bei ihren Recherchen sind die zwei Freunde zudem ziemlich versiert im Umgang mit ihrer Rechentechnik in der heimischen Wohngemeinschaft. Und da Kulle und Kalle, wie die Nachbarn oft lautstark hören können, dem Fußballsport als solchem zugetan sind, tangieren ihre Online-Ausflüge natürlich auch mehr als lediglich mitunter fußballerisch relevante Homepages.

“Schau mal“, sagt Kalle zu Kulle, dabei von seinen zwei Bildschirmen kurz aufblickend, “ich lese hier gerade bei Ostfussball.com, dass laut den Angaben von meedia.de die Dresdner Dynamos neben ihrem realen Aufstieg sogar auch noch quasi Drittliga-Internet-Meister geworden sind und zudem in der letzten Saison wohl mehr Besucher auf der offiziellen Website des Vereins hatten, als alle Zweitliga-Clubs und acht der Bundesliga-Vereine“.

“Dynamo Dresden?“, murmelt Kulle fragend vor sich hin – dabei ebenfalls kurz von den vor ihm flimmernden zwei Bildschirmen aufblickend – “Basecap ab für so eine solide Leistung als Drittligist im virtuellen Raum“, und weiter grinsend: “Ach ja, unspannend war der reale Aufstieg der Dresdner über die Relegation ja auch nicht gerade“.

Nach einer längeren – lediglich durch Tastaturklappern unterbrochenen – Stille flüstert Kalle plötzlich: “Kulle, magst du Tetris?“ Und Kulle schreckt – welche Websites auch immer gerade betrachtend – hoch und stöhnt: “Auweia, ja, ich zocke das Teil manchmal immer noch, unerreicht genial, kann regelrecht süchtig machen, so simpel das Game auch ist“. “Ah ja, du bist ja schließlich auch ein Online-Urgestein“, antwortet Kalle.

Schweigen, Tastaturgeklapper, leise Musik im Hintergrund … Fünf Minuten später Kulle: “Warum fragst du eigentlich gerade jetzt nach Tetris, dem Spiel meiner längst verflossenen Jugend?“ und schaut grinsend zu Kalle.

“Ach“, antwortet Kalle, “ich habe hier eine Homepage auf einem meiner Schirme, die schaut sich an, als hätte sie ein Tetris-Fan mal so nebenbei entworfen und dann einfach ins Web gestellt“. “Eine neue Tetris-Fan-Site?“, wird Kulle aufmerksam. “Nö“, entgegnet Kalle, “hat irgendwas mit Fußball zu tun, also auch mit Fans, allerdings lese ich gerade eine Mitteilung, es sei eine Übergangswebsite oder so“.

Kulle nuschelnd: “Und du hast doch was gegen Tetris, du jünglicher Ignorant der Old-School-Online-Zeiten“. Dann deutlicher: “Los, schick’ mir mal den Link der Seite, wenn du mich jetzt schon neugierig gemacht hast“. “Quark“, sagt Kalle, “wir sitzen im selben Raum und dann schicke ich dir virtuell einen Link, hast’e sie noch alle? Ich sag’ ihn dir einfach, kannst ja gleich in deinen Browser mitmeißeln … Moment … dynamo-dresden.de“.

Stille. Lange Stille. Dann die Stimme von Kulle: “Ich spiele jetzt lieber Tetris“. Kalle: “Es ist doch nur eine so genannte Übergangswebsite, hast du denn die Infos nicht gelesen?“ Kulle: “Lass mich in Ruhe, ich drehe gerade die Würfel bei Tetris …“.

[Dieser Artikel wurde am 3. Juli 2011 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

Dynamo Dresden: Foto-Magazin zum Aufstieg – und wie weiter?

Nur gut eine Woche nach dem – letztendlich über die Relegationsspiele gegen den VfL Osnabrück – geglückten Aufstieg der SG Dynamo Dresden (SGD) in die nächstsaisonale 2. Bundesliga kann sich nun der mehr oder auch weniger interessierte Fußballfan die vielleicht schönsten und ebenso aufregendsten Fotos dieses Ereignisses in aller Ruhe gedruckt in den Händen haltend betrachten, zu Gemüte ziehen und dabei noch einmal in quasi erst kurz zurückliegenden Erinnerungen schwelgen.

Der Dresdner Sport-Fotograf Frank Dehlis (dehli-news.de) hat gemeinsam mit Stefan Großmann, für Redaktion und Layout verantwortlich zeichnend, ein zeitnahes Foto-Magazin über Dynamos Aufstieg (“Die SGD ist wieder da …“) geschaffen, welches ab sofort beim jeweiligen Händler des eigenen Vertrauens erhältlich ist. Direkt bestellbar sind “Die Bilder des Erfolges“ zum Preis von fünf Euro gleichfalls über dynamo-wochenkalender.de, der Homepage zum bereits seit Jahren schon publizierten “kleinen Dicken“, dem jährlichen Dynamo-Jahreskalender.

Nach dem ganzen Erinnerungsschwelgen dann könnte man aktuell allerdings schon durchaus fragen wollen, wohin denn die Reise der SGD in der 2. Bundesliga gehen soll – vor allem auch auf dem Rasen. Bislang mindestens elf offiziell bestätigten Abgängen aus dem “Aufstiegshelden“-Kader 2010/11 stehen derzeit lediglich hier und da kolportierte zweieinhalb Neuverpflichtungen entgegen.

Die Dresdner Morgenpost jedenfalls resümierte am 4. Juni, dass Dynamos Mannschaft nach dem Aufstieg das halbe Gesicht verloren habe (“Konstanz sieht anders aus“) und zitierte zudem dahingehend SGD-Chefscout Hans-Jürgen ’Dixie’ Dörner: “Es ist sicher nicht normal, dass so viele weggeh’n“ – wie immer so eine Aussage auch gemeint ist und zu werten sein mag.

[Dieser Artikel wurde am 4. Juni 2011 bei Ostfussball.com veröffentlicht.]

MedienScreen # 7 [Fern gesehenes Relegationsspiel, NDR, MDR, Medien]

[Fundstück] “Realität – nur eine Frage der Regie“, politplatschquatsch.com, 27. Mai 2011 –

(…) Die Realität, sie ist noch stets nur eine Frage der Regie. Als Dynamo Dresden im Relegationsspiel in Osnabrück kurz vor dem größten Erfolg der letzten Jahre stand, waren sie natürlich auch wieder da. Eine Handvoll Irrer, die die Gelegenheit passend fanden, genau jetzt die mitgebrachten bengalischen Feuer zu zünden, um ihrer Freude auf eine Weise Ausdruck zu verleihen, die – ein wenig bösen Willen vorausgesetzt – den Schiedsrichter auch hätte veranlassen können, das Spiel abzubrechen. Osnabrück wäre dann in der 2. Liga geblieben, Dresden in der 3.

Sehen konnte das Ausmaß der Ausschreitungen allerdings nur, wer als Osnabrück-Anhänger die Übertragung des NDR sah. Der MDR, der den sächsischen Traditionsklub mit einem eigenen Team nach Norden begleitet hatte, um den Fans zu Hause einen landsmannschaftlich-begeisterten Kommentar zu bieten, reagierte schnell. Solche Bilder will man daheim nicht sehen, entschied die Regie. Solche Bilder muss daheim auch keiner sehen. Wie sieht das denn aus? Und zeigte statt der brennenden Dynamo-Kurve, der herumirrenden Spieler und des heftig diskutierenden Schiedsrichters minutenlang unverfängliche Wiederholungen von Spielszenen. Das Live-Bild mit dem, was wirklich geschah in Osnabrück, packte die Sendeleitung in ein kleines Kästchen am Bildschirmrand.

Ausschreitungen? Immer dasselbe mit den Fans von der Elbe? Aber woher denn! Das große Dynamo-Herz der MDR-Verantwortlichen ließ den peinlichen Eklat genau auf dieselbe Art zu einer Marginalie schrumpfen, wie ihr aufklärerisches Engagement seinerzeit die blödsinnigen “antisemitistischen“ (MDR) “Juden Jena“-Rufe von HFC-Fans zu einer Staatsaffäre aufgeblasen hatten.

Welche Verwunderung muss in Dresden herrschen, wenn der DFB nun ein “Nachspiel“ der “Jagd- und Prügelszenen am Rande des Relegationsspiels zwischen dem VfL Osnabrück und Dynamo Dresden“ ankündigt, wo doch großartige Jagd- und Prügelszenen beim Nachfolgesender des DDR-Fernsehens gar nicht zu sehen waren? Und die “Sächsische Zeitung“ auch nur sehr sparsam darüber berichtet? “Bereits während der Partie hatten Dynamo-Anhänger auf der Tribüne Fahnen angezündet und Feuerwerkskörper abgebrannt“, weiß man immerhin bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (…)

Der Schiri habe die Partie aus Sicherheitsgründen einige Sekunden vor dem Ablauf der regulären Spielzeit abgepfiffen, weil Dynamo-Fans aufs Spielfeld drängten. Beim Sturm der Fans kam es dann zu “Tritten und Schlägen gegen Beamte, Ordner und Fotografen, im Stadion wurden Kameras, Werbebanden und Sitzschalen zerstört“. Sätze, die laut Google-News keine Ostzeitung auch nur sinngemäß druckt. Dafür aber alle West-Medien. Hier die Angst, dem Fußballstandort zu schaden. Dort die klammheimliche Freude, dem ballspielenden Osten alle Klischees als völlig korrekt unter die Nase reiben zu können.

“Ostklubs sind eine Bereicherung“, höhnt das Hamburger Abendblatt. Von “Hunnen oder Wandalen in der Völkerwanderungszeit“, sieht eine Zeitung in Offenbach. Die Blätter im Osten dagegen schweigen (…) Nicht einmal der MDR, der ja dabei war, findet auf seiner Homepage ein Plätzchen, Bilder der Ausschreitungen zu zeigen (…)

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Mit Dank & Gruß an PPQ und dortselbst im vollständigen Original.

[Dieser Beitrag wurde am 27. Mai 2011 bei Ostfussball.com publiziert.]